Beschluss des BPatG München 28. Senat vom 28.11.2022, AZ 28 W (pat) 558/21

BPatG München 28. Senat, Beschluss vom 28.11.2022, AZ 28 W (pat) 558/21, ECLI:DE:BPatG:2022:281122B28Wpat558.21.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke IR 1 359 593

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. September 2022 unter Mitwirkung des Richters Schödel sowie der Richterinnen Berner und Kriener

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Die am 27. Oktober 2016 unter der Nummer 1 359 593 international registrierte und auf der US-amerikanischen Basisanmeldung vom 27. April 2016 beruhende Wortmarke

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TACKPIN

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beansprucht in der Bundesrepublik Deutschland Schutz für die Waren der

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Klasse 6: Metal fasteners, namely, unthreaded pins with a blunt, bulbous tip for industrial use.

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Mit Beschluss vom 6. Juli 2021 hat die Markenstelle für Klasse 6 – Internationale Markenregistrierung– des DPMA dieser IR-Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland wegen fehlender Unterscheidungskraft (§§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 in der bis zum 1. Mai 2022 geltenden Fassung des MarkenG i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6
quinquies B PVÜ) verweigert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Marke setze sich aus den beiden englischen Wörtern „TACK“ und „PIN“ zusammen. Das Wort „tack“ gehöre zum englischen Grundwortschatz und bedeute im Deutschen „etwas befestigen, anheften“. Das Substantiv „pin“ werde mit „Pflock, Bolzen, Zapfen, Stift“ übersetzt. Andere Bedeutungen der Markenelemente seien im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren nicht naheliegend. In ihrer Gesamtheit komme der Marke aus Sicht der angesprochenen Fachverkehrskreise die Bedeutung „Befestigungsstift, Befestigungszapfen“ zu. Bezüglich der beanspruchten Waren „Befestigungselemente aus Metall, nämlich gewindelose Stifte mit einer stumpfen, bauchigen Spitze für den industriellen Einsatz“ beschreibe die Marke lediglich deren Form und Zweck. Die IR-Markeninhaberin könne sich nicht auf vergleichbare Voreintragungen im Ausland berufen. Die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung seien nicht dargetan. Insoweit habe sich die IR-Markeninhaberin auf pauschale Aussagen beschränkt.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der IR-Markeninhaberin. Sie vertritt die Ansicht, von den beanspruchten Waren würden ausschließlich Fachverkehrskreise angesprochen. Für diese bleibe die Marke vage und interpretationsbedürftig, weil es sich um eine Wortneuschöpfung handele, die lexikalisch nicht nachweisbar sei. Die beiden Wortelemente seien in ungewöhnlicher Weise miteinander verbunden. Die mit der Marke gekennzeichneten Waren ähnelten einer Niete mit sehr flachem Kopf, dickem Schaft und einem geraden stumpfen Ende. Dadurch unterschieden sie sich deutlich von einem herkömmlichen Pin. Die Marke sei in den englischsprachigen Ländern USA und Großbritannien anstandslos in das Register eingetragen worden. Dies sei ein Indiz, dass die Marke für die beanspruchten Waren nicht beschreibend sei.

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Die IR-Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 – Internationale Markenregistrierung – des DPMA vom 6. Juli 2021 aufzuheben.

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Der Senat hat mit Ladungszusatz zum Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er die Marke für nicht schutzfähig erachte.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

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1. Der international registrierten Marke „
TACKPIN“ fehlt für die beanspruchten Waren der Klasse 6 jegliche Unterscheidungskraft. Deshalb ist ihr der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland nach den §§ 107 Abs. 1, 112, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6
quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ zu verweigern.

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a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932 Rdnr. 7 – #darferdas?; GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer IR-Marke zum relevanten Zeitpunkt der internationalen Registrierung (BGH GRUR 2017, 1262 Rdnr. 14 – Schokoladenstäbchen III) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnitts-verbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rdnr. 8 – #darferdas?; GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unter-scheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress).

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b) Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist der IR-Wortmarke „
TACKPIN“ zum maßgeblichen Zeitpunkt der internationalen Registrierung am 27. Oktober 2016 jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Bezug auf die Waren der Klasse 6 abzusprechen.

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aa) Von den Waren „
Befestigungselemente aus Metall, nämlich gewindelose Stifte mit einer stumpfen, bauchigen Spitze für den industriellen Einsatz“ werden in erster Linie Fachverkehrskreise des produzierenden Gewerbes angesprochen.

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bb) Die IR-Marke setzt sich aus den Bestandteilen „TACK“ und „PIN“ zusammen.

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aaa) Das englische Wort „tack bedeutet als Substantiv verwendet „(Draht)-Stift, Reißnagel, Zwecke“ und als Verb „heften, anheften, befestigen“ (www.leo.org).  

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bbb) Das aus dem Englischen stammende Substantiv „Pin“ bezeichnet eine „Stecknadel“ oder einen „Anschlussstift zur Verbindung von elektronischem Bauelement und Leiterplatte“ (www.duden.de). Im Englischen bedeutet das Verb „(to) pin“ etwas „befestigen, anheften, verankern“. Substantivisch verwendet wird das Wort mit „Nadel, Stecknadel, Nagel, Steckstift, Bolzen“ übersetzt (www.leo.org).

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ccc) In seiner Gesamtheit kommt der Marke aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise die Bedeutung „Befestigungsstift, Befestigungsbolzen“ zu.

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Bei den am internationalen Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen, deren Verständnis für sich allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord; EuGH GRUR 2004, 682 Rdnr. 26 – Bostongurka) kann unterstellt werden, dass sie grundsätzlich in der Lage sind, eindeutig beschreibende Angaben auch in fremden Sprachen zu erkennen (BPatG 28 W (pat) 526/15 – SANO; 29 W (pat) 546/16 – Priroda; 26 W (pat) 536/18 – slumberzone). Hiervon ist insbesondere bei Markenwörtern auszugehen, die einer Welthandelssprache wie dem Englischen angehören. Daher wird der hier angesprochene Fachverkehr des technischen Bereichs das Markenwort mühelos im genannten Sinn verstehen können, zumal im Bereich der Technik aufgrund der internationalen Beziehungen der beteiligten Unternehmen sehr häufig als Verkehrssprache Englisch verwendet wird. Es steht deshalb auch zu erwarten, dass er das Markenwort ohne gedankliche Zwischenschritte auf seine beiden Elemente zurückführt, aus denen es zusammengesetzt ist.

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cc) Die beanspruchten Waren der Klasse 6 „
Befestigungselemente aus Metall, nämlich gewindelose Stifte mit einer stumpfen, bauchigen Spitze für den industriellen Einsatz“ beschreibt die IR-Marke aus Sicht der angesprochenen inländischen Verkehrskreise im maßgeblichen Registrierungszeitpunkt damit unmittelbar. Welche Form im Detail die Waren haben, die mit der IR-Marke gekennzeichnet werden, ist ohne Belang, da es allein auf die Registerlage ankommt.

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dd) Der Annahme einer beschreibenden Angabe steht nicht entgegen, dass das Markenwort „TACKPIN“ lexikalisch nicht nachgewiesen ist. Der Verkehr ist daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen vermittelt werden sollen. Er wird daher auch bisher noch nicht verwendete, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen als solche und damit nicht als betriebliche Herkunftshinweise auffassen (BPatG 28 W (pat) 33/15 – Traumtomaten; 26 W (pat) 501/15 – Fucking awesome). Auch wenn es sich um eine Wortneuschöpfung handelt, fehlt es der IR-Marke an Besonderheiten in syntaktischer oder semantischer Hinsicht, die die gewählte Kombination als ungewöhnlich erscheinen lassen und hinreichend weit von der Sachangabe wegführen (EuGH a. a. O. Rdnr. 98 – 100 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rdnr. 39 – 41 – BIOMILD; BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 13 – My World; BPatG 26 W (pat) 548/17 – EASYQUICK).

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Der Ansicht der IR-Markeninhaberin, wonach es sich bei der Zusammenschreibung der beiden Wortelemente um eine unübliche Gestaltung handele, die einen Denkprozess auslöse bzw. eine analysierende Betrachtungsweise erforderlich mache, kann nicht gefolgt werden. Denn bei der unmittelbaren Zusammenschreibung einzelner Wörter handelt es sich nicht um eine der Struktur nach ungewöhnliche Verbindung, die dazu führt, dass der beschreibende Begriffsinhalt dadurch in den Hintergrund tritt. Dabei handelt es sich vielmehr um ein in der Produktwerbung verbreitetes stilistisches Mittel, das das Vorliegen einer Sachaussage nicht in Frage stellt (vgl. BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress; BPatG 26 W (pat) 548/17 – EASYQUICK; 28 W (pat) 555/17 – EASYCLIP; MarkenR 2008, 413, 416 – Saugauf; 25 W (pat) 2/16 – findwhatyoulike; 30 W (pat) 2/16 – hansedeal; 26 W (pat) 122/09 – mykaraokeradio; 29 W (pat) 104/13 – edatasystems; 33 W (pat) 511/13 – klugeshandeln; 26 W (pat) 3/15 – dateformore; 29 W (pat) 192/01 – Travelagain).

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c) Die IR-Markeninhaberin kann sich nicht auf vergleichbare Voreintragungen der IR-Marke in Großbritannien und den USA berufen. Die im Ausland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union auf der Grundlage des harmonisierten Markenrechts oder vom EUIPO aufgrund der Unionsmarkenverordnung getroffenen Entscheidungen über absolute Eintragungshindernisse sind für nachfolgende Verfahren in andern Mitgliedsstaaten unverbindlich (EuGH GRUR 2004, 428, 432 Nr. 63 – Henkel; GRUR 2004, 674 Rdnr. 43 f. – Postkantoor). Sie vermögen nicht einmal eine Indizwirkung zu entfalten (BGH GRUR 2014, 569, 572 Rdnr. 30 – HOT; GRUR 2009, 778, 779 Rdnr. 18 – Willkommen im Leben). Zudem kann es sich bei den Voreintragungen auch um rechtswidrige Eintragungen handeln.

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2. Da es der IR-Marke an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kann dahingestellt bleiben, ob seiner Eintragung auch ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an seiner freien Verwendbarkeit entgegensteht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).