Bundesregierung beschließt Maßnahmenkatalog: Art. 3 des Grundgesetzes soll geändert, das Strafrecht weiter verschärft und Betroffene besser vor Hetze geschützt werden
Die Bundesregierung hat heute den vom Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus vorgelegten Maßnahmenkatalog beschlossen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt:
„Wir stärken unsere wehrhafte Demokratie. Den umfassenden Maßnahmenkatalog werden wir schnell umsetzen. Wir ersetzen den „Rasse“-Begriff im Grundgesetz durch einen zeitgemäßen Begriff, der dem Willen des Grundgesetzes gerecht wird: nie wieder Rassismus. Einen Formulierungsvorschlag werden wir sehr zügig machen, damit wir in Bundestag und Bundesrat über die Grundgesetzänderung beraten können.
Wir ändern das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz: Wer nur wegen seiner ethnischen Herkunft oder Religion eine Wohnung nicht bekommt, bekommt mehr Zeit, sich dagegen juristisch zur Wehr zu setzen – sechs statt bisher zwei Monate. Und: Sogenannte Feindeslisten, mit denen Menschen bedroht werden, stellen wir explizit unter Strafe. Wir werden auch einen neuen Straftatbestand für antisemitische oder rassistische Hetze schaffen, die direkt an die Betroffenen gerichtet ist und deshalb nicht als Volksverhetzung gilt.“
Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Prof.
Dr. Edgar Franke,
MdB, erklärt:
„Wir müssen dafür sorgen, dass aus der Corona-Krise keine Demokratie-Krise wird. Hetzer und Rassisten sind viel zu laut, obwohl sie eine kleine Minderheit sind. Wir müssen uns endlich konsequent denjenigen zuwenden, die von Rechtsextremisten und Demokratiefeinden tagtäglich beleidigt, bedroht und angegriffen werden. Das
Engagement der vielen Initiativen und Organisationen, die sich um die Opfer von Anschlägen kümmern, wollen wir deutlich stärker unterstützen, zusammenführen und vernetzen. Dafür werden wir erhebliche finanzielle Mittel einsetzen.“
Die Maßnahmen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz:
- Neuformulierung Art. 3 Grundgesetz, Ersetzung des Begriffs „Rasse“: Eine Facharbeitsgruppe zwischen
BMJV und
BMI wird einen Formulierungsvorschlag vorlegen. - Änderungen im Strafgesetzbuch:
– Erarbeitung von Regelungsvorschlägen zur Bekämpfung von sog. Feindeslisten (auch „Todeslisten“ genannt)
– Erarbeitung von Regelungsvorschlägen zur Strafbarkeit von verhetzenden Beleidigungen
– Prüfung des weiteren Handlungsbedarfs zur Bekämpfung von Cyberstalking und der Verbesserung des Schutzes von Kommunalpolitikern und zivilgesellschaftlich Engagierten - Stärkung Opferunterstützung und Opferschutz:
– Einrichtung einer zentralen Opferschutzplattform für Opfer von Straftaten: www.hilfe-info.de
– Ausweitung der Härteleistungen für Opfer terroristischer Straftaten und extremistischer Übergriffe auf materielle Schäden
– Ausweitung der Tätigkeit des Opferbeauftragten im Hinblick auf die Förderung der Vernetzung und des Informationsaustausches der opferschützenden Akteure; Fachtagungen und Austausch von „best practice“ mit den Opferberatungsstellen und den Landesopferbeauftragten - Bessere Durchsetzung der Rechte der von Diskriminierung Betroffenen durch Verlängerung der Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen auf 6 Monate im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (
AGG). - Verwendung rassismussensibler Sprache und Prüfung inwieweit einheitliche Begriffe bei Rassismusbezug in Gesetzestexten möglich sind
- Stärkung der Arbeit gegen Hass im Netz und gegen digitale Hassgewalt,
u.a. Erweiterung der Kompetenzzentrums „Hass im Netz“ - Studie zu den in
§ 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs gesetzlich benannten Strafzumessungsumständen
„rassistische, fremdenfeindliche und sonstige menschenverachtende“ Beweggründe zur Überprüfung und Erleichterung ihrer Anwendung in der Praxis; Ausarbeitung zur praktischen Anwendung der genannten Strafzumessungsumstände (wobei die beispielhafte Aufzählung demnächst ausdrücklich um „antisemitische“ Beweggründe ergänzt wird). Die Studie soll eine Hilfestellung für Gerichte und Staatsanwaltschaften bei der Anwendung der Norm bieten. - Die Bundesregierung setzt sich für
Weiterbildungen im Bereich Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in der Justiz ein (Fortbildungsveranstaltungen an der Deutschen Richterakademie, Förderung von Projekten des Deutschen Instituts für Menschenrechte). - Praxisorientierte rechtswissenschaftliche Forschung zu Recht und Rassismus
- Prüfung, wie die
Auseinandersetzung mit dem
NS-Unrecht in der juristischen Ausbildung erreicht werden kann und dies
ggf. durch eine Änderung des Deutschen Richtergesetzes sichergestellt werden kann