Beschluss des BPatG München 1. Senat vom 03.11.2022, AZ 1 W (pat) 36/22

BPatG München 1. Senat, Beschluss vom 03.11.2022, AZ 1 W (pat) 36/22, ECLI:DE:BPatG:2022:031122B1Wpat36.22.0

Tenor

In der Beschwerdesache

     
betreffend die Patentanmeldung

(wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand)

hat der 1. Senat (Juristischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 3. November 2022 durch die Präsidentin Dr. Hock und die Richter Schell und Heimen beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer reichte am 10. Januar 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eine dort unter dem Aktenzeichen …  geführte Patentanmeldung mit der Bezeichnung … ein. Er zahlte die 9. Jahresgebühr nicht innerhalb der zuschlagsfreien Zahlungsfrist. Mit Schreiben des DPMA vom 15. Juni 2020, eingegangen am 19. Juni 2020, wurde der patentanwaltliche Vertreter des Beschwerdeführers darauf hingewiesen, dass die Jahresgebühr noch bis zum 31. Juli 2020 (mit Zuschlag) entrichtet werden könne, anderenfalls die Anmeldung als zurückgenommen gelte. Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2020 beantragte der Patentanwalt eine Fristverlängerung zur Stellungnahme auf einen vorangegangenen Zwischenbescheid des DPMA, ohne auf die Jahresgebühr einzugehen. Am 22. Oktober 2020 wurde die Rücknahme der Anmeldung wegen Nichtzahlung der Jahresgebühren in das Register eingetragen.

2

Mit Schreiben vom 28. Juli 2021, eingegangen per Fax am 29. Juli 2021, beantragte der Beschwerdeführer persönlich beim DPMA die Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 9. Jahresgebühr. Unter Vorlage verschiedener (u.a. ärztlicher) Bescheinigungen legte er dar, aus gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen sei ihm eine fristgerechte Zahlung nicht möglich gewesen. Ferner reichte er zur Glaubhaftmachung Unterlagen aus verschiedenen gerichtlichen Verfahren ein. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Unterlagen verwiesen. Zudem legte er einen Überweisungsnachweis vom Freitag, den 30. Juli 2021 über die Zahlung der 9. Jahresgebühr zzgl. Zuschlag vor. Die Zahlung wurde der Bundeskasse am Montag, den 2. August 2021 gutgeschrieben.

3

Das DPMA teilte dem Beschwerdeführer mit Zwischenbescheid vom 19. August 2021 mit, dass eine Wiedereinsetzung in die versäumte Zahlungsfrist u.a. wegen Nichteinhaltung der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 PatG und weil die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen unzureichend seien voraussichtlich nicht möglich sei. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 wiederholte der Beschwerdeführer seinen Antrag, verwies auf seine gesundheitliche Situation sowie seine persönlichen Verhältnisse und reichte weitere Belege ein.

4

Mit Beschluss des DPMA vom 27. Januar 2022 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Zahlung der 9. Jahresgebühr einschließlich des Verspätungszuschlags zurückgewiesen. Zur Begründung wurde lediglich ausgeführt, das Verschulden zur fristgerechten Zahlung der Jahresgebühr sei nicht ausgeräumt worden.

5

Dagegen legte der Beschwerdeführer am 14. März 2022 Beschwerde ein. Zur Begründung verwies er auf seine persönlichen Verhältnisse und vertrat die Auffassung, dass er die Frist nicht schuldhaft versäumt habe. Er leide an einer chronischen Krankheit mit zeitweiser Bewegungsunfähigkeit infolge einer psychischen Erkrankung. Er sei mittellos und Opfer unberechtigter Strafverfolgungsmaßnahmen. Aufgrund seiner gesundheitlichen Situation und verschiedener gegen ihn geführten Gerichtsverfahren, die mittlerweile eingestellt seien oder mit seinem Freispruch geendet hätten, sei er unverschuldet in eine Lage gekommen, in der er die Fortführung des Anmeldeverfahrens einschließlich Gebührenzahlung nicht habe betreiben können.

6

Das DPMA hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dem Bundespatentgericht vorgelegt.

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Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

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den Beschluss vom 27. Januar 2022 aufzuheben

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und ihm Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 9. Jahresgebühr einschließlich Verspätungszuschlags zu gewähren.

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Der Senat hat den Beschwerdeführer mit Hinweis vom 8. August 2022 auf seine vorläufige Rechtsauffassung hingewiesen, wonach die Beschwerde voraussichtlich zurückzuweisen sein werde. Auf diesen Hinweis hin hat der Beschwerdeführer nochmals auf seine schwierige persönliche Situation verwiesen, aufgrund der es zu einer Verzögerung der Entrichtung der Beschwerdegebühr gekommen sei. Hierzu hat er weitere Unterlagen eingereicht und um eine Entscheidung gebeten.

11

Auf die Verfahrensakten wird ergänzend Bezug genommen.

II.

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Die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 PatG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

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Der Wiedereinsetzungsantrag in die Frist zur Zahlung der 9. Jahresgebühr bleibt ohne Erfolg, denn die Voraussetzungen zur Gewährung der Wiedereinsetzung nach § 123 PatG sind nicht gegeben. Danach kann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten, deren Versäumnis nach den gesetzlichen Vorschriften einen Rechtsnachteil zur Folge hat, er die Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses beantragt und die versäumte Handlung in der Frist nachholt. Der Beschwerdeführer hat die Frist zur Zahlung der 9. Jahresgebühr mit Verspätungszuschlag versäumt und dadurch als Anmelder einen Rechtsnachteil i. S. d. § 123 Absatz 1 Satz 1 PatG – hier: Rücknahmefiktion gemäß § 58 Absatz 3 PatG – erlitten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde jedoch nicht innerhalb der zweimonatigen Frist gemäß § 123 Abs. 2 S. 1 PatG gestellt und der Beschwerdeführer hat das fehlende Verschulden an der Fristversäumnis auch nicht glaubhaft gemacht.

14

Die 9. Jahresgebühr war – ausgehend vom Anmeldetag 10. Januar 2012 – am 31. Januar 2020 fällig und konnte bis zum 31. Juli 2020 mit Verspätungszuschlag entrichtet werden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde erst am 31. Juli 2021 gestellt und die Zahlung durch Überweisung erfolgte gemäß § 2 PatKostZV am 2. August 2021, mithin etwa ein Jahr später. Der Beschwerdeführer hat den Wiedereinsetzungsantrag somit nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt und auch die Zahlung nicht innerhalb dieser Frist nachgeholt.

15

Selbst nach seinem eigenen Vortrag war der Beschwerdeführer – jedenfalls nicht durchgängig – ohne Verschulden verhindert, die Zahlungsfrist einzuhalten. Ohne Verschulden handelt, wer die übliche Sorgfalt beachtet, die nach den subjektiven Verhältnissen zumutbar war. Wann genau der Beschwerdeführer Kenntnis davon erlangte, dass seine Anmeldung wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen ist, bleibt auch nach seinem Vortrag unklar. Er beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass er im maßgeblichen Zeitraum aus gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen dauerhaft ohne Verschulden nicht in der Lage war, das Anmeldeverfahren zu betreiben, insbesondere die Gebühren rechtzeitig zu zahlen. Mangels genügender Glaubhaftmachung der vorgetragenen gesundheitlichen Situation als Hinderungsgrund vermag der Beschwerdeführer die Säumnis im Ergebnis jedoch nicht zu entschuldigen.

16

Eine Erkrankung kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwar durchaus rechtfertigen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine Krankheit nur dann als Grund für eine nicht verschuldete Versäumung einer Frist durchgreift, wenn sie so schwer war, dass der von ihr Betroffene nicht bloß unfähig war selbst zu handeln, sondern auch außerstande war, einen Dritten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen und im gebotenen Umfange zu informieren (vgl. BVerwG Beschluss vom 27. September 1993 – Az 4 NB 35.93; BSG, Beschluss vom 17.05.2016 – Az. B 13 R 67/16 B; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 123 Rn. 40ff. m.w.N.). Wird eine Erkrankung als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, muss grundsätzlich ein ärztliches Attest vorgelegt werden, aus dem sich die Schwere und die Dauer der Erkrankung und damit das fehlende Verschulden an der Fristversäumnis ergeben. Die vorgelegten ärztlichen Atteste über das Vorliegen einer (chronischen) psychischen Erkrankung … sind schon nicht geeignet, für den gesamten maßgeblichen Zeitraum ein krankheitsbedingtes Hindernis glaubhaft zu machen. Soweit mit ärztlichen Attesten … dem Beschwerdeführer eine psychische Dauererkrankung bescheinigt wird, ergibt sich aus ihnen nicht, dass es dem Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen seither ununterbrochen unmöglich gewesen sein sollte, entweder selbst oder durch beauftragte Dritte fristwahrend tätig zu werden. Gegen eine Ursächlichkeit der diagnostizierten Erkrankung für die spätere Säumnis spricht auch, dass er die Jahresgebühren einschließlich der 8. Jahresgebühren, die erst nach diesen Attesten fällig wurden, rechtzeitig gezahlt hat. Auch die psychotherapeutische Bestätigung … , die dem Beschwerdeführer eine Diagnose gemäß … bescheinigt, lässt nicht erkennen, dass er ununterbrochen krankheitsbedingt nicht in der Lage war, die fälligen Gebühren bis Fristende im Juli 2020 zu entrichten oder Dritte zu beauftragen, entsprechend tätig zu werden. Selbst unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer seit Beginn des Jahres 2020 dauerhaft krankheitsbedingt gehindert war, die versäumte Handlung nachzuholen oder Dritte damit zu beauftragen, ist dieses Hindernis spätestens am 19. Mai 2021 entfallen. Denn an diesem Tag hat er ausweislich des vorgelegten Protokolls des Sozialgerichts … vom 19. Mai 2021 persönlich in anwaltlicher Begleitung an der dortigen mündlichen Verhandlung in eigener Sache teilgenommen. Einen Hinweis auf eine krankheitsbedingte Einschränkung des Beschwerdeführers ist dem Protokoll nicht zu entnehmen und wird auch nicht vorgetragen, so dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt ein krankheitsbedingtes Hindernis, seine Angelegenheiten selbst zu regeln oder den vor Ort anwesenden Anwalt zu beauftragen, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen und die Gebührenzahlung an das DPMA zu veranlassen, nicht mehr glaubhaft gemacht ist. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde indes erst am 28. Juli 2021 gestellt, somit mehr als zwei Monate nach dem Termin der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht und nach dem Wegfall des von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Hindernisses.

17

Soweit der Beschwerdeführer darauf abstellt, dass er aufgrund seiner finanziellen Bedürftigkeit, die er durch die Vorlage verschiedener Unterlagen zum (beantragten) Leistungsbezug und zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu belegen sucht, nicht in der Lage gewesen sei, die Jahresgebühr rechtzeitig zu zahlen, vermag er auch daraus kein fehlendes Verschulden an der Fristversäumnis herzuleiten. Denn der Mangel an Geld ist für sich genommen nicht geeignet, ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Fristversäumung auszuschließen (vgl. BPatG, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 10 W (pat) 85/99; Beschluss vom 15.04.2010 – Az. 10 W (pat) 33/08; Schulte PatG, 11. Aufl., § 123 Rn. 120). Der Beschwerdeführer legt auch nicht dar, dass sich seine finanzielle Lage unvermutet im Zusammenhang mit der 9. Jahresgebühr verschlechtert habe.

18

Statt die Gebühr nicht rechtzeitig zu bezahlen, hätte der zumindest zeitweilig anwaltlich bzw. patentanwaltlich vertretene Beschwerdeführer – wenn er die für die Gebührenzahlung erforderlichen Mittel bis Ablauf der Frist nicht aufbringen konnte unter den Voraussetzungen der §§ 129 ff. PatG Verfahrenskostenhilfe für die Jahresgebühr beantragen und damit zumindest eine Fristhemmung erreichen können. Verfahrenskostenhilfe wurde vom Beschwerdeführer indes zu keinem Zeitpunkt beantragt, obwohl er nach seinem eigenen Vortrag bereits seit 2018 als Leistungsbezieher gem. SGB II nur über geringes Einkommen verfügte, erhebliche Verbindlichkeiten hatte und er bereits zuvor die Zahlung von Jahresgebühren teilweise verzögert erst in der zuschlagspflichtigen Zeit entrichtet hatte. Beantragt ein seit längerer Zeit bedürftiger Patentanmelder keine Verfahrenskostenhilfe, vermag sein wirtschaftliches Unvermögen, die fälligen Gebühren innerhalb der Frist zu entrichten, die Säumnis nicht zu entschuldigen. Falls der Beschwerdeführer krankheitsbedingt zuvor gehindert war, entsprechende Anträge zu stellen, ist dieses Hindernis – wie bereits dargelegt – mit der Teilnahme an der Gerichtsverhandlung am 19. Mai 2021 entfallen und die Frist gemäß § 123 Abs. 2 S. 1 PatG somit nicht eingehalten.

19

Aus diesen Gründen haben der Wiedereinsetzungsantrag und die Beschwerde keinen Erfolg.