BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 02.09.2020, AZ 1 WB 42/19, ECLI:DE:BVerwG:2020:020920B1WB42.19.0
Tenor
Die Festlegung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 8. Oktober 2018 wird aufgehoben, soweit es den Antragsteller betrifft.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.
Tatbestand
1
Der Antrag betrifft die Arbeitszeitgestaltung für die Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 in Norwegen.
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Der 1987 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem Juni 2021 enden. Mit Wirkung vom 1. Juli 2012 wurde er zum Oberfeldwebel befördert. Zum 4. April 2018 wurde er unter Wechsel der Teilstreitkraft vom Heer zur Marine zur … versetzt, wo er als IT-Feldwebel verwendet wird. Von dort aus wurde er für die Zeit vom 27. September 2018 bis zum 28. November 2018 zur Teilnahme an der Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 in Rena/Norwegen kommandiert.
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Zu Dienst und Arbeitszeit für diese Übung ergingen folgende Entscheidungen:
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Am 9. Januar 2018 erließ das Multinationale Kommando Operative Führung die „Weisung Nr. 1 für die deutsche Teilnahme an der Übung TRIDENT JUNCTURE 2018“. Die Weisung enthält unter Nr. 7 Buchst. b die Hinweise, dass das Kommando Streitkräftebasis der durch das Bundesministerium der Verteidigung bestimmte Organisationsbereich für Feststellungen nach § 30c Abs. 4 Nr. 2 bis 5 SG und die durch das Kommando Streitkräftebasis festgelegte Regelung zur Arbeitszeit Bestandteil der Anlage E seien.
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Unter dem 17. Juli 2018 erließ der Kommandeur des … den „Befehl Nr. 2 zur Beteiligung … an der NATO Übung TRIDENT JUNCTURE 2018“. Darin wird in Anlage D unter der Überschrift „1. Arbeitszeit“ u.a. ausgeführt, dass die Teilnehmenden an der Übung Dienst im Grundbetrieb leisteten. Eine Ausnahme davon sei in der nachfolgenden Nr. 2 „Ausnahmetatbestand (§ 30c Absatz 4 Soldatengesetz)“ bestimmt. Dort heißt es im Satz 1, der Befehlshaber Multinationales Kommando Operative Führung … schlage zur Vereinheitlichung des Vorgehens vor, dass die Teilnahme an den Phasen COMMEX, LIVEX und CPX dieser Übung einen Ausnahmetatbestand nach § 30c Abs. 4 Nr. 5 SG darstelle. Im Rahmen der übrigen Phasen sei über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden hinausgehender Dienst anrechenbare Arbeitszeit und gemäß Kapitel 3 der ZDv A-1420/34 „Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten (SAZV)“ auszugleichen.
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Mit E-Mail vom 8. Oktober 2018 bat das Kommando Streitkräftebasis das Bundesministerium der Verteidigung um nachträgliche Anordnung des Ausnahmetatbestandes nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG für die Übung TRIDENT JUNCTURE ab Verlegung nach Norwegen bis zur Rückkehr aus Norwegen.
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Mit E-Mail vom 8. Oktober 2018 legte daraufhin das Bundesministerium der Verteidigung rückwirkend fest, dass – erstens – die Tätigkeiten der Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 solche im Sinne des § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG darstellten. Die Regelungen der Soldatenarbeitszeitverordnung für den Grundbetrieb nach § 30c Abs. 1 bis 3 SG fänden – zweitens – ab Beginn der Verlegung in das Einsatzgebiet bis zum Abschluss der Rückverlegung aus dem Einsatzgebiet nach Ziffer 306 der ZDv A-1420/34 keine Anwendung. Auf die Regelungen nach Ziffer 413-415 ZDv A-1420/34 werde besonders hingewiesen.
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Mit der 1. Änderung des Befehls Nr. 2 vom 6. November 2018 übernahm der Kommandeur des … die vom Bundesministerium der Verteidigung am 8. Oktober 2018 getroffene Regelung unter Streichung des bisherigen Inhalts in die Anlage D dieses Befehls.
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Mit einem – parallelen Anträgen mehrerer Soldaten gleichlautenden – Schreiben vom 28. Oktober 2018 legte der Antragsteller „Beschwerde“ gegen die Arbeitszeitregelung für die Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 ein. Er führte aus, am 9. Oktober 2018 über die Festlegung des Bundesministeriums der Verteidigung in Kenntnis gesetzt worden zu sein. § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG greife für eine Übung zum Vorbereiten und Herstellen der Einsatzfähigkeit nicht ein. Diese Regelung zähle Ausnahmetatbestände abschließend auf. Durch die Festlegung entstünden ihm Nachteile, weil die Ausgleichsansprüche bzw. die Höhe der finanziellen Vergütung geringer seien als im Grundbetrieb. Bis zum Tage der Festlegung hätten bereits zwei dienstfreie Tage gewährt werden müssen, was unterblieben sei. Durch die nachträgliche Festlegung würden die Ansprüche verfallen.
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Das Bundesministerium der Verteidigung hat das Schreiben als Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit seiner Stellungnahme vom 25. Juni 2019 dem Senat vorgelegt.
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Der Antragsteller führt aus, er sei wegen der Rüge einer Verletzung seiner Rechte aus § 30c SG antragsbefugt. § 1 Abs. 4 WBO sei nach Wortlaut und Zweck nicht anwendbar. Die angegriffene Festlegung ändere vorangegangene Entscheidungen, nach denen Tätigkeit in der Übung Dienst im Grundbetrieb sei ab, ohne dass die Voraussetzungen für den Widerruf eines rechtmäßigen oder die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes vorlägen. Er habe auf den Bestand der für ihn günstigen Entscheidungen vertrauen dürfen. Die Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 stelle keinen Anwendungsfall des § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG dar. Es fehle an einer Begründung für das Vorliegen einer anderen einsatzgleichen Verpflichtung. Der Begriff der „einsatzgleichen Verpflichtung“ sei restriktiv auszulegen. Daher könne nicht jede Übung oder Ausbildung erfasst sein, weil sie dem Ziel diene die Belastungsgrenzen von Soldaten zu steigern.
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Der Antragsteller beantragt,
die Festlegung des Bundesministeriums der Verteidigung – FüSK I 6 – vom 8. Oktober 2018 insoweit aufzuheben, als in ihr geregelt ist, dass Soldaten, die im Rahmen der Übung Trident Juncture 2018 nach Norwegen verlegen, Tätigkeiten nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG ausüben, und dass die Regelungen der SAZV für den Grundbetrieb nach § 30c Abs. 1 bis 3 SG ab der Verlegung in das Einsatzgebiet bis zum Abschluss der Rückverlegung aus dem Einsatzgebiet keine Anwendung finden.
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Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
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Es bestreitet die Antragsbefugnis des Antragstellers. Der Zulässigkeit des Antrages stehe zudem § 1 Abs. 4 Satz 1 WBO entgegen. Die angegriffene Festlegung sei im Übrigen eine öffentlich bekannt gegebene, für alle Übungsteilnehmer gleichermaßen und unmittelbar gültige Allgemeinverfügung und als solche formell und materiell rechtmäßig. Eine Anhörung der betroffenen Soldaten und eine Begründung sei hiernach verzicht- und im gerichtlichen Verfahren auch nachholbar. Eine Beteiligungspflicht nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz habe nicht bestanden. Die Festlegung sei nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 SAZV materiell rechtmäßig. Die in § 30c Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a bis e SG aufgeführten Beispiele seien nicht abschließend. Die in Rede stehende Übung sei eine andere einsatzgleiche Verpflichtung. Sie stelle den Übungshöhepunkt in der Vorbereitung der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) 2019 dar, die die „Speerspitze“ der NATO sei. Diese sei Teil des Readiness Action Plans für eine erhöhte Einsatzbereitschaft. Die Truppe müsse innerhalb von 48 bis 72 Stunden überall einsatzbereit sein können. Die Übung sei als Zertifizierungsübung der 2019 assignierten Kräfte durch den zeitlich gestaffelten Ablauf einer Volltruppenübung und einer Gefechtsstandsübung der eingeplanten NATO-Hauptquartiere geplant. Sinn der Übung sei gewesen, die beteiligten Soldaten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit zu bringen, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Soldaten seien ohne vorheriges intensives Training nicht in der Lage den besonders hohen Anforderungen gerecht zu werden, denen sie bei der Erfüllung solcher Aufgaben der Streitkräfte genügen müssten, bei denen es nicht möglich sei, die Vorgaben des europäischen Arbeitszeitrechts zu beachten.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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a) Der Antragsteller hat form- und fristgerecht mit der Inanspruchnahme wehrdienstgerichtlichen Rechtsschutzes gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO i.V.m. § 30c SG den richtigen Rechtsweg beschritten (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2020 – 1 WB 50.19 – juris Rn. 15).
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Der Sachantrag betrifft eine dienstliche Maßnahme und ist damit nach § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO statthaft. Bei der angegriffenen Anordnung handelt es sich um eine Allgemeinverfügung, die allen betroffenen Soldaten im Rahmen eines Antretens öffentlich bekannt gegeben wurde. Die Anordnung des Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes nach § 30c Abs. 4 SG für eine Übung schließt für alle an der Übung teilnehmenden Soldaten die Anwendung von § 30c Abs. 1 Satz 1 SG im erfassten Zeitraum aus und greift damit in ihre Rechte ein. Ob die Anordnung auch an die einzelnen Soldaten oder nur an vorgesetzte Dienststellen adressiert war, ist hierfür unerheblich. Denn auch dienstinterne Anordnungen oder Weisungen, die sich an eine nachgeordnete militärische Stelle oder an einen nachgeordneten Vorgesetzten richten und gegenüber dem einzelnen Soldaten erst in Gestalt der Entscheidung dieses – intern durch die Weisung gebundenen – Vorgesetzten wirksam werden, stellen eine truppendienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar, wenn die Anordnung oder Weisung der nachgeordneten Stelle keinen Entscheidungs- oder Ermessensspielraum mehr belässt (BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2018 – 1 WB 12.17 – Buchholz 449 § 30c SG Nr. 2 Rn. 32 m.w.N.). So liegt der Fall auch hier, da die Grundentscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung abschließend war und den sie in konkreten Dienstanweisungen umsetzenden militärischen Vorgesetzten der einzelnen Soldaten keine Ermessensspielräume eröffnete.
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Der Antragsteller ist auch antragsbefugt. Er kann rügen, dass eine rechtswidrige Anordnung eines der Ausnahmetatbestände nach § 30c Abs. 4 SG ihn in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG, § 6 Satz 2 SG verletzt, nicht über den gesetzlichen Rahmen des § 30c Abs. 1 bis 3 SG hinaus Mehrarbeit leisten zu müssen (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2020 – 1 WB 50.19 – juris Rn. 16).
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b) Der Zulässigkeit seines Antrages steht das Verbot der gemeinschaftlichen Beschwerde aus § 1 Abs. 4 WBO nicht entgegen.
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Zum einen ist diese Norm, die unmittelbar für das Beschwerdeverfahren gilt, nicht auch in einem gerichtlichen Antragsverfahren anwendbar. Zum anderen sind hier die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Beschwerde nicht erfüllt.
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Die Beschwerde ist wie der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ein Instrument des Individualrechtsschutzes und schließt es nicht aus, dass „mehrere Soldaten sich einzeln über denselben Sachverhalt beschweren, von dem jeder von ihnen betroffen wird“ (BT-Drs. 2/2359 S. 8). § 1 Abs. 4 Satz 1 WBO verbietet die Bündelung mehrerer individueller Beschwerden zu einer gemeinschaftlichen Beschwerde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2018 – 1 WB 34.18 – Buchholz 450.1 § 1 WBO Nr. 2 Rn. 12). § 1 Abs. 4 WBO soll verhindern, dass eine Gruppenbeschwerde den Charakter einer offenen Auflehnung annimmt und damit die Disziplin in der Truppe erheblich gefährdet. Sie beugt daher dem Versuch vor, durch gemeinsames Handeln Druck auf den Vorgesetzten auszuüben (vgl. Dau/Scheuren, WBO, 7. Aufl. 2020, § 1 Rn. 229).
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Zwar ist unstreitig, dass etwa zwanzig Soldatinnen und Soldaten, mehrheitlich Angehörige des …, mit gesonderten, aber gleichlautenden Schreiben in engem zeitlichen Zusammenhang den Rechtsbehelf eingelegt haben. Jedoch handelt es sich bei der angegriffenen Maßnahme um eine Allgemeinverfügung, die im Hinblick auf die Folgen für die regelmäßige Arbeitszeit nach § 30c Abs. 1 Satz 1 SG für alle betroffenen Soldaten in gleicher Weise und vom gleichen Zeitpunkt an Wirksamkeit beanspruchte. Dieser Umstand bringt es mit sich, dass sowohl der Zeitraum für die Einlegung der Rechtsbehelfe als auch die in Betracht kommenden Einwände gleich waren. Diese sachlichen Umstände sprechen gegen die Absicht der Auflehnung gegen Vorgesetzte und eine Gefährdung der Disziplin.
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Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Identität des Wortlautes der Rechtsbehelfe. § 1 Abs. 4 WBO ist als Einschränkung des Petitionsrechts nach Art. 17a Abs. 1 GG eng auszulegen. Damit verbietet es sich, allein aus der Wortgleichheit die Vermutung abzuleiten, die gesonderten Rechtsbehelfsschriften seien von dem gemeinsamen Willen getragen, den Disziplinarvorgesetzten unter Druck zu setzen (so aber Dau/Scheuren, WBO, 7. Aufl. 2020, § 1 Rn. 234). Sind durchgreifende Argumente gegen eine Allgemeinverfügung für eine Vielzahl Betroffener – wie hier – notwendigerweise inhaltlich gleich, rechtfertigt der Zweck der Norm die Forderung nach Variationen in der Formulierung der Argumente nicht. Eine solche Forderung wäre eine bloße Förmelei.
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2. Der Antrag ist auch begründet. Die angegriffene Festlegung ist rechtswidrig, verletzt den Antragsteller daher in seinen Rechten und ist mithin im angefochtenen Umfange aufzuheben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WBO).
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a) Rechtsgrundlage der angegriffenen Festlegung ist § 21 Abs. 1 Satz 1 SAZV in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung vom 16. November 2015 (BGBl. I S. 1995 – im Folgenden: a.F.). Hiernach wird der Dienst bei Tätigkeiten nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG vom Bundesministerium der Verteidigung angeordnet. Die Anordnung des Dienstes im Sinne dieser Norm stellt die verbindliche Festlegung des Vorliegens („ob“) und der Dauer („wann“) des genannten Ausnahmetatbestandes dar. Die Bestimmung weist dem Bundesministerium der Verteidigung die Zuständigkeit für einen Verwaltungsakt zu, mit dem die Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestandes nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG auf einen konkreten Sachverhalt festgestellt wird. Ein entsprechender feststellender Verwaltungsakt wirkt zwar nur deklaratorisch, hat aber für die betroffenen Dienststellen und Soldaten bindende Wirkung. Da dem Bundesministerium der Verteidigung bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG kein Beurteilungsspielraum zukommt, ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung in vollem Umfange gerichtlich überprüfbar.
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b) Die Durchführung der Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG.
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Unstreitig fällt die Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 unter keines der Regelbeispiele nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a bis e SG. Nach dem Wortlaut des § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG („insbesondere“) definieren die Regelbeispiele die Begriffe Einsatz und einsatzgleiche Verpflichtung nicht abschließend. Entgegen der Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Verteidigung liegt allerdings kein sonstiger Fall einer einsatzgleichen Verpflichtung vor.
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Der unbestimmte Rechtsbegriff der einsatzgleichen Verpflichtung wird zwar in den Gesetzgebungsmaterialien zu § 30c Abs. 4 SG nicht näher erläutert (BT-Drs. 18/3697 S. 54). Jedoch ist derselbe Begriff durch das Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz vom 13. Mai 2015 (BGBl. I S. 706) nicht nur in § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG, sondern auch in § 31 Abs. 8 Satz 1 SG eingefügt worden. Hierzu erläutern die Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs. 18/3697 S. 55):
„Einsatzgleiche Verpflichtungen sind für bestimmte Zeiträume gegenüber der NATO und EU eingegangene und nach Art und Umfang jeweils individuell festgelegte Verpflichtungen mit Einsatzcharakter (z.B. Beitrag zu NATO Response Force und EU Battle Groups). In den Vorbereitungsphasen ergibt sich ihre tatsächliche Inanspruchnahme aus den nationalen und multinationalen Übungs- und Zertifizierungsverpflichtungen, in den Bereitstellungsphasen die Bereitschaftszustände aus den zugesagten Notice to Move-Fristen.“
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Hiernach sind „einsatzgleiche Verpflichtungen“ im Sinne von § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG Aktivitäten der Streitkräfte, die zwar häufig keiner Parlamentsbeteiligung nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz) vom 18. März 2005 (BGBl. I S. 775) bedürfen, die aber unter Rahmenbedingungen durchgeführt werden, die einem von dieser Norm erfassten Einsatz militärisch vergleichbar sind und mit denen die Bundesrepublik Deutschland eine gegenüber der EU, der NATO oder einer anderen zwischenstaatlichen Einrichtung eingegangene Verpflichtung erfüllt. Der Begriff erfasst damit neben der Beteiligung an humanitären Hilfsmaßnahmen insbesondere Krisenreaktionskräfte, die als Vorbereitung auf mögliche Einsätze vorgehalten werden. Darunter fällt auch die Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) als Bestandteil der NATO Response Force (NRF) (vgl. den Abschlussbericht der Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr – BT-Drs. 18/5000 S. 15 f.). Wie das Bundesministerium der Verteidigung schriftsätzlich und ergänzend in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, dient die in Rede stehende Übung der Vorbereitung auf die Wahrnehmung von Aufgaben für die VJTF durch die Streitkräfte des Bundes. Durch die Vorbereitung hierauf und die dem Nachweis der Fähigkeiten dienende Zertifizierung erfüllt die Bundesrepublik Deutschland ebenso wie durch die unmittelbare Beteiligung an den Aufgaben der VJTF eine Verpflichtung gegenüber der NATO. Unstreitig bedarf es dafür keines Parlamentsmandats.
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Damit fällt zwar die Beteiligung der Bundeswehr an der Erfüllung der Aufgaben der VJTF bzw. der NRF ohne Weiteres in den Anwendungsbereich der einsatzgleichen Verpflichtungen. Dies gilt aber nicht für Übungen und Ausbildungen, die lediglich der Vorbereitung auf die Wahrnehmung solcher militärischen Aufgaben dienen. Denn bei Übungen und Ausbildungen wird keine reale Aufgabe erfüllt. Vielmehr wird der Dienst im Einsatz oder bei einer einsatzgleichen Verpflichtung nur simuliert. Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass im Rahmen der Übung eine Zertifizierung für die spätere Tätigkeit im Rahmen der NATO-Verpflichtung erfolgt. Denn für die Vorbereitungsphase sieht § 30c Abs. 4 Nr. 5 SG gerade dann, wenn – wie hier – reale Einsatzbedingungen insbesondere als Voraussetzungen für eine Zertifizierung simuliert werden, eine gesonderte Regelung vor, die als lex specialis den Rückgriff auf den unmittelbar die eigentliche militärische Aufgabe erfassenden § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG ausschließt. Da das Bundesministerium der Verteidigung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 SAZV für die Feststellung dieses Ausnahmetatbestandes aber keine Zuständigkeit hat, hätte es die zuständige Stelle zu einer entsprechenden Anordnung anweisen müssen. Dies ist aber nicht geschehen.
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c) Da das Bundesministerium der Verteidigung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 SAZV a.F. (ebenso gemäß § 21 Abs. 1 i.V.m. § 3 Satz 1 SAZV n.F.) für die Anordnung von Dienst bei den Ausnahmetatbeständen nach § 30c Abs. 4 Nr. 4 und 5 SG nicht zuständig ist, kommt es nicht darauf an, ob diese hier vorliegen und ob ihre Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt ganz oder zumindest zeitabschnittsweise in Übereinstimmung mit europarechtlichen Vorgaben liegt. Mangels Zuständigkeit des Bundesministeriums der Verteidigung kommt eine Umdeutung nach § 47 VwVfG nicht in Betracht. Die angegriffene Festlegung wäre aus demselben Grunde auch nicht mit einer anderen Begründung rechtmäßig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2013 – 2 B 60.13 – Buchholz 232 § 44 BBG Nr. 27 Rn. 7).
34
d) Die Festlegung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 8. Oktober 2018 war deshalb aufzuheben, soweit sie den Antragsteller betrifft. Im gleichen Umfang sind diejenigen Anordnungen wirkungslos, mit denen die Festlegung des Bundesministeriums der Verteidigung durch nachgeordnete Stellen ohne eigenen Entscheidungs- oder Ermessensspielraum „eins zu eins“ weitergegeben wurde (siehe oben 1. a). Wirkungslos gegenüber dem Antragsteller ist deshalb auch die 1. Änderung (vom 6. November 2018) des Befehls Nr. 2. Die Arbeitszeit des Antragstellers während der Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 bemisst sich damit nach Anlage D des „Befehls Nr. 2 zur Beteiligung … an der NATO Übung TRIDENT JUNCTURE 2018“ in seiner ursprünglichen und von dem Antragsteller nicht angefochtenen Fassung vom 17. Juli 2018.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.