BPatG München 25. Senat, Beschluss vom 15.03.2021, AZ 25 W (pat) 41/20, ECLI:DE:BPatG:2021:150321B25Wpat41.20.0
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2013 007 604.4
hier: Antrag auf Akteneinsicht
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 15. März 2021 unter Mitwirkung der Richterin Kriener, des Richters Schödel und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin hat am 10. September 2020 beim Deutschen Patent- und Markenamt einen Antrag auf Einsicht in die Akten der Anmeldung 30 2013 007 604.4 gestellt und diesen mit der gegen sie gerichteten Abmahnung von Seiten der damaligen Anmelderin vom 11. August 2020 begründet. Die am 6. November 2013 angemeldete Wort-/Bildmarke 30 2013 007 604.4 ist nicht zur Eintragung gelangt.
2
Mit Schreiben vom 22. September 2020 hat die Markenstelle für Klasse 42 durch einen Beamten des höheren Dienstes unter Bezugnahme auf den zuvor der Antragstellerin zugestellten Bescheid vom 18. September 2020 der Antragstellerin mitgeteilt, dass die maßgebliche Verfahrensakte bereits vernichtet sei und dem Antrag daher nicht nachgekommen werden könne. Nachdem die Anmeldung aus dem Jahr 2013 stamme und die Akten im Mai 2014 geschlossen worden seien, seien die zu der Zeit noch in Papierform geführten Akten turnusgemäß nach Ablauf von drei Jahren, nachdem die Anmeldung unanfechtbar erledigt worden sei, vernichtet worden. Die elektronische Schutzrechtsakte für Marken und geographische Herkunftsangaben sei erst im März 2015 eingeführt worden. Die vorliegend relevante Papierakte der Anmeldung sei daher einem Bestandsaktenscan nicht zugeführt worden, nachdem die Akte bereits vor diesem Stichtag geschlossen worden sei. Insoweit habe auch keine elektronische Aktenführung im Sinn der EAPatV (Verordnung über die elektronische Aktenführung bei dem Patentamt, dem Patentgericht und dem Bundesgerichtshof) vorgelegen. Soweit noch zu der Anmeldung gehörende Dokumente im IT-System vorhanden seien, gehörten diese nicht zu einer elektronischen Akte und könnten schon aus Datenschutzgründen nicht an Dritte herausgegeben werden.
3
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 24. September 2020 daraufhin vorgeschlagen, lediglich einen Ausdruck der digitalen Version des Prüfungsbescheids zu erhalten, auf welchem ein Vermerk angebracht werden könnte, dass dieser nicht rechtlich verbindlich sei. Auch dies hat die Markenstelle für Klasse 42 mit Bescheid vom 25. September 2020 unter Bezugnahme auf die Ausführungen in ihrem Schreiben vom 22. September 2020 abgelehnt.
4
Gegen die Ablehnung des Akteneinsichtsantrags richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Ansicht, dass ihr ein Anspruch auf Akteneinsicht nicht versagt werden könne, wenn eine in Papierform geführte Akte zwar aufgelöst, aber in digitalisierter Form noch vorliege. In einem Telefonat mit der Markenstelle für Klasse 42 vom 14. September 2020 habe die Beamtin des gehobenen Dienstes erwähnt, dass von der Papierakte Scans für das IT-System angefertigt worden seien. Zumindest eine Kopie bzw. einen Ausdruck des Prüfungsbescheids mit dem Vermerk über dessen Unwirksamkeit könne daher übermittelt werden.
5
Das Recht auf Einsicht in die Akten aus Anmeldeverfahren ergebe sich aus § 62 Abs. 1 MarkenG. Das rechtliche Interesse der Antragstellerin sei durch die Vorlage der von der damaligen Anmelderin ausgesprochenen Abmahnung gegenüber der Antragstellerin nachgewiesen worden. Dem Antrag stünden keine Datenschutzgründe entgegen, insbesondere handele es sich bei den Daten nicht um personenbezogene Daten. Darüber hinaus verweist die Antragstellerin auf die Verfahrenspraxis des EUIPO, wonach sämtliche Bescheide zu Markenanmeldungen grundsätzlich digital vorgehalten und über ein Portal (mit entsprechendem Account) jederzeit abgerufen werden könnten. Die abschlägige Entscheidung der Markenstelle verstoße gegen das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), insbesondere gegen den Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach § 1 IFG. Gemäß § 2 Nr. 1 IFG sei der Zugang zu amtlichen Zwecken dienenden Aufzeichnungen zu gewähren, unabhängig von der Art der Speicherung. Diesem Anspruch stünden vorliegend weder die in § 3 IFG benannten öffentlichen Belange noch die Ausnahmetatbestände nach § 5 und § 6 IFG entgegen. Auch erweise sich die Entscheidung der Markenstelle als unverhältnismäßig im Rahmen der Gesamtabwägung. Hintergrund der Akteneinsicht sei die Abmahnung aus einer mit der Anmeldung identischen europäischen Marke. Die europäische Anmeldung sei anders bewertet worden und zur Eintragung gelangt. Damit habe eine uneinheitliche rechtliche Einschätzung ein und desselben rechtlichen Vorgangs in einem weitgehend harmonisierten europäischen Markenrecht stattgefunden. Die Abspeicherung in dem internen IT-System des Deutschen Patent- und Markenamtes zeige im Übrigen, dass die Anmeldung offenbar wichtig genug gewesen sei, um für zukünftige Bewertungen ähnlicher Vorgänge noch abrufbar zu sein. Es sei offensichtlich unverhältnismäßig und willkürlich, dass die Akte für die Antragstellerin trotz des nachgewiesenen rechtlichen Interesses nicht einsehbar sei.
6
Die Handhabung der Einsicht in Akten, deren Papierakte aufgelöst, die aber – entsprechend dem technischen Fortschritt – digital vorgehalten würden, sei von großer Bedeutung für die rechtliche Information Dritter. Ein dementsprechendes Interesse sei in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren vom Gesetzgeber expressis verbis anerkannt worden. Es sei paradox, wenn der technische Fortschritt nicht zu einer besseren Information der Allgemeinheit diene und nur den Mitarbeitern des DPMA vorbehalten sei.
7
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
8
die Entscheidung der Markenstelle für Klasse 42 des DPMA vom 22. September 2020 aufzuheben und der Antragstellerin Einsicht in die Akten der Anmeldeakte 30 2013 007 604.4 zu gewähren.
9
Hilfsweise beantragt sie anzuordnen, dass eine Kopie der elektronischen Version des Zurückweisungsbeschlusses des DPMA übersendet werde.
10
Die Antragstellerin regt zudem die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Bescheid der Markenstelle für Klasse 42, auf die Schriftsätze der Antragstellerin, den rechtlichen Hinweis des Senats vom 10. Dezember 2020 sowie auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
12
Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenstelle für Klasse 42 vom 22. September 2020 ist gemäß § 66 Abs. 1 MarkenG statthaft und auch ansonsten zulässig. Unschädlich ist insoweit, dass die Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht nicht als formeller Beschluss bezeichnet ist, nachdem es sich um eine erkennbar abschließende Entscheidung der Markenstelle handelt (vgl. dazu Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 66 Rn. 6).
13
In der Sache hat die Beschwerde aber keinen Erfolg. Der Antrag auf Einsicht in die Akten der Markenanmeldung 30 2013 007 604.4 geht ins Leere, weil die maßgebliche Verfahrensakte bereits vernichtet worden ist.
14
Nachdem die Akten der Markenanmeldung, hinsichtlich derer die Akteneinsicht beantragt wird, im Jahr 2013, wie zum damaligen Zeitpunkt üblich, in Papierform geführt wurden, wäre eine Akteneinsicht nach § 62 Abs. 1 MarkenG grundsätzlich nur in die in Papierform geführte Akte möglich. Diese ist – wie gemäß der Geschäftsordnung des DPMA vorgesehen und im Übrigen auch mit der Mitteilung Nr. 2/01 des Präsidenten des DPMA über die Vernichtung von Akten des DPMA vom 22. Februar 2001 veröffentlicht (nicht eingetragene Markenanmeldungen: Ziffer 13) – drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Anmeldung unanfechtbar erledigt worden ist, reif zur Vernichtung. Das Amt hat glaubhaft mitgeteilt, dass die Akte turnusgemäß bereits vernichtet worden ist und keine Aktenteile mehr vorhanden sind. Eine Akteneinsicht ist mithin nicht mehr möglich.
15
Soweit die Antragstellerin beantragt, einzelne Schriftstücke, die eingescannt worden und noch bei der Markenstelle vorhanden seien, einsehen zu können, fehlt dafür jede Anspruchsgrundlage. Denn diese Schriftstücke sind nicht als tatsächliche Bestandteile der Anmeldeakte im Sinn von § 62 Abs. 1 MarkenG zu qualifizieren.
16
Dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit und Dritter an einer Information über getätigte Markenanmeldungen ist durch die Veröffentlichung der Anmeldung mit den wesentlichen Anmeldedaten und Informationen zum Verfahrensstand im DPMAregister Genüge getan (Registerauskunft). Den Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) gehen die Vorschriften des Markengesetzes als Lex Specialis vor (vgl. dazu auch Hacker/Ströbele/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 62 Rn. 1). Ein Anspruch Dritter auf Herausgabe von Unterlagen, die wie etwa Beschlussentwürfe oder ähnliches nicht zu den Akten genommen wurden und die unter Umständen noch vorhanden sein mögen, ist nicht ersichtlich.
17
Der Beschwerde der Antragstellerin war daher zurückzuweisen.
18
Das Verfahren zur Akteneinsicht war vorliegend ausnahmsweise als einseitiges Verfahren zu führen. Eine Beteiligung der damaligen Markenanmelderin war auch mit Rücksicht auf die Prozessökonomie nicht veranlasst, nachdem die Markenstelle nicht in die Prüfung der Voraussetzungen der Akteneinsicht nach § 62 Abs. 1 MarkenG eingetreten ist, weil dafür keine Veranlassung bestanden hat.
19
Gründe, die für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde etwa zur Klärung von Fragen des Interesses der Öffentlichkeit an Informationen zu Markenanmeldungen oder zum Verhältnis der Bestimmungen des IFG zu denjenigen des Markenrechts sprächen, sind vorliegend aus Sicht des Senats nicht gegeben. Nachdem die Akten der Markenanmeldung nicht mehr vorhanden sind, kommt es im vorliegenden Fall auf diese Fragen nicht entscheidungserheblich an. Insoweit ist für eine Vorlage nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kein Raum.
20
Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem ein entsprechender Antrag nicht gestellt worden war, § 69 Nr. 1 MarkenG und der Senat sie auch nicht für sachdienlich gehalten hat, § 69 Nr. 3 MarkenG.