Markenbeschwerdeverfahren – „RefineMySite“ – fehlende Unterscheidungskraft (Beschluss des BPatG München 28. Senat)

BPatG München 28. Senat, Beschluss vom 29.09.2020, AZ 28 W (pat) 524/19, ECLI:DE:BPatG:2020:290920BWpat524.19.0

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 017 601.8

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. September 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Dr. Söchtig und des Richters Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Die Anmelderin hat am 17. Juli 2018 beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, das Zeichen

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RefineMySite

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als Wortmarke für die Waren

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„Klasse 07: Elektrisch betriebene Werkzeuggeräte; Bohrmaschinen, Schlagbohrmaschinen, Tischbohrmaschinen, Bohrfutter, Bohrhämmer und Meiselhämmer; Schrauber; Nutfräsgeräte; Schleif-, Trenn- und Schruppgeräte wie Schwingschleifgeräte, Winkelschleifgeräte, Dreieckschleifgeräte, Exzenterschleifgeräte, Bandschleifgeräte, Sander, (elektrisches Werkzeug), Winkelpoliergeräte, Geradschleifgeräte; Blechscheren [elektrisch]; Knabbergeräte; Klebepistolen; Tacker; Sägen [elektrisch]; Kreissägen; Stichsägen; Kapp- und Gehrungssägen; Säbelsegen; Bandsägemaschinen; Hobelmaschinen; Fräsmaschinen; Tischbandschleifmaschinen; Absauggeräte und Entstaubungsgeräte für die vorstehend genannten Waren; Allessauger; die vorstehenden Waren auch als akkuangetriebene Handwerkzeuggeräte; Teile, Werkzeuge, Adapter (nicht elektrisch), Anbauteile und Zubehör für die vorgenannten Waren, soweit in Klasse 7 enthalten;

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Klasse 08: Handbetätigte Werkzeuge und Geräte, Teile, Werkzeuge und Zubehör für die vorgenannten Waren, soweit in Klasse 8 enthalten;

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Klasse 09: Software“

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in das Markenregister einzutragen.

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Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 7, hat die Markenanmeldung nach vorangegangener Beanstandung vom 26. Juli 2018 mit Beschluss vom 19. November 2018 teilweise, nämlich für die Waren der Klasse 9 „Software“, zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, das Zeichen setze sich aus den englischen Begriffen „Refine“ (verfeinern, weiterentwickeln, präzisieren, verbessern), „My“ (mein, meine, wobei dieses Possessivpronomen den Verbraucher werbeüblich direkt anspreche und ausdrücke, dass er ein speziell ihn betreffendes Angebot vorfinde) sowie „Site“ (gängige Kurzform für Internetseite, Website oder Webseite) zusammen. Die Wortfolge drücke in ihrer Gesamtheit insofern in werbeüblicher Form aus, dass die damit gekennzeichneten Waren auf die Bedürfnisse des Abnehmers zugeschnitten und für die Weiterentwicklung oder Verbesserung der Webseite des Anwenders – etwa hinsichtlich Inhalt, Verfügbarkeit, Design, Funktionalität, Sicherheit, Ladezeit, Ranking usw. – bestimmt und geeignet seien, ohne dass dieses Verständnis zuvor einer analysierenden Betrachtungsweise bedürfe. Bei der angemeldeten Marke handele es sich somit um eine sloganartigen Wortfolge, die aufgrund ihres produktbezogenen, einfach verständlichen und eindeutigen Aussagegehalts jedoch nur als eine sachbezogene Aussage und nicht als ein Herkunftshinweis verstanden werden könne. Der Umstand, dass das Anmeldezeichen eine englische Wortfolge sei, stehe dieser Annahme nicht entgegen, da die maßgeblichen inländischen Verkehrskreise und insbesondere der Fachverbraucher aus dem IT-Bereich an englischsprachige Begriffe und Fachausdrücke gewöhnt seien. Die Wortfolge stelle damit für den überwiegenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise in ihrer Gesamtheit eine ohne weiteres verständliche Sachaussage über die beanspruchten Softwareprogramme dar.

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Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 5. Dezember 2018, zu deren Begründung sich die Anmelderin zunächst auf einen großzügigen Prüfungsmaßstab beruft und darauf hinweist, dass ein Minimum an Unterscheidungskraft genügen würde. Die Wortfolge „RefineMySite“ sei für den maßgeblichen Verkehrskreis, nämlich den informierten Verbraucher nicht ohne weiteres verständlich. Da vorwiegend „Apps“ mit der beanspruchten Ware „Software“ gemeint seien, seien insbesondere nicht speziell IT-Fachkreise angesprochen, so dass die Aufmerksamkeit der beteiligten Verbraucher als gering anzusehen sei. Diese würden das Kunstwort „RefineMySite“ nicht in drei Einzelwörter zerlegen, sondern als Gesamtzeichen wahrnehmen und diesem keinen Sinn beimessen, zumal sie insbesondere den englischen Begriff „Refine“ nicht mit „verfeinern, weiterentwickeln“ übersetzen würden, sondern allenfalls in seiner Bedeutung „garen, kochen oder mahlen“ verstünden. Um auf den Gedanken zu kommen, mit „RefineMySite“ sei eine Software angesprochen, die zur Verbesserung von Webseiten beitragen könne, seien äußerst kreative und fantasievolle Zwischenschritte zu gehen. Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 7, vom 19. November 2018 aufzuheben.

II.

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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da sich die Zurückweisung der Anmeldung für die Ware der Klasse 9 „Software“ als rechtmäßig erweist.

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Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, entbehrt dem Anmeldezeichen die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.

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Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, dass die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 – Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 – HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, Rdnr. 45 – Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 – BioID; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 – VISAGE; GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 – Link economy).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 – SAT.2; BGH GRUR 2010, 935 – Die Vision; GRUR 2010, 825 – Marlene-Dietrich Bildnis II; GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend besitzen Zeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143 – Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 – Link economy; GRUR 2009, 952 – DeutschlandCard; GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417 – BerlinCard; GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 – Cityservice; GRUR 2001, 1143 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 – TOOOR!; GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006).

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Gemessen an diesen Maßstäben wird die angemeldete Marke im Hinblick auf die Ware der Klasse 9 „Software“ den an die Unterscheidungskraft zu stellenden Anforderungen nicht gerecht, wie die Markenstelle im angefochtenen Beschluss eingehend und überzeugend begründet hat. Die beanspruchte Ware der Klasse 9 „Software“ spricht neben dem durchschnittlich informierten Verbraucher auch  IT-Fachkreise an, für die Englisch Fachsprache ist. Darüber hinaus darf entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin die Verständnisfähigkeit der allgemeinen Verbraucher für die Welthandelssprache Englisch nicht unterschätzt werden. Von daher ist die Auffassung der Markenstelle zutreffend, dass die Wortfolge „RefineMySite“ sloganartig als die Aussage „Verbessere meine Seite“ ohne Weiteres verstanden wird. Begünstigt wird dies entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin insbesondere auch durch die Binnengroßschreibung, die die drei Worte, aus denen sich das Zeichen zusammensetzt, sofort erkennbar vereinzelt. Diese drei Worte sind im beanspruchten Zusammenhang mit „Software“ auch nicht anders zu verstehen, als die Markenstelle in ihrem Beschluss überzeugend zugrunde legt.

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Da damit die Feststellung, dem Anmeldezeichen fehle als sloganartigen Beschreibung der Wirkungsweise der gegenständlichen Waren jegliche Unterscheidungskraft, rechtmäßig getroffen ist, war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.