BFH 4. Senat, Beschluss vom 23.06.2020, AZ IV S 3/19 (PKH), ECLI:DE:BFH:2020:B.230620.IVS3.19.0
§ 62 Abs 4 FGO, § 142 Abs 1 FGO, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 121 Abs 1 ZPO, § 121 Abs 5 ZPO
Leitsatz
NV: Die Bewilligung von PKH für ein Verfahren mit Vertretungszwang setzt voraus, dass sich der Antragsteller jedenfalls nach gerichtlicher Aufforderung vor Entscheidung über den PKH-Antrag so erklärt, dass ihm für den Fall der Bewilligung von PKH ein Prozessvertreter nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 oder Abs. 5 ZPO beigeordnet werden kann.
Verfahrensgang
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 1. Oktober 2019, Az: 8 K 8178/19, Urteil
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Entscheidung ergeht gerichtgebührenfrei.
Tatbestand
I.
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Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) beantragte am 15.08.2019 beim Beklagten (Hauptzollamt –HZA–) die quartalsweise Zahlung der Kraftfahrzeugsteuer zu … . Das HZA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 23.08.2019 ab.
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Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Telefax vom 29.08.2019 Einspruch ein. Der Antragsteller übersandte dieses mit „Widerspruch Rechtsmittel Klage“ überschriebene Telefax sowie den genannten Ablehnungsbescheid am 29.08.2019 auch per Telefax an das Finanzgericht (FG). Auf dem Ablehnungsbescheid war handschriftlich „Klage unter PKH vorab“ vermerkt. Daraufhin erfasste das FG sowohl ein Klageverfahren als auch ein hierauf gerichtetes Prozesskostenhilfeverfahren. Das FG wies die Klage mit Prozessurteil vom 01.10.2019 – 8 K 8178/19 mangels eines abgeschlossenen Vorverfahrens als unzulässig ab. Ebenso wies es mit Beschluss vom gleichen Tag den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) mangels Erfolgsaussichten des Klageverfahrens ab.
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Am 10.10.2019 ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Schreiben des FG vom 07.10.2019 ein, in dem es heißt, dass „die hier eingegangene Nichtzulassungsbeschwerde zuständigkeitshalber übersandt“ werde. Diesem FG-Schreiben waren verschiedene Schreiben des Antragstellers beigefügt. Der BFH forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 14.10.2019 auf, die auf dem amtlichen Formular abzugebende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist einzureichen. Diese Erklärung ging am 16.10.2019 beim BFH ein
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Mit weiterem Schreiben des BFH vom 16.04.2020 wurde der Antragsteller aufgefordert, bis zum 19.05.2020 eine auf amtlichem Formular aktualisierte und leserliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen sowie einen von ihm frei zu wählenden vertretungsbereiten Prozessvertreter zu benennen. Die aktualisierte Erklärung hat der Antragsteller am 22.04.2020 per Telefax eingereicht. Zugleich führt der Antragsteller in diesem Telefax aus, dass das Gericht einen Anwalt bestimmen müsse, „da auf PKH kein Steueranwalt mehr“ arbeite und ihm auch kein Anwalt bekannt sei.
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Zur Begründung seines PKH-Antrags trägt der Antragsteller u.a. sinngemäß vor, dass er vor dem FG keine Klage erhoben, sondern (nur) einen PKH-Antrag gestellt habe.
Entscheidungsgründe
II.
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Der Antrag auf Gewährung von PKH hat keinen Erfolg.
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1. Der beschließende Senat wertet das Vorbringen des Antragstellers als einen Antrag auf Bewilligung von PKH für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde. Dies gebietet der Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung, weil eine Auslegung der genannten Schreiben als Nichtzulassungsbeschwerde zur Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels und zur Kostenpflicht des Antragstellers führen würde (BFH-Beschluss vom 25.07.2012 – X S 14/12 (PKH), Rz 2).
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2. Der solchermaßen ausgelegte Antrag ist zulässig. Insbesondere konnte er durch den nicht postulationsfähigen Antragsteller selbst ohne Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten wirksam gestellt werden, weil der in § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angeordnete Vertretungszwang nicht für PKH-Anträge gilt (z.B. BFH-Beschluss vom 25.07.2012 – X S 14/12 (PKH), Rz 3).
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3. Der PKH-Antrag ist allerdings unbegründet.
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Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für dessen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (BFH-Beschluss vom 17.03.2008 – II S 24/07 (PKH), BFH/NV 2008, 1176, unter II.1.).
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a) Der Antragsteller hat keine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigte Person oder Gesellschaft i.S. von § 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO erhoben. Einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, innerhalb der Rechtsmittelfrist wirksam zu erheben, kann jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO gewährt werden, wenn er innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schafft, also einen entsprechenden Antrag stellt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim Rechtsmittelgericht einreicht und zumindest in laienhafter Weise Anhaltspunkte für einen Zulassungsgrund darlegt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 15.04.2014 – V S 5/14 (PKH), Rz 6; vom 24.11.2009 – II S 21/09 (PKH), BFH/NV 2010, 455, unter 2.). Nach Auffassung des beschließenden Senats setzt die Bewilligung von PKH für Verfahren mit Vertretungszwang –wie hier gemäß § 62 Abs. 4 FGO für das Beschwerdeverfahren vor dem BFH– zudem voraus, dass sich der Antragsteller jedenfalls nach gerichtlicher Aufforderung vor Entscheidung über den PKH-Antrag so erklärt, dass ihm für den Fall der Bewilligung von PKH ein Prozessvertreter beigeordnet werden kann. Dies ergibt sich aus § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 ZPO, wonach für Verfahren mit Vertretungszwang dem Antragsteller ein vertretungsbereiter Prozessvertreter nach seiner freien Wahl beizuordnen ist (§ 121 Abs. 1 ZPO) oder der Vorsitzende, sollte der Antragsteller keine derartige Person finden, auf Antrag eine Beiordnung vornimmt (§ 121 Abs. 5 ZPO). Die Beiordnung eines Prozessvertreters erfolgt daher nicht voraussetzungslos, sondern erfordert u.a. die Mitwirkung des Antragstellers. Scheidet eine Beiordnung mangels Mitwirkung des Antragstellers aus, bestehen für die Rechtsverfolgung schon deshalb keine hinreichenden Erfolgsaussichten, weil –unabhängig von einem möglichen Erfolg in der Sache– dem Vertretungszwang nicht entsprochen werden kann.
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b) So verhält es sich im Streitfall. Dem Antragsteller ist weder nach § 121 Abs. 1 ZPO noch nach § 121 Abs. 5 ZPO ein Prozessvertreter beizuordnen. Der Senat muss daher nicht entscheiden, ob die Gewährung von PKH in Verfahren mit Vertretungszwang sogar voraussetzt, dass der Antragsteller dem Gericht innerhalb der Rechtsmittelfrist einen vertretungsbereiten Prozessvertreter benennt (so Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.03.2001 – 12 B 1962/00; anderer Ansicht Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.02.2002 – 7 S 887/01) oder den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts stellt (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 26.10.1998 – VII S 23/98, BFH/NV 1999, 629).
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aa) § 142 Abs. 1 und Abs. 2 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO schreibt zwingend vor, dass dem Antragsteller bei Bewilligung von PKH für Verfahren mit Vertretungszwang ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet werden muss (BFH-Beschluss vom 09.12.2004 – VII S 29/03 (PKH), BFH/NV 2005, 380). Diese Beiordnung bedarf keines besonderen Antrags. Findet der Antragsteller keinen vertretungsbereiten Prozessvertreter, muss er eine Notvertretung beantragen (§ 121 Abs. 5 ZPO). Dies setzt voraus, dass der Antragsteller dem BFH substantiiert darlegt und glaubhaft macht, dass er zumindest eine gewisse Zahl zur Vertretung befugter Personen vergeblich um die Übernahme des Mandats gebeten hat (z.B. BFH-Beschluss vom 05.09.2007 – X S 10/07 (PKH), Rz 19).
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bb) Im Streitfall scheidet eine Beiordnung nach § 121 Abs. 1 ZPO schon wegen fehlender Mitwirkung des Antragstellers aus. Er hat dem Senat bei Einreichung seines PKH-Antrags keinen vertretungsbereiten Prozessvertreter mitgeteilt. Ebenso ist er der Aufforderung des Gerichts mit Schreiben vom 16.04.2020 nicht nachgekommen, bis zum 19.05.2020 eine derartige Person seiner Wahl zu benennen.
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cc) Eine Beiordnung nach § 121 Abs. 5 ZPO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Antragsteller hat zwar in dem Telefax vom 22.04.2020 sinngemäß die Beiordnung eines Notanwalts beantragt. Er hat dem Senat aber schon nicht substantiiert darlegt, dass er zumindest eine gewisse Zahl zur Vertretung befugter Personen vergeblich um die Übernahme des Mandats gebeten hat. Vielmehr hat er vorgetragen, dass „auf PKH kein Steueranwalt mehr“ arbeite und ihm auch kein Anwalt bekannt sei. Danach hat er von vornherein keine Anstrengungen unternommen, einen beiordnungsbereiten Prozessvertreter zu finden.
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4. Die Entscheidung ergeht gerichtgebührenfrei.