BVerwG 3. Senat, Beschluss vom 08.02.2021, AZ 3 B 36/19, ECLI:DE:BVerwG:2021:080221B3B36.19.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 5. Juli 2019, Az: 20 A 1165/16, Urteil
vorgehend VG Münster, 19. April 2016, Az: 1 K 2781/14, Urteil
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Juli 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1
Der Kläger ist ein nach dem Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine des Landes Nordrhein-Westfalen (TierschutzVMG NW) anerkannter Tierschutzverein und begehrt Einsicht in die Akten eines Verwaltungsverfahrens.
2
Im September 2014 zeigte er dem Beklagten an, dass ein Schweinezuchtunternehmen Sauen in zu schmalen Kastenständen halte. Nachfolgend beantragte er, an dem Verfahren gegen das Unternehmen beteiligt zu werden und Akteneinsicht zu erhalten. Das lehnte der Beklagte ab. Die hierauf erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger sei nicht klagebefugt, denn das TierschutzVMG NW gewährleiste offensichtlich weder ein Beteiligungsrecht an einem auf die Anordnung tierschutzrechtlicher Maßnahmen nach § 16a TierSchG gerichteten Verfahren, noch ein diesbezügliches Akteneinsichtsrecht. Das sei auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Ansprüche aus dem TierschutzVMG NW seien zudem ausgeschlossen, weil das Gesetz zwischenzeitlich außer Kraft getreten sei. Die geltend gemachten Beteiligungs- bzw. Akteneinsichtsrechte ergäben sich offensichtlich auch nicht aus dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht. Der Kläger sei nicht von Gesetzes wegen als Antragsteller Beteiligter des Verwaltungsverfahrens gegen das Schweinezuchtunternehmen. Auch die Voraussetzungen einer Hinzuziehung im Ermessenswege seien nicht erfüllt. Lege man das TierschutzVMG NW zugrunde, so könne Akteneinsicht wegen seiner abschließenden Regelung auch nicht nach allgemeinen Grundsätzen im Ermessenswege gewährt werden. Zudem fehle es an einem berechtigten Interesse, da der Kläger tatsächlich ausreichend informiert gewesen sei, um von seinem Verbandsklagerecht Gebrauch zu machen. Ein berechtigtes Interesse fehle auch wegen des Außerkrafttretens des TierschutzVMG NW und des damit einhergehenden Wegfalls des Verbandsklagerechts. Soweit der Kläger – mit Blick auf das Außerkrafttreten des TierschutzVMG NW – hilfsweise die Feststellung begehre, dass ein Akteneinsichtsrecht bestanden habe, fehle es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse.
II
3
Die auf alle Revisionsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
4
1. Der Kläger wendet sich mit dem Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gegen die Auslegung des TierschutzVMG NW. Das Oberverwaltungsgericht hat verneint, dass sich aus diesem Gesetz das Recht eines anerkannten Tierschutzvereins ergebe, an Verwaltungsverfahren über tierschutzrechtliche Anordnungen nach § 16a TierSchG beteiligt zu werden und Akteneinsicht zu erhalten. Der Kläger meint, das sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
5
a) Er wirft die Frage auf (4.1), ob
Art. 9 GG einem anerkannten (Tierschutz-)Verein das Recht vermittelt, zur Vorbereitung der Ausübung seines landesrechtlich begründeten Klagerechts auf Erlass tierschutzrechtlicher Anordnungen nach § 16a TierSchG gegen Dritte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierschutzVMG NW) Einsicht in die zu den tierschutzrechtlich relevanten Verhältnissen bei der zuständigen Verwaltungsbehörde geführten Akten zu nehmen und/oder am eingeleiteten oder noch einzuleitenden Verwaltungsverfahren in Bezug auf Maßnahmen gegen den Dritten nach § 16a TierSchG beteiligt zu werden.
6
Die Frage bedürfe der Klärung, denn das Bundesverfassungsgericht habe zwar entschieden, dass sich aus Art. 9 GG kein Recht eines Vereins ergebe, ausschließlich objektivrechtliche Interessen gerichtlich geltend zu machen. Hier bestehe jedoch ein Verbandsklagerecht und es gehe um Vorwirkungen auf das Verwaltungsverfahren.
7
Ein Klärungsbedarf ist damit nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
8
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Schutz des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sowohl für die Mitglieder als auch für die Vereinigung die Gründung, die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren der Willensbildung und die Führung der Geschäfte umfasst, also das Recht auf Entstehen und Bestehen in der gewählten gemeinsamen Form. Nicht Teil der Gewährleistung aus Art. 9 Abs. 1 GG sind dagegen Tätigkeiten jenseits der Handlungen zur Entstehung und zur Erhaltung des Bestands der Vereinigung; sie sind vielmehr nach Maßgabe der Grundrechte und grundrechtsgleichen Gewährleistungen geschützt, in deren Schutzbereich sie sich bewegen (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 1 BvR 1474/12, 670/13, 57/14 [ECLI:DE:BVerfG:2018:rs20180713.1bvr147412] – BVerfGE 149, 160 Rn. 98). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht bereits in der vom Kläger genannten Entscheidung ausgeführt, dass aus Art. 9 Abs. 1 GG unmittelbar kein Verbandsklagerecht folgt und es dem Gesetzgeber freisteht, derartige Klagerechte einzuführen und sie gegebenenfalls nach sachgerechten Kriterien zu begrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2001 – 1 BvR 481/01, 518/01 [ECLI:DE:BVerfG:2001:rk20010510.1bvr048101] – NVwZ 2001, 1148 <1149>). Wird gleichwohl – wie vom Kläger – geltend gemacht, aus Art. 9 Abs. 1 GG ergäben sich über das einfachgesetzlich eingeräumte Klagerecht hinaus Rechte im vorgelagerten Verwaltungsverfahren, so bedarf es einer näheren Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und Darlegung, woraus sich diese ergeben könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. September 1999 – 11 B 22.99 – juris Rn. 7). Derartige Ausführungen enthält die Beschwerde nicht.
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b) Die gleiche Frage möchte der Kläger mit Blick auf die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG geklärt wissen (4.2). Er stützt die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage auf die Urteile des Senats zur Frage des Tötens männlicher Küken (BVerwG, Urteile vom 13. Juni 2019 – 3 C 28.16 [ECLI:DE:BVerwG:2019:130619U3C28.16.0] – BVerwGE 166, 32 sowie – parallel – 3 C 29.16 [ECLI:DE:BVerwG:2019:130619U3C29.16.0]) und meint, aufgrund der in diesen Urteilen hervorgehobenen Stärkung des Tierschutzes und der Wirksamkeit tierschützender Bestimmungen erscheine ein Verbandsklagerecht ohne Akteneinsicht und Beteiligung am Verwaltungsverfahren mit Art. 20a GG nicht vereinbar.
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Auch insoweit setzt sich der Kläger nicht hinreichend mit der Rechtsprechung auseinander und legt den behaupteten weiteren Klärungsbedarf nicht in der erforderlichen Weise dar (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
11
Es ist geklärt, dass sich ein Recht eines Vereins, ausschließlich objektivrechtlich geschützte Interessen gerichtlich geltend zu machen, nicht aus Art. 20a GG ergibt; die Bestimmung vermittelt als Staatsziel keine subjektiven Rechte (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2001 – 1 BvR 481/01, 518/01 – NVwZ 2001, 1148 <1149>). Die Staatszielbestimmung richtet sich in erster Linie an den Normgeber, dem zur Konkretisierung ein weiter Gestaltungsspielraum belassen ist, ohne ihn auf bestimmte zur Erreichung des Staatsziels heranzuziehende Mittel festzulegen (BVerwG, Beschluss vom 10. September 1999 – 11 B 22.99 – juris Rn. 7 m.w.N.). Dieser weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gilt auch mit Blick auf den Tierschutz, der nachträglich in Art. 20a GG eingefügt wurde. In Bezug auf Verfahrensnormen, durch die gewährleistet werden soll, dass dem Verordnungsgeber bei der Setzung tierschutzrechtlicher Standards die gebotenen Fachinformationen zur Verfügung stehen, hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass sich eine bestimmte Ausgestaltung der Art und Weise, in der dies geschieht, nicht aus Art. 20a GG ableiten lässt (BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 – 2 BvF 1/07 [ECLI:DE:BVerfG:2010:fs20101012.2bvf000107] – BVerfGE 127, 293 Rn. 122). Der Kläger setzt sich mit diesen Erkenntnissen nicht auseinander und zeigt nicht auf, woraus sich die geltend gemachte verfassungsrechtliche Verengung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ergeben soll, nach der das einfachgesetzlich bestehende Verbandsklagerecht so ausgestaltet sein müsste, dass mit ihm Rechte in einem vorausgehenden Verwaltungsverfahren verbunden wären.
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c) Des Weiteren wirft der Kläger die Frage auch hinsichtlich der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf (4.3). Ohne vorausgehende Akteneinsicht und Verfahrensbeteiligung seien nicht nur die Aussichten auf behördliche Abhilfe beeinträchtigt, sondern vor allem auch die Erfolgschancen vor Gericht. Die Effektivität des Verbandsklagerechts werde hierdurch entwertet.
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Damit ist ein verfassungsrechtlicher Klärungsbedarf ebenfalls nicht in der erforderlichen Weise herausgearbeitet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
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Der Rechtsschutz, den Art. 19 Abs. 4 GG dem Einzelnen im Hinblick auf seine subjektiven öffentlichen Rechte gewährt, verlangt eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Zur Effektivität des Rechtsschutzes gehört es, dass das Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen kann. Soweit die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, wird die Kenntnisnahme durch das Gericht von dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG umschlossen (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 – 1 BvR 385/90 [ECLI:DE:BVerfG:1999:rs19991027.1bvr038590] – BVerfGE 101, 106 <122 ff.>). Damit korrespondiert das Einsichtsrecht der am gerichtlichen Verfahren Beteiligten in die vorgelegten Akten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die verfassungsrechtliche Gewährleistung ist zunächst auf die gerichtliche Kontrolle begrenzt. Anerkannt sind allerdings Vorwirkungen im behördlichen Verfahren, soweit bestehende materielle Rechte, insbesondere Grundrechte anderenfalls gerichtlich faktisch nicht geltend gemacht werden könnten (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03, 2357/04, 603/05 [ECLI:DE:BVerfG:2007:rs20070613.1bvr155003] – BVerfGE 118, 168 <207> m.w.N.). Die gerichtliche Überprüfung kann aber nicht weiter reichen als die materiell-rechtliche Bindung der Exekutive; die geschützten Rechtspositionen selbst ergeben sich nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG, sondern werden darin vorausgesetzt (BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 – 2 BvR 1444/00 [ECLI:DE:BVerfG:2001:rs20010220.2bvr144400] – BVerfGE 103, 142 <156>.
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Das Oberverwaltungsgericht hebt hervor, dass das Verbandsklagerecht nach § 1 TierschutzVMG NW gerade kein Mittel zur Wahrung subjektiver Rechte des Verbands, sondern eine allein im öffentlichen Interesse geschaffene Möglichkeit sei. Es knüpft mit dieser Aussage daran an, dass anerkannte Vereine nach Maßgabe des § 1 TierschutzVMG NW Rechtsbehelfe einlegen können, ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen. Der Gesetzgeber hat damit die Klagebefugnis nicht materiell durch die Einräumung subjektiver Rechte begründet, sondern prozessual im Sinne einer Ausnahme davon, die Verletzung subjektiver Rechte geltend machen zu müssen (§ 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO). Dieser prozessuale Weg ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts außerhalb des Regelungsbereichs des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angesiedelt; er besteht neben dem subjektiv-rechtlichen Rechtsschutz (BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2012 – 9 A 6.10 – NVwZ 2012, 567 Rn. 15 und vom 18. April 1996 – 11 A 86.95 – BVerwGE 101, 73 <82>). Damit setzt sich der Kläger ebenso wenig auseinander wie mit dem Umstand, dass das Verbandsklagerecht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierschutzVMG NW in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts gerade kein Beteiligungs- und Akteneinsichtsrecht gewähren soll. Er legt nicht dar, weshalb sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gleichwohl ein solches Recht ergeben kann oder – umgekehrt formuliert – weshalb Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG einem nur prozessual begründeten Verbandsklagerecht entgegenstehen könnte, wenn darüber hinaus keine subjektiven Rechte zu beachten sind.
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2. Das Oberverwaltungsgericht hat ein Recht des Klägers auf Beteiligung an dem von ihm initiierten Verwaltungsverfahren zur Tierhaltung eines Schweinezuchtunternehmens und ein sich daraus nach Maßgabe von § 29 VwVfG NW ergebendes Akteneinsichtsrecht mit der Begründung verneint, er sei kein Antragsteller im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NW, weil dies die Wahrnehmung eigener Rechte oder rechtlicher Interessen voraussetze.
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Der Kläger wendet sich hiergegen mit weiteren Grundsatzrügen und möchte geklärt wissen (5.1),
(a) ob Bundesverfassungsrecht, insbesondere Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und/oder Art. 20a GG, eine Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NW dahin gebieten, dass als Antragsteller im Sinne dieser Vorschrift auch verbandsklageberechtigte Verbände (§ 3 TierschutzVMG NW) anzusehen sind, wenn sie in Vorbereitung und zu dem Zweck der Erhebung einer Verbandsklage nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierschutzVMG NW die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens mit dem Ziel einer tierschutzrechtlichen Anordnung nach § 16a TierSchG beantragen.
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Diese Frage ist nicht anders als die vorgenannten Fragen auf die Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 20a GG mit dem Ziel gerichtet, aus diesen über eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffs des Antragstellers im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NW ein Beteiligungs- und Akteneinsichtsrecht bezüglich des Verwaltungsverfahrens nach § 16a TierSchG zu begründen. Der Kläger beruft sich auf die Erkenntnis, dass die Umgehung eines Beteiligungsrechts nicht sanktionslos bleiben könne und durch Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes zur Effektivität des Verfahrensrechts beigetragen werden müsse (BVerwG, Urteil vom 14. Mai 1997 – 11 A 43.96 – BVerwGE 104, 367 <372 f.>). Hieraus kann mit dem Kläger zwar möglicherweise gefolgert werden, dass das tierschutzrechtliche Verbandsklagerecht – soweit es reicht – eine eigene, wehrfähige und von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 20a GG geschützte Rechtsposition ist (vgl. Masing, in: Hoffmann-Riem, Schmidt-Aßmann, Voßkuhle <Hrsg.>, Grundlagen des Verwaltungsrechts Bd. I, S. 507 Rn. 128, 130; offen gelassen in BVerfG, Beschluss vom 18. September 2017 – 1 BvR 361/12 [ECLI:DE:BVerfG:2017:rk20170918.1bvr036112] – juris Rn. 11). Darüber hinaus setzt sich der Kläger aber auch hier mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 20a GG nicht in der erforderlichen Weise auseinander und zeigt nicht auf, weshalb es verfassungsrechtlich geboten sein könnte, den Kläger im Interesse seiner Beteiligung und eines daraus folgenden Akteneinsichtsrechts als Antragsteller im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts zu betrachten. Es trifft zwar zu, dass die praktische Bedeutung des Klagerechts – nach den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts bewusst – begrenzt wurde, indem mit ihm keine Rechte im vorausgehenden Verwaltungsverfahren verbunden wurden. Aus dem effektiven Rechtsschutz, der gegenüber der Verletzung bestehender Verfahrensrechte gewährleistet ist, lässt sich aber nicht umgekehrt folgern, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleiste ein Recht klagebefugter Verbände, jenseits des Rechtsschutzes im gerichtlichen Verfahren die Verwaltung im Vorfeld möglichst effektiv zu kontrollieren. Wie dargelegt gewährleistet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG den Schutz subjektiver Rechte durch die Rechtsprechung, begründet diese Rechte aber nicht.
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Die gleichgerichteten Fragen,
(b) wie der Begriff Antragsteller in § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NW auszulegen ist,
ob Antragsteller nur ist, wer zusätzlich einen subjektiv-rechtlichen Bezug zum Gegenstand des Verwaltungsverfahrens hat,
und ob hierfür – entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts – die einfachgesetzliche Einräumung eines Verbandsklagerechts im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG und/oder des Art. 20a GG ausreicht,
führen nicht weiter. Soweit sie mit § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NW revisibles Recht ansprechen (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), kommt als entscheidungserheblich nur die Frage nach der Erforderlichkeit eines subjektiv-rechtlichen Bezugs in Betracht. Hierzu zeigt der Kläger jedoch keinen Klärungsbedarf auf. Er hebt lediglich hervor, dass es sich bei seinem Klagerecht um eine eigene geschützte Rechtsposition handele. Der darüber hinaus behauptete Widerspruch zu einer in dem angefochtenen Urteil zitierten Kommentarstelle bedarf keiner näheren Betrachtung, denn er besteht nicht.
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3. Das Oberverwaltungsgericht hat auch die Voraussetzungen dafür verneint, zu dem Verwaltungsverfahren als Beteiligter hinzugezogen werden zu können, weil rechtliche Interessen des Klägers durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden könnten (§ 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NW). Die Hinzuziehung diene dem Schutz materiell-rechtlicher Positionen des Hinzugezogenen; eine solche habe der Kläger nicht.
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Der Kläger macht auch hierzu eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und formuliert die Frage (5.2),
ob ein verbandsklagebefugter Verein einen Anspruch nach § 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NW auf Hinzuziehung zu dem gegenüber dem Betroffenen bereits eröffneten oder auf seinen Antrag eröffneten Verwaltungsverfahren zu einer Entscheidung über den Erlass tierschutzrechtlicher Anordnungen nach § 16a TierSchG hat, mit der weiteren Folge des Bestehens eines Akteneinsichtsrechts nach § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NW.
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Damit ist eine abweichende Rechtsauffassung des Klägers in Frageform gekleidet, jedoch kein Klärungsbedarf herausgearbeitet. Der Kläger meint, die Auslegung, dass durch den Ausgang des Verwaltungsverfahrens seine rechtlichen Interessen in der von § 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NW gemeinten Weise nicht berührt seien, sei bundesrechtlich nicht haltbar. Das Verbandsklagerecht sei als materiell-rechtliche Rechtsposition anzusehen, weil dieses anderenfalls die seiner Meinung nach erforderliche Effektivität nicht habe. Das stellt den vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Maßstab nicht in Frage, der seine Grundlage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet (BVerwG, Urteile vom 21. Mai 1997 – 11 C 1.97 – Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 27 Rn. 28 und vom 16. Mai 2000 – 3 C 2.00 – Buchholz 316 § 13 VwVfG Nr. 2 S. 2). Der Kläger zeigt auch nicht auf, weshalb es sich bei dem Verbandsklagerecht nicht um ein Verfahrensrecht, sondern um ein materielles Recht handeln könnte und welche abstrakte Frage sich zur Begriffsbestimmung stellt.
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4. Das Oberverwaltungsgericht hat einen von § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NW und damit der Beteiligung am Verwaltungsverfahren losgelösten Anspruch auf Akteneinsicht verneint. Ein solcher Anspruch könne sich aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zwar ergeben, wenn an der Akteneinsicht ein berechtigtes Interesse bestehe. Auf der Grundlage der Geltung des TierschutzVMG NW scheide ein solcher Anspruch aber aus, da dieses Gesetz abschließend konzipiert sei und nur die in anderen Rechtsvorschriften vorgesehenen Formen der Mitwirkung unberührt lasse. Das schließe die Heranziehung ungeschriebener Grundsätze aus. Darüber hinaus fehle dem Kläger ein berechtigtes, das heißt schutzwürdiges Interesse. Ein Schutzerfordernis bestehe unter den hier gegebenen Umständen nicht, denn der Kläger sei tatsächlich nicht auf Akteneinsicht angewiesen, um sein Verbandsklagerecht sach- und interessengerecht auszuüben.
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Der Kläger formuliert hierzu die Frage (5.3),
ob das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen so zu verstehen ist, dass es außerhalb seines § 29 Abs. 1 Satz 1 Akteneinsichtsansprüche nicht gewährt, soweit in Fachgesetzen – wie hier in § 1 und § 2 TierschutzVMG NW – konkrete Regelungen über Formen der Mitwirkung eines verbandsklageberechtigten Vereins am vorgängigen Verwaltungsverfahren enthalten sind.
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Mit dieser weiteren Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geht der Kläger zunächst daran vorbei, dass das Oberverwaltungsgericht ein Akteneinsichtsrecht nicht bereits deshalb abgelehnt hat, weil in einem Fachgesetz, hier dem TierschutzVMG NW, Mitwirkungsrechte konkret geregelt wurden. Vielmehr stützt sich das Oberverwaltungsgericht darauf, dass das Gesetz abschließend sei und einen Rückgriff auf ungeschriebene Grundsätze nicht erlaube. Das sind zunächst Fragen nicht revisiblen Landesrechts. Mit Blick auf das Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalens bedeutsam ist die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 1 VwVfG NW. Sie betrifft revisibles Recht (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. August 1986 – 4 C 16.84 – Buchholz 316 § 1 VwVfG Nr. 3 S. 5). Danach gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz in seinem Anwendungsbereich nur, soweit nicht Rechtsvorschriften des Landes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Damit setzt der Kläger sich jedoch nicht auseinander und zeigt entsprechend keinen Klärungsbedarf auf. Die Revision könnte mit dieser Frage aber auch deshalb nicht zugelassen werden, weil das Oberverwaltungsgericht den hier in Rede stehenden Anspruch zugleich mangels berechtigten Interesses verneint hat. Der Kläger hält diese Ausführungen zwar für rechtswidrig, widersprüchlich und unhaltbar. Er wirft zu dieser insoweit selbstständig tragenden Begründung aber keine Fragen auf und rügt auch keine Verfahrensfehler. Auch die Rückverweisung auf die Grundsatzrügen zur Auslegung des TierschutzVMG NW kann aus den dargelegten Gründen nicht zur Zulassung der Revision führen.
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5. Der Kläger rügt im Zusammenhang mit dem von ihm geltend gemachten Beteiligtenrecht (§ 13 VwVfG NW) und einem Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG NW einen Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Er meint, das Oberverwaltungsgericht habe den Inhalt seines Schreibens vom 15. November 2014 aktenwidrig gedeutet und damit gegen die Regeln richterlicher Überzeugungsbildung verstoßen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), worauf das Urteil beruhe (10.).
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Der geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat zu dem Anwaltsschreiben vom 15. November 2014 festgestellt, der Kläger habe mit ihm beantragt, an dem Verwaltungsverfahren zu Maßnahmen nach § 16a TierSchG beteiligt zu werden und Akteneinsicht zu erhalten (UA S. 3). Das trifft unzweifelhaft zu. Zu diesem Schreiben räumt das Oberverwaltungsgericht ein, dass ein Bezug zu eigenen Rechten oder rechtlichen Interessen bestehe (UA S. 32). In der Sache stellt es damit – bezogen auf das Verwaltungsverfahren über das Beteiligungs- und Akteneinsichtsrecht – ein Recht des Klägers auf Beteiligung in den Raum. Sodann legt es dar, dass der Kläger seinen mit Schreiben vom 27. September 2014 angebrachten Antrag auf Einschreiten nach § 16a TierSchG nicht in eigener Sache, sondern im Interesse der Öffentlichkeit gestellt habe. Dieser Verfahrensgegenstand sei hier maßgebend. Das ist ebenfalls unzweifelhaft zutreffend, denn der Kläger will Akteneinsicht in das Verfahren gegenüber dem Schweinezuchtunternehmen und nicht in das Verfahren über seine Beteiligung und ein Akteneinsichtsrecht. Dass das Oberverwaltungsgericht den inhaltlichen Bezug des Anwaltsschreibens vom 15. November 2014 zu dem Schreiben vom 27. September 2014 übersehen haben könnte, liegt neben der Sache. Das mit diesem Schreiben verfolgte Interesse, den Beklagten zu veranlassen, gegen das Schweinezuchtunternehmen wegen der rechtswidrigen Kastenstandshaltung vorzugehen, ist Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens. Der Gedankengang des Urteils ist zwar nicht ohne Mühe nachzuvollziehen, aber nicht verfahrensfehlerhaft.
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6. Unter Berufung auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wendet sich der Kläger dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht die Möglichkeit von Ansprüchen des Klägers aus dem TierschutzVMG NW auch deshalb verneint hat, weil das TierschutzVMG NW mit Ablauf des 31. Dezember 2018 – und damit vor der mündlichen Verhandlung und Entscheidung – außer Kraft getreten sei. Er hält für klärungsbedürftig, inwieweit die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG dem Außerkrafttreten des TierschutzVMG NW entgegenstehe und deshalb dessen bereits ursprünglich vorgesehene, dann um ein Jahr verlängerte Befristung nach § 4 Satz 2 TierschutzVMG NW nicht, jedenfalls nicht in seinem Fall anzuwenden sei (1. a-e). Darüber hinaus möchte der Kläger auf der Grundlage eines angenommenen Verstoßes gegen die Regelungen des Fünften Gesetzes zur Befristung des Landesrechts Nordrhein-Westfalen (Art. 122 und 123) mit Fragen zum Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG geklärt wissen, ob danach das TierschutzVMG NW weiter gelte (3. a-e).
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Eine Zulassung der Revision aus diesen Gründen scheidet schon deshalb aus, weil das Oberverwaltungsgericht die Klagebefugnis zugleich selbstständig tragend auf der Grundlage der Geltung des TierschutzVMG NW verneint hat. Wie der Kläger in seiner Beschwerdebegründung zutreffend ausführt, kommt im Falle einer Mehrfachbegründung die Zulassung der Revision nur in Betracht, wenn hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Das gleiche gilt für die im Zusammenhang mit dem Außerkrafttreten zur Staatszielbestimmung formulierten Divergenzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.), deren Voraussetzungen im Übrigen nicht dargelegt sind und auch nicht vorliegen.
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7. Darüber hinaus möchte der Kläger geklärt wissen, ob sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (i.V.m. Art. 20a GG und einer Verzögerungsrüge) ergebe, dass über eine Klage auch nach dem Außerkrafttreten des eine Klagebefugnis begründenden Gesetzes in der Sache entschieden werden müsse, wenn das Gericht bei pflichtgemäßer Sachbehandlung eine Entscheidung noch vor dem Außerkrafttreten hätte treffen müssen (6. a-c). Das Rechtsstaatsprinzip und – für den Bereich des öffentlichen Rechts – Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantieren die Effektivität des Rechtsschutzes. Damit verbindet sich die Pflicht, in angemessener Zeit zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 20. September 2007 – 1 BvR 775/07 – NJW 2008, 503). Ob ein Verstoß dagegen dahin führen kann, gegebenenfalls die Folgen des Außerkrafttretens eines Gesetzes zu übergehen, bedarf keiner näheren Betrachtung. Das Oberverwaltungsgericht hat eine Klagebefugnis auch auf der Grundlage des TierschutzVMG NW unabhängig von dessen Außerkrafttreten verneint.
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Dem folgend liegt in der geltend gemachten Verzögerung des Verfahrens bis zum Außerkrafttreten des TierschutzVMG NW (7.) auch kein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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8. Schließlich macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) mit Blick darauf geltend, dass das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage des außer Kraft getretenen TierschutzVMG NW mangels berechtigten Feststellungsinteresses die Zulässigkeit einer (Fortsetzungs-)Feststellungsklage verneint hat (8.). Auch hierzu kann die Revision schon deshalb nicht zugelassen werden, weil das Oberverwaltungsgericht eine Klagebefugnis auf der Grundlage des TierschutzVMG NW ausgeschlossen hat. Die Zulässigkeit der (Fortsetzungs-)Feststellungsklage setzt ebenfalls die Klagebefugnis voraus (vgl. UA S. 11). Fehlt es jedoch an einer Klagebefugnis, so stellt sich die Frage nach einem (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse in einem Revisionsverfahren nicht. Dementsprechend führt auch die hierauf aufbauende Verfahrensrüge (9.) nicht zur Zulassung der Revision.
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9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.