BVerwG 8. Senat, Beschluss vom 16.09.2020, AZ 8 B 27/20, ECLI:DE:BVerwG:2020:160920B8B27.20.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 17. Dezember 2019, Az: 12 B 29.18, Urteil
vorgehend VG Potsdam, 15. Mai 2018, Az: 1 K 4778/16
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 39 635,36 € festgesetzt.
Gründe
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Die klagende Gemeinde wendet sich gegen einen Bescheid des beklagten Landrats des Landkreises U. Dieser Bescheid, mit dem die von der Klägerin zu zahlende Kreisumlage festgesetzt wird, stützt sich auf § 4 der Haushaltssatzung des Landkreises für die Haushaltsjahre 2015 und 2016; danach beträgt der Satz der Kreisumlage 47,9 % der für die Städte und Gemeinden des Landkreises geltenden Umlagegrundlagen. Vor Erlass der Haushaltssatzung führte der Beklagte das in § 129 Abs. 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) vorgesehene Verfahren durch. An der frühzeitigen Erörterung (§ 129 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf) nahm kein Vertreter der Klägerin teil. Einwendungen gegen den Entwurf (§ 129 Abs. 1 Satz 3 BbgKVerf) erhob die Klägerin nicht.
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Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Bescheid in dem angefochtenen Umfang aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. § 4 der Haushaltssatzung sei unwirksam, weil der Beklagte seinen verfassungsrechtlichen Ermittlungspflichten nicht nachgekommen sei. Er habe es versäumt, nicht nur seinen eigenen Finanzbedarf, sondern auch den Bedarf der kreisangehörigen Gemeinden zu ermitteln und in seine Entscheidung über die Festsetzung des Umlagesatzes einzustellen. Hieran ändere die Durchführung des in § 129 Abs. 1 BbgKVerf vorgesehenen Verfahrens nichts.
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Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil hat keinen Erfolg.
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1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Eine Divergenz ist nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung eines Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt und die entscheidungstragende Abweichung muss hierauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte oder das Bundesverfassungsgericht aufgestellt haben, genügt den Darlegungsanforderungen einer Divergenzrüge nicht. So aber liegt der Fall hier.
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Die Beschwerde bezeichnet einen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz zu Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 GG. Danach ist dieser Verfassungsnorm nicht zu entnehmen, in welcher Art und Weise die Landkreise den Finanzbedarf ihrer Gemeinden zu ermitteln und offenzulegen haben und ob solchen Verfahrenspflichten entsprechende Verfahrensrechte der betroffenen Gemeinden korrespondieren. Vielmehr obliegt es dem jeweiligen Landesgesetzgeber, das Verfahren der Erhebung von Kreisumlagen zu regeln. Soweit derartige Regelungen fehlen, haben die Landkreise die Befugnis zur Gestaltung ihrer Verfahrensweise (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2019 – 10 C 6.18 – BVerwGE 165, 381 Rn. 14).
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Die Beschwerde benennt jedoch keinen hiervon abweichenden Rechtssatz in dem Berufungsurteil, sondern beanstandet der Sache nach lediglich, dass das Oberverwaltungsgericht mit der Annahme, die landesrechtliche Regelung eines Beteiligungsverfahrens konkretisiere die Ermittlungspflicht nicht abschließend, einen unzutreffenden rechtlichen Schluss aus dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts gezogen habe. Dieser Vorwurf unzutreffender Anwendung eines Rechtssatzes begründet keine zur Zulassung der Revision führende Divergenz.
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Eine Divergenz liegt im Übrigen auch in der Sache nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat sich dem genannten Rechtssatz ausdrücklich angeschlossen (UA S. 9) und ist bei seiner Anwendung im Hinblick auf das brandenburgische Landesrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass § 129 Abs. 1 BbgKVerf entgegen der Auffassung des Beklagten keine abschließende gesetzliche Ausgestaltung der Vorgehensweise bei der Ermittlung und Offenlegung des gemeindlichen Finanzbedarfs darstellt. Die Einhaltung des in der Norm vorgeschriebenen Verfahrens genüge daher zur Erfüllung der verfassungsrechtlichen Pflichten des Landkreises vor Festsetzung der Kreisumlage nicht. § 129 Abs. 1 BbgKVerf ermögliche den Gemeinden zwar eine frühzeitige Beteiligung an der Haushaltsaufstellung und eine Darlegung der kommunalen Finanzinteressen, ohne damit aber zugleich die Pflichten des Landkreises bei der Ermittlung und der Berücksichtigung der gemeindlichen Belange zu begrenzen. Das gelte jedenfalls dann, wenn die Gemeinde die von § 129 Abs. 1 BbgKVerf eröffneten Beteiligungsmöglichkeiten nicht wahrgenommen habe. Mit dieser Interpretation des § 129 Abs. 1 BbgKVerf hat das Oberverwaltungsgericht keinen divergierenden Rechtssatz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgestellt, sondern die Norm an dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts gemessen.
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2. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die die Beschwerde ihr beimisst.
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Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt und erläutert werden, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung der aufgeworfenen, bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfragen des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2019 – 8 B 37.18 – juris Rn. 4). Daran fehlt es hier.
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Die – sich inhaltlich überschneidenden – Fragen,
ob die Einhaltung der in § 129 BbgKVerf oder vergleichbaren landesrechtlichen Regelungen vorgesehenen obligatorischen Anhörungspflicht im Vorfeld der Festsetzung des Kreisumlagesatzes den sich aus Art. 28 Abs. 2 GG ergebenden Ermittlungspflichten des Landkreises vor Erlass einer Haushaltssatzung genügt
und
ob ein Landkreis der ihm aus Art. 28 Abs. 2 GG obliegenden Pflicht zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Gemeinden im Vorfeld der Festsetzung der Kreisumlage genügt, wenn er den kreisangehörigen Gemeinden in zwei gesonderten, zeitlich gestaffelten Verfahren vor Beschluss der Haushaltssatzung, die den Kreisumlagesatz festlegt, die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf der Haushaltssatzung gibt und der Kreistag vor dem Beschluss über die Haushaltssatzung über die vorgebrachten Einwendungen in öffentlicher Sitzung entscheidet,
bedürfen, soweit sie die Auslegung revisionsrechtlicher Maßstabsnormen betreffen, keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.
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Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, § 129 Abs. 1 BbgKVerf regele das Verfahren bei der Ermittlung des gemeindlichen Finanzbedarfs im Vorfeld der Festsetzung der Kreisumlage nicht abschließend, stellt eine Auslegung des irrevisiblen Landesrechts dar, die nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein kann (§ 137 Abs. 1 VwGO).
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Anderes folgt auch nicht daraus, dass der Beklagte geltend macht, das dem Berufungsurteil zugrunde liegende Verständnis der landesrechtlichen Norm stehe mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 GG nicht im Einklang. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2019 – 8 B 37.18 – juris Rn. 6) vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung und Anwendung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen. Das leistet die Beschwerdebegründung nicht. Sie zeigt auch nicht auf, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundesrechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben.
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Vielmehr ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass der Landkreis bei der Erhebung der Kreisumlage verpflichtet ist, den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form offenzulegen, um eine – gegebenenfalls gerichtliche – Überprüfung zu ermöglichen. Ebenso ist geklärt, dass das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht verletzt wird, wenn der Landkreis bei der Erhebung einer Kreisumlage seine eigenen finanziellen Belange gegenüber den finanziellen Belangen der kreisangehörigen Gemeinden einseitig und rücksichtslos bevorzugt (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Januar 2013 – 8 C 1.12 – BVerwGE 145, 378 Rn. 14, vom 29. Mai 2019 – 10 C 6.18 – BVerwGE 165, 381 Rn. 13 und vom 26. Mai 2020 – 8 C 20.19 – juris Rn. 13). Diese Anforderungen gehen über die Einhaltung des in § 129 Abs. 1 BbgKVerf vorgesehenen Verfahrens hinaus. Das von dem Beklagten für richtig gehaltene Verständnis dieser Norm hätte zur Konsequenz, dass der Landkreis von der Ermittlung und der Berücksichtigung des kommunalen Finanzbedarfs absehen könnte, wenn die Gemeinde sich bei der frühzeitigen Erörterung (§ 129 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf) nicht äußert und während der Auslegungsfrist keine Einwendungen erhebt (§ 129 Abs. 1 Satz 3 BbgKVerf). Es bedarf nicht der – weiteren – Klärung in einem Revisionsverfahren, dass Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 GG einen derartigen völligen Verzicht nicht nur auf eigene Ermittlungen des Landkreises, sondern auch auf die inhaltliche Würdigung der finanziellen Belange der Gemeinde nicht gestattet. Die Verfassungsnorm fordert, dass eine einseitige Bevorzugung der Belange des Kreises vermieden wird, und verlangt damit eine Berücksichtigung der gemeindlichen Belange in der Sache nebst der Überprüfbarkeit der getroffenen Entscheidung. Die Einhaltung dieser Anforderungen wäre nicht gewährleistet, wenn sich der Landkreis darauf beschränken könnte, den Gemeinden zu der bereits im Entwurf vorliegenden, ohne Einstellung des gemeindlichen Finanzbedarfs gefertigten Entscheidung lediglich eine Gelegenheit zur Stellungnahme zu eröffnen. Zur Berücksichtigung des Finanzbedarfs der Klägerin war der Beklagte auch nicht auf deren etwaige Äußerung im Verfahren nach § 129 Abs. 1 BbgKVerf angewiesen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war er dazu auch unabhängig von dem Ausgang des Beteiligungsverfahrens in der Lage.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.