BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 20.07.2020, AZ 29 W (pat) 532/20, ECLI:DE:BPatG:2020:200720B29Wpat532.20.0
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, § 39 Abs 1 MarkenG, § 71 Abs 3 MarkenG
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2019 012 629.3
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 20. Juli 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie die Richterinnen Akintche und Seyfarth
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. November 2019 aufgehoben.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
1
Der in Rot gestaltete Buchstabe
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ist am 21. Mai 2019 zur Eintragung als Wort-/Bildmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren der
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Klasse 18: Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Aktenmappen, Aktentaschen, Allzwecktaschen, Arbeitstaschen, Bauch- und Hüfttaschen, Campingtaschen, Dokumentenkoffer, Gepäckbehältnisse für die Reise, Kosmetikbeutel, Reisenecessaires, Riemen für die Handtaschen, Satteltaschen, Schminktäschchen, Schultertaschen, Strandtaschen, Taschen, Badetaschen, Einkaufstaschen, Kosmetikkoffer, Schulranzen; Reise- und Handkoffer; Handtaschen; Reisetaschen; Rucksäcke; Sport- und Freizeittaschen; Regenschirme; Sonnenschirme; Geldbörsen, soweit in Klasse 18 enthalten; Brieftaschen; Schlüsseltaschen; Schultaschen; Brustbeutel; Gürteltaschen;
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Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen,
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angemeldet worden.
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Mit amtlichem Bescheid vom 30. Juli 2019 hat die Markenstelle für Klasse 25 die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG beanstandet, weil dem Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft fehle und zudem ein Freihaltebedürfnis bestehe. Der Einzelbuchstabe „e“ sei die Abkürzung für „elektrisch“ bzw. „elektronisch“. Es sei trendig, dass Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren, Taschen, Geldbeutel, Rucksäcke bestimmte elektrische oder elektronische Funktionen und Bestandteile beinhalteten, z. B. beheizbare Teile, blinkende bzw. leuchtende Funktionen, Massagefunktionen, elektronisch selbstschnürende Schuhe. Ferner handle es sich bei dem Buchstaben „E“ um eine Größenangabe bei Schuhen, nämlich hinsichtlich der Weite der Füße. Dies sei den Verbrauchern bekannt. Das Anmeldezeichen beschreibe daher wesentliche Eigenschaften der Waren. Auch die grafische Gestaltung des Buchstabens „e“ könne die Schutzfähigkeit nicht begründen, da sie absolut im Rahmen der werbeüblichen Gestaltungsformen liege.
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Mit Schriftsatz vom 28. August 2019 hat die Anmelderin erklärt, dass sie das Produktverzeichnis der Markenanmeldung auf Waren ohne elektrische oder elektronische Bestandteile wie folgt einschränke:
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Klasse 18: Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Aktenmappen, Aktentaschen, Allzwecktaschen, Arbeitstaschen, Bauch- und Hüfttaschen, Campingtaschen, Dokumentenkoffer, Gepäckbehältnisse für die Reise, Kosmetikbeutel, Reisenecessaires, Riemen für die Handtaschen, Satteltaschen, Schminktäschchen, Schultertaschen, Strandtaschen, Taschen, Badetaschen, Einkaufstaschen, Kosmetikkoffer, Schulranzen; Reise- und Handkoffer; Handtaschen; Reisetaschen; Rucksäcke; Sport- und Freizeittaschen; Regenschirme; Sonnenschirme; Geldbörsen, soweit in Klasse 18 enthalten; Brieftaschen; Schlüsseltaschen; Schultaschen; Brustbeutel; Gürteltaschen;
alle vorgenannten Waren ohne elektrische oder elektronische Bestandteile;
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Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen;
alle vorgenannten Waren ohne elektrische oder elektronische Bestandteile.
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Ferner hat sie dargelegt, dass Eintragungshindernisse nicht bestünden. Insbesondere handele sich nicht bzw. jedenfalls nach Einschränkung nicht mehr um eine Angabe, mit der sich diese Waren oder ihre Merkmale beschreiben ließen.
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Mit Beschluss vom 19. November 2019 hat die Markenstelle für Klasse 25
auf Grundlage des eingeschränkten Verzeichnisses die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Im Hinblick auf die beanspruchten Waren der Klassen 18 und 25 habe der Buchstabe „e“ unmittelbar beschreibenden Charakter, denn er weise lediglich werbetypisch darauf hin, dass es sich bei den so gekennzeichneten Waren um solche handele, die einen „elektrischen oder elektronischen Bestandteil“ bzw. die Schuhweite „E“ aufwiesen. Die angemeldete Wort-/Bildkombination sei daher beschreibend für wesentliche Eigenschaften der Waren. Darüber hinaus hat die Markenstelle die Zurückweisung auch auf eine „ersichtliche Täuschungsgefahr“ gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG gestützt. Weil der Buchstabe „e“ die Abkürzung für „elektronisch, elektrisch“ sei, würden die Verkehrskreise getäuscht, wenn im Verzeichnis der Waren diese Eigenschaft für sämtliche Produkte ausgenommen werde.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,
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1. den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. November 2019 aufzuheben,
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2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
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Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass Schutzhindernisse einer Eintragung des Anmeldezeichens nicht entgegenstünden. Für Einzelbuchstaben gälten hinsichtlich der Unterscheidungskraft keine Besonderheiten. Es bedürfe vielmehr einer einzelfallabhängigen Prüfung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der angemeldeten Waren, ob Einzelbuchstaben beschreibende Abkürzungen darstellten. Soweit ein sachbezogener Sinngehalt nicht ohne weiteres erkennbar sei, könne einem Einzelbuchstaben die Unterscheidungskraft nur abgesprochen werden, wenn er aus sonstigen branchenbedingten Gründen nicht auf ein bestimmtes Unternehmen hinweisen könne, sondern etwa als Typen-, Serien- oder Modellbezeichnungen verstanden werde. Das setze allerdings voraus, dass entsprechende Buchstaben tatsächlich in der einschlägigen Branche verbreitet als solche Bezeichnungen oder zur Charakterisierung von Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen verwendet würden.
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Bei „e“ handele es sich um einen Buchstaben, der als solcher in der deutschen Sprache keine feste Bedeutung habe und insbesondere – anders als z. B. im Italienischen („und“) – kein lexikalisches Wort darstelle. Zwar sei nicht ausgeschlossen, dass einem „e“ je nach Kontext unter Umständen ein Sinngehalt beigemessen werden könne. In der Musik z. B. erkenne man am Kleinbuchstaben „e“, dass es sich um die Tonart e-Moll handeln solle; der Großbuchstabe „E“ stehe dagegen für E-Dur. Im Jugendfußball bezeichne „E“ eine Altersklasse („E-Jugend“), bei Kraftfahrzeugen könne man bei „E“ an Autos mit elektrischem Antrieb („E-Auto“) denken. Die Prüferin habe darauf hingewiesen, dass der Buchstabe „e“ die Abkürzung für „elektrisch“ oder „elektronisch“ sei und insoweit auf die Online-Enzyklopädie Wikipedia verwiesen. Allerdings seien in dieser Quelle mehr als fünfzig Bedeutungen aufgeführt, die der Buchstabe „e“ – je nach Kontext – aufweisen könne. Aus dem Wikipedia-Artikel ergebe sich zudem nur, dass „E“ im Rahmen von Begriffskombinationen als Abkürzung für „Elektrizität“ oder „Elektronik“ gebraucht werde, wie die dort genannten Beispiele „E-Lok“ und „E-Werk“ zeigten. Im Unterschied hierzu hätten die vorliegend beanspruchten Waren allerdings mit Elektrizität oder Elektronik typischerweise überhaupt nichts zu tun, weshalb schon deshalb ein entsprechendes Verständnis des Verkehrs fernliegend sei. Das gelte umso mehr, als der Buchstabe „e“ in Alleinstellung angemeldet sei und kein Bezugswort aufweise, das ein „elektrizitätsbezogenes“ Verständnis hervorrufen könnte. Letztlich komme es darauf aber gar nicht an. Um entsprechende Diskussionen gar nicht erst führen zu müssen, habe die Anmelderin das Produktverzeichnis auf Waren „ohne elektrische oder elektronische Bestandteile“ beschränkt. Damit könnten die beanspruchten Waren keine elektrischen oder elektronischen Bauteile aufweisen. Die Markenstelle scheine aber wohl der Auffassung gewesen zu sein, dass es hierauf nicht ankäme. Anders sei es nicht zu erklären, warum die Beschränkung des Produktverzeichnisses zwar zur Kenntnis genommen, aber ansonsten im Rahmen der Prüfung der Unterscheidungskraft nicht weiter berücksichtigt worden sei. Wenn aber eine Ware weder elektrische noch elektronische Bestandteile aufweise, könne „e“ auch kein Sachhinweis auf solche Produktbestandteile oder -eigenschaften sein. Dem angemeldeten Zeichen gleichwohl aus diesem Grund die Unterscheidungskraft absprechen zu wollen, entbehre jeder sachlichen und rechtlichen Grundlage.
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Soweit sich die Markenstelle des Weiteren darauf berufen habe, dass „E“ eine Größenangabe bei Schuhen sei, mit der die Schuhweite angegeben werde, sei dies zwar grundsätzlich richtig. Allerdings handele es sich vorliegend um ein Wort-/Bildzeichen, bei dem nicht nur die Farbe und die Schrifttype festgelegt seien, sondern auch die Kleinschreibweise. Das Zeichen laute nicht „E“, sondern „e“. Für die Größen- bzw. Weitenangaben bei Schuhen würden aber konsequent ausschließlich Großbuchstaben verwendet, so dass „e“ weder objektiv ein Hinweis auf die Schuhweite „E“ sein noch subjektiv vom Verkehr als solcher verstanden werden könne. Es bestehe daher keinerlei Sachzusammenhang zwischen dem Zeichen und den Schuhwaren, der Zweifel an der Unterscheidungskraft wecken könnte. Erst recht gelte das für die übrigen Waren.
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Reichlich verquer sei die „Strategie“ der Markenstelle, auf die vorsorglich vorgenommene Beschränkung des Produktverzeichnisses mit dem haltlosen Vorwurf der Täuschungseignung zu reagieren. Von diesem Schutzhindernis könnten nur Waren oder Dienstleistungen erfasst werden, für die das Zeichen eine objektiv und ersichtlich falsche Information enthalte, was vorliegend nicht der Fall sei. Das Zeichen e habe keine konkrete Bedeutung, sei insbesondere kein Synonym für „elektrisch“ oder „elektronisch“. Der Verkehr habe daher keinen Anlass, bei einem mit „e“ gekennzeichneten Schuh, Bekleidungsstück oder Rucksack das Vorhandensein von elektrischen oder elektronischen Bestandteilen zu erwarten. Wer sich tatsächlich frage, wofür der Buchstabe wohl stehen möge, würde jedenfalls bei den Waren der hier betroffenen Warengebiete wohl zu allerletzt ausgerechnet Assoziationen zu Elektrizität/Elektronik herstellen. Von einer Täuschungseignung könne daher keine Rede sein, und von einer „ersichtlichen“ im Sinne des § 37 Abs. 3 MarkenG schon gar nicht.
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Die Zurückweisung der Markenanmeldung beruhe auf wesentlichen Mängeln im Verfahren vor dem DPMA. Zunächst liege ein schwerer Begründungsmangel vor. Die Beschränkung des Produktverzeichnisses werde in den Ausführungen der Markenstelle zur Frage der Unterscheidungskraft mit keiner Silbe erwähnt, obwohl sie zur Kenntnis genommen und sogar zum Gegenstand eines weiteren Zurückweisungsgrundes gemacht worden sei. Die Markenstelle habe insoweit einfach ihren vorgängigen Beanstandungsbescheid inhaltlich übernommen, ohne auf den geänderten Sachverhalt einzugehen. Stattdessen habe die Markenstelle einen neuen Zurückweisungsgrund aufgenommen, nämlich den der Täuschungseignung des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG. Insoweit sei der Anmelderin das rechtliche Gehör versagt worden. Die angefochtene Entscheidung beruhe auf diesen Verfahrensmängeln, so dass es gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG gerechtfertigt sei, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
21
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
22
Der Eintragung des Anmeldezeichens stehen Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG nicht entgegen. Insbesondere fehlt dem angemeldeten Einzelbuchstaben „e“ in Rot weder die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch handelt es sich um eine unmittelbar beschreibende, freihaltebedürftige Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
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1. Die von der Anmelderin im Amtsverfahren nach § 39 Abs. 1 Halbsatz. 2 MarkenG erklärte Einschränkung ihres Warenverzeichnisses in beiden Klassen durch Aufnahme eines Ausnahmevermerks ist nicht rechtswirksam. Denn nach ständiger Rechtsprechung ist es unzulässig, eine Anmeldung in der Art und Weise einzuschränken, dass die Waren oder Dienstleistungen ein bestimmtes Merkmal nicht aufweisen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 114 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 813 Rn. 9 – Willkommen im Leben). Von einer derartigen unzulässigen Einschränkung ist aufgrund der hier in Rede stehenden Beschränkung des Warenverzeichnisses auszugehen, weil durch die Erklärung „alle vorgenannten Waren ohne elektrische oder elektronische Bestandteile“ mögliche Merkmale der Waren ausgenommen werden. Der Schutzfähigkeitsprüfung ist mithin das ursprüngliche Warenverzeichnis zugrundezulegen.
24
2. Dem Anmeldezeichen kann gleichwohl für die (ursprünglich) beanspruchten Waren die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
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Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rn. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas? II; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
26
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
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Wortzeichen besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2016, 934 Rn. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 16 – DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 – Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 – TOOOR!).
28
Diese Grundsätze gelten auch für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Einzelbuchstaben (EuGH GRUR 2010, 1096 Rn. 39, 46, 47 – griechischer Buchstabe „a“; BGH GRUR 2003, 343, 344 – Buchstabe „Z“; GRUR 2001, 161, 162 – Buchstabe „K“). Letztlich ist eine auf das jeweilige Anmeldezeichen bezogene Einzelfallbeurteilung geboten, wobei stets auf die Besonderheiten des Bereichs der angemeldeten Waren abzustellen ist (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 228 m. w. N.). Eine Verneinung der Unterscheidungskraft setzt auch bei Wortmarken in der Form von Einzelbuchstaben tatsächliche Feststellungen voraus, aus denen entnommen werden kann, dass der Verkehr den Buchstaben für bestimmte Waren nicht als Herkunftskennzeichnung versteht. Dies kann daran liegen, dass der konkrete Einzelbuchstabe eine sachbezogene Abkürzung darstellt und als solche zur Beschreibung der beanspruchten Waren dienen kann (BGH GRUR 2001, 161 Rdnr. 17 – Buchstabe „K“; nachfolgend BPatG GRUR 2003, 345, 346 – Buchstabe „K“; BPatG Beschluss vom 12.05.2003, 30 W (pat) 97/02 – Buchstabe „I“; Beschluss vom 12.05.2003, 30 W (pat) 96/02 – Buchstabe „J“; Beschluss vom 23.10.2002, 32 W (pat) 304/01 – Buchstabe „M“).
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3. Nach diesen Grundsätzen kann nicht festgestellt werden, dass einer Eintragung des angemeldeten Zeichens
für die beanspruchten Waren das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegensteht.
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a) Die hier in Rede stehenden Waren aus den Klassen 18 und 25 richten sich an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher.
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b) Dem Einzelbuchstaben „e“ können unterschiedlichste Bedeutungen zukommen. Im Italienischen ist „e“ ein Bindewort und wird mit „und, sowie“ übersetzt (vgl. PONS Wörterbuch Italienisch-Deutsch). Im Deutschen hat der Buchstabe keine Wortbedeutung. Als Abkürzung ist er dagegen lexikalisch für diverse Begriffe belegt. In „Sokoll Handbuch der Abkürzungen, 1994“, einem umfangreichen Abkürzungshandbuch für alle Bibliotheken, Institute, Industriebetriebe und Verwaltungen wird „e“ neben zahlreichen weiteren als Abkürzung für „easily“, „east“, „educated“, „economics“, „einfachwirkend“, „ehrenamtlich“, eigenhändig“, „engine“, „electric(ity)“, „Emitteranschluss“, „electromotive“, „effektiv“ genannt. In verschiedenen Online-Verzeichnissen (z. B. abkuerzungen.woxikon.de; www.abkuerzungen.de) findet sich „e“ mit den Bedeutungen „Elementarladung“, „Elektron“ oder steht für die Eulersche Zahl und als Hinweis auf „Europa-konform“ bei der Kennzeichnung für Fertigpackungen.
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Dem gegenüber ist „e“
keine Weitenangabe bei Schuhen, sondern nur der
Großbuchstabe „E“ (s. hierzu Größen- und Weitentabellen im Internet).
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c) Dass „e“ als beschreibender Hinweis auf elektronische oder elektrische Bestandteile der Waren bzw. für Schuhe als Weitenangabe aufgefasst wird, lässt sich nicht feststellen und ist im Übrigen von der Markenstelle auch nicht belegt worden.
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Eine Abkürzung ist nur dann nicht schutzfähig, wenn sie im Verkehr als solche gebräuchlich oder aus sich heraus verständlich ist sowie von den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres der betreffenden Beschaffenheitsangabe gleichgesetzt und insoweit verstanden werden kann (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 224 ff.); hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Eine schwerpunktmäßige oder einheitliche Verwendung des Buchstabens „e“ in dem hier relevanten Produktbereich für eine bestimmte (Sach)Aussage lässt sich nicht feststellen. Zu berücksichtigen ist insofern auch, dass – worauf die Beschwerdeführerin zutreffend hinweist – das angemeldete Wort-/Bildzeichen
auf die Kleinschreibung des Buchstabens „e“ festgelegt ist.
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aa) Nur der Großbuchstabe „E“ stellt eine Weitenangabe dar. Im Rahmen einer Internetrecherche konnte zudem nicht ermitteln, dass im Geschäftsverkehr auch kleine Buchstaben anstatt der hierfür lexikalisch erfassten Großbuchstaben als Hinweis auf die Breite von Schuhen verwendet und deshalb den Beschaffenheitsangaben gleichgesetzt würden. Das beschwerdegegenständliche Anmeldezeichen vermag Eigenschaften der beanspruchten „Schuhwaren“ unter diesem Aspekt daher nicht zu beschreiben.
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bb) Ferner spricht nichts dafür, dass der angesprochene Verbraucher das Anmeldezeichen im vorliegenden Produktbereich als Sachhinweis auf elektronische oder elektrische Bestandteile auffassen wird. Zutreffend hat die Markenstelle zwar darauf hingewiesen, dass der Digitalisierungstrend auch die Textil- und Modebranche erfasst hat. Dabei werden beispielweise Kleidungsstücke und Accessoires mit elektronischen oder elektrischen Funktionen/Bestandteilen ausgestattet. Diese Produkte werden als „Smart Textiles“, „Textilien 4.0“, „Wearables“ oder auch „E-Textilien“ bezeichnet. Wenngleich in diesem Kontext der Buchstabe „E“ in verschiedenen Wortbildungen vielfach auch in Kleinschreibung Verwendung findet – wie z. B. „e-textiles“, „e-Kleidung“ – und insoweit für „elektrisch“ oder „elektronisch“ steht, so gilt dies nicht für „e“ in Alleinstellung. Eine Konkretisierung auf die vorgenannten Bedeutungen kann ohne Bezugswort bzw. weitere erläuternde Wörter nicht festgestellt werden.
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Nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichsten Bedeutungen von „e“ in Alleinstellung ist nicht ernsthaft von einem im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt oder einer feststehenden beschreibenden Abkürzung auszugehen.
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Dem Anmeldezeichen kann nach alledem die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.
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4. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der in Rede stehenden Waren kann für das angemeldete Zeichen auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht bejaht werden.
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5. Da die Einschränkung des Warenverzeichnisses durch Aufnahme des Ausnahmevermerks unzulässig und daher der Prüfung nicht zugrunde zu legen ist, kommt schon deshalb ein Schutzhindernis nach §§ 8 Abs. 2 Nr. 4, 37 Abs. 3 MarkenG nicht in Betracht. Auf die Frage, ob bei Berücksichtigung der Beschränkung des Warenverzeichnisses überhaupt eine ersichtliche Täuschungsgefahr vorliegen würde – was ohnehin sehr zweifelhaft erscheint – kommt es daher nicht an.
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Die Beschwerde hat nach alledem Erfolg.
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6. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen war gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen. Denn das Verfahren vor dem DPMA leidet an erheblichen Verfahrensfehlern.
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So hat die Markenstelle einerseits das durch die Anmelderin eingeschränkte Verzeichnis – offensichtlich ohne Prüfung der Zulässigkeit des Ausnahmevermerks – ihrer Zurückweisungsentscheidung zugrunde gelegt, die fehlende Unterscheidungskraft trotzdem unter anderem darauf gestützt, dass die eigentlich durch die Beschränkung ausgenommenen Merkmale durch die angemeldete Bezeichnung beschrieben würden. Andererseits hat sie – zumal unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, § 59 Abs. 2 MarkenG – die Zurückweisung auf ein neues Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG gestützt. Einschränkungen des Verzeichnisses, die gegenüber der bisherigen Fassung ein neues absolutes Schutzhindernis begründen, dürfen aber schon deshalb nicht zugelassen werden. Als verfahrensrechtliche Konsequenz nachträglich eintretender Schutzhindernisse aufgrund von Änderungen des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses kommt daher nur eine Zurückweisung der unzulässigen Änderung des Warenverzeichnisses, nicht jedoch eine auf das neu eingetretene Schutzhindernis bezogene Schutzversagung in Betracht (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 422 und 424).
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Die in mehrfacher Hinsicht fehlerhafte und zudem widersprüchliche Sachbehandlung rechtfertigt vorliegend die Rückzahlung der Beschwerdegebühr (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 51; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 71 Rn. 41).