BGH 3. Zivilsenat, Urteil vom 10.03.2022, AZ III ZR 51/21, ECLI:DE:BGH:2022:100322UIIIZR51.21.0
§ 9 Abs 1 Nr 3 Halbs 2 AÜG, § 307 Abs 1 BGB
Leitsatz
Zur „angemessenen Vergütung“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 AÜG.
Verfahrensgang
vorgehend OLG Stuttgart, 30. März 2021, Az: 10 U 318/20, Urteil
vorgehend LG Stuttgart, 21. August 2020, Az: 12 O 485/19
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart – 10. Zivilsenat – vom 30. März 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der Kläger, der Arbeitnehmer gewerblich überlässt und vermittelt, nimmt die Beklagte, Inhaberin eines Metallbau- und Schlossereibetriebs, auf Zahlung von Vermittlungshonorar in Anspruch.
2
Im August 2018 schlossen die Parteien einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit einer Laufzeit vom 15. August 2018 bis 14. Februar 2020. Neben der Festsetzung der Vergütung nach einem Verrechnungssatz von 31,50 € pro Stunde enthielt der Vertrag in § 11 eine Regelung für den Fall, dass ein im Wege der Arbeitnehmerüberlassung vermittelter Mitarbeiter in ein festes Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher übernommen wurde. Dort heißt es unter der Überschrift „Übernahme von Mitarbeitern/Vermittlung/Provision“:
1. Eine Vermittlung liegt vor, wenn der Auftraggeber oder ein mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenes Unternehmen während der Dauer des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages mit dem Arbeitnehmer der s. [Unternehmen des Klägers] ein Arbeitsverhältnis eingeht. Eine Vermittlung liegt auch dann vor, wenn der Auftraggeber oder ein mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenes Unternehmen innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung der Überlassung mit dem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis eingeht.
2. (…)
3. (…)
4. (…)
5. In den Fällen der 11.1 und 11.2 hat der Auftraggeber eine Vermittlungsprovision an die s. zu zahlen. Befristete Arbeitsverhältnisse sind in gleichem Umfang provisionspflichtig wie unbefristete Arbeitsverhältnisse. Die s. erhält eine Vermittlungsprovision nach folgender Staffelung:
● bis 4 Monate Überlassungsdauer 300 Std. x Verrechnungssatz
● bis 8 Monate Überlassungsdauer 200 Std. x Verrechnungssatz
● bis 12 Monate Überlassungsdauer 100 Std. x Verrechnungssatz
● nach dem 12. Monat ununterbrochener Überlassungsdauer ist keine Provision mehr zu entrichten.
…
6. Berechnungsgrundlage der Vermittlungsprovision ist der zwischen dem Auftraggeber und der s. angebotene bzw. vereinbarte Verrechnungssatz. Bei Unterbrechungen in der Überlassung ist der Beginn der letzten Überlassung vor Begründung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich. Die Vermittlungsprovision ist zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Fälligkeit der Vermittlungsprovision richtet sich nach § 6.1.
3
Der Kläger überließ der Beklagten aufgrund des geschlossenen Vertrages zwei Mitarbeiter (J. K. und J. Ku. ), die seit dem vereinbarten Vertragsbeginn bis zum 21. Dezember 2018 im Unternehmen der Beklagten als Schweißer tätig waren. Auf Anfrage des Klägers hinsichtlich der Planung der Weihnachts-/Urlaubszeit teilte die Beklagte am 18. November 2018 mit, der Einsatz der Mitarbeiter K. und Ku. ende am 21. Dezember 2018; sie sollten am 7. Januar 2019 wiederkommen. Der Kläger kündigte daraufhin den beiden Mitarbeitern zum 21. Dezember 2018 und bereitete einen Vertrag über ihre Wiedereinstellung zum 7. Januar 2019 vor. Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig. Zu einer Wiedereinstellung durch den Kläger kam es jedoch nicht, weil die Beklagte – die zwischenzeitlich ihrerseits den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zum 4. Januar 2019 gekündigt hatte – die beiden Mitarbeiter zum 7. Januar 2019 fest in ihrem Unternehmen anstellte.
4
Der Kläger forderte von der Beklagten vergeblich die Zahlung eines Vermittlungshonorars in Höhe von 14.994 € (12.600 € netto zuzüglich Mehrwertsteuer) nach dem Verrechnungssatz 31,50 € x 200 Stunden je Mitarbeiter.
5
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Klausel über das Vermittlungshonorar. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
6
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (abgedruckt zB in ZIP 2021, 2101 ff) – soweit in dritter Instanz noch von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Vertragsklausel, auf deren Grundlage der Kläger die Vermittlungsprovision verlange, sei gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG, § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Zu beanstanden sei, dass die Höhe der Provision nicht an den Bruttoverdienst des (vormalig verliehenen) Arbeitnehmers beim neuen Arbeitgeber, dem Entleiher, anknüpfe. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Provisionshöhe angemessen sei, sei höchstrichterlich nicht geklärt und werde in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung in Bezug auf eine der vorliegenden Klausel vergleichbare Regelung unterschiedlich beurteilt. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Provision sei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein zwei Bruttomonatsgehälter nicht überschreitender Provisionssatz auch dann noch zu akzeptieren, wenn die Vergütungsregelung – wie hier – undifferenziert und ohne Beschränkung auf bestimmte Tätigkeitsbereiche sämtliche Segmente des Arbeitsmarkts erfasse. Die vorliegende Klausel stelle jedoch nicht auf das künftige Jahresbruttoeinkommen der Arbeitnehmer bei der Beklagten ab, sondern lege unabhängig von der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses immer die von der Überlassungsdauer abhängige Stundenzahl multipliziert mit dem bislang angesetzten Verrechnungssatz zugrunde. Insofern berücksichtige sie den wirtschaftlichen Vorteil, den der Entleiher enthalte, nicht hinreichend und schränke die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitnehmer deswegen unangemessen ein. Dies werde insbesondere dann deutlich, wenn der Entleiher mit den Arbeitnehmern nur einen Teilzeitvertrag abschließe. Gleiches gelte, wenn der Verrechnungssatz im Vergleich zu der vertraglich versprochenen Vergütung der Arbeitnehmer aus den Arbeitsverträgen mit dem Entleiher überhöht gewesen sei, etwa, weil der Entleiher kurzfristig und dringend auf die Überlassung der Arbeitnehmer angewiesen gewesen sei und der Verleiher damit höhere Preise habe durchsetzen können, wohingegen der Stundenlohn beim mit dem Entleiher geschlossenen neuen Arbeitsvertrag niedriger sei. Die Klausel könne sich daher im Rahmen des Angemessenen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG halten, aber auch unangemessen hoch sein. Dies führe zur Unwirksamkeit der Klausel. Dem Kläger stehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in diesem Fall auch keine angemessene oder übliche Provision zu.
II.
9
Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
10
1. Das Berufungsgericht hat die Revision uneingeschränkt zugelassen. Zwar kann sich auch bei – wie hier – uneingeschränkter Zulassung der Revision im Tenor des angefochtenen Urteils eine Beschränkung der Zulassung aus den Gründen ergeben (vgl. zB Senat, Urteile vom 27. Juni 2019 – III ZR 93/18, NVwZ 2019, 1696 Rn. 7 und vom 19. Juli 2012 – III ZR 308/11, WM 2012, 1574 Rn. 9 sowie Beschluss vom 1. September 2016 – III ZR 271/15, juris Rn. 4; jeweils mwN). Die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig hervorgehobene Frage der Angemessenheit der Provisionshöhe bezieht sich aber nicht auf einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstands (vgl. dazu auch Senat, Urteile vom 5. November 2020 – III ZR 156/19, NZA 2021, 50 Rn. 5 und vom 27. Juni 2019 aaO).
11
2. Das Berufungsgericht hat die – auf den vorliegenden Fall ohne weiteres anwendbare – Honorarklausel des § 11 Nr. 5 des Vertrags zu Recht als unwirksam angesehen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG, § 307 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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a) Die Honorarklausel, die in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Formularvertrag abgedruckt ist, stellt eine allgemeine Geschäftsbedingung dar. Zutreffend hat das Berufungsgericht als Grundlage für die vom Kläger geforderte Provision § 11 Nr. 5 in Verbindung mit Nr. 1 des Vertrages angesehen.
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aa) Eine Vergütungsklausel, die dem Verleiher einen Anspruch auf Vermittlungshonorar zubilligt, soweit der überlassene Arbeitnehmer entweder während eines bestehenden Überlassungsvertrags oder in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang damit mit dem Entleiher ein Arbeitsverhältnis begründet, ist allerdings im Grundsatz nicht zu beanstanden.
14
Die Vereinbarung eines Vermittlungsentgelts bei der Arbeitnehmerüberlassung ist als solche zulässig und kann auch Gegenstand allgemeiner Geschäftsbedingungen sein (vgl. Senat, Urteile vom 11. März 2009 – III ZR 240/09, NJW 2010, 2048 Rn. 11 und vom 7. Dezember 2006 – III ZR 82/06, NJW 2007, 764 Rn. 14).
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bb) Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 AÜG ist aber Voraussetzung, dass die vereinbarte Vergütung „angemessen“ ist. Die Vergütungsregelung in § 11 Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers genügt diesem Kriterium nicht.
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(1) Unter Berücksichtigung des in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 AÜG enthaltenen gesetzlichen Verbots und des sozialpolitischen Zwecks der gesamten Regelung sind Vereinbarungen zwischen Verleiher und Entleiher unzulässig, die den Wechsel des Arbeitnehmers zum Entleiher verhindern oder wesentlich erschweren. Davon können mithin – obwohl in Halbsatz 2 grundsätzlich erlaubt – auch Vermittlungsprovisionen erfasst sein, die sich der Verleiher für den Fall der Übernahme des Arbeitnehmers durch den Entleiher versprechen lässt, wenn sie geeignet sind, die Übernahme des Arbeitnehmers in ein festes Arbeitsverhältnis durch den Entleiher zu erschweren oder faktisch zu verhindern (Senat, Urteile vom 10. November 2011 – III ZR 77/11, NZA-RR 2012, 67 Rn. 15; vom 11. März 2010 aaO und vom 7. Dezember 2006 aaO Rn. 11; vgl. auch Urteil vom 3. Februar 2003 – III ZR 348/02, BGHZ 155, 311, 314 ff [zu § 9 Nr. 4 AÜG in der Fassung der Neubekanntmachung vom 3. Februar 1995, BGBl. I 158]).
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Bei der Beurteilung, ob eine Vergütung „angemessen“ ist, ist der Zweck der gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsätze 1 und 2 AÜG in den Blick zu nehmen (Senat, Urteil vom 10. November 2011 aaO Rn. 16).
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Danach ist die Übernahme des Leiharbeitnehmers in ein reguläres Arbeitsverhältnis (sogenannter „Klebeeffekt“) sozialpolitisch erwünscht und damit grundsätzlich „honorarwürdig“ (Senat, Urteile vom 5. November 2020 aaO Rn. 27; vom 10. November 2011 aaO Rn. 17 und vom 7. Dezember 2006 aaO Rn. 14). Die Vermittlungsvergütung ist teilweiser Ausgleich dafür, dass der ungeplante Wechsel zum Entleiher erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den Verleiher bringen kann, da er einen von ihm ausgewählten und bereit gehaltenen, qualifizierten und offenbar geschätzten Arbeitnehmer „verliert“, wohingegen der Entleiher einen wirtschaftlichen Vorteil erhält, indem er einen Arbeitnehmer einstellen kann, den er zuvor – während der Überlassung – erfolgreich erprobt hat (Senat, Urteil vom 10. November 2011 aaO). Zugleich soll die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, nämlich sein Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 GG), gewahrt und insbesondere verhindert werden, dass der erwünschte Wechsel in ein reguläres Arbeitsverhältnis durch unangemessene Vermittlungsvergütungen wesentlich erschwert wird (vgl. Senat aaO mwN). Dementsprechend sind nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Entscheidung der Frage, ob die Vergütungsvereinbarung zwischen Verleiher und Entleiher angemessen ist, die Dauer des vorangegangenen Verleihs, die Höhe des vom Entleiher für den Verleih bereits bezahlten Entgelts und der Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BT-Drs. 15/1749 S. 29 und 15/6008 S. 11; Senat aaO Rn. 18 mwN).
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(2) Auf der Grundlage dieser Maßstäbe hat der Senat das Bruttoeinkommen des Arbeitnehmers bei seinem neuen Arbeitgeber als adäquate Bemessungsgröße für die Vergütung des Arbeitsverleihers im Falle des Wechsels des Arbeitnehmers zum Entleiher angesehen, weil es mit dem wirtschaftlichen Wert des mit dem Wechsel des Arbeitnehmers einhergehenden Nachteils für den Verleiher, des entsprechenden Vorteils für den Entleiher und einer funktionsgleichen Vermittlungsleistung korrespondiert (Urteil vom 10. November 2011 aaO Rn. 21). Hinsichtlich der Höhe hat der Senat Vergütungsklauseln gebilligt, in denen für eine Übernahme nach bis zu dreimonatiger Überlassungsdauer eine Vergütungshöhe von 15 % des Jahresbruttoeinkommens (nebst Umsatzsteuer) beziehungsweise von zwei Bruttomonatsgehältern (aaO Rn. 22; siehe auch Senat, Urteil vom 5. November 2020 aaO Sachverhalt und Rn. 29) vorgesehen waren. Dabei hat er aber klargestellt, dass sich eine solche Vergütung „noch“ im Rahmen des Angemessenen hält (Urteil vom 10. November 2011 aaO). Eine höhere finanzielle Belastung des vormaligen Entleihers und neuen Arbeitgebers ist mit der sozialpolitischen Zielsetzung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG nicht vereinbar und daher nicht mehr angemessen im Sinne des Halbsatzes 2 dieser Vorschrift.
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Demgegenüber ermöglicht es die vom Kläger verwendete Klausel, nach der Bemessungsgrundlage für die Vermittlungsprovision der während der Arbeitnehmerleihe geltende mit der in der Staffel vorgesehenen Stundenzahl zu multiplizierende Verrechnungssatz sein soll, eine höhere Vergütung zu fordern als hiernach zulässig. Dies wird in der Praxis auch häufig der Fall sein, da sich der Verrechnungssatz aus dem dem Arbeitnehmer vom Verleiher zu zahlenden Bruttoarbeitslohn und dem von diesem berechneten Aufschlag für den Verleih (Verleihgebühr) zusammensetzt. Dies zeigt sich erst recht in den Fällen, in denen sich an das Leiharbeitsverhältnis eine Teilzeitbeschäftigung bei dem bisherigen Entleiher anschließt. Denn insoweit würde die verwendete Klausel einen Spreizungseffekt entfalten, der den zukünftigen Arbeitgeber in zusätzlichem Maß von der Einstellung der in der Vermittlung dann besonders teuren Teilzeitkraft abhalten könnte. Dies würde Arbeitnehmer, die aus persönlichen Gründen ihre Arbeitszeit reduzieren wollen (etwa, weil sie Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu betreuen haben), besonders benachteiligen, weil sich ihre Einbindung in ein festes Arbeitsverhältnis für den Entleiher als neuem Arbeitgeber vielfach finanziell nicht mehr lohnen würde. Insoweit handelt es sich – anders als die Revision meint – gerade nicht nur um einen untypischen vom Verwender nicht bedachten Ausnahmefall, der bei der Auslegung möglicherweise außer Betracht zu bleiben hätte, sondern um eine denkbare, nicht als besonders ungewöhnlich anzusehende Entwicklung der tatsächlichen Lebensverhältnisse. Die Gefahr eines Missbrauchs (vgl. dazu zB Kock/Motz, AIP 2021, 19, 24) rechtfertigt keine abweichende Sichtweise. Etwaigen Manipulationsversuchen mit dem Ziel, die Provision gering zu halten, kann im Einzelfall bereits durch Berücksichtigung der von der Vertragslage abweichenden Tatsachen Rechnung getragen werden.
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(3) Ungeachtet dessen, dass bereits die in der Klausel vorgesehene Bemessungsgrundlage für die Vermittlungsprovision den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 AÜG widerspricht, ist die Bestimmung auch deshalb unwirksam, weil die darin enthaltene Staffelung der Vermittlungsprovision nach der Dauer der Überlassung des Leiharbeitnehmers nicht den vom Senat aufgestellten Anforderungen entspricht. Der Senat hat den oben unter (1) dargestellten Maßstäben weiter das grundsätzliche Erfordernis entnommen, dass die Vergütung nach der Verleihdauer – degressiv – gestaffelt ausgestaltet sein muss, weil sich die in der Verleihvergütung einkalkulierten Kosten des Verleihers für die Auswahl, Gewinnung und Bereithaltung des Leiharbeitnehmers mit zunehmender Dauer der Arbeitnehmerüberlassung amortisieren und der mit dem Wechsel des Arbeitnehmers verbundene wirtschaftliche Nachteil durch die Verleihvergütung fortschreitend kompensiert wird (Urteile vom 5. November 2020 aaO Rn. 29; vom 10. November 2011 aaO Rn. 18 und vom 11. März 2010 aaO Rn. 13 ff). Dabei hat der Senat eine mindestens quartalsweise erfolgende Staffelung – mithin eine solche im Drei-Monats-Rhythmus – als notwendig angesehen (Urteil vom 10. November 2011 aaO Rn. 28).
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Diesem Erfordernis wird die angegriffene Klausel nicht gerecht, denn sie sieht zwar eine degressive Staffelung des verdienten Vermittlungshonorars vor, die – entsprechend der Rechtsprechung des Senats – nach einem Jahr vollständig endet. Die vorliegend zur Überprüfung stehende Klausel enthält jedoch eine Degression der Gebühr im Vier-Monats-Rhythmus, was dazu führt, dass eine nach der Senatsrechtsprechung verlangte Degressionsstufe entfällt.
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Dies wirkt sich auch in der vorliegenden Fallgestaltung aus. Der Senat hat ausgehend von einer anfänglichen Maximalhöhe von zwei Bruttomonatsgehältern die folgende Staffelung proportional zum Zeitablauf für erforderlich gehalten (aaO Rn. 28): Nach Ablauf von drei Monaten eineinhalb Monatsgehälter, nach Ablauf von sechs Monaten ein Monatsgehalt und nach Ablauf von neun Monaten ein halbes Monatsgehalt. Demgegenüber ermöglicht die in § 11 Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers vorgesehene Staffelung unter Berücksichtigung einer von der Revision selbst angeführten monatlichen Arbeitsstundenzahl von 168 in der für den Streitfall maßgeblichen Stufe (mehr als vier bis acht Monate Verweildauer der Arbeitnehmer bei dem Entleiher) eine Vermittlungsprovision in Höhe des 1,19-fachen der im Monat anfallenden Verrechnungssätze (= 200 : 168). Nach den vom Senat aufgestellten Kriterien ist jedoch ab sechs Monaten Überlassungsdauer nur noch ein – regelmäßig über der Verleihgebühr liegendes – Monatsgehalt angemessen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 AÜG. Dass die im Streitfall betroffenen Arbeitnehmer lediglich gut vier Monate bei der Beklagten als Leiharbeiter tätig waren und daher nach den (hinsichtlich der Bemessungsgrundlage ohnehin abweichenden) Maßstäben des Senats eineinhalb Bruttomonatsgehälter als Vermittlungsprovision zulässig gewesen wären, ist entgegen der Ansicht der Revision unbeachtlich. Denn die Beurteilung der Wirksamkeit einer Klausel kann nur einheitlich erfolgen.
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(4) Der Kläger wird seinerseits durch die Unwirksamkeit der in Rede stehenden Klausel nicht unangemessen benachteiligt. Dies zeigt sich schon daran, dass er eine „Ersatzbeschaffung“ für den verlorenen Arbeitnehmer seinerseits auf dem Markt vornehmen wird. Mit Blick auf den wirtschaftspolitisch erwünschten „Klebeeffekt“ und den Schutz der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers lässt sich ein durchgreifender – eine Vergütung nach der Klausel rechtfertigender – Nachteil des Entleihers auch nicht mit der von der Revision angestellten Überlegung begründen, der Arbeitnehmer habe – wofür hier Anhaltspunkte nicht bestehen – möglicherweise schlecht verhandelt. Bei der notwendigen typisierenden Betrachtungsweise handelt es sich hierbei um zu vernachlässigende Ausnahmefälle.
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cc) Für eine Anknüpfung des Vermittlungsentgelts an die Verleihgebühr spricht auch nicht, dass diese den Vertragsparteien geläufig ist, während der Verleiher den Arbeitsvertrag zwischen dem Entleiher und dem (früheren) Leiharbeitnehmer naturgemäß nicht kennt, er mithin auf eine Information des (vormaligen) Entleihers angewiesen ist. Etwaigen damit verbundenen Schwierigkeiten ließe sich jedenfalls durch eine vertraglich vereinbarte Pflicht des Entleihers oder des Arbeitnehmers zur Offenbarung begegnen.
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3. Eine geltungserhaltende Reduktion der die Vermittlungsprovision beinhaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen scheidet aus (Senat, Urteil vom 11. März 2010 aaO Rn. 19).
- Herrmann
- Remmert
- Arend
- Böttcher
- Liepin