Beschluss des BPatG München 25. Senat vom 17.09.2020, AZ 25 W (pat) 558/19

BPatG München 25. Senat, Beschluss vom 17.09.2020, AZ 25 W (pat) 558/19, ECLI:DE:BPatG:2020:170920B25Wpat558.19.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 012 742.4

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 17. September 2020 unter Mitwirkung der Richterin Kriener, des Richters Schödel und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. März 2019 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen der Klasse 35 „Vermittlung und Abwicklung von Handelsgeschäften für Dritte über Telekommunikationssysteme; Computergestützte Datenbankverwaltung; Erfassung, Aktualisierung und Pflege von Daten in Datenbanken [Büroarbeiten]; outgesourcte Verwaltungsdienstleistungen für Unternehmen“ und der Klasse 38 „Bereitstellung eines Benutzerzugangs zu Internet-Plattformen; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet“ zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Anmelderin zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Die Bezeichnung

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fairzinsung

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ist am 22. Mai 2018 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Dienstleistungen angemeldet worden:

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Klasse 35: Betriebswirtschaftliche Analyse-, Recherche- und Informationsdienstleistungen; Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Abschluss und Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte; Erteilen von Auskünften an Verbraucher in Bezug auf Waren und Dienstleistungen; Erteilung von Auskünften [Information] und Beratung für Verbraucher in Handels- und Geschäftsangelegenheiten [Verbraucherberatung]; Erteilung von Auskünften und Beratung für Verbraucher bei der Auswahl von Produkten und Dienstleistungen für kommerzielle Zwecke; Geschäftsvermittlung in Bezug auf das Zusammenführen potenzieller privater Investoren mit Unternehmern, die Finanzierungsbedarf haben; Vermittlung und Abwicklung von Handelsgeschäften für Dritte über Telekommunikationssysteme; Analyse von Geschäftsdaten; Analyse von Geschäftsinformationen; Analyse von Unternehmensstatistiken; Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten, auch über Internet, das Kabelnetz oder andere Formen der Datenübertragung; Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten mittels einem globalen Computernetzwerk oder dem Internet; Bewertung von Unternehmen; Durchführung von Unternehmensbewertungen; Computergestützte Datenbankverwaltung; Zusammenstellung und Systematisierung von Informationen in Datenbanken; Erfassung, Aktualisierung und Pflege von Daten in Datenbanken [Büroarbeiten]; Erteilen von Auskünften zu Handels- und Geschäftsangelegenheiten aus Online-Datenbanken; Vermittlung von Verträgen für Dritte; Bereitstellung von Geschäftsinformationen über eine Web-Site; betriebswirtschaftliche Beratung; Erstellen von Statistiken; Erstellen von Geschäftsgutachten; Informationen in Geschäftsangelegenheiten; outgesourcte Verwaltungsdienstleistungen für Unternehmen; sämtliche vorgenannte Dienstleistungen auch über das Internet;

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Klasse 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Depotverwahrungsdienste; Anlagen- und Portfolioverwaltung; Anlagenverwaltung für Dritte; Bank- und Finanzdienstleistungen; Darlehens-, Kredit- und Leasingfinanzierungsdienste; Dienstleistungen im Bereich des Finanzwesens; Dienstleistungen in Bezug auf Privatplatzierung und Risikokapitalanlagen; Dienstleistungen in Bezug auf Risiko- und Projektkapitalanlagen; Elektronischer Finanzhandelsdienstleistungen; Finanzauskunfts- und -beratungsdienste sowie Bereitstellen von Finanzdaten; Finanzanlagegeschäfte; Finanzanlagenmanagement; Finanzanlagenverwaltung; Finanzverwaltung über das Internet; Homebanking; Internetbanking; Investmentgeschäfte; Investmentgeschäfte mit privatem Eigenkapital; Online-Ausführung von Finanzgeschäften; Über das Internet und elektronische Medien bereitgestellte Finanzdienstleistungen; Vermögensverwaltung; Vermittlung von Vermögensanlagen; Vermittlung von eigenkapitalähnlichen Finanzprodukten; Eingehen von stillen Vermögensbeteiligungen für Dritte; Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen für Dritte; Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen mit Eigenkapitalcharakter für Dritte; Beratung in finanzieller Hinsicht bei der Finanzierung von Unternehmen; Vermittlung von Aktien und anderen Wertpapieren; Beratung in Bezug auf Kapitalanlagen; Vermittlung von Anlagekapital; Vermitteln von Finanzierungsmöglichkeiten; Vermitteln von Finanzdienstleistungen; Vermittlung von Finanzierungen für Unternehmen; Vermittlung von Finanztransaktionen; Vermittlung von Kapital; Darlehensvermittlung; Vermittlung von Inhaberschuldverschreibungen; Vermittlung von Hypothekenanleihen; Vermittlung von Rentenversicherungsverträgen; Emissionsgeschäftsdienstleistungen; Handel mit Emissionsrechten; Emission von handelbaren Wertpapieren; Dienstleistungen im Bereich der Emissionsgeschäfte; CO2-Emissionshandel [Maklertätigkeiten]; Bereitstellung von finanziellen Informationen über eine Web-Site; Crowdfunding; Crowdinvesting [Finanzdienstleistung]; Sammeln von Spenden für Dritte über eine Crowdfunding-Webseite; Eigenkapitalfinanzierung für Immobilien für Dritte [z. B. durch Vermittlung]; Gewährung von Risikoübernahmen für Kapital- und Finanzanlagen; Recherchen zu Kapitalanlagen; gewerbliche Immobilienfinanzierung; Pfandbriefgeschäfte; Organisation von Finanzierungen für Bauprojekte; Treuhänderische Vermögensverwaltung; Finanzberatung über Vermögensverwaltung; Vermögensverwaltung durch Treuhänder; Finanzielle Beratung und Vermögensverwaltung; Finanzielle Beratung bezüglich der Vermögensverwaltung durch Treuhänder; Beratung, Consulting, Recherche und Information in Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen, soweit diese Dienstleistungen in Klasse 36 enthalten sind;

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Klasse 38: Bereitstellung eines Benutzerzugangs zu Internet-Plattformen; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet.

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Mit Beschluss vom 20. März 2019 hat die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts die unter dem Aktenzeichen 30 2018 012 742.4 geführte Anmeldung durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.

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Zur Begründung ist aufgeführt, dass die angemeldete Bezeichnung „fairzinsung“ unmittelbar verständlich aus dem Adjektiv „fair“ und dem Wortelement „zinsung“ zusammengesetzt sei. Das Adjektiv „fair“ bezeichne ein Verhalten, das anständig oder gerecht sei bzw. den Regeln des Zusammenlebens entspreche. Mit dem Wort „Verzinsung“ werde zum Ausdruck gebracht, dass ein bestimmter Geldbetrag oder eine bestimmte Sache Zinsen in bestimmter Höhe einbringe. Die angemeldete Bezeichnung lehne sich klanglich an den Begriff „Verzinsung“ an und sei eine Verschmelzung der Wortkombination „faire Verzinsung“. Der angesprochene Verkehr werde daher die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen lediglich als einen schlagwortartigen Hinweis dahingehend verstehen, dass mit den betreffenden Dienstleistungen eine faire Verzinsung bzw. eine Verzinsung zu besonders fairen Konditionen angeboten werde. Die von der Markenstelle vorgelegten Recherchebeispiele zeigten, dass entsprechende Wortzusammensetzungen, die mit einer phonetischen Überschneidung der Wortbestandteile „fair“ und „ver“ spielten, gängige Werbemittel seien, die auf „faire“ Dienstleistungen oder „faire“ Anbieter hinweisen sollten. Auch der Umstand, dass der Begriff „Fairzinsung“ kein lexikalisch nachweisbares Wort der deutschen Sprache sei, führe nicht zur Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung. Insbesondere weise die Gesamtbezeichnung „fairzinsung“ keinen anderen Sinngehalt auf als ihre einzelnen Wortbestandteile und lasse keinen, über die bloße Summenwirkung hinausgehenden Begriff entstehen.

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Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung führt sie aus, dass der angemeldeten Bezeichnung das für eine Eintragung erforderliche, aber auch ausreichende Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden könne. Die kreative Verbindung der Wortbestandteile „fair“ und „Verzinsung“ sei für den angesprochenen Verkehr überraschend. Es entstehe ein neues Wort, das von einer sprachregelgerechten Wortbildung abweiche. Soweit die Markenstelle im angegriffenen Beschluss auf verschiedene, ähnliche Wortverbindungen hingewiesen habe (wie „fairerben“, „fairkauf“ oder „fairmieter“), handle es sich bei diesen Bezeichnungen größtenteils um eingetragene Marken oder Benutzungen im Ausland. Diese Voreintragungen bzw. markenmäßigen Benutzungen ähnlicher Wortbildungen seien somit ein Beweis für die Unterscheidungskraft der angemeldeten Bezeichnung. Die Markenstelle habe zudem übersehen, dass das Adjektiv „fair“ unterschiedliche Bedeutungen haben könne, wie z.B. „nachhaltig“ oder „einer Partei zugutekommend“. Dies rege den Verkehr zum Nachdenken an und verleihe der angemeldeten Bezeichnung einen fantasievollen Überschuss. Im Übrigen setzte sich der angegriffene Beschluss nicht ausreichend mit den einzelnen beanspruchten Dienstleistungen auseinander, insbesondere mit den in Klasse 38 beanspruchten Dienstleistungen. Auch die Dienstleistung der Klasse 35 „Erstellen von Statistiken“ stehe in keinem wie auch immer gearteten Zusammenhang mit einer „fairen Verzinsung“.

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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. März 2019 aufzuheben.

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Auf den Ladungszusatz des Senats vom 15. Juli 2020 hat die Anmelderin ihren ursprünglich gestellten Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 zurückgenommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache überwiegend keinen Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „fairzinsung“ als Marke steht in Bezug auf die meisten der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke insoweit die Eintragung zu Recht versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG). Lediglich im Zusammenhang mit den Dienstleistungen „Vermittlung und Abwicklung von Handelsgeschäften für Dritte über Telekommunikationssysteme; Computergestützte Datenbankverwaltung; Erfassung, Aktualisierung und Pflege von Daten in Datenbanken [Büroarbeiten]; outgesourcte Verwaltungsdienstleistungen für Unternehmen“ (Klasse 35) und „Bereitstellung eines Benutzerzugangs zu Internet-Plattformen; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet“ (Klasse 38) ist der sachbeschreibende Sinngehalt der angemeldeten Bezeichnung so weit gelockert, dass ein Schutzhindernis nicht mehr bejaht werden kann.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi Langstrumpf). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH, GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/ Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH, GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH, GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 – 57 – Flugbörse). Hiervon ausgehend besitzen Bezeichnungen keine Unterscheidungskraft, denen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist ferner dann auszugehen, wenn die Wortfolge für sich genommen oder im Zusammenhang mit produktbeschreibenden Angaben lediglich Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthält (BGH GRUR 2013, 522 Rn. 9 – Deutschlands schönste Seiten). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2010, 1100 Rn. 23 – TOOOR!).

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Zumindest unter dem letztgenannten Gesichtspunkt fehlt der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang den meisten beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 die erforderliche Unterscheidungskraft.

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Die angemeldete Bezeichnung ist ohne weiteres erkennbar im Sinne eines Kofferwortes aus zwei Wörtern der deutschen Sprache zusammengesetzt, nämlich aus „fair“ und „Verzinsung“. Das Wort „fair“ stammt ursprünglich aus der englischen Sprache, ist aber in gleicher Bedeutung in den deutschen Sprachschatz eingegangen. Die Markenstelle hat zutreffend festgestellt, dass das Adjektiv „fair“ ein Verhalten bezeichnet, das als anständig oder gerecht angesehen wird. Im Zusammenhang mit dem internationalen Handel hat der Begriff „fair“ zudem eine besondere Bedeutung erlangt. Insoweit versteht der angesprochene Verkehr den Begriff „fair“ als Hinweis darauf, dass beim Verkauf bestimmter Waren oder der Erbringung bestimmter Dienstleistungen die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt werden. Anders als im konventionellen Handel, der allein auf eine Profitmaximierung ausgerichtet ist, sollen im Rahmen eines „fairen Handels“ auch die schwächeren Marktteilnehmer angemessen behandelt werden. Vor allem soll der „faire Handel“ diesen Marktteilnehmern einen Weg aus der Armut ermöglichen. Die so gehandelten Produkte werden im allgemeinen Sprachgebrauch als „fair“ bezeichnet, wie beispielsweise als „faire Schokolade“ oder als „fairer Kaffee“ (auf die Rechercheunterlagen des Senats, die der Anmelderin mit dem Ladungszusatz vom 15. Juli 2020 übersandt worden sind, wird Bezug genommen). In diesem Sinne kann auch ein Finanzprodukt „fair“ sein, wenn es sich (auch) der Förderung sozial schwacher Marktteilnehmer verschreibt. Das Kapital eines Anlegers kann dann nicht nur dem Zweck dienen, möglichst hohe Zinsen zu erwirtschaften, sondern zugleich dem Zweck, die wirtschaftliche Lage des Darlehensnehmers zu verbessern. Hiervon ausgehend wird der Verkehr die angemeldete Bezeichnung lediglich als einen sachlichen Hinweis auf ein nach den Grundsätzen des fairen Handels gestaltetes Finanzprodukt verstehen. Insoweit ist nach Auffassung des Senats auch nicht davon auszugehen, dass es sich bei der angemeldeten Bezeichnung um eine sogenannte „sprechende Marke“ handelt.

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Die Dienstleistungen der Klasse 35, nämlich

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„Betriebswirtschaftliche Analyse-, Recherche- und Informationsdienstleistungen; Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Abschluss und Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte; Erteilen von Auskünften an Verbraucher in Bezug auf Waren und Dienstleistungen; Erteilung von Auskünften [Information] und Beratung für Verbraucher in Handels- und Geschäftsangelegenheiten [Verbraucherberatung]; Erteilung von Auskünften und Beratung für Verbraucher bei der Auswahl von Produkten und Dienstleistungen für kommerzielle Zwecke; Geschäftsvermittlung in Bezug auf das Zusammenführen potenzieller privater Investoren mit Unternehmern, die Finanzierungsbedarf haben; Analyse von Geschäftsdaten; Analyse von Geschäftsinformationen; Analyse von Unternehmensstatistiken; Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten, auch über Internet, das Kabelnetz oder andere Formen der Datenübertragung; Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten mittels einem globalen Computernetzwerk oder dem Internet; Bewertung von Unternehmen; Durchführung von Unternehmensbewertungen; Computergestützte Datenbankverwaltung; Zusammenstellung und Systematisierung von Informationen in Datenbanken; Erteilen von Auskünften zu Handels- und Geschäftsangelegenheiten aus Online-Datenbanken; Vermittlung von Verträgen für Dritte; Bereitstellung von Geschäftsinformationen über eine Web-Site; betriebswirtschaftliche Beratung; Erstellen von Statistiken; Erstellen von Geschäftsgutachten; Informationen in Geschäftsangelegenheiten; sämtliche vorgenannte Dienstleistungen auch über das Internet“

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können sämtlich mit „fairen“ Finanzprodukten im Zusammenhang stehen. Sie können auf die Entwicklung, die Konzeption, den Vertrieb und die Administration eines Finanzprodukts bezogen sein, bei dem der Anleger Zinsen erhält, ohne dass derjenige, der für diese Zinsen aufkommen muss, über Gebühr beansprucht wird. Insbesondere hat auch die Dienstleistung „Erstellen von Statistiken“ einen ausreichend engen Bezug zu Finanzdienstleistungen, da Statistiken in dieser Branche ein wesentlicher Faktor für die Beurteilung und Bewertung von Produkten sind (auf die Rechercheunterlagen des Senats, die der Anmelderin mit dem Ladungszusatz vom 15. Juli 2020 übersandt worden sind, wird Bezug genommen).

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Lediglich die Dienstleistungen der Klasse 35

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„Vermittlung und Abwicklung von Handelsgeschäften für Dritte über Telekommunikationssysteme; Computergestützte Datenbankverwaltung; Erfassung, Aktualisierung und Pflege von Daten in Datenbanken [Büroarbeiten]; outgesourcte Verwaltungsdienstleistungen für Unternehmen“

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sind so weit von der Entwicklung und Vermarktung eines Finanzproduktes entfernt, dass sich der sachbeschreibende Sinngehalt der angemeldeten Bezeichnung dem angesprochenen Verkehr nicht mehr mit der hinreichenden Eindeutigkeit erschließt. Die Dienstleistungen betreffen im Wesentlichen die Unterstützung Dritter in administrativen Angelegenheiten, ohne dass insoweit zwischen dem betreffenden Dienstleister und dem Auftraggeber die Verzinsung von Kapital im Vordergrund steht.

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Die Dienstleistungen der Klasse 36, nämlich

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„Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Depotverwahrungsdienste; Anlagen- und Portfolioverwaltung; Anlagenverwaltung für Dritte; Bank- und Finanzdienstleistungen; Darlehens-, Kredit- und Leasingfinanzierungsdienste; Dienstleistungen im Bereich des Finanzwesens; Dienstleistungen in Bezug auf Privatplatzierung und Risikokapitalanlagen; Dienstleistungen in Bezug auf Risiko- und Projektkapitalanlagen; Elektronischer Finanzhandelsdienstleistungen; Finanzauskunfts- und -beratungsdienste sowie Bereitstellen von Finanzdaten; Finanzanlagegeschäfte; Finanzanlagenmanagement; Finanzanlagenverwaltung; Finanzverwaltung über das Internet; Homebanking; Internetbanking; Investmentgeschäfte; Investmentgeschäfte mit privatem Eigenkapital; Online-Ausführung von Finanzgeschäften; Über das Internet und elektronische Medien bereitgestellte Finanzdienstleistungen; Vermögensverwaltung; Vermittlung von Vermögensanlagen; Vermittlung von eigenkapitalähnlichen Finanzprodukten; Eingehen von stillen Vermögensbeteiligungen für Dritte; Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen für Dritte; Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen mit Eigenkapitalcharakter für Dritte; Beratung in finanzieller Hinsicht bei der Finanzierung von Unternehmen; Vermittlung von Aktien und anderen Wertpapieren; Beratung in Bezug auf Kapitalanlagen; Vermittlung von Anlagekapital; Vermitteln von Finanzierungsmöglichkeiten; Vermitteln von Finanzdienstleistungen; Vermittlung von Finanzierungen für Unternehmen; Vermittlung von Finanztransaktionen; Vermittlung von Kapital; Darlehensvermittlung; Vermittlung von Inhaberschuldverschreibungen; Vermittlung von Hypothekenanleihen; Vermittlung von Rentenversicherungsverträgen; Emissionsgeschäftsdienstleistungen; Handel mit Emissionsrechten; Emission von handelbaren Wertpapieren; Dienstleistungen im Bereich der Emissionsgeschäfte; CO2-Emissionshandel [Maklertätigkeiten]; Bereitstellung von finanziellen Informationen über eine Web-Site; Crowdfunding; Crowdinvesting [Finanzdienstleistung]; Sammeln von Spenden für Dritte über eine Crowdfunding-Webseite; Eigenkapitalfinanzierung für Immobilien für Dritte [z. B. durch Vermittlung]; Gewährung von Risikoübernahmen für Kapital- und Finanzanlagen; Recherchen zu Kapitalanlagen; gewerbliche Immobilienfinanzierung; Pfandbriefgeschäfte; Organisation von Finanzierungen für Bauprojekte; Treuhänderische Vermögensverwaltung; Finanzberatung über Vermögensverwaltung; Vermögensverwaltung durch Treuhänder; Finanzielle Beratung und Vermögensverwaltung; Finanzielle Beratung bezüglich der Vermögensverwaltung durch Treuhänder; Beratung, Consulting, Recherche und Information in Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen, soweit diese Dienstleistungen in Klasse 36 enthalten sind“

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beziehen sich unmittelbar auf die Entwicklung, den Vertrieb und die Verwaltung von Finanzprodukten, so dass sich dem angesprochenen Verkehr ein sachbeschreibender Sinngehalt im Sinne von „faires Finanzprodukt“ unmittelbar aufdrängt.

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Anderes gilt für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 38, nämlich

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„Bereitstellung eines Zugangs zu Internet-Plattformen; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet“.

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Auch insoweit besteht kein hinreichend enger Sachzusammenhang mehr mit Finanzprodukten. Insbesondere beinhaltet die Erbringung dieser Dienstleistungen nicht das Vorhalten von bestimmten Internetseiten, die inhaltlich auch auf den Vertrieb von Finanzprodukten bezogen sein können. Vielmehr werden mit den beanspruchten Dienstleistungen nur der technische Zugang zu (allen möglichen) Internetseiten Dritter bereitgestellt bzw. die technische Infrastruktur für die Telekommunikation Dritter geschaffen. Aus diesem Grund wird der angesprochene Verkehr die angemeldete Bezeichnung jedenfalls nicht mehr unmittelbar und ohne gedankliche Zwischenschritte als sachbeschreibenden Hinweis verstehen.

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Soweit die Anmelderin darauf verweist, dass einige der von der Markenstelle angeführten Beispiele für Begriffsbildungen mit dem Wortbestandteil „fair“ eingetragene Marken seien, gibt auch dies zu keiner anderen Entscheidung Anlass. Zum einen begründen Voreintragungen nach ständiger Rechtsprechung keinen Rechtsanspruch auf Eintragung (scheinbar) vergleichbarer Zeichen als Marke. Zum anderen sind zahlreiche Anmeldungen vergleichbarer Zeichen mit dem Zeichenbestandteil „fair“ nach gerichtlichen Hinweisen zurückgenommen oder im Beschlusswege zurückgewiesen worden (vgl. z.B. BPatG 27 W (pat) 547/16 – Fairfashion). Weiterhin kann der Verkehr unter Umständen auch durch eingetragene Marken an beschreibende Sinnzusammenhänge gewöhnt werden, so dass er ähnliche Zeichen nicht mehr als betrieblichen Herkunftshinweis versteht, sondern lediglich als Sachhinweis.

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Zur Auffassung der Anmelderin, dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft zur Überwindung des Schutzhindernisses ausreiche, ist ergänzend unter Bezugnahme auf die insoweit maßgebliche Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs anzumerken, dass auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen ist, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren. Die Prüfung der Markenanmeldung muss daher streng und vollständig sein, um ungerechtfertigte Eintragungen zu vermeiden (vgl. EuGH, C-541/18 Rn. 28 – #darferdas; GRUR 2003, 604 Rn. 57, 60 – Libertel; BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 17 – smartbook; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 178, 179).

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2. Die Anmelderin hat ihren ursprünglich gestellten Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 zurückgenommen. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung war demzufolge nicht mehr erforderlich, § 69 Nr. 1 und 3 MarkenG.