1. Die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin einer GmbH & Co. KG durch ihre Mitgesellschafter bewirkt zugleich… (Urteil des BGH 2. Zivilsenat)

BGH 2. Zivilsenat, Urteil vom 22.09.2020, AZ II ZR 141/19, ECLI:DE:BGH:2020:220920UIIZR141.19.0

§ 43 GmbHG

Leitsatz

1. Die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin einer GmbH & Co. KG durch ihre Mitgesellschafter bewirkt zugleich die Entlastung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur Kommanditgesellschaft.

2. Der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG hat bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft auch dann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, wenn er Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Frankfurt, 23. Mai 2019, Az: 5 U 21/18, Urteil
vorgehend LG Frankfurt, 26. Januar 2018, Az: 3-03 O 8/17, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 1, 3, 4 und 5 wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Mai 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es der Klage gegen die Beklagten zu 1, 3, 4 und 5 stattgegeben hat.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind die Gesellschafter der W.                           mbH & Co. KG. Der Kläger sowie die Beklagten zu 1 bis 4 sind Kommanditisten. Die Beklagte zu 5, eine GmbH, ist die Komplementärin. Ihre einzige Aufgabe ist die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft. Die Gesellschaft wurde im Jahre 1993 zu dem Zweck gegründet, eine Immobilie zu erwerben, weiterzuentwickeln und sie gewinnbringend zu vermieten bzw. später zu veräußern. Bei der Immobilie handelt es sich um ein Wohn- und Geschäftshaus, in dem sich 43 private Wohneinheiten sowie 4.000 m2 Büro- und Gewerbefläche befinden. Geschäftsführer der Beklagten zu 5 waren zunächst der Kläger und der Beklagte zu 1. Der Beklagte zu 3 übernahm die Finanzbuchhaltung, die Erstellung der Jahresabschlüsse und die Steueranmeldungen der Kommanditgesellschaft. Eine Vergütung für seine Tätigkeit erhielt keiner der Gesellschafter. Anstellungsverträge wurden nicht geschlossen. Der Kläger legte im Jahr 2008 sein Amt als Geschäftsführer nieder, so dass fortan allein der Beklagte zu 1 die Geschäfte führte.

2

§ 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Kommanditgesellschaft (im Folgenden: GV) lautet:

„Soweit in zwingenden gesetzlichen Bestimmungen oder diesem Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, bedürfen Gesellschafterbeschlüsse, durch die der Gesellschaftsvertrag geändert oder ergänzt, die Gesellschaft aufgelöst wird oder Immobilien veräußert oder erworben werden, der Zustimmung aller Gesellschafter, sonstige Gesellschafterbeschlüsse der Mehrheit aller nach dem Gesellschaftsvertrag vorhandenen, stimmberechtigten Stimmen.“

3

Die Kommanditgesellschaft beauftragte im Jahr 1999 einen Verwalter mit der Verwaltung der Immobilie. Ab 2006 übertrug die Gesellschaft diesem anstelle des Beklagten zu 3 auch die Finanzbuchhaltung und erteilte ihm eine Vollmacht für ihr Bankkonto. Als die Immobilie im Jahr 2015 veräußert werden sollte, stellte sich heraus, dass der Verwalter jedenfalls seit 2007 in erheblichem Umfang Gelder der Gesellschaft veruntreut hatte, indem er Handwerkerrechnungen fingiert, Verwaltervergütungen doppelt angewiesen und ihm bar übergebene Kautionen in sein Privatvermögen überführte hatte. Der Verwalter gab gegenüber der Gesellschaft am 21. Oktober 2015 ein notarielles Schuldanerkenntnis über 526.315 € ab, aus dem die Gesellschaft bislang keine Zahlungen erlangen konnte.

4

Der Beklagte zu 3 beauftragte eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei mit der Erstellung eines Gutachtens zur Ermittlung der durch die Unterschlagungen verursachten Schäden. In dem Gutachten wird unter anderem ausgeführt:

„Im Ergebnis bestand der wesentliche Mangel im internen Kontrollsystem darin, dass keinerlei Funktionstrennung zwischen Kassenführung bzw. Bankvollmacht auf der einen Seite und der Buchhaltung auf der anderen Seite gewahrt war. (…) Auch die „Kontrollaufgaben“ des Herrn Steuerberater H.  [Beklagter zu 3] waren nicht geeignet, die Untreuehandlungen aufzudecken. Herr Steuerberater H.   hat die Jahresabschlüsse ohne jegliche Plausibilitätsbeurteilungen oder Prüfungshandlungen erstellt.“

5

Der Kläger wirft dem Beklagten zu 1 vor, dass er unter Verstoß gegen die ihm als Geschäftsführer der Beklagten zu 5 gegenüber der Kommanditgesellschaft obliegenden Pflichten den Verwalter nicht ausreichend überwacht habe. Der Kläger erhob im Jahr 2016 Klage, mit der er für die Kommanditgesellschaft gegen den Beklagten zu 1 einen Anspruch aus Geschäftsführerhaftung in Höhe von 486.735,02 € geltend machte und die Feststellung begehrte, dass der Beklagte zu 1 verpflichtet sei, die Kommanditgesellschaft von weiteren Schäden freizustellen. Der Beklagte zu 1 hat u.a. eingewandt, seine Inanspruchnahme scheide aus, weil er von der Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft für die Geschäftsjahre bis 2013 entlastet worden sei. Für die Jahre 2014 und 2015 hat der Beklagte zu 1 die Einreichung von Entlastungsbeschlüssen der Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft angekündigt. Gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 5, mit denen der Beklagte zu 1 als Geschäftsführer der Beklagten zu 5 entlastet worden war, hat der Kläger ebenfalls Klage erhoben.

6

In Gesellschafterversammlungen der Kommanditgesellschaft am 25. November 2016 bzw. 8. März 2017 stimmten die Beklagten zu 2 bis 4 für die Entlastung der Beklagten zu 5 für die Geschäftsjahre 2014 und 2015 sowie für die Geschäftsjahre 2000 bis 2008 und 2009 bis 2013. Der Kläger stimmte für die Geschäftsjahre 2014 und 2015 sowie für 2009 bis 2013 dagegen. Bei der Abstimmung über die Entlastung für 2000 bis 2008 wurde der Kläger als nicht stimmberechtigt angesehen, ebenso wie der Beklagte zu 1 für den ganzen Zeitraum.

7

Das Landgericht hat die auf Feststellung der Nichtigkeit der Entlastungsbeschlüsse gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers festgestellt, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft, wonach der Komplementärin Entlastung erteilt worden sei, nichtig seien. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten zu 1, 3, 4 und 5 ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils im Umfang der Anfechtung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9

I. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt, GmbHR 2019, 940) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Die Entlastungsbeschlüsse vom 25. November 2016 und vom 8. März 2017 seien formal ordnungsgemäß zustande gekommen. Insbesondere sei die nach § 8 Abs. 2 GV für die Beschlussfassung erforderliche Mehrheit erreicht. Ausweislich der Protokolle der beiden Gesellschaftsversammlungen hätten für die Entlastung der Komplementärin für die Jahre 2014 und 2015 und für die Jahre 2000 bis 2013 jeweils die Beklagten zu 2 bis 4 gestimmt, mithin insgesamt 64 % der stimmberechtigten Stimmen.

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Die beiden Entlastungsbeschlüsse seien jedoch wegen der mit den Beschlussfassungen verbundenen Verstöße der Beklagten zu 2 bis 4 gegen die gesellschafterliche Treuepflicht unwirksam.

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Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Entlastung der Geschäftsführung sei regelmäßig dann nichtig, wenn keine andere Entscheidung als die Versagung denkbar und damit die Entlastung missbräuchlich sei, insbesondere, weil dem Geschäftsführer schwere bzw. gravierende Pflichtverletzungen vorzuwerfen seien und der Gesellschaft ein erheblicher Schaden zugefügt worden sei. Eine Entlastung eines GmbH-Geschäftsführers sei dann treuwidrig, wenn die Gesellschafter aufgrund ihrer Treuepflicht verpflichtet gewesen wären, nach § 46 Nr. 8 GmbHG die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer zu beschließen.

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Die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft hätten durch die Entlastungsentscheidungen auf einen Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den Beklagten zu 1 auf Schadensersatz verzichtet, der auf einer derart gravierenden Pflichtverletzung des Beklagten zu 1 beruhe, dass keine andere Entscheidung als die Versagung der Entlastung denkbar sei. Der Haftung des Beklagten zu 1 stehe dabei nicht entgegen, dass er nicht selbst Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft, sondern von deren Komplementärin gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme dann, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH in der Führung der Geschäfte einer Kommanditgesellschaft bestehe, in Betracht, dass sich der Schutzbereich des zwischen der Komplementärin und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organverhältnisses im Hinblick auf die Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung im Sinne einer drittschützenden Wirkung auf die Kommanditgesellschaft erstrecke.

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Der infolge der von Seiten des Klägers erfolgten Darlegung eines Schadens sowie einer möglichen Verursachung durch den Beklagten zu 1 hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Pflichtwidrigkeit darlegungs- und beweisbelastete Geschäftsführer habe im vorliegenden Fall schwerwiegend seine Pflichten als Geschäftsführer der GmbH verletzt. Denn der Beklagte zu 1 habe nicht dargetan, dass er trotz der Beauftragung des Verwalters zunächst ab 1998 mit der Verwaltung und Vermietung und ab 2006 auch mit der Finanzbuchhaltung und der damit im Hinblick auf die direkte Zugriffsmöglichkeit des Verwalters auf Gelder zusammenhängenden Gefahrgeneigtheit für die Gesellschaft – die sich eindrucksvoll durch die über mehrere Jahre hinweg geschehenen Unterschlagungen realisiert habe – eine auch nur ansatzweise ausreichende Organisation bzw. Überwachung eingerichtet habe.

15

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Entlastungsbeschlüsse wegen treurechtswidriger Stimmrechtsausübung der Beklagten zu 2 bis 4 nichtig sind.

16

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Kommanditgesellschaft nach der vorbehaltlosen Entlastung der Beklagten zu 5 nicht nur mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen diese, sondern auch mit der Geltendmachung von Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 ausgeschlossen ist, soweit die Wirkung des Entlastungsbeschlusses reicht.

17

a) Der Kommanditgesellschaft kann gegen den Beklagten zu 1 ein Direktanspruchs auf den Ersatz der Schäden zustehen, die ihr aus dessen mittelbarer Geschäftsführung als Geschäftsführer ihrer Komplementärin entstanden sind.

18

Für Schäden der GmbH & Co. KG aus der Verletzung von Geschäftsführungspflichten haftet neben der Komplementärin auch der Geschäftsführer der GmbH. Jedenfalls dann, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe einer Komplementär-GmbH in der Führung der Geschäfte einer Kommanditgesellschaft besteht, erstreckt sich der Schutzbereich des zwischen der Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH haftet in diesem Fall der Kommanditgesellschaft nach denselben Grundsätzen wie sonst der Geschäftsführer der GmbH dieser gegenüber (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326, 337 f.; Urteil vom 17. März 1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 193 f.; Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 15 mwN).

19

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte zu 1 von 1993 bis zur Veräußerung der Immobilie im Jahr 2016 Geschäftsführer der Beklagten zu 5, deren einzige Aufgabe die Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft war. Es ist unerheblich, dass der Beklagte zu 1 für seine Geschäftsführertätigkeit keine Vergütung erhielt und kein Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen wurde. Denn infolge der Bestellung des Beklagten zu 1 zum Geschäftsführer bestand jedenfalls ein Organverhältnis zu der Komplementär-GmbH. Schon die organschaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Geschäftsführer und der Komplementär-GmbH entfaltet drittschützende Wirkung zugunsten der Kommanditgesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1992 – II ZR 23/91, WM 1992, 691, 692; Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 16 ff. mwN).

20

b) Die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin einer GmbH & Co. KG durch ihre Mitgesellschafter bewirkt zugleich die Entlastung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur Kommanditgesellschaft.

21

aa) Entlastet allerdings die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH ihren Geschäftsführer nach § 46 Nr. 5 GmbHG, führt das jedenfalls in der nicht personen- und beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG nicht zugleich zum Ausschluss der Kommanditgesellschaft mit Ansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer (BeckOK HGB/Häublein, 28. Edition 15. Januar 2020, HGB § 164 Rn. 63; Oetker/Oetker, HGB, 6. Aufl., § 164 Rn. 56; MünchKommHGB/Grunewald, 4. Aufl., § 161 Rn. 91; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 45 Rn. 8; Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., Anh. 1 zu § 177a Rn. 161; Casper in Staub, Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 62; für den Verzicht BGH, Urteil vom 25. Februar 2002 – II ZR 236/00, ZIP 2002, 984, 986). Ein bereits entstandener Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den GmbH-Geschäftsführer ist dem Einfluss der GmbH-Gesellschafter entzogen. Die Entlastung durch die GmbH-Gesellschafter kann nur dazu führen, dass die wegen des pflichtwidrigen Verhaltens ihres Geschäftsführers selbst gegenüber der Kommanditgesellschaft zum Schadensersatz verpflichtete Komplementär-GmbH ihren Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG nicht mehr geltend machen kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 – II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 16).

22

bb) Entlastet demgegenüber die Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG ihre Komplementärin ohne Vorbehalt, führt das im Umfang der Entlastungswirkung zugleich zum Ausschluss der Kommanditgesellschaft mit Ansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.

23

(1) Die Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG kann den Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH unmittelbar entlasten. In diesem Fall kann sie von der Ausschlusswirkung des Entlastungsbeschlusses erfasste Ansprüche gegen den Geschäftsführer nicht mehr geltend machen (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2012 – II ZR 50/09, ZIP 2012, 1197 Rn. 1, 4, 31; Urteil vom 15. April 2014 – II ZR 44/13, ZIP 2014, 1278 Rn. 21).

24

(2) Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH kann sich gegenüber der Inanspruchnahme durch die Kommanditgesellschaft aber auch auf die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin berufen.

25

Mit der Entlastung der Geschäftsführung billigen die Gesellschafter die Amtsführung für die Dauer der zurückliegenden Entlastungsperiode und sprechen ihr, soweit sie ihre Tätigkeit fortsetzt, gleichzeitig für die künftige Geschäftsführung ihr Vertrauen aus. An die Entlastung ist ferner die Folge geknüpft, dass die Gesellschaft mit Ersatzansprüchen und Kündigungsgründen ausgeschlossen ist, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar sind oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis erlangt haben (BGH, Urteil vom 20. Mai 1985 – II ZR 165/84, BGHZ 94, 324, 326 mwN [GmbH]; Urteil vom 21. April 1986 – II ZR 165/85, BGHZ 97, 382, 384, 387 f. [GmbH]; Urteil vom 12. Januar 1987 – II ZR 152/86, ZIP 1987, 635, 637 [Verein]; Urteil vom 14. Dezember 1987 – II ZR 53/87, ZIP 1988, 706, 710 [Verein]; Urteil vom 14. November 1994 – II ZR 160/93, ZIP 1995, 738, 744 [stille Gesellschaft]). Diese Grundsätze gelten auch für die Entlastung in der Personenhandelsgesellschaft, wie hier in einer GmbH & Co. KG (BGH, Urteil vom 13. März 2012 – II ZR 50/09, ZIP 2012, 1197 Rn. 4, 31; Urteil vom 15. April 2014 – II ZR 44/13, ZIP 2014, 1278 Rn. 21).

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Wird in der GmbH & Co. KG die Komplementär-GmbH vorbehaltlos entlastet, bewirkt dies zugleich den Ausschluss mit Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer der GmbH (MünchKommHGB/Grunewald, 4. Aufl., § 161 Rn. 91). Da die Entlastung der Komplementär-GmbH in der Billigung ihrer Amtsführung für die Dauer der zurückliegenden Entlastungsperiode besteht, umfasst sie zwingend die Billigung der Amtsführung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH, durch den diese die Geschäfte der Kommanditgesellschaft führen lässt. Wollen die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft den Geschäftsführer von der Entlastungswirkung ausnehmen, müssen sie einen dahingehenden Vorbehalt aufnehmen. Anders als dies bei einer Wirkungserstreckung auf die Kommanditgesellschaft bei der Entlastung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter der Komplementär-GmbH der Fall wäre, verzichtet die Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft mit der Entlastung der Geschäftsführung auf die Geltendmachung von Ansprüchen ihrer Gesellschaft und entscheidet nicht über Ansprüche Dritter.

27

2. Nicht frei von Rechtsfehlern ist die Feststellung des Berufungsgerichts, den Beklagten zu 1 treffe eine gravierende Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten, weswegen die Beklagten zu 2 bis 4 die Komplementär-GmbH nicht als Geschäftsführerin der Kommanditgesellschaft hätten entlasten dürfen, ohne zugleich gegen ihre gesellschaftliche Treuepflicht zu verstoßen.

28

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Entlastungsbeschlüsse formal ordnungsgemäß, insbesondere mit der erforderlichen Mehrheit, zustande gekommen sind.

29

aa) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass ausweislich der Protokolle der beiden Gesellschaftsversammlungen für die Entlastung der Komplementärin für die Jahre 2014 und 2015 und für die Jahre 2000 bis 2013 jeweils 64 % der stimmberechtigten Stimmen abgegeben wurden.

30

bb) Nach dem Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft konnte die Geschäftsführung mit einfacher Mehrheit entlastet werden. Die formelle Legitimation einer auf eine Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft gestützten Mehrheitsentscheidung ist bereits dann gegeben, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrags nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ergibt, dass dieser Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll (BGH, Urteil vom 15. Januar 2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rn. 6, 9 – OTTO; Urteil vom 24. November 2008 – II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 14 f. – Schutzgemeinschaftsvertrag II; Urteil vom 15. November 2011 – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 16; Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 13 ff.). Das gilt für sämtliche Beschlussgegenstände und damit auch für Entlastungsentscheidungen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 16). Bei der nach den §§ 133, 157 BGB vom Wortlaut und dem erkennbaren Sinn und Zweck ausgehenden Auslegung gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen handelt es sich um eine nach bestimmten Regeln vorzunehmende Würdigung, die weitgehend in der Verantwortung des Tatrichters liegt (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 15). Nach der rechtsfehlerfreien und von der Revisionserwiderung nicht in Frage gestellten Würdigung des Berufungsgerichts ist die Entlastung der Geschäftsführung nach § 8 Abs. 2 GV einer Mehrheitsentscheidung unterworfen.

31

b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Nichtigkeit der Entlastungsbeschlüsse mit der Begründung festgestellt, die Beklagten zu 2 bis 4 hätten mit der Stimmabgabe gegen ihre gesellschafterliche Treuepflicht verstoßen.

32

Ist die Entscheidung der Mehrheit der Gesellschafter von einer Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag gedeckt, muss auf einer zweiten Stufe im Rahmen einer inhaltlichen Wirksamkeitsprüfung untersucht werden, ob sich der Beschluss als treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit darstellt, oder ob sonstige zur materiellen Unwirksamkeit gegenüber allen oder einzelnen Gesellschaftern führende Gründe vorliegen (BGH, Urteil vom 15. Januar 2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rn. 10 – OTTO; Urteil vom 24. November 2008 – II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 17 – Schutzgemeinschaftsvertrag II; Urteil vom 15. November 2011 – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 23; Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 11, 13; Urteil vom 11. September 2018 – II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 35). Dies trifft für die Entlastungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft vom 25. November 2016 und vom 8. März 2017 über die Entlastung der Geschäftsführung nach den bisher getroffenen Feststellungen jedoch nicht zu.

33

aa) Die angefochtene Entscheidung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht bei der Prüfung, ob die Entlastung im Hinblick auf das dem Beklagten zu 1 vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten treuwidrig war, für diesen nicht den Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt nach §§ 708, 277 BGB angelegt hat. Der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG hat bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft auch dann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, wenn er Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist.

34

(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach § 43 Abs. 1 GmbHG sei der Geschäftsführer einer GmbH stets verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Der Beklagte zu 1 habe in verantwortlich leitender Funktion als Verwalter eines fremden Vermögens andauernd die Interessen der Gesellschaft zu wahren gehabt. Hieran vermöge der Umstand, dass der Beklagte zu 1 zugleich Gesellschafter der Kommanditgesellschaft gewesen sei, nichts zu ändern, zumal die Anwendung von § 708 BGB bei einer GmbH & Co. KG im Hinblick auf die kapitalgesellschaftliche Struktur der Gesellschaft nicht in Betracht komme.

35

Diese Ausführungen stehen zwar im Zusammenhang mit der Prüfung eines Einverständnisses der Gesellschafter der Kommanditgesellschaft mit einer reduzierten Überwachung des Verwalters. Es ist aber davon auszugehen, dass das Berufungsgericht den Maßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG auch bei der Beurteilung der Haftung des Beklagten zu 1 als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zugrunde gelegt hat. Daran ist nichts zu beanstanden.

36

(2) Teilweise wird die Auffassung vertreten, der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH habe bei einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG, bei der er zugleich Kommanditist ist, nur die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einzuhalten (§ 708 BGB; vgl. Scheel in MünchHdbGesR, Bd. II, 5. Aufl., § 7 Rn. 90; BeckOGK/Scholl/Fischer, HGB, Stand: 1. Juli 2020, § 114 Rn. 145; immer bei personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG: Mayer/Jenne, GmbHR 2019, 940, 949; MünchKommBGB/Schäfer, 7. Aufl., § 708 Rn. 5; Habermeier in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2003, § 708 Rn. 18; Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., Anh. 1 zu § 177a Rn. 90; Erman/Westermann, BGB, 15. Aufl., § 708 Rn. 3). Nach anderer Ansicht hat der Geschäftsführer der Komplementärin zur Vermeidung seiner Haftung gegenüber der Kommanditgesellschaft stets die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 43 Abs. 1 GmbHG; Grunewald, GmbHR 2018, 63, 65; Henssler/Strohn/Servatius, GesR, 4. Aufl., Anh. B zum HGB Rn. 157; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., § 43 Rn. 99; Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 433; Bergmann in jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 1. Februar 2020, § 708 Rn. 33 f.; Drescher in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 114 Rn. 39; MünchKommHGB/Grunewald, 4. Aufl., § 161 Rn. 87; Oetker/Oetker, HGB, 6. Aufl., § 164 Rn. 55; Casper in Staub, Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 61; Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl., Anh. nach § 177a Rn. 26).

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(3) Die letztgenannte Auffassung ist richtig.

38

(a) Für Schäden der GmbH & Co. KG aus der Verletzung von Geschäftsführungspflichten haftet die Komplementär-GmbH. Die GmbH bedient sich zur Erfüllung ihrer Geschäftsführungsaufgaben in der GmbH & Co. KG ihres Geschäftsführers. Die Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers bei der Geschäftsführung für die GmbH als Komplementärin und zugleich für die Kommanditgesellschaft muss sich im Innenverhältnis zwischen Komplementär-GmbH und Kommanditgesellschaft erstere nach § 31 BGB zurechnen lassen. Die Komplementär-GmbH ist damit gegenüber der Kommanditgesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 – II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 16). Für Schäden der GmbH & Co. KG aus der Verletzung von Geschäftsführungspflichten haftet daneben der Geschäftsführer der GmbH, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH in der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft besteht. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH haftet in diesem Fall der Kommanditgesellschaft nach denselben Grundsätzen wie sonst der Geschäftsführer der GmbH dieser gegenüber (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326, 337 f.; Urteil vom 17. März 1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 193 f.; Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 15 mwN). Diese Grundsätze schließen den Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG mit ein, der daher bei mittelbarer Wahrnehmung der Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft einheitlich im Verhältnis des Geschäftsführers zur Komplementär-GmbH und zur GmbH & Co. KG gilt.

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(b) Dies folgt aus einer die berechtigten und für den Geschäftsführeroffensichtlichen Interessen der von der Geschäftsführung betroffenen Gesellschaften berücksichtigenden Weiterentwicklung der Senatsrechtsprechung.

40

Der Senat hat zunächst für die Publikums-Kommanditgesellschaft entschieden, dass § 708 BGB die Haftung der Komplementär-GmbH und ihres Geschäftsführers nicht begrenzt (BGH, Urteil vom 12. November 1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 Rn. 16; Urteil vom 17. März 1980 – II ZR 85/79, WM 1980, 593). In einer weiteren Entscheidung hat der Senat dies auf die personalistisch strukturierte GmbH & Co. KG, bei der der Geschäftsführer der GmbH nicht zugleich Gesellschafter der Kommanditgesellschaft war, erstreckt. Der Geschäftsführer habe gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG in den Angelegenheiten der Gesellschaft und damit auch einer GmbH & Co. KG, deren Geschäfte er als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH führe, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (BGH, Urteil vom 16. Februar 1981 – II ZR 49/80, WM 1981, 440, 441).

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Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG zugleich Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist, führt nicht zu einer Verminderung der von ihm anzuwendenden Sorgfalt. Der Haftungsmaßstab im Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der Komplementär-GmbH bestimmt sich nach § 43 Abs. 1 GmbHG. Der Haftungsmaßstab im Verhältnis zwischen der Komplementär-GmbH und der Kommanditgesellschaft bestimmt sich danach ebenfalls nach § 43 Abs. 1 GmbHG. Da die GmbH durch ihr Vertretungsorgan handelt, ist der Maßstab für das Verschulden des Geschäftsführers, für den sie nach § 31 BGB gegenüber der Kommanditgesellschaft einzustehen hat und der Maßstab für ihr Verschulden bei der Haftung gegenüber der Kommanditgesellschaft einheitlich zu bemessen (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl., Anh. nach § 177a Rn. 26; Drescher in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 114 Rn. 39). Auch bei Berücksichtigung von § 708 BGB ist der Maßstab für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten der Komplementär-GmbH, die nur durch ihr Vertretungsorgan handeln kann, in jedem Fall durch den für ihre Geschäftsführung maßgeblichen § 43 GmbHG bestimmt und für sie die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes auch die nach § 708 BGB geltende Richtschnur (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 327; Bergmann in jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 1. Februar 2020, § 708 Rn. 33 f.; Oetker/Oetker, HGB, 6. Aufl., § 164 Rn. 55).

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Der Haftungsmaßstab im Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und der Kommanditgesellschaft bestimmt sich ebenfalls nach § 43 Abs. 1 GmbHG. Ein einheitlicher Haftungsmaßstab für die Haftung des Geschäftsführers der Komplementärin gegenüber dieser und gegenüber der Kommanditgesellschaft entspricht der für den Geschäftsführer ohne weiteres erkennbaren Interessenlage der beteiligten Gesellschaften. Das wohlverstandene Interesse der Komplementär-GmbH, der gegenüber der Geschäftsführer nach dem Maßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG haftet, geht dahin, dass ihr Geschäftsführer die Leitung der Kommanditgesellschaft im Rahmen seiner Organpflichten ordnungsgemäß ausübt, weil sie auf eine günstige wirtschaftliche Entwicklung ihrer Beteiligung bedacht sein muss und als persönlich haftende Gesellschafterin selbst aus dem Gesellschaftsverhältnis der Kommanditgesellschaft zu einer sorgfältigen Geschäftsführung verpflichtet ist. Die Komplementär-GmbH muss darauf vertrauen dürfen, dass ihr Geschäftsführer den Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft die gleiche Sorgfalt widmet wie ihren eigenen (BGH, Urteil vom 17. März 1980 – II ZR 85/79, WM 1980, 593; Urteil vom 17. März 1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 193 f.; Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 18). Eine Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers geht, soweit es die Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft betrifft, aber vor allem zu deren Lasten. Die Kommanditgesellschaft bzw. die Kommanditisten sind auf die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH angewiesen; sie haben jedoch regelmäßig keine Befugnisse, um unmittelbar auf ihn einzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 323; Urteil vom 14. November 1994 – II ZR 160/93, ZIP 1995, 738, 745 f.; Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 18). Eine Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH ihr gegenüber nach einem geringeren Maßstab als gegenüber der Komplementärin ist daher nicht gerechtfertigt.

43

Die dargelegte Interessenlage ist unabhängig davon, ob es sich um eine personalistisch strukturierte Gesellschaft handelt oder nicht und ob der Geschäftsführer zudem Kommanditist ist oder nicht. Dass er sich im letztgenannten Fall bei einer Pflichtverletzung zugleich selbst schädigt, rechtfertigt es nicht, ihn zu Lasten seiner Mitgesellschafter nur dann haften zu lassen, wenn er die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten verletzt. Es wäre wenig einsichtig, bei der Organhaftung eines Geschäftsführers einer GmbH danach zu differenzieren, ob dieser auch Kommanditist ist oder nicht, zumal er als Kommanditist gar nicht geschäftsführungsbefugt wäre (Casper in Staub, Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 61). Auch kann kaum davon ausgegangen werden, dass es dem Willen der GmbH-Gesellschafter entspricht, mit der Wahl eines Kommanditisten zum Geschäftsführer zugleich ein geringeres Schutzniveau für die Kommanditgesellschaft und damit mittelbar auch für die GmbH als ihrem Komplementär festzulegen (Grunewald, GmbHR 2018, 63, 65).

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bb) Das Berufungsurteil unterliegt aber deshalb der Aufhebung, weil das Berufungsgericht bei der Beantwortung der Frage, ob Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen den Beklagten zu 1 bestehen, auf die die Kommanditisten wegen der Schwere der zugrundeliegenden Pflichtverletzung nicht ohne Verstoß gegen die gesellschaftliche Treuepflicht hätten verzichten können, die Beweislast verkannt hat und die auf dieser fehlerhaften Grundlage getroffenen Feststellungen die Entscheidung daher nicht tragen können. Das Berufungsgericht ist bei der Beweislastverteilung rechtsirrig von den Grundsätzen ausgegangen, die im Organhaftungsprozess Anwendung finden. Es hat dabei verkannt, dass die Frage eines Verstoßes gegen die gesellschafterliche Treuepflicht zu beurteilen ist, wofür derjenige darlegungs- und beweisbelastet ist, der sich auf einen solchen Verstoß beruft, hier der Kläger.

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(1) Das Berufungsgericht hat die partielle Beweislastumkehr aus dem Innenhaftungsprozess zur Anwendung gebracht, wonach die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast nur dafür trifft, dass und inwieweit ihr durch ein sich als möglicherweise pflichtwidrig darstellendes Verhalten des Organmitglieds in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist, wobei ihr die Erleichterungen des § 287 ZPO zugutekommen können, und demgegenüber das beklagte Organmitglied darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat, dass es seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist oder kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280; Beschluss vom 18. Februar 2008 – II ZR 62/07, ZIP 2008, 736 Rn. 5, 8; Urteil vom 1. Dezember 2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 81 Rn. 20 – MPS; Urteil vom 22. Februar 2011 – II ZR 146/09, AG 2011, 378 Rn. 17; Urteil vom 15. Januar 2013 – II ZR 90/11, AG 2013, 259 Rn. 14; Urteil vom 14. Mai 2013 – II ZR 76/12, ZIP 2013, 1642 Rn. 15; Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 22; Urteil vom 8. Juli 2014 – II ZR 174/13, BGHZ 202, 26 Rn. 33).

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Das ist bereits im Ansatz verfehlt. Denn nach der Rechtsprechung des Senats rechtfertigt sich die dargestellte Abweichung von dem Grundsatz der Beweislast des Anspruchstellers für sämtliche anspruchsbegründenden Umstände aus der Erwägung, dass das jeweilige Organmitglied die Umstände seines Verhaltens und damit auch die Gesichtspunkte überschauen kann, die für die Beurteilung der Pflichtmäßigkeit seines Verhaltens sprechen, während die von ihm verwaltete Korporation in diesem Punkt immer in einer Beweisnot wäre (BGH, Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 283 juris Rn. 6). Diese größere Sachnähe des Organmitglieds ließe sich zwar dem Beklagten zu 1 zurechnen, nicht aber den Beklagten zu 2 bis 4, denen ein treuwidriges Abstimmungsverhalten vorgeworfen wird.

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(2) Unabhängig davon hat das Berufungsgericht verkannt, dass der Kläger keinen Haftungsprozess führt, sondern die Unwirksamkeit der Entlastungsbeschlüsse festgestellt wissen will. In diesem Fall liegt die Beweislast aber so, dass derjenige, der behauptet, ein Beschluss stelle sich als treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit dar, dies bis auf hier nicht vorliegende Ausnahmefälle zu beweisen hat (BGH, Urteil vom 15. Januar 2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rn. 10 – OTTO; Urteil vom 24. November 2008 – II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 17 – Schutzgemeinschaftsvertrag II; Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 12).

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III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO), damit es die zur Beurteilung der Begründetheit der Klage erforderlichen Feststellungen treffen kann, insbesondere ob dem Beklagten zu 1 schwere Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind und der Gesellschaft ein erheblicher Schaden zugefügt wurde.

49

Es ist Sache der Gesellschafter, darüber zu befinden, ob ein Geschäftsführer wegen etwaiger Pflichtwidrigkeiten zur Rechenschaft gezogen oder ob auf Ansprüche gegen ihn durch Entlastungs- oder Generalbereinigungsbeschluss verzichtet werden soll (BGH, Urteil vom 7. April 2003 – II ZR 193/02, ZIP 2003, 945 Rn. 8). Wegen des weiten Ermessensspielraums der Gesellschafter bei der Entlastung (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1985 – II ZR 165/84, BGHZ 94, 324, 327), ist ein Entlastungsbeschluss nur anfechtbar, wenn keine andere Entscheidung als die Versagung denkbar und die Entlastung missbräuchlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1977 – II ZR 79/75, WM 1977, 361 juris Rn. 21). Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Geschäftsführer schwere Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind und der Gesellschaft ein erheblicher Schaden zugefügt wurde (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2009 – II ZR 169/07, ZIP 2009, 2195 Rn. 20). Das Berufungsgericht hat insbesondere bisher noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die dem Beklagten zu 1 und damit der Beklagten zu 5 vorzuwerfenden Pflichtverletzungen in diesem Sinne schwer waren und deshalb keine andere Entscheidung als die Versagung der Entlastung denkbar war.

50

Dagegen scheidet eine Treuwidrigkeit wegen eines verfrüht gefassten Entlastungsbeschlusses aus. Wegen der Verzichtswirkung ist eine Entlastungsentscheidung auch treuwidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt getroffen wird, zu dem die Gesellschafter zwar von der Pflichtverletzung erfahren haben, aber noch nicht in der Lage sind zu beurteilen, ob der Gesellschaft ein Schaden zugefügt wurde, und sie nur dazu dient, den Geschäftsführer der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2009 – II ZR 169/07, ZIP 2009, 2195 Rn. 20). Unter diesem Gesichtspunkt scheidet die Treuwidrigkeit der Stimmabgabe der Beklagten zu 2 bis 4 aus, weil der von dem Verwalter verursachte Schaden nach Einholung eines Gutachtens jedenfalls teilweise bekannt war und der Verwalter gegenüber der Gesellschaft bereits vor der Beschlussfassung über die Entlastung der Beklagten zu 5 ein notarielles Schuldanerkenntnis über 526.315 € abgegeben hatte.

51

Die Stimmrechtsausübung war auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verfolgung ausschließlich eigennütziger Zwecke wegen des Einsatzes von Mehrheitsmacht zur Erlangung ungerechtfertigter Sondervorteile treuwidrig (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2016 – II ZR 275/14, ZIP 2016, 1220 Rn. 23; Urteil vom 11. September 2018 – II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 37). Der Beklagte zu 1 als von der Entlastungsentscheidung mittelbar Betroffener unterlag einem Stimmverbot (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2018 – II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 37) und hat auch nicht mitgestimmt. Die Beklagten zu 2 bis 4 sind von den Folgen der Entlastungsbeschlüsse als Mitgesellschafter in gleicher Weise betroffen wie der Kläger.

  • Drescher
  • Born
  • B. Grüneberg
  • V. Sander
  • von Selle