BPatG München 28. Senat, Beschluss vom 28.09.2020, AZ 28 W (pat) 35/18, ECLI:DE:BPatG:2020:280920B28Wpat35.18.0
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 306 21 546.2
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28.September 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Dr. Söchtig und des Richters Hermann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Anmelderin hat am 5. April 2006 das farbige Zeichen
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zur Eintragung als dreidimensionale Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für
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Klasse 6:
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Baumaterialien aus Metall; Waren aus Metall, soweit in Klasse 6 enthalten; Schlosserwaren und Kleineisenwaren, insbesondere Bolzen, Nägel, Schrauben, Dübel, Anker, Nieten, Haken, Ösen, Flanschen, Dübel, Klammern, Muffen, Manschetten;
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Klasse 7:
6
Maschinen für den Hoch- und Tiefbau; Maschinen für die Metall-, Holz- und Kunststoffbearbeitung; Bohrmaschinen, Bohrhämmer, Diamantbohr- und Diamanttrenngeräte, Meiselhämmer, Sägen, Maschinen zum Messen, Bohren, Abbauen, Trennen, Schleifen, Befestigen, Installieren und Isolieren; Werkzeugmaschinen;
7
Klasse 8:
8
Handbetätigte Werkzeuge und Geräte und deren Teile für die Bautechnik, insbesondere handbetätigte Geräte zum Dosieren, Abgeben, Auftragen, Auspressen und Einbringen flüssiger, pastöser und fester Massen;
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Klasse 9:
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Vermessungs-, Wege-, Mess-, Signal-, Kontrollgeräte und -instrumente; elektronische Geräte und Instrumente; elektrische Geräte und Instrumente soweit in Klasse 9 enthalten;
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Klasse 17:
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Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterialien;
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Klasse 20:
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Befestigungs-, Verbindungs- und Montageelemente aus Kunststoff
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beantragt.
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Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 7, hat mit Beschlüssen vom 8. Juli 2006 und im Erinnerungsverfahren vom 17. Mai 2018 die Anmeldung zurückgewiesen.
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Zur Begründung hat die Markenstelle darauf hingewiesen, dass dreidimensionale Zeichen Unterscheidungskraft dann aufweisen können, wenn sich auf dem in Rede stehenden Warengebiet eine Übung herausgebildet habe, aufgrund der der Verkehr den einfachen, stilisierten Darstellungen bestimmter Waren einen Herkunftshinweis entnehme, wofür vorliegend nichts ersichtlich sei. Die Verkehrskreise würden in der Darstellung lediglich einen Koffer wahrnehmen, diese Darstellung aber nicht als Unternehmenshinweis auffassen, da es nicht üblich sei, einfache Warendarstellungen als Unternehmenshinweise zu verwenden. Insbesondere da das Zeichen als Darstellung eines einfachen stilisierten Werkzeugkoffers in roter Farbe mit einem schwarzen Griff und schwarzen Öffnungsschaltern als Werkzeugkoffer, wie er typischerweise für die beanspruchten Waren wie Bohrmaschinen, Bohrhämmer usw. zur Verfügung stehe, anzusehen sei, könne dieser nicht als Herkunftshinweis wirken, sondern werde stets als Zubehör der beanspruchten Waren angesehen. Darüber hinaus sei auch ein Freihaltebedürfnis naheliegend, da eben diese Art Werkzeuge typischerweise in Werkzeugkoffern aufzubewahren sei.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 25. Juni 2018, die sie trotz Fristverlängerung nicht begründet hat und mit der sie sinngemäß beantragt,
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die angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. Mai 2018 und 8. Juli 2006 aufzuheben.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, da das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 7, die Markenanmeldung zu Recht wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen hat.
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Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, dass die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 – Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 – HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, Rdnr. 45 – Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 – BioID; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 – VISAGE; GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 – Link economy).
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Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Zeichen finden die gleichen Kriterien Anwendung, die für die übrigen Markenkategorien Geltung beanspruchen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Fall eines dreidimensionalen Zeichens, das aus der Form und den Farben der Ware oder der Verpackung selbst besteht, die Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise nicht notwendig die gleiche ist, wie bei einem Wort- oder Bildzeichen, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke gekennzeichneten Waren unabhängig ist. Während diese Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen gewöhnlich unmittelbar als herkunftskennzeichnende Marken wahrgenommen werden, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Ware oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren. Die Annahme einer zur Eintragbarkeit führenden Unterscheidungskraft bei Waren- oder Verpackungsformzeichen setzt aus diesen Gründen voraus, dass es sich um eine Gestaltung handelt, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht, da sie nur dann von den beteiligten Verkehrskreisen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft wahrgenommen werden kann. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist positiv festzustellen (vgl. BeckOK MarkenR/Schumacher, 22. Edition, 1. Juli 2020, MarkenG § 8 Rdn. 456 – 460). Einem dreidimensionalen Formzeichen ausnahmsweise eine hinreichende Unterscheidungskraft beizumessen, scheitert bereits, wenn die in Rede stehende Form lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt verkörpert. Dies ist der Fall, wenn der angesprochene Verkehr in der Gestaltung nur ein Beispiel einer bestimmten Ware oder Warenkategorie bzw. Verpackungskategorie sieht (Schumacher, a. a. O. Rdn. 463).
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Schon an dieser Stelle ist also die Feststellung der Markenstelle, dem beanspruchten Zeichen fehle die erforderliche Unterscheidungskraft, rechtmäßig getroffen. Denn mit der Markenstelle ist das beanspruchte Zeichen als schlichter Werkzeugkoffer anzusehen, der der Aufbewahrung der beanspruchten Waren dient und daher von sich aus nicht geeignet ist, auf einen Hersteller hinzuweisen.
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Auch aus dem Umstand, dass es sich um einen roten Werkzeugkoffer mit schwarzen Details handelt, ergibt sich keine hinreichende Unterscheidungskraft, da der Verkehr dies nur als bloßes Gestaltungsmerkmal ansehen wird und nicht als Herkunftshinweis. Regelmäßig sind bloße ästhetische oder dekorative Elemente hierzu nicht geeignet, zumal nichts dazu festzustellen ist, dass hier eine erhebliche Abweichung von normalen, branchenüblichen Werkzeugkoffern anzunehmen ist. Vielmehr handelt es sich bei der angemeldeten Werkzeugkofferform um einen handelsüblichen Werkzeugkoffer, der ohne Weiteres darauf hinweist, dass in ihm die beanspruchten Waren aufbewahrt und transportiert werden. Das Zeichen kann daher nicht die erforderliche Unterscheidungskraft entfalten.
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Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.