Urteil des BPatG München 1. Senat vom 22.04.2021, AZ 1 Ni 14/19 (EP)

BPatG München 1. Senat, Urteil vom 22.04.2021, AZ 1 Ni 14/19 (EP), ECLI:DE:BPatG:2021:220421U1Ni14.19EP.0

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

gegen

betreffend das europäische Patent 2 930 066

(DE 50 2015 000 627)

hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung am 22. April 2021 durch die Präsidentin Schmidt sowie den Richter Dr.-Ing. Baumgart, den Richter Heimen, den Richter Dipl.-Ing. Körtge und die Richterin Dipl.-Ing. Univ. Peters

für Recht erkannt:

I. Das Patent EP 2 930 066 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 8. April 2015 unter Inanspruchnahme der deutschen Priorität DE 10 2014 105 065 vom 9. April 2014 beim Europäischen Patentamt angemeldeten Patents EP 2 930 066, dessen Erteilung am 1. März 2017 veröffentlicht wurde und das die Bezeichnung „Dekorteil für einen Fahrzeuginnenraum, Verfahren zum Herstellen des Dekorteils und Vorrichtung zum Herstellen des Dekorteils und zur Durchführung des Verfahrens“ trägt. Das Streitpatent umfasst in der erteilten Fassung insgesamt 6 Patentansprüche. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang.

2

Der Anspruch 1 des Streitpatents in der Fassung gemäß EP 2 930 066 B1 hat folgenden Wortlaut:

3

„1. Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei jeweils zwei übereinanderliegende Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24) definieren, und wobei die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,

4

gekennzeichnet durch folgende Schritte:

5

– Bereitstellen eines Rohlings umfassend den Träger (11) mit der durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs,

6

– Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und anschließend im Lackierwerkzeug eine erste Lackschicht (14; 20) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur aufgebracht wird,

7

– Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer zweiten Oberform zusammengeführt wird und anschließend eine zweite Lackschicht (15; 21) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur aufgebracht wird.“

8

Hieran schließen sich rückbezogen die Patentansprüche 2 bis 4 des Streitpatents mit folgendem Wortlaut an:

9

„2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Lackierschritt und/oder der zweite Lackierschritt Gießen und/oder Spritzgießen und/oder Walzen und/oder Drucken, insbesondere Siebdrucken, umfassen.

10

3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass nach dem Durchführen des ersten Lackierschrittes ein Prägeschritt durchgeführt wird, wobei die Unterform mit der ersten Oberform zusammengeführt wird und während des Zusammenführens eine Prägung auf der ersten Lackschicht mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur übertragen wird.

11

4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass sich an den zweiten Lackierschritt wenigstens ein weiterer Lackierschritt mit wenigstens einer weiteren Oberform anschließt, bei dem wenigstens eine weitere Lackschicht (22) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der weiteren Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur angegossen wird.“

12

Der nebengeordnete Anspruch 5 des Streitpatents hat folgenden Wortlaut:

13

„5. Vorrichtung zum Herstellen eines Dekorteils für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei jeweils zwei übereinanderliegende Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24) definieren, und wobei die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, und zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4, umfassend ein Lackierwerkzeug, insbesondere ein Gieß- und/oder Spritzgieß- und/oder Walz- und/oder Druckwerkzeug, mit einer Unterform und wenigstens zwei Oberformen, wobei die Unterform zur Aufnahme des Rohlings vorgesehen ist, und die Formflächen der Oberformen die Oberflächenstruktur der anzugießenden Lackschichten vorgeben.“

14

Hieran schließt sich rückbezogen der Patentanspruch 6 des Streitpatents mit folgendem Wortlaut an:

15

„6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Unterform drehbar gelagert ist und damit durch entsprechende Drehbewegung den wenigstens zwei Oberformen zuwendbar ist zur Durchführung der verschiedenen Aufbringungsschritte.“

16

Die Klägerin macht mit ihrer Klage den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit geltend. Sie stützt sich dabei u.a. auf folgende Dokumente:

17

NI1 US 2003 / 0 197 307 A1

18

NI2 US 2004 / 0 056 382 A1,

19

NI3 US 2012 / 0 043 702 A1,

20

NI4 DE 10 2010 051 291 A1 und

21

NI5 DE 10 2010 031 814 A1.

22

Im Prüfungsverfahren sind neben der Druckschrift
NI4 noch folgende Druckschriften genannt worden:

23

D1 US 2014 / 0 009 836 A1

24

D2 US 4 748 062 A,

25

D3 US 2003 / 0 235 679 A1 und

26

D4 WO 03/ 042 727 A1.

27

Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung nach Hauptantrag. Auf den qualifizierten Hinweis des Senats vom 23. November 2020 hat die Beklagte zur hilfsweisen Verteidigung des Streitpatents mit Schriftsätzen vom 29. Januar 2021 und vom 8. April 2021 geänderte Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 eingereicht.

28

Nach Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 8. April 2021, entfallen die erteilten Unteransprüche 3 und 4, die neuen Ansprüche 1 bis 4 haben folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber Hauptantrag hervorgehoben):

29

„1. Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend

30

einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13)
wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15
; 20, 21, 22)
, nämlich eine erste Lackschicht (14) und eine zweite, äußerste Lackschicht (15), umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten
, zweiten Lackschicht (15
; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei
jeweils zwei übereinanderliegendedie zwei übereinanderliegenden Lackschichten (14, 15
; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18
; 23, 24) definieren, und wobei die
wenigstens eine Grenzfläche (18
; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten
, zweiten Lackschicht (15
; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,

31

gekennzeichnet durchwobei das Verfahren folgende Schritte
umfasst:

32

– Bereitstellen eines Rohlings umfassend den Träger (11) mit der durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs,

33

– Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und anschließend im Lackierwerkzeug
einedie erste Lackschicht (14
; 20) des Lackaufbaus (13)
mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegeben Oberflächenstruktur aufgebracht wird,

34

– Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer zweiten Oberform
, deren Formfläche eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, zusammengeführt wird und anschließend
einedie zweite Lackschicht (15
; 21) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebene
n, im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur aufgebracht wird
,

35

dadurch gekennzeichnet,

36

dass die zur Durchführung des ersten Lackierschritts bereitgestellte erste Oberform eine Formfläche aufweist, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Formfläche der zweiten Oberform eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, und

37

dass die erste Lackschicht (14) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur aufgebracht wird, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Oberflächenstruktur aufweist.

38

2. Verfahren nach Anspruch 1,

39

dadurch gekennzeichnet, dass

40

der erste Lackierschritt und/oder der zweite Lackierschritt Gießen und/oder Spritzgießen
und/oder Walzen und/oder Drucken, insbesondere Siebdrucken, umfassen.

41

5.3. Vorrichtung zum Herstellen eines Dekorteils für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend

42

einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13)
wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15
; 20, 21, 22)
, nämlich eine erste Lackschicht (14) und eine zweite, äußerste Lackschicht (15), umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten
, zweiten Lackschicht (15
; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei
jeweils zwei übereinanderliegendedie zwei übereinanderliegenden Lackschichten (14, 15
; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18
; 23, 24) definieren, und wobei die
wenigstens eine Grenzfläche (18
; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten
, zweiten Lackschicht (15
; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,

43

und zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1
bis 4oder 2, umfassend

44

ein Lackierwerkzeug, insbesondere ein Gieß- und/oder Spritzgieß
– und/oder Walz- und/oder Druckwerkzeug, mit einer Unterform und wenigstens zwei Oberformen
, einer ersten Oberform und einer zweiten Oberform,

45

wobei die Unterform zur Aufnahme des Rohlings vorgesehen ist,
und die Formflächen der Oberformen die Oberflächenstruktur der anzugießenden Lackschichten vorgebenwobei die Formfläche der zweiten Oberform eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, die dazu vorgesehen ist, eine im Wesentlichen glatte Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) auszubilden, und

46

wobei die Formfläche der ersten Oberform in Relation zur im Wesentlichen glatten Formfläche der zweiten Oberform eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, die dazu vorgesehen ist, eine Oberflächenstruktur der ersten Lackschicht (14) auszubilden, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Oberflächenstruktur aufweist.

47

6.4. Vorrichtung nach Anspruch
53,

48

dadurch gekennzeichnet, dass

49

die Unterform drehbar gelagert ist und damit durch entsprechende Drehbewegung den wenigstens zwei Oberformen zuwendbar ist zur Durchführung der verschiedenen Aufbringungsschritte.“

50

Die Ansprüche 1 und 3 nach Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 8. April 2021, haben folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber Hilfsantrag 1 hervorgehoben):

51

„1. Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend

52

einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15), nämlich eine erste Lackschicht (14) und eine zweite, äußerste Lackschicht (15) umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei die zwei übereinanderliegenden Lackschichten (14, 15) zwischen sich eine Grenzfläche (18) definieren
, an der die Lackschichten direkt aneinander grenzen, und wobei die Grenzfläche (18) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,

53

wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:

54

– Bereitstellen eines Rohlings umfassend den Träger (11) mit der durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs,

55

– Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und anschließend im Lackierwerkzeug die erste Lackschicht (14) des Lackaufbaus (13) aufgebracht wird,

56

– Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer zweiten Oberform, deren Formfläche eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, zusammengeführt wird und anschließend die zweite Lackschicht (15) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebenen, im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur aufgebracht wird,

57

dadurch gekennzeichnet,

58

dass die zur Durchführung des ersten Lackierschritts bereitgestellte erste Oberform eine Formfläche aufweist, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Formfläche der zweiten Oberform eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, und

59

dass die erste Lackschicht (14) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur aufgebracht wird, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Oberflächenstruktur aufweist
, und

60

dass die zweite Lackschicht (15) derart auf die erste Lackschicht (14) aufgebracht wird,

61

– dass die erste Lackschicht (14) und die zweite Lackschicht (15) zwischen sich eine Grenzfläche (18) definieren, an der die erste Lackschicht (14) und die zweite Lackschicht (15) direkt aneinander grenzen, und

62

– dass die Formfläche der ersten Oberform durch die Vorgabe der Oberflächenstruktur der ersten Lackschicht (14) die Struktur der Grenzfläche (18) zwischen erster Lackschicht (14) und zweiter Lackschicht (15) vorgibt,

63

– wobei die Grenzfläche (18) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist.

64

3. Vorrichtung zum Herstellen eines Dekorteils für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend

65

einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15), nämlich eine erste Lackschicht (14) und eine zweite, äußerste Lackschicht (15), umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei die zwei übereinanderliegenden Lackschichten (14, 15) zwischen sich eine Grenzfläche (18) definieren
, an der die Lackschichten direkt aneinander grenzen, und wobei die Grenzfläche (18) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,

66

und zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 oder 2, umfassend

67

ein Lackierwerkzeug, insbesondere ein Gieß- und/oder Spritzgießwerkzeug, mit einer Unterform und wenigstens zwei Oberformen, einer ersten Oberform und einer zweiten Oberform,

68

wobei die Unterform zur Aufnahme des Rohlings vorgesehen ist, wobei die Formfläche der zweiten Oberform eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, die dazu vorgesehen ist, eine im Wesentlichen glatte Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) auszubilden, und

69

wobei die Formfläche der ersten Oberform in Relation zur im Wesentlichen glatten Formfläche der zweiten Oberform eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, die dazu vorgesehen ist, eine Oberflächenstruktur der ersten Lackschicht (14) auszubilden, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Oberflächenstruktur aufweist.“

70

Der auf den Verfahrensanspruch 1 rückbezogene Patentanspruch 2 und der auf den Vorrichtungsanspruch 3 rückbezogene Patentanspruch 4 sind gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 1 unverändert.

71

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 29. Januar 2021, hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber Hauptantrag hervorgehoben):

72

„1. Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend

73

einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12), wobei der Lackaufbau (13) wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) umfasst, wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei jeweils zwei übereinanderliegende Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24) definieren, und wobei die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,

74

gekennzeichnet durchwobei das Verfahren folgende Schritte
umfasst:

75

– Bereitstellen eines Rohlings umfassend den Träger (11) mit der durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs,

76

– Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und anschließend im Lackierwerkzeug eine erste Lackschicht (14; 20) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur aufgebracht wird,

77

– Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer zweiten Oberform zusammengeführt wird und anschließend eine zweite Lackschicht (15; 21) des Lackaufbaus (13) mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebene
n Oberflächenstruktur aufgebracht wird
,

78

dadurch gekennzeichnet,

79

dass zwischen der Durchführung des ersten Lackierschritts und der Durchführung des zweiten Lackierschritts Elemente, insbesondere Symbole, auf die erste Lackschicht aufgesetzt werden.“

80

Hieran schließen sich die Verfahrensansprüche 2 bis 4 in der Fassung nach Hauptantrag an. Die Ansprüche 5 und 6 nach Hauptantrag entfallen. Wegen des vollständigen Wortlauts der Anspruchssätze nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 wird auf die Akte verwiesen.

81

Die Klägerin beantragt,

82

das europäische Patent 2 930 066 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

83

Die Beklagte beantragt,

84

die Klage abzuweisen,

85

hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Patent die Fassung des Hilfsantrags 1, überreicht mit Schriftsatz vom 8. April 2021 erhält,

86

hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Patent die Fassung des Hilfsantrags 2, überreicht mit Schriftsatz vom 8. April 2021 erhält,

87

hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Patent die Fassung des Hilfsantrags 3, überreicht mit Schriftsatz vom 29. Januar 2021 erhält.

88

Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung des Streitpatents sei jedenfalls nicht neu gegenüber dem in der Druckschrift
NI3 beschriebenen Verfahren und der Gegenstand des Patentanspruchs 5 nicht neu gegenüber den in den Druckschriften
NI1,
NI2,
NI3 und
Ni5 beschriebenen Vorrichtungen. Insoweit seien diese Gegenstände nicht patentfähig.

89

Auch die Gegenstände der rückbezogenen Unteransprüche seien nicht patentfähig. Entweder seien ihre Lehren gegenüber den in den Druckschriften
NI1 bis
NI5 offenbarten Lehren bereits bekannt oder zumindest in Kombination nicht erfinderisch bzw. erschienen dem Fachmann selbstverständlich.

90

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Bei der Beurteilung der Patentfähigkeit, so die Beklagte, müssten auch die Merkmale des Erzeugnisses berücksichtigt werden, die in dem entgegengehaltenen Stand der Technik fehlten. So zeige der Gegenstand der Druckschrift
NI3 kein entsprechendes Dekorteil für einen Fahrzeuginnenraum und sei schon deshalb nicht neuheitsschädlich. Darüber hinaus bestünden auch ansonsten erhebliche Unterschiede. So werde in der Druckschrift
NI3 das Aufbringen lediglich einer transparenten bzw. transluzenten Lackschicht über Träger und Dekor (i.S.d. Streitpatents) gezeigt, aber nicht von wenigstens zwei solcher übereinanderliegenden Lackschichten. Zudem zeige die Druckschrift
NI3 auch erkennbar keinen Träger mit einer durch den Träger gebildeten oder auf dem Träger angeordneten Dekorschicht, die eine als Sichtseite (des Dekorteils) ausgebildete Vorderseite aufweise. Denn diese Vorderseite werde jedenfalls durch zumindest eine der später aufgebrachten (nicht transparenten bzw. transzluzenten) Schichten überdeckt. Das Verfahren führe demnach nicht zu dem vom Streitpatent beanspruchten Erzeugnis. Diese Druckschrift
NI3 offenbare noch nicht einmal eine Ausbildung einer in Relation zur glatten Oberfläche dreidimensionalen Struktur einer Grenzschicht zwischen zweier aufgebrachten Schichten. Für den Fachmann habe, sofern es darauf ankomme, auch keine Veranlassung bestanden, einen Verfahrensschritt zur Herstellung einer solchen dreidimensionalen Strukturierung vorzusehen. Hinsichtlich Hilfsantrag 3 ist die Beklagte insbesondere der Auffassung, dass eine zusätzliche Farbschicht auch nicht mit dem Aufsetzen von Elementen für einen 3-D-Effekt gleichzusetzen sei.

91

Auch die übrigen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen stünden der Patentfähigkeit nicht entgegen.

92

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den weiteren Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

93

Die Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ geltend gemacht wird, ist zulässig. Sie ist auch begründet. Denn das Streitpatent erweist sich in der erteilten Fassung wie auch in den Fassungen nach den Hilfsanträgen wegen mangelnder Patentfähigkeit als nicht rechtsbeständig und ist daher für nichtig zu erklären.

I.

94

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils für einen Fahrzeuginnenraum und eine Vorrichtung zum Herstellen des Dekorteils sowie zur Durchführung des Verfahrens (vgl. Abs. [0001] der Streitpatentschrift, im Folgenden mit SPS kurzbezeichnet.

95

Nach der Beschreibung würden im Fahrzeuginnenraum zahlreiche Dekorteile eingebaut, beispielsweise Türverkleidungen, Konsolen- und Instrumentenverblendungen. Zu den Dekorteilen zählten auch Bedientasten bzw. die Abdeckungen von Bedientasten. Das Streitpatent beschäftige sich mit solchen Dekorteilen, die einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau an der Vorderseite der Dekorschicht aufweisen. Es sei bekannt, Dekorteile mit einfachen bzw. einlagigen Lackschichten zum Schutz gegen Beschädigungen und Verschmutzung bzw. zur Verbesserung der Optik zu versehen. Diese Lackschichten seien dabei vorwiegend glatt auf die Dekorteile aufgetragen bzw. sie bildeten am Dekorteil eine glatte Oberfläche. Das heiße, dass die Form des Dekorteils zwar nachvollzogen werde, dabei jedoch die Oberfläche der Lackschicht nicht in sich strukturiert, sondern plan bzw. eben sei. Ebenso wirke die Oberfläche der Lackschicht für einen Betrachter im Wesentlichen plan bzw. glatt. Zum diesbezüglichen Stand der Technik verweist die SPS auf die Druckschrift
D1 (vgl. die Abs. [0002] bis [0004] der SPS).

96

Es liege somit die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils und eine Vorrichtung zum Herstellen des Dekorteils bzw. zur Durchführung des Verfahrens anzugeben, wobei das Dekorteil im Vergleich zu bekannten Dekorteilen einen neuartigen Lackaufbau zur Erreichung oder Verstärkung einer dreidimensionalen optischen Tiefenwirkung aufweise (vgl. Abs. [0005] der SPS).

97

2. Als maßgeblichen Fachmann definiert der Senat zum Verständnis des Streitgegenstandes und zur nachfolgenden Bewertung des Standes der Technik einen Ingenieur der Fachrichtung Fahrzeugtechnik oder einen Absolventen des Hochschul-Studiengangs Industrie- und Produktdesign, der auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Innenausstattungsteilen für Kraftfahrzeuge, seit mehreren Jahren tätig ist. Bedarfsweise wird er einen auf dem Gebiet der Herstellungsverfahren von Verbundbauteilen erfahrenen Fertigungstechnik-Ingenieur zu Rate ziehen.

98

II. Zur erteilten Fassung (Hauptantrag)

99

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung erweist sich gegenüber der Offenbarung der Druckschrift
NI3 als nicht neu, so dass der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54 EPÜ gegeben ist.

100

1. Zur Auslegung des Patentanspruchs 1

101

Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind (BGH GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum). Dazu ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, wobei der Fachmann auch die Beschreibung und Zeichnung heranzuziehen hat (BGH GRUR 2007, 559 – Informationsübermittlungsverfahren). Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift und Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht.

102

Der Patentanspruch 1 lautet mit hinzugefügter Merkmalsgliederung des Senats wie folgt:

103

V1 Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend

104

1.1. einen Träger (11) mit einer

105

1.2.a. durch den Träger (11) gebildeten oder

106

1.2.b. auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12),

107

1.2.1. die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und

108

1.3. einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12),

109

1.3.1. wobei der Lackaufbau (13) wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) umfasst,

110

1.3.1.1. wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist,

111

1.3.1.2. wobei jeweils zwei übereinanderliegende Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24) definieren, und

112

1.3.1.2.1. wobei die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,

113

gekennzeichnet durch folgende Schritte:

114

2. Bereitstellen eines Rohlings

115

umfassend

116

2.1. den Träger (11) mit der

117

2.2.a. durch den Träger (11) gebildeten oder

118

2.2.b. auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (12)

119

in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs,

120

3. Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei

121

3.1. die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und

122

3.2. anschließend im Lackierwerkzeug eine erste Lackschicht (14; 20) des Lackaufbaus (13)

123

3.2.1. mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur

124

aufgebracht wird,

125

4. Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei

126

4.1. die Unterform mit einer zweiten Oberform zusammengeführt wird und

127

4.2. anschließend eine zweite Lackschicht (15; 21) des Lackaufbaus (13)

128

4.2.1. mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur

129

aufgebracht wird.

130

Der zuständige Fachmann entnimmt Merkmal
V1 ein Herstellungsverfahren der Patentkategorie Verfahren, das geeignet sein muss zum Herstellen eines Erzeugnisses, nämlich eines Dekorteils für einen Fahrzeuginnenraum. Das fertige Erzeugnis umfasst – nicht abschließend – gemäß den Merkmalsgruppen
1.1. bis
1.3. einen Träger mit einer durch den Träger selbst gebildeten Dekorschicht oder mit einer auf dem Träger angeordneten und insoweit von diesem zu unterscheidenden, zusätzlichen Dekorschicht. Die Dekorschicht des mit dem Verfahren herzustellenden Dekorteils weist – wenn im Fahrzeug verbaut – eine Vorderseite als dem Fahrzeuginnenraum zugewandte Sichtseite auf. Die Vorderseite der Dekorschicht 12 ist in der Fig. 1 der SPS, die die zweite Alternative illustriert, mit dem Bezugszeichen 16 kenntlich gemacht (vgl. die nachfolgend eingeblendete Abb. 1).

131

Abb. 1: Fig. 1 der SPS

132

Eine besondere Formgebung der Dekorschicht 12 ist nicht beansprucht. Varianten der Dekorschicht werden in den Ausführungsbeispielen gezeigt, denen sich sowohl im Wesentlichen glatte, mit Blick auf die Fig. 1 der SPS (vgl. Abb. 1), als auch beliebig dreidimensional strukturierte Oberflächen der Vorderseiten 16, mit Blick auf Fig. 3 der SPS (vgl. die nachfolgend eingeblendete Abb. 2) entnehmen lassen.

133

Abb. 2: Fig. 3 der SPS

134

Das Dekorteil umfasst weitere Schichten – zumindest zwei – gemäß der Merkmalsgruppe
1.3. als Teile eines zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbaus 13, die übereinanderliegend auf der Vorderseite 16 der Dekorschicht 12 angeordnet sind. Dabei können die Schichten des Lackaufbaus sich unterscheiden hinsichtlich ihrer Transparenz und/oder ihrer Transluzenz (vgl. Abs. [0012] der SPS). Lediglich für das Ausführungsbeispiel wird eine vollständige Transparenz des Lackaufbaus (vgl. u.a. Abs. [0037] der SPS) genannt. Dabei weist die Vorderseite 17 der äußersten Lackschicht 15 des Lackaufbaus 13 gemäß Merkmal
1.3.1.1. eine im Wesentlichen glatte Oberfläche auf. Im Vergleich dazu weist die Fläche, die jeweils zwei übereinanderliegende Lackschichten zwischen sich definieren – im Streitpatent als Grenzfläche bezeichnet (vgl. Pos. 18 in den Abb. 1 und 2) – eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur auf (Merkmalsgruppe
1.3.1.2.). Diese kann – muss aber nicht – sich von der Formgebung der Oberfläche der Dekorschicht unterscheiden (vgl. Abs. [0019] und [0020] der SPS).

135

Mit der Merkmalsgruppe
2. wird in einem ersten von drei aufgeführten Verfahrensschritten ein zu lackierender Rohling in einer zu seiner Aufnahme vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs bereitgestellt. Der Rohling umfasst den Träger mit der integralen Dekorschicht (in der Merkmalsgliederung mit Suffix „a“ markiert) oder mit einer als zusätzliche Schicht auf dem Träger angeordneten Dekorschicht (mit Suffix „b“ markiert). Über die Art und Weise der Bereitstellung in der Unterform erfährt der Fachmann sowohl aus dem Anspruch 1 als auch aus den weiteren Ausführungen in der SPS nichts Konkreteres, als dass der Rohling in dieser unteren Werkzeughälfte eines Lackierwerkzeugs zu einer (weiteren) Bearbeitung bereitsteht. Als für das beanspruchte Verfahren geeignete Lackierwerkzeuge werden dem Fachmann ausdrücklich Gieß-, Spritzgieß-, Walz- und/oder Druckwerkzeuge genannt (vgl. Sp. 6, Z. 9 bis 12 der SPS), die zur Verarbeitung entsprechender „Lacke“ zur Ausbildung entsprechender Schichten geeignet sind, ohne dass der Anspruch hierzu nähere Vorgaben enthält.

136

Der nächste Verfahrensschritt gemäß Merkmalsgruppe
3. definiert die Vorgehensweise bei der Durchführung eines ersten Lackierschritts. Dabei wird die Unterform des Lackierwerkzeugs mit einer als erste Oberform bezeichneten Werkzeughälfte zusammengeführt und anschließend eine erste Lackschicht auf die Dekorschicht des Rohlings aufgebracht. Die Art des „Lacks“ und dessen Aufbringung, bzw. welches Lackierverfahren zum Einsatz kommt, wird der Fachmann aus seiner fachmännischen Sicht heraus entscheiden, da ihm der Anspruch diesbezüglich keine weiteren Vorgaben macht. Die Auswahl des vom Fachmann in Abhängigkeit vom Lackmaterial bzw. Lackierwerkzeug anzuwendenden Lackierverfahrens wird somit lediglich dadurch bestimmt, dass ein nach Abschluss sämtlicher (notwendiger, auch möglicherweise weiterer fakultativer, nicht benannter bzw. beanspruchter) Verfahrensschritte ein Dekorteil hergestellt sein muss, dessen auf der Dekorschicht befindlicher Lackaufbau zumindest teilweise transparent und/oder transzluzent ist. Wie vorstehend bereits herausgestellt, bietet ihm die SPS dafür bereits mehrere Verfahren in nicht abschließender Aufzählung an (Gießen, Spritzgießen, Walzen, Drucken) und unterstellt diesen die Verarbeitbarkeit entsprechender „Lacke“. Mit Merkmal
3.2.1. wird konkretisiert, dass die Oberflächenstruktur der ersten Lackschicht durch die Formfläche der Oberform, sprich der oberen Werkzeughälfte, vorgegeben ist, mithin die Oberform die Negativform des erzeugten Halbzeuges, bestehend aus dem „dekorierten“ Rohling und der auf der Dekorschicht aufgebrachten ersten Lackschicht, ist. Diese Oberflächenstruktur ist aber nicht mit der dreidimensionalen Struktur in der Grenzfläche gleichzusetzen, da mit Verweis auf die Ausführungen zur Merkmalsgruppe
1.3.1.2. die SPS eine dreidimensionale Struktur an der Grenzfläche zwischen den Lackschichten des „dekorierten“ Rohlings lehrt, bei der die dreidimensionale optische Tiefenwirkung erreichende oder verstärkende Grenzfläche u.a. auch durch auf die Oberflächenstruktur der Lackschicht aufgesetzten Elemente realisiert werden kann (vgl. Abs. [0009] der SPS).

137

Mit Merkmalsgruppe
4. wird ein zweiter Lackierschritt gefordert, bei dem auf das bisher fertig gestellte und sich in der Unterform befindende Halbzeug, bestehend zumindest aus dem „dekorierten“ Träger, dem Rohling, und zumindest der auf der Dekorschicht aufgebrachten ersten Lackschicht mit oder ohne aufgesetzten Elementen, eine zweite Lackschicht des Lackaufbaus in analoger Weise aufgebracht wird im Anschluss an das Zusammenführen der Unterform mit einer zweiten Oberform. Die Festlegung der Art und Weise der Zuführungen der Oberformen zu der einen Unterform oder umgekehrt und mit welchen Maschinen er dies vorsieht, bleibt dem Fachmann überlassen; ist gleichsam in sein Belieben gelegt. Erst mit Anspruch 6 bzw. in Abs. [0033] der SPS wird vorgeschlagen, die Unterform drehbar zu lagern und diese damit durch entsprechende Drehbewegungen den wenigstens zwei Oberformen zuzuwenden. Die zweite Lackschicht, deren Oberflächenstruktur ebenfalls durch die entsprechende Formfläche der zweiten Oberform vorgegeben ist, kann, wie den beiden vorangestellten Abb. 1 und 2 zu entnehmen ist, die äußere, dem Fahrzeuginnenraum zugewandte Außenschicht sein. Weitere Schichten des Lackaufbaus bzw. weitere Verfahrensschritte sind aber keinesfalls ausgeschlossen. So lässt sich dem Anspruch 4 bzw. dem Ausführungsbeispiel nach der Fig. 2 der SPS (vgl. die nachfolgend eingeblendete Abb. 3) ein Lackaufbau 13 mit insgesamt drei Lackschichten 20, 21, 22 entnehmen, für den zumindest ein weiterer Verfahrensschritt, ein Lackierschritt, der ebenfalls in analoger Weise zu den beiden vorhergehenden Lackierschritten mit dann einer dritten Oberform durchgeführt werden kann, notwendig wird. Diese Variante umfasst dann zwei Grenzflächen (vgl. Abs. [0015], [0016] und [0043] der SPS).

138

Abb. 3: Fig. 2 der SPS

139

2. Zur Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1

140

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist nicht neu gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift
NI3, er ist mithin nicht patentfähig.

141

Die Druckschrift
NI3 offenbart ein Verfahren zum Herstellen eines wie in der Fig. 10 gezeigten Dekorteils (vgl. die nachfolgend eingeblendete Abb. 4) mittels einer Spritzgießmaschine 10 (vgl. Fig. 1).

AbbildungAbbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

142

Abb. 4: Fig. 10 der Druckschrift NI3

143

Eine wie mit Merkmal
V1 weiterhin geforderte Eignung des Dekorteils für einen Fahrzeuginnenraum spricht die Druckschrift
NI3 zwar nicht an, jedoch ergibt sich hieraus auch keine gegenüber dem aus der Druckschrift
NI3 hervorgehenden Verfahren folgende Besonderheit.

144

Kategoriefremde Angaben, wie eine Zweckangabe, die auf die Anwendung des hergestellten Erzeugnisses im Fahrzeuginnenraum abzielt, müssen grundsätzlich berücksichtigt werden – worauf die Beklagte auch zurecht hingewiesen hatte –, jedoch nur im Hinblick darauf, inwieweit diese Zweckangabe auf das beanspruchte Verfahren abstrahlt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1986, 163 – Borhaltige Stähle) besteht die Lehre zum technischen Handeln bei Herstellungsverfahren in der Beschreibung der beiden eigentlichen Verfahrensmaßnahmen, nämlich der Wahl der Ausgangsstoffe und der Art der Einwirkung auf diese Stoffe. Nach Überzeugung des Senates lassen sich jedoch aus der hier in Rede stehenden Zweckangabe keine verfahrenstechnischen Besonderheiten in der Wahl der Ausgangsmaterialien und der Einwirkung auf diese zum Zweck der Veränderung oder Bearbeitung ableiten. Das Streitpatent verhält sich hierzu auch nicht weiter. Und im Übrigen dokumentiert die Druckschrift
NI3 unmittelbar ein Spritzgießverfahren zur Herstellung von Dekorteilen auch für Fahrzeuginnenräume, weil hinsichtlich Material, Verarbeitung und Stückgröße keine signifikanten Unterschiede erkennbar sind. So ist ohne weiteres und unmittelbar zu unterstellen, dass auch mit dem durch die Druckschrift
NI3 bekannt gewordenen Spritzgießverfahren Dekorteile hergestellt werden können, die die Eignung besitzen im Fahrzeuginnenraum zur Anwendung kommen zu können, mithin die Forderungen des Verfahrensmerkmals
V1 als vollständig erfüllt gelten, da der Fachmann diese sich aufdrängende Eignung mitliest.

145

Dem Abs. [0033] entnimmt der zuständige Fachmann das Bereitstellen eines zuvor in der Spritzgießmaschine hergestellten Rohlings 40 (vgl. Fig. 3) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform 20 gemäß Merkmalsgruppe
2.. Denn durch das Drehen der Arbeitsplattform wird die Unterform 20 zusammen mit dem dort als festes Werkstück 40 bezeichneten Rohling von einem ersten Arbeitsbereich 111 zu einem zweiten Arbeitsbereich 112 bewegt.

146

Im Anschluss daran wird ein erster Lackierschritt in diesem Arbeitsbereich 112 durchgeführt, derart, dass die Unterform 20 mit einer ersten Oberform 50 zusammengeführt und anschließend im Lackierwerkzeug eine erste Lackschicht 60 (Grundierung) aufgebracht wird, indem Kunststoffmaterial, das einen „Lack“ i.S. des Streitpatents darstellt, durch den Kanal 53 in die verbliebene Kavität zwischen dem Rohling und der Oberform eingespritzt wird, wobei die Formfläche der Oberform zwangsläufig die Oberflächenstruktur vorgibt (vgl. Fig. 4 i.V.m. Abs. [0034]). Mithin ist Merkmalsgruppe
3. entsprechend der gebotenen Lesart, die ein Aufbringen von hierfür geeignetem Material im Spritzguss einschließt, ebenfalls erfüllt.

147

Gleiches gilt auch für die Merkmalsgruppe
4. mit Verweis auf die dortige Fig. 8 i.V.m. Abs. [0039]. In analoger Weise wird durch den Kanal 83 Kunststoffmaterial in die Kavität zwischen dem beschichteten Rohling und der sich im vierten Arbeitsbereich 114 des Lackierwerkzeugs befindlichen Oberform 80 eingespritzt, wobei die Formfläche dieser Oberform ebenfalls die Oberflächenstruktur der eingespritzten Lackschicht 90 (transparente Deckschicht) bestimmt.

148

Somit entnimmt der zuständige Fachmann der Lehre der Druckschrift
Ni3 sämtliche explizit aufgeführten Verfahrensmerkmale.

149

Die Erzeugnismerkmale der Merkmalsgruppen
1.1 bis
1.3 sind ebenso wie die vorstehend genannte Zweckangabe des Merkmals
V1 nur insoweit beachtlich, wie sie das beanspruchte Verfahren mitdefinieren. Nach Überzeugung des Senates können diese Merkmale bzw. deren für die Kategorie Verfahren relevanten Implikationen die mit den Merkmalsgruppen
2. bis
4. aufgestellten Verfahrensschritte nicht soweit weiterentwickeln, dass ein gegenüber dem in der Druckschrift
NI3 offenbarten Verfahren abweichendes Verfahren gemäß Patentanspruch 1 vorliegen würde.

150

Merkmalsgruppe
1.1. benennt ein Ausgangsmaterial, den Träger, ohne weitere Details. Auf diesem kann fakultativ eine separate, als Dekorschicht bezeichnete Schicht mit Merkmalsgruppe
1.2. angeordnet sein. Angaben zu einem bestimmten Material oder Form des „dekorierten“ Trägers, das möglicherweise eine besondere Behandlung bzw. einen daraus resultierenden Verfahrensmaßnahme nach sich ziehen könnte, fehlt dieser Merkmalsgruppe vollständig.

151

Mit Merkmalsgruppe
1.3. wird ein wenigstens zwei Lackschichten umfassender Lackaufbau genannt, der zumindest teilweise transparent und/oder transluzent sein soll. Der zuständige Fachmann entnimmt der Druckschrift
NI3 eine transparente Lackschicht 90 (a.a.O.), womit die Forderung eines teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbaus bereits erfüllt wäre, unabhängig von den physikalischen Eigenschaften der zumindest einen weiteren Lackschicht (Grundierungsschicht 60), wobei letztere im Übrigen auch zumindest transluzent sein muss, da diese, wie den dortigen Ausführungen in Abs. [0035] i.V.m. Fig. 5 zu entnehmen ist, nach dem Verfahrensschritt des Lackauftragens durch einen weiteren Verfahrensschritt einer Bestrahlung mit UV-Licht getrocknet wird und insoweit partiell lichtdurchlässig sein muss.

152

Die weiter mit dieser Merkmalsgruppe
1.3. geforderte dreidimensionale Struktur ist, wie vorstehend dargelegt, nicht zwingend gleichzusetzen mit der Oberflächenstruktur der ersten Oberform gemäß Merkmalsgruppe
3., da diese spezielle Formgebung in der Grenzfläche der Lackschichten auch durch auf die innere Lackschicht aufgesetzte Elemente realisiert werden kann (vgl. Abs. [0009] der SPS). Das Herstellen der dreidimensionalen Strukturgebung muss, da der Anspruch 1 keine weiteren Vorgaben macht, als weiterer, dem zuständigen Fachmann bekannter, zum Stand der Technik gehörender Verfahrensschritt mitgelesen werden, bei unterstellter Ausführbarkeit. Im Übrigen offenbart die Druckschrift
NI3 ebenfalls zwei zusätzliche alternative Verfahrensschritte zur Erzeugung einer dreidimensionalen Struktur zwischen zwei Lackschichten: das Aufbringen einer zusätzlichen, eine Kante erzeugenden Farbschicht 70 oder das „engraving“ (vgl. Abs. [0037] i.V.m. Fig. 6 und 7).

153

Mithin ist die Gesamtheit der im geltenden Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale entsprechend dem beizumessenden Sinngehalt bereits bei dem in der Druckschrift
NI3 beschriebenen Verfahren verwirklicht.

154

Ausführungen zum nebengeordneten Patentanspruch 5 erübrigen sich, da die Beklagte den Anspruchssatz als Ganzes verteidigt.

155

III. Zu den Fassungen nach den Hilfsanträgen

156

Die ursprünglich offenbarten Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 ergeben sich jedenfalls in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 erweist sich gegenüber der Offenbarung der Druckschrift
NI3 als nicht neu, so dass die Nichtigkeitsgründe des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ gegeben sind.

157

1. Hilfsanträge 1 und 2

158

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 umfasst den Gegenstand des enger gefassten Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2. Nachdem letzterer – wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen – nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht patentfähig.

159

1.1 Zur Auslegung des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2

160

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags 2 weist gegenüber dem Gegenstand des Hauptantrags die nachfolgend geänderten Merkmale auf:

161

1.3.1.
Hi1,2 wobei der Lackaufbau (13) zwei an der Vorderseite (16) der Dekorschicht (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15), nämlich eine erste Lackschicht (14) und eine zweite, äußerste Lackschicht (15) umfasst,

162

1.3.1.1.
Hi1,2 wobei eine der Dekorschicht (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist,

163

1.3.1.2.
Hi1,2 wobei die zwei übereinanderliegende Lackschichten (14, 15) zwischen sich eine Grenzfläche (18) definieren, und

164

1.3.1.2.1.
Hi1,2 wobei die Grenzfläche (18) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten, zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,

165

3.2.
Hi1,2 anschließend im Lackierwerkzeug die erste Lackschicht (14) des Lackaufbaus (13) aufgebracht wird,

166

3.2.1.
Hi1,2 dass die erste Lackschicht (14) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur aufgebracht wird, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Oberflächenstruktur aufweist
,

167

4.2.
Hi1,2 anschließend die zweite Lackschicht (15) des Lackaufbaus (13) aufgebracht wird,

168

4.2.1.
Hi1,2 mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebenen, im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur,

169

und die neu hinzugekommenen Merkmale:

170

1.3.1.2.0.
Hi1,2 an der [bezogen auf die Grenzschicht] die Lackschichten direkt aneinander grenzen,

171

3.1.1
Hi1,2 dass die zur Durchführung des ersten Lackierschritts bereitgestellte erste Oberform eine Formfläche aufweist, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Formfläche der zweiten Oberform eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist,

172

4.1.1.
Hi1,2 deren [bezogen auf die zweite Oberform] Formfläche eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist,

173

4.2.2.
Hi2 dass die zweite Lackschicht (15) derart auf die erste Lackschicht (14) aufgebracht wird, dass die erste Lackschicht (14) und die zweite Lackschicht (15) zwischen sich eine Grenzfläche (18) definieren, an der die erste Lackschicht (14) und die zweite Lackschicht (15) direkt aneinander grenzen, und

174

4.2.2.1.
Hi2 dass die Formfläche der ersten Oberform durch die Vorgabe der Oberflächenstruktur der ersten Lackschicht (14) die Struktur der Grenzfläche (18) zwischen erster Lackschicht (14) und zweiter Lackschicht (15) vorgibt,

175

4.2.2.2.
Hi2 wobei die Grenzfläche (18) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist.

176

Der zuständige Fachmann entnimmt dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ein gegenüber dem Verfahren des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag dahingehend zulässig beschränktes Verfahren, als dass nunmehr lediglich zwei auf den „dekorierten“ Rohling aufzubringende, eine Grenzfläche zwischen sich definierende Lackschichten betrachtet werden (nach Hauptantrag waren noch beliebig viele Lackschichten umfasst – Beispiel hierfür ist die Fig. 3 der SPS (vgl. Abb. 2)), die im Sinne des Streitpatents den neuartigen Lackaufbau zur Erreichung oder Verstärkung einer dreidimensionalen optischen Tiefenwirkung bestimmen sollen (a.a.O.). Dabei grenzen diese beiden Lackschichten, die erste Lackschicht 14 und die zweite, äußerste Lackschicht 15 direkt aneinander (Merkmal
1.3.1.2.0.Hi2). Die besondere Formgestaltung dieser einzigen Grenzfläche (eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur, bspw. im Querschnitt wellenartig; vgl. Abs. [0009] der SPS) soll hergestellt werden durch die Formfläche der ersten Oberform gemäß der mit den vorstehend genannten Merkmalen der Merkmalsgruppe
3. des Hilfsantrags 2 beim Durchführen des ersten Lackierschrittes. Denn mit Merkmal
3.2.1.Hi1,2 wird gefordert, dass die erste Lackschicht mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur aufgebracht wird, die in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Lackschicht (die durch die Formfläche der im Wesentlichen glatten Oberflächenstruktur der zweiten Oberform gebildet wird gemäß Merkmal
4.2.1.Hi1,2) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Oberflächenstruktur aufweist. Weitere Verfahrensschritte sind auch weiterhin nicht ausgeschlossen (so wie ein Bereitstellen eines Rohlings mit Merkmalsgruppe
2. als Verfahrensschritt genannt ist, werden auch weitere nicht genannte bzw. beanspruchte Verfahrensschritte vom Fachmann weiterhin mitgelesen, wie z. Bsp. ein Entfernen des – u.U. nach dem Aufbringen der beiden Lackschichten des möglicherweise noch unfertigen – Dekorteils aus der Unterform). Ausgeschlossen sind jedoch solche Verfahrensschritte, die die Formgebung der einzigen Grenzfläche bestimmen, wie beispielsweise derjenige, der in Abs. [0009] der SPS beschrieben ist (aufgesetzte Elementen, wie Symbole auf die erste Lackschicht zur Erzeugung einer dreidimensionalen Struktur: diese werden im Übrigen relevant bei den Gegenständen nach Hilfsantrag 3, vgl. nachfolgende Ausführungen unter Ziffer III.2.).

177

1.2. Zur Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2

178

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil er sich in naheliegender Weise aus dem Gegenstand der Druckschrift
NI3 i.V.m dem Wissen des Fachmanns ergibt.

179

Wie bereits bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ausgeführt, sind sämtliche dort beanspruchten Merkmale als bekannt aus der Druckschrift
NI3 nachgewiesen; mithin gilt das beanspruchte Verfahren des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag als nicht neu; auf die entsprechenden Ausführungen unter Ziffer II.2 wird vollumfänglich verwiesen.

180

Die abgeänderten oder hinzugenommenen Merkmale verändern und beschränken das streitpatentgemäße Verfahren, wie vorstehend dargelegt, dahingehend, dass die die im Sinne des Streitpatents zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweisende, einzige Grenzfläche ihre Struktur durch die dazu komplementäre Struktur der ersten Oberform erhält.

181

Verfahren für sich, mit denen eine irgendwie geartete konturierte Struktur als Positivstruktur eines Dekorteils erzeugt werden soll, mittels einer dazu komplementären Struktur (einer Negativstruktur) einer Formwerkzeuginnenfläche einer Spritzgießmaschine, sind jedoch dem eingangs genannten zuständigen Fachmann geläufig, der bedarfsweise einen auf dem Gebiet der Herstellungsverfahren von Verbundbauteilen erfahrenen Fertigungstechnik-Ingenieur zu Rate ziehen wird. Beispielhaft sei hierzu lediglich auf die Druckschrift
NI5 hingewiesen, die ein solches Verfahren insbesondere auch für den Automobilbereich (vgl. Abs. [0008] und [0018] i.V.m. Fig. 1 und 2) beschreibt.

182

Der zuständige Fachmann, der bei der Weiterentwicklung bekannter Verfahren regelmäßig Vereinfachungen und Kosteneinsparungen zu beachten hat, erfasste schon mit einem einzigen Blick auf die Verfahrensschritte F2 oder F7 (das Aufbringen einer zusätzlichen, eine Kante erzeugenden Farbschicht 70 oder das „engraving“, vgl. Abs. [0037] i.V.m. Fig. 6 und 7), dass diese zeitaufwändig und insoweit bei in Massen herzustellenden Dekorteilen, wie im Fahrzeugbau üblich, kostenaufwändig sind. Für den fachüblich eine wirtschaftliche Fertigung anstrebenden Fachmann ist es offensichtlich, dass unter Verwendung des ihm geläufigen Spritzgießverfahrens, bei dem zumindest teilweise dreidimensional strukturierte Werkzeuginnenflächen zur Anwendung kommen, solche Verfahrensschritte auch entfallen können, bei identischem ästhetischen Ergebnis des herzustellenden Erzeugnisses.

183

Somit ist diese Abwandlung des aus der Druckschrift
NI3 bekannten Verfahrens dem Fachmann allein durch sein Fachwissen nahegelegt.

184

Ausführungen zum nebengeordneten Patentanspruch 3 erübrigen sich, da die Beklagte den Anspruchssatz als Ganzes verteidigt.

185

2. Hilfsantrag 3

186

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist nicht neu, er ist mithin nicht patentfähig.

187

2.1 Zur Auslegung des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3

188

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 umfasst alle Merkmale des Gegenstandes nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und wird zudem durch das folgende Merkmal beschränkt:

189

5.
Hi3 dass zwischen der Durchführung des ersten Lackierschritts und der Durchführung des zweiten Lackierschritts Elemente, insbesondere Symbole, auf die erste Lackschicht aufgesetzt werden.

190

Mit Aufnahme dieses als Verfahrensmerkmal formulierten Merkmals
5.Hi3, das aus der Erzeugnisbeschreibung in Abs. [0009] der SPS abgeleitet ist, ist ein weiterer Verfahrensschritt explizit benannt, der ein Aufsetzen von Elementen, insbesondere Symbolen, auf die erste Lackschicht vorsieht. Mag sinngemäß nach Auffassung der Beklagten der Fachmann unter „Aufsetzen“ zur Ausdeutung des Sinngehalts ein Anordnen eines körperlich festen – also kein auch nur während der Verarbeitung flüssigen oder gasförmigen – Elements auf der ersten Lackschicht in einem Verfahrensanspruch üblicherweise verstehen, so wird diese Ansicht der ursprünglichen Offenbarung nicht gerecht. Denn in besagtem Abs. [0009] der SPS ist lediglich beschrieben, dass bei einem fertiggestellten Dekorteil die zumindest eine Grenzfläche eine dreidimensionale Struktur (nur abschnittsweise oder partiell) ausbilden kann durch auf die jeweils inneren Lackschichten aufgesetzte Elemente. Dies gibt aber keinen Hinweis in welchem Aggregatzustand die aufgesetzten, körperlich festen Elemente tatsächlich aufgetragen werden. Der Fachmann erkennt unzweifelhaft, dass diese Elemente sowohl direkt in fester Form aufgesetzt werden können als auch in flüssiger Form aufgetragen werden können mit anschließendem Aushärten. Allein dem Erzeugnis ohne weiteren Angaben lässt sich jedoch eine Erkenntnis, mit welchen der beiden genannten Herstellungsverfahren es hergestellt ist, nicht entnehmen. Insoweit muss bei dem in Rede stehenden Verfahrensmerkmal jedes denkbare Aufbringen von Elementen verstanden werden, die entweder von vorneherein fest sind oder später aushärten. Die Elemente können jede beliebige Form annehmen, da sich das Streitpatent dazu nicht verhält. So sind sowohl sehr dünne wie auch dickere Elemente, wie beispielsweise solche die als Symbol(e) zu verstehenden, üblichen dreidimensional strukturierten Automarkenlogos in Fahrzeuginnenräumen, sämtlich mitumfasst. Insoweit kann diesem Verfahrensmerkmal
5.Hi3 nach Überzeugung des Senates lediglich der Sinngehalt unterstellt werden, dass auf die erste Lackschicht harte oder aushärtbare Elemente beliebiger Art und Größe angeordnet werden sollen.

191

2.2. Zur Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3

192

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist nicht neu gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift
NI3, er ist mithin nicht patentfähig.

193

Wie bereits bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ausgeführt, sind sämtliche dort beanspruchten Merkmale als bekannt aus der Druckschrift
NI3 nachgewiesen; mithin gilt das beanspruchte Verfahren des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag als nicht neu; auf die entsprechenden Ausführungen unter Ziffer II.2 wird vollumfänglich verwiesen.

194

Der Fachmann erkennt bei dem in der Fig. 6 dargestellten Verfahren (vgl. Abs. [0037]), ein Auftragen beispielsweise eines aus mehreren Elementen bestehenden Firmenlogos 70 (vgl. Abs. [0004]), das ein Symbol gemäß vorstehender Auslegung darstellt, auf die erste Lackschicht 60 mittels Siebdruckverfahren, wobei das Logo 70, mit erneutem Blick auf die vorstehend eingeblendete Fig. 10 (vgl. Abb. 4), eine feste dreidimensionale Struktur aufweist, auf die die weitere Lackschicht 90 aufgetragen werden kann. Insoweit gilt auch die Forderung des Merkmals
5.Hi3 als erfüllt.

195

Mithin ist die Gesamtheit der im geltenden Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 aufgeführten Merkmale entsprechend dem beizumessenden Sinngehalt bereits bei dem in der Druckschrift
NI3 beschriebenen Verfahren verwirklicht.

IV.

196

Einer Beurteilung der weiteren Ansprüche sämtlicher Anspruchsätze bedurfte es nicht, zumal die Beklagte mit der Stellung der Anträge zu erkennen gegeben hat, diese nicht selbstständig verteidigen zu wollen. Auch im Übrigen hat die Beklagte nicht geltend gemacht – noch ist ersichtlich –, dass die Ausgestaltungen nach den jeweiligen Unteransprüchen zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen könnten (BGH GRUR 2012, 149 – Sensoranordnung; BGH GRUR 2007, 862 – Informationsübermittlungsverfahren II).

197

Nach alledem ist die Klage begründet.

V.

198

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO.

199

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.