Beschluss des BVerwG 2. Wehrdienstsenat vom 27.07.2020, AZ 2 WDB 5/20

BVerwG 2. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 27.07.2020, AZ 2 WDB 5/20, ECLI:DE:BVerwG:2020:270720B2WDB5.20.0

Verfahrensgang

vorgehend Truppendienstgericht Nord, 4. Dezember 2019, Az: N 6 GL 3/19, Beschluss

Tenor

Auf die Beschwerde der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird der Beschluss der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 4. Dezember 2019 aufgehoben.

Tatbestand

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Die Beschwerde betrifft vorläufige Anordnungen nach § 126 WDO.

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1. Der … geborene Beschwerdegegner ist Unteroffizier mit Portepee und Berufssoldat. Im September 2018 wurde ihm bis auf Weiteres die Ausübung des Dienstes sowie das Tragen der Uniform untersagt.

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2. Das gegen ihn mit Verfügung vom 3. April 2019 eingeleitete gerichtliche Disziplinarverfahren (Einleitungsverfügung) ist wie folgt begründet:

„1. Am 21. August 2018 haben Sie sich zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt nach 22:00 Uhr in … mit Hauptfeldwebel A, Angehöriger …, und B, Angehöriger …, verabredet, einen nicht näher bestimmbaren gewalttätigen Angriff auf Bewohner des Flüchtlingsheims …, … zu begehen.

Hierzu haben Sie sich gegen 23:00 Uhr auf den Weg zum Flüchtlingsheim … in …, …, gemacht und haben gegenüber dem Zeugen Hauptfeldwebel C, Angehöriger …, auf die Frage, was Sie und Hauptfeldwebel A, Angehöriger …, sowie B, Angehöriger …, vorhaben, gesagt: ‚Wir machen jetzt einen weg.‘

Schließlich haben Sie sich zusammen mit B, Angehöriger …, hinter einem dort befindlichen Glascontainer versteckt und Hauptfeldwebel A, Angehöriger …, aufgefordert ‚Mach mal ein Kamel nach und lock mal einen her.‘

2. An einem nicht näher feststellbaren Tag im Jahr 2017 zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt haben Sie während eines Grillabends in der Nähe der …-Str. in …, …, den Zeugen Hauptfeldwebel C, Angehöriger …, in den Schwitzkasten genommen sowie Ihre Hand zu einer Pistole geformt, und an dessen Kopf gehalten und hierbei ihm gegenüber geäußert: ‚So einen Verräter wie dich würden wir in Sachsen abknallen.‘

Ferner haben Sie in diesem Kontext auch gegenüber dem Zeugen Hauptfeldwebel C, Angehöriger …, die Aussage getätigt: ‚Für so einen Polacken wie dich würde man doch glatt ein Holzkreuz aufstellen und dann würdest Du brennen.‘.

3. Ebenfalls an einem nicht näher feststellbaren Tag im Jahr 2017 nach 21:30 Uhr haben Sie in der Wohnung des Zeugen Hauptfeldwebel C, Angehöriger …, …, …, …, mit einem Teleskopzeigestock eine Deckenlampe zerschlagen und mit einem ‚Fiskas‘ Anglermesser, das Sie aus ihrem Rucksack geholt hatten, mehrfach auf den Schreibtisch eingestochen und im weiteren Verlauf Pfefferspray im Zimmer versprüht.“

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3. Mit der Einleitungsverfügung verbunden ist die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung, ein Uniformtrageverbot sowie die Einbehaltung von einem Drittel der jeweiligen Dienstbezüge (Anordnungsverfügung). Die vorläufige Dienstenthebung und das Uniformtrageverbot seien zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung erforderlich. Der Soldat habe das Ansehen der Bundeswehr sowie die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordere, ernsthaft dadurch beeinträchtigt, dass er sich mit weiteren Bundeswehrangehörigen zu einem gewalttätigen Angriff auf Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft verabredet habe. Die Einbehaltung der Dienstbezüge erfolge wegen der zu erwartenden Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

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4. Nachdem die Einleitungsbehörde es mit einer ergänzenden Begründung abgelehnt hatte, die Anordnungen aufzuheben, gab das Truppendienstgericht dem vom Soldaten gestellten Antrag mit Beschluss vom 4. Dezember 2019 statt. Zwar seien die Verfahrensmängel der Anordnungsverfügung geheilt; die Anordnungsvoraussetzungen lägen jedoch nicht vor.

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Es bestehe kein hinreichender Tatverdacht bezüglich des ersten Tatvorwurfs. Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Der Tatvorwurf einer ernsthaften Verabredung zu einem tätlichen Angriff werde weder durch ausreichende Zeugenaussagen noch durch die Audiodatei gestützt. Auch die Aussage des Hauptfeldwebels C trage ihn nicht, zumal dieser nicht den Soldaten, sondern den Zivilbeschäftigten B hinsichtlich der Aufforderung zum Anlocken der Asylbewerber belastet habe.

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Bezüglich der Äußerung „Wir gehen jetzt einen weg machen.“ bestehe zwar ein Anfangsverdacht, aber keine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Selbst wenn sie als wahr unterstellt würde, verstoße sie nicht gegen die politische Treuepflicht. Die Wortwahl sei mehrdeutig und der Bund habe ausschließlich die für den Soldaten nachteilige Interpretation zugrunde gelegt. Nicht hinreichend geklärt sei auch, ob eine solche Äußerung des Soldaten tatsächlich Ausdruck seiner Gesinnung sei. Es bestünden auch Anhaltspunkte dafür, dass er nur einen Streich habe machen wollen.

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Bei den sonstigen Vorwürfen habe der Soldat zwar eingeräumt, auf den Schreibtisch eingestochen und Pfefferspray eingesetzt zu haben; die damit verwirkten Verstöße gegen die Kameradschafts- sowie Wohlverhaltenspflicht seien jedoch nicht von solchem Gewicht, dass eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder eine Dienstgradherabsetzung in Betracht käme. Die Ereignisse stellten sich als privates Saufgelage unter alkoholbedingt enthemmten Kameraden dar.

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Den Entscheidungen und Erläuterungen der Bundesbehörden seien zudem keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass mit einem Verbleiben des Soldaten im Dienst der Dienstbetrieb empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet wäre. Sie seien zudem in erster Linie auf eine Verletzung der politischen Treuepflicht gestützt, für die aber nichts spreche.

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5. Mit ihrer gegen den Beschluss fristgerecht erhobenen Beschwerde trägt die Wehrdisziplinaranwaltschaft im Wesentlichen vor:

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Der Sachverhalt zu Punkt 1 werde durch die Aussage des Hauptfeldwebels C sowie durch die Audioaufnahme im Wesentlichen bestätigt. Zwar habe das Truppendienstgericht zutreffend festgestellt, dass die Aufforderung an den Hauptfeldwebel A nicht eindeutig dem Soldaten zugerechnet werden könne; dieser müsse sich aber die Tatbeiträge der anderen zurechnen lassen. Im Übrigen müsse eine Einleitungsverfügung den Ermittlungsgegenstand nicht bereits mit der Detailgenauigkeit einer Anschuldigungsschrift umschreiben.

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Der hinreichende Tatverdacht ergebe sich vor allem aus der Aussage des Hauptfeldwebels C, die durch die Audioaufnahme untermauert werde. Zwar enthalte die Audioaufnahme keine Erkenntnisse hinsichtlich einer Verabredung; ihr komme jedoch eine erhebliche Indizwirkung zu. Gleiches gelte für die Aussagen der Zeugen Stabsfeldwebel D und Oberstabsfeldwebel E. Da Hauptfeldwebel C und der Soldat zum Tatzeitpunkt befreundet gewesen seien, sei auch kein Belastungsmotiv erkennbar.

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Zwar sei richtig, dass Hauptfeldwebel C nicht direkter Zeuge einer Verabredung zum gewalttätigen Angriff gewesen sei; er habe jedoch die Aussage des Soldaten gehört: „Wir machen jetzt einen weg.“ Die Verwendung des Personalpronomens „wir“ impliziere eine entsprechende gemeinschaftliche Absprache; ebenso die Verwendung des Verbs „wegmachen“ einen gewalttätigen Angriff. Bei der weiteren Würdigung des Tatgeschehens am 21. August 2018 sei auch zu beachten, dass Hauptfeldwebel A wegen „Heil-Hitler“-Rufe vom Amtsgericht Wittenberg (noch nicht rechtskräftig) verurteilt worden sei.

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Durch den Verbleib des Soldaten im Dienst wäre auch eine empfindliche Störung des Dienstbetriebes zu erwarten, und damit die Disziplin und Ordnung der Truppe in besonderem Maße gefährdet. Die einzelnen Tatbeiträge des Soldaten ließen ohne Weiteres eine fremdenfeindliche Gesinnung als Beweggrund erkennen. Das Vertrauen in die Bundeswehr erfordere es, dass sich ihre Angehörigen mit Entschiedenheit aufkeimendem Rechtsextremismus und menschenverachtendem Gedankengut entgegenstellten. Somit sei unerheblich, ob und inwieweit der Soldat mit rechtsradikalen oder fremdenfeindlichen Ressentiments tatsächlich sympathisiere.

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Die unter Punkt 2 und 3 dargelegten Verfehlungen zeigten, dass der Soldat Kameradschaft sowie Beispielhaftigkeit und Zurückhaltung bei Äußerungen nicht nur ausnahmsweise vermissen lasse. Durch die Beschimpfung des Hauptfeldwebels C habe er jenem seinen Geltungswert als Mensch abgesprochen und im Übrigen dessen Eigentum missachtet.

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6. Der Soldat hat im Wesentlichen erwidert, die Wehrdisziplinaranwaltschaft übersehe, dass sämtliche strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn nicht mehr bestünden, weil die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt habe. Davon gehe eine erhebliche Indizwirkung für das disziplinargerichtliche Verfahren aus. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft setze sich auch nicht damit auseinander, dass dem Zeugen C im Hinblick auf seine belastenden Aussagen versprochen worden sei, seine Verfehlungen disziplinarisch nicht zu verfolgen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Beschwerde der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist nach § 114 WDO zulässig, insbesondere statthaft. Sie kann von der Wehrdisziplinaranwaltschaft als Vertreterin der Einleitungsbehörde (§ 81 Abs. 2 Satz 1 WDO analog) eingelegt werden. Der Senat sieht trotz der vom Truppendienstgericht dagegen geäußerten Bedenken keinen Anlass, von seiner Rechtsprechung abzuweichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2019 – 2 WDB 3.19 – juris Rn. 9).

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2. Die Beschwerde ist auch begründet. Dabei ist für die Überprüfung der Entscheidungen nach § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Mai 2019 – 2 WDB 1.19 – juris Rn. 10 und vom 31. März 2020 – 2 WDB 2.20 – juris Rn. 16).

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Nach § 126 Abs. 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Mit der vorläufigen Dienstenthebung kann das Verbot verbunden werden, Uniform zu tragen. Unter den Voraussetzungen des § 126 Abs. 2 WDO kann zusätzlich eine Kürzung der Dienstbezüge angeordnet werden. Alle diese Anordnungen sind formell ordnungsgemäß zu treffen. Sie setzen in materieller Hinsicht eine rechtswirksame Einleitungsverfügung und einen besonderen, sie rechtfertigenden Grund voraus. Zudem muss das behördliche Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt worden sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2.20 – juris Rn. 11).

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3. In dem nach § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO durch eine summarische Sachverhalts- und Rechtswürdigung charakterisierten Verfahren liegen danach die Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 und 2 WDO vor.

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a) Die Anordnungen der vorläufigen Dienstenthebung, des Uniformtrageverbots und der – teilweisen – Einbehaltung der Dienstbezüge sind formell ordnungsgemäß ergangen. Insbesondere sind die Anordnungen im Ergebnis ausreichend begründet worden (§§ 39, 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG). Der Senat folgt insoweit den Ausführungen im Beschluss des Truppendienstgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2020 – 2 WDB 2.20 – juris Rn. 12).

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b) Auch liegt eine rechtswirksame Einleitungsverfügung vor. Ferner ist das Dienstvergehen, welches die vorläufige Dienstenthebung rechtfertigen soll, sachgleich mit dem Verhalten, das den Gegenstand der Einleitungsverfügung bildet.

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c) Der für Anordnungen nach § 126 Abs. 1 und 2 WDO jeweils erforderliche besondere Grund liegt ebenfalls vor.

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aa) Das Erfordernis eines besonderen rechtfertigenden Grundes beruht auf dem Umstand, dass das Gesetz nicht stets bei der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens die in § 126 Abs. 1 WDO vorgesehenen Maßnahmen anordnet, sondern dafür zusätzlich eine behördliche Einzelfallprüfung vorsieht. Des Weiteren folgt im Gegenschluss aus § 126 Abs. 2 WDO, demzufolge eine Einbehaltensanordnung nur bei einer voraussichtlich zu verhängenden Höchstmaßnahme ergehen darf, dass für den Erlass der sonstigen Anordnungen die Höchstmaßnahme nicht zwingend zu erwarten sein muss. Ein besonderer Grund ist bei Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO folglich regelmäßig jedenfalls dann gegeben, wenn eine Dienstgradherabsetzung – als gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4, § 62 WDO zweitschwerste Disziplinarmaßnahme – im Raum steht und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde (BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2019 – 2 WDB 3.19 – juris Rn. 17 m.w.N.).

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bb) Ausgehend davon ist der Soldat in tatsächlicher Hinsicht bei summarischer Prüfung hinreichend verdächtig, die ihm in der Einleitungsverfügung unter Punkt 1 vorgeworfene Tat begangen zu haben.

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aaa) Der Vorwurf der Teilnahme an der Verabredung und Vorbereitung eines tätlichen Angriffs auf mindestens einen Bewohner einer Asylunterkunft wird allerdings auf einen Indizienbeweis gestützt. Denn es gibt keine Zeugen, die eine solche Verabredung gehört und keine Angeschuldigten, die sie eingeräumt hätten. Allerdings lassen die in der Einleitungsverfügung genannten Indizien – sofern sie sich im weiteren Verfahren bestätigen – mit hinreichender Sicherheit den Rückschluss auf eine entsprechende Vereinbarung und Vorbereitung eines tätlichen Angriffs zu. Denn die Sätze „Wir machen jetzt einen weg.“, das gemeinsame Ausrücken zum Asylbewerberheim, das Sich-Verstecken von zwei Beteiligten und die Aufforderung an den Dritten „… lock mal einen her.“ ergeben in ihrer Gesamtheit das Bild eines verabredeten arbeitsteiligen Vorgehens zum Zwecke des Auflauerns für einen gewalttätigen Übergriff.

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bbb) Für diesen Indizienbeweis ist es allerdings von zentraler Bedeutung, ob der dem Soldaten zugeschriebene Satz „Wir machen jetzt einen weg“ bewiesen werden kann und wie er in der konkreten Situation zu verstehen ist. Nach Durchsicht der vorgelegten schriftlichen Zeugenaussagen spricht derzeit Überwiegendes dafür, dass der Soldat tatsächlich mit dem Satz auf die Frage des Hauptfeldwebels C, was sie vorhätten, geantwortet hat. Denn die Aussagen des Hauptfeldwebels C über das Geschehen an dem Abend erscheinen bei summarischer Prüfung – wie nachfolgend noch näher ausgeführt wird – glaubhaft. Die Aussage „Wir machen jetzt einen weg“ konnte und musste nach ihrem Sinngehalt und den konkreten Umständen, in denen sie gefallen ist, auch als ernsthafte Ankündigung eines zuvor verabredeten gewaltsamen Angriffs aufgefasst werden. Schon die Wortwahl („wir“) lässt auf einen gemeinsamen Entschluss und ein gemeinsames Vorgehen schließen. Dieser Eindruck wird durch das zielgerichtete Vorrücken der drei Beteiligten in Richtung Asylbewerberheim unterstrichen. Die erkennbar auf die in der Nähe lebenden Asylbewerber bezogene Ankündigung, einen „weg“ zu machen, legt angesichts der bekannten Abneigung der drei Soldaten gegenüber Ausländern objektiv die Annahme nahe, dass zumindest ein gewaltsames Vertreiben oder Entfernen aus der Umgebung beabsichtigt gewesen ist. Die Worte müssen – wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausführt – zwar nicht als ernsthafte Ankündigung einer Tötung und damit als Eingeständnis der Verabredung eines Verbrechens (§ 30 Abs. 2 StGB) verstanden werden. In ihnen ist aber die ernsthafte Ankündigung eines gewalttätigen Vorgehens zu sehen. Eine nur scherzhafte Erklärung oder die Ankündigung eines harmlosen Spaßes scheidet nach derzeitigem Erkenntnisstand aus. Dies folgt schon daraus, dass der Soldat und die sonstigen Tatbeteiligten sich gar nicht damit verteidigt haben, dass sie eine unernst-spaßhafte Absicht verfolgt haben. Dass die drei Soldaten mit einer aggressiven Grundhaltung zu dem Asylbewerberheim gezogen sind, ist vielmehr daran ersichtlich, dass es in der Folge unstreitig zu einer lautstarken Konfrontation mit den in dem Flüchtlingsheim lebenden Ausländern gekommen ist. Der Umstand, dass der Soldat und die beiden übrigen Beteiligten stark alkoholisiert waren, spricht ebenfalls nur für eine alkoholbedingte Enthemmung, nicht für eine spaßhaft-friedliche Absicht.

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ccc) Der Soldat (Vernehmungen vom 30. August 2018 und 24. August 2018) wie auch der Zivilangestellte B und Hauptfeldwebel A haben eine unlautere Motivation zwar in Abrede gestellt und behauptet, sie seien wegen eines lauten Schreis zum Flüchtlingsheim hinübergegangen und die aggressive Stimmung sei von den dortigen Bewohnern ausgegangen. Dieses Verteidigungsvorbringen überzeugt aber schon deswegen nicht, weil der laute Schrei aus dem Asylbewerberheim – soweit ersichtlich – von niemandem sonst wahrgenommen worden ist und weil nach dieser Tatsachenschilderung kein Grund für ein aggressives Verhalten der Asylbewerber ersichtlich ist. Dass aber eine lautstarke verbale Konfrontation zwischen dem Antragsteller und seinen Begleitern einerseits und den Asylbewerbern andererseits stattgefunden hat, ist nicht in Abrede gestellt worden und wird durch die (von der Stabsunteroffizierin F getätigte) Audioaufnahme belegt.

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ddd) Eine plausible Erklärung dafür ergibt sich nur aus den bei summarischer Prüfung glaubhaften Aussagen des Hauptfeldwebels C (dienstliche Vernehmungen vom 1. Oktober 2018 und 24. August 2018; polizeiliche Vernehmung vom 24. Oktober 2018). Seine diesbezügliche Aussage ist detailreich und auch bei weiteren Vernehmungen konsistent geblieben. Seine Aussage entspricht dem, was die Zeugen Oberfeldwebel G und Feldwebel H am Folgetag aus Gesprächen erfahren haben. Feldwebel H, hat sich ausweislich der Niederschrift vom 30. Oktober 2018 dahingehend eingelassen, er könne sich zwar nicht mehr an den Wortlaut des Spruchs erinnern, der gefallen sein solle, es sei aber so ungefähr „Komm lass uns einen wegmachen.“ gewesen. Die Aussage des Zeugen C passt außerdem zu dem von anderen Zeugen geschilderten Verhalten der drei Soldaten an dem Abend. Insbesondere hat der Zeuge D über Heil-Hitler-Rufe am Abend des 21. August 2018 berichtet, die zeitlich vor dem aggressiven Zusammentreffen gefallen sind. Dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Hauptfeldwebel A herrührten, ändert nichts daran, dass jedenfalls eine rechtsradikale Stimmung bei dem Soldaten, dem Hauptfeldwebel A und dem Zivilangestellten B vorlag.

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eee) Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Hauptfeldwebels C gibt es auch keine durchgreifenden Bedenken. Entgegen der Behauptung der Verteidigung belegt die dem Senat übermittelte Anschuldigungsschrift gegen Hauptfeldwebel C (vom 7. Mai 2020), dass ihm gegenüber wegen der Aussagen über das Verhalten des Soldaten von einer disziplinarischen Ahndung nicht abgesehen worden ist.

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Die Aussagen des Hauptfeldwebels C sind nicht etwa deshalb unglaubhaft, weil er selbst wegen des Zeigens des Hitlergrußes und rassistischer Äußerungen disziplinarisch angeschuldigt (Anschuldigungsschrift vom 7. Mai 2020) und strafrechtlich verfolgt worden ist (vgl. Strafbefehlsantrag vom Juli 2019; Einstellungsverfügung vom 11. November 2019). Zum einen standen die gegen ihn wegen seines Verhaltens am 23. August 2017 erhobenen Vorwürfe mit dem Geschehen am 21. August 2018 zeitlich und sachlich nicht in Zusammenhang, sodass er aus einer auf den 21. August 2018 bezogenen Falschaussage keine Vorteile für sich ziehen könnte. Zum anderen sprechen seine rechtsradikalen Verhaltensweisen dagegen, dass ihm als politischem Kontrahenten daran gelegen sein könnte, den Soldaten zu Unrecht zu belasten.

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Gegen Belastungseifer des Hauptfeldwebels C spricht ferner, dass er zu Punkt 1 erklärt hat, er habe den Eindruck gehabt, dass der Soldat mit der Aktion nur „einen Streich machen wollte“. Auch die unter Punkt 2 und 3 der Einleitungsverfügung beschriebenen Übergriffe und Beleidigungen des Soldaten gegen ihn hat er eher bagatellisiert. So hat er unter anderem ausgesagt, er hätte seine diesbezüglichen Aussagen (vom 30. August 2018) nicht getätigt, wenn er um die weiteren disziplinarischen Folgen für den Soldaten gewusst hätte (Aussage vom 1. Oktober 2018). Darüber hinaus hat er den Soldaten entlastend erklärt, von diesem seien ihm in der Vergangenheit keine rechtsradikalen Äußerungen zu Ohren gekommen, der Soldat sei lediglich „stark national geprägt … und sein Heimatgefühl … stark ausgeprägt“ (Vernehmung vom 24. August 2018). Seiner Neigung, den Vorfall zu entdramatisieren, entspricht schließlich sein durch Zeugenaussagen bestätigtes Verhalten (am 21. August 2018) unmittelbar nach dem Vorfall. Die Stabsunteroffizierin F hat dazu (am 27. August 2018) ausgesagt, Hauptfeldwebel C habe auf ihre besorgte Rückfrage erklärt „F, es ist alles o. k., die anderen haben etwas viel getrunken.“.

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Für den Hauptfeldwebel C bestand auch kein Anlass, deshalb belastend gegen den Soldaten auszusagen, um von einer eigenen Tatbeteiligung abzulenken. Der Soldat hat eine Tatbeteiligung des Hauptfeldwebels C nicht behauptet, sondern (ausweislich der Vernehmungsniederschriften vom 24. August 2018 und 30. August 2018) erklärt, Hauptfeldwebel C sei hinzugekommen. Ferner hat Stabsfeldwebel D ausgesagt, gehört zu haben, wie der Soldat gegenüber dem Hauptfeldwebel C nach dem Vorfall geäußert habe: „Dicker, du hast ja nur hinten gestanden, wir da vorn waren nur drei und die anderen waren zu fünft, wir hätten mörderisch aufs Maul gekriegt.“.

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fff) Vor dem Hintergrund glaubhafter Aussagen des Hauptfeldwebels C ist schließlich auch dessen Aussage (vom 30. August 2018) einzubeziehen, der Soldat habe ihm gegenüber noch am Abend des Geschehens geäußert, „das ist mir scheißegal. Da werde ich halt Reichsprotektoratsleiter von Böhmen-Mähren“ und „das sagt so ein Verräter wie du, der 30 m hinter uns ist.“. Hinzu tritt seine Aussage (vom 24. August 2018), nach dem Vorfall noch am Abend hätten sich der Soldat und der Zivilangestellte B aufgeregt und erklärt, dass es bei ihnen zu Hause anders ausgegangen wäre. Hinzu kommt, dass er zum unter Punkt 2 beschriebenen Vorfall (ausweislich der Vernehmungsniederschrift vom 30. August 2018) ausgesagt hat, vom Soldaten deshalb als Verräter bezeichnet worden zu sein, den man in Sachsen „abknallen“ müsste, weil er bekennender CDU-Wähler sei. Schließlich steht dessen Aussage im Raum, am 22. August 2018 habe der Soldat geäußert, „sei froh, B wollte einen wegschlitzen. Da muss ich wohl mal mit ’nem Trupp aus Sachsen kommen und dann werden se weggeräuchert.“. Auch diese Aussagen des Hauptfeldwebels C erscheinen aus den bereits dargelegten Gründen glaubhaft und sind teilweise durch die Aussage des Zeugen H bestätigt. Mithin bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat – wie seine Freunde – rechtsextremistischem Gedankengut nahesteht und es sich nicht um eine alkoholbedingte Entgleisung im Einzelfall handelt. Dem entspricht die Einschätzung der Staatsanwaltschaft …, beim Soldaten liege eine „verfestigte fremdenfeindliche Einstellung“ vor.

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Für eine nicht nur situative (alkoholbedingte) Enthemmung am 21. August 2018 sprechen auch die Aussagen anderer Soldaten, die sich nicht auf den Vorfall am 21. August 2018 beziehen. So hat der Stabsfeldwebel D ausgesagt, der Soldat trete bei geselligen Abenden in der Bundeswehr und nach dem Genuss von Alkohol sehr herrisch auf. Er bewege sich dann wie ein strammer Armeeangehöriger des Weltkriegs, manchmal habe er Worte wie „… Damals … Früher hätten wir …“ geäußert. Immer wenn der Soldat mit seiner Deutschtümelei angefangen habe, habe er – Stabsfeldwebel D – die Veranstaltung verlassen. Dabei sei bei dem Soldaten immer Alkohol im Spiel gewesen, auch habe er teilweise Streit gesucht. Hauptgefreiter I hat schließlich (Vernehmungsniederschrift vom 16. Oktober 2018) berichtet, der Soldat und Hauptfeldwebel C hätten im August/September 2017 im Rahmen der „grünen Woche“ zusammengesessen und einer von beiden hätte „durchladen und Feuerstoß in Richtung Flüchtlinge“ geäußert; beide hätten auch gegen die Kinder von Asylbewerbern gehetzt.

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Schließlich unterstreicht der Personenkreis, in dem sich der Soldat bewegt, den Eindruck, dass er rechtsradikalem Gedankengut nicht nur situations- und alkoholbedingt nahesteht: Beim Zivilangestellten B, der am 21. August 2018 das Geschehen mit aktiv gesteuert hat, ist ein Hitler-Räuchermännchen aufgefunden worden (vgl. Vernehmungsniederschrift Hauptfeldwebel C vom 3. September 2018 sowie Fotoaufnahmen, Aussage vom 1. Oktober 2018). Hauptfeldwebel A sieht sich disziplinarischer und strafrechtlicher Verfolgung wegen Erweisens des Hitlergrußes ausgesetzt. Gegen Hauptfeldwebel C, mit dem der Soldat bis vor kurzem noch eng befreundet war, liegt ebenfalls eine disziplinarische Anschuldigung wegen des Erweisens des Hitlergrußes vor; das strafrechtliche Verfahren wurde nach § 153a StPO und somit nicht eingestellt, weil der Schuldvorwurf nicht erwiesen war. Nach Aussage des Hauptgefreiten I war der Soldat seinerzeit auch nicht erschreckt, als ihn Hauptfeldwebel C mit dem Hitlergruß grüßte.

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cc) Das Verhalten des Soldaten begründet mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein schwerwiegendes Dienstvergehen (§ 23 SG).

38

Die Verabredung und Vorbereitung eines gewaltsamen Angriffs auf einen Ausländer stellt eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht des § 17 SG dar. Danach hat ein Soldat Disziplin zu wahren. Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Damit ist es unvereinbar, wenn mehrere Soldaten in dienstlichen Unterkünften Gewalttaten gegenüber Außenstehenden vereinbaren und von dort aus in Angriff nehmen.

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Auch wenn die Vereinbarung und Vorbereitung eines gewaltsamen Angriffs noch nicht nach § 30 Abs. 2 StGB als Verabredung eines Verbrechens strafbar ist, liegt darin disziplinarrechtlich betrachtet eine gravierende Disziplinlosigkeit. Wie der Senat zu außerdienstlichen Körperverletzungen ausgeführt hat, hat die Unfähigkeit, im privaten Bereich die Grenzen rechtmäßiger Anwendung von körperlicher Gewalt einzuhalten, Auswirkungen auf das Vertrauen des Dienstherrn in die Zuverlässigkeit eines Soldaten. Soldaten üben für den Dienstherrn das staatliche Gewaltmonopol in der Verteidigung des Staates und seiner Bürger nach außen hin aus. Hierbei muss der Dienstherr darauf vertrauen können, dass sie besonnen und unter Beachtung rechtlicher Grenzen vorgehen. Dieses Vertrauen ist beeinträchtigt, wenn ein Soldat im privaten Bereich Gewalt als Mittel der Konfliktlösung einsetzt. Daher zieht eine außerdienstliche, versuchte oder vollendete, gemeinschaftliche oder sonst gefährliche Körperverletzung in der Regel eine Herabsetzung im Dienstgrad nach sich (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 WD 18.11 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 37 Rn. 31, 32). Die Verabredung oder Vorbereitung eines gewaltsamen körperlichen Angriffs ist zwar in Bezug auf die konkreten Auswirkungen der Tat deutlich weniger schwerwiegend als eine versuchte oder vollendete Körperverletzung. Verabreden jedoch mehrere Soldaten und Amtsträger gemeinsam einen gewaltsamen Übergriff im privaten Bereich wiegt die in der gemeinschaftlichen Pflichtverletzung liegende Disziplinlosigkeit schwerer, so dass auch in einem solchen Fall die Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilden muss.

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Das Vertrauen des Dienstherrn in die Zuverlässigkeit eines Soldaten ist jedoch noch in weitaus stärkerem Maße beeinträchtigt, wenn ein Soldat ernsthaft Gewalt als Mittel zur Durchsetzung eigener politischer Ansichten einsetzen will. Denn darin liegt nicht nur eine Missachtung des staatlichen Gewaltmonopols, sondern des für den demokratischen Rechtsstaat fundamentalen Prinzips, dass politische Entscheidungen friedlich aufgrund geistiger Auseinandersetzung von den gewählten Repräsentanten des Volkes nach dem Mehrheitsprinzip getroffen werden. Die Verabredung und Vorbereitung politisch motivierter Gewalttaten steht darum mit der in § 8 Alt. 2 SG zum Ausdruck kommenden Verpflichtung des Soldaten, durch sein gesamtes Verhalten für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten, in eklatantem Widerspruch. Hinzu kommt, dass die Achtung der elementaren Menschenrechte und der Menschenwürde ein grundlegendes Prinzip der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist (Art. 1 Abs. 1 und 3, Art. 79 Abs. 3 GG). Daher ist bereits die Kundgabe und Verbreitung rechtsextremistischer Ansichten, die die Menschenrechte von Ausländern grundlegend negieren, mit der Pflicht zur Verfassungstreue unvereinbar (BVerwG, Urteile vom 24. Januar 1984 – 2 WD 40.83 – NZWehrr 1984, 167 <167 f.> und vom 22. Januar 1997 – 2 WD 24.96 – BVerwGE 113, 48 <51 f.>). Erst recht ist die auf einer rechtsextremistisch ausländerfeindlichen Grundhaltung beruhende Verabredung und Vorbereitung eines tätlichen Angriffs auf einen Asylbewerber als schwere Verletzung der Verfassungstreuepflicht aus § 8 Alt. 2 SG anzusehen, weil damit die Schwelle von der Äußerung verfassungswidriger Meinungen zum Handeln überschritten wird.

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Der damit verbundene Vertrauensverlust ist in der Regel so schwerwiegend, dass ein solches Verhalten im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Höchstmaßnahme nach sich ziehen muss. Denn nicht erst mit der Durchführung einer politisch motivierten Gewalttat, sondern schon mit deren Verabredung und Vorbereitung gibt ein Soldat zu erkennen, dass er die gewaltsame Durchsetzung eigener politischer Zielvorstellungen über die von § 8 Alt. 2 SG geforderte Loyalität zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung stellt.

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Dass von dieser Regelmaßnahme im vorliegenden Fall wegen des Vorliegens besonderer mildernder Umstände abgewichen werden müsste, ist bei der bislang nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht hinreichend deutlich absehbar. Allein der Umstand, dass der Soldat in erheblichem Umfang Alkohol konsumiert hat, führt regelmäßig nicht zu einer Maßnahmemilderung. Denn ein Soldat ist grundsätzlich für Art und Umfang seines Alkoholkonsums selbst verantwortlich und hat ihn einzustellen, bevor es zu einer alkoholbedingten Enthemmung kommt (BVerwG, Urteile vom 7. Februar 2013 – 2 WD 36.12 – juris Rn. 46 und vom 15. Dezember 2017 – 2 WD 1.17 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 55 Rn. 76). Ein Milderungsgrund in den Umständen der Tat liegt auch nicht darin, dass der Plan zum gewaltsamen Vorgehen gegen Ausländer vermutlich an diesem Abend spontan entstanden, wenig durchdacht und von vornherein mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt gewesen ist. Denn dies ändert an der darin liegenden Schwere der Pflichtverletzung wenig. Auch kann zu Gunsten des Soldaten bislang nicht angenommen werden, dass er im Laufe des Geschehens aus besserer Einsicht von der Verwirklichung des Vorhabens Abstand genommen hätte. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass die drei Beteiligten aufgrund der Überzahl der Ausländer von körperlicher Gewalt abgesehen haben und dass der Hauptfeldwebel C dann deeskalierend gewirkt hat. Auch für das Vorliegen einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat, die auch bei einem alkoholbedingt verknüpften mehraktigen Geschehen vorliegen kann (BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 – 2 WD 16.16 – juris Rn. 86), liegen derzeit keine hinreichend konkreten Erkenntnisse vor. Die bisherigen Erkenntnisse lassen eher darauf schließen, dass der Soldat ausländerfeindlichem und rechtsextremistischen Gedankengut nahesteht, dies nach Alkoholgenuss auch geäußert hat und in alkoholisiertem Zustand auch wiederholt unbeherrscht aufgetreten ist. Zwar sprechen seine bisherigen dienstlichen Leistungen für ihn. Die unter Punkt 2 und 3 der Einleitungsverfügung erhobenen und teilweise eingeräumten Vorwürfe treten jedoch voraussichtlich erschwerend hinzu und lassen nach derzeitigem Ermittlungsstand eine weniger positive Beurteilung der Persönlichkeit und bisherigen Führung des Soldaten erwarten.

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dd) Da im Falle eines Verstoßes gegen § 8 SG die Entfernung aus dem Dienstverhältnis regelmäßig die Höchstmaßnahme darstellt, liegen die Voraussetzungen für sämtliche Anordnungen nach § 126 Abs. 1 und 2 WDO vor. Da schon das unter Punkt 1 der Anordnungsverfügung beschriebene Verhalten alle Anordnungen trägt, bedarf es nicht der zusätzlichen Würdigung der unter Punkt 2 und 3 beschriebenen Sachverhalte. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Senat die vom Truppendienstgericht „nur“ im Rahmen eines „Saufgelages“ festgestellte Verletzung der Kameradschaftspflicht schwerer gewichten würde. So hat Hauptfeldwebel C (ausweislich der Niederschrift vom 1. Oktober 2018) erklärt, sich an jenem Abend schon beleidigt gefühlt zu haben. Auch enthalten die Akten Hinweise auf eine Einschüchterung des Hauptfeldwebels C durch das Verhalten des Soldaten (vgl. Vernehmungsniederschrift vom 30. August 2018).

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d) Die Anordnungen sind auch ermessensfehlerfrei getroffen, insbesondere ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt worden. Diese Anforderungen sind nur erfüllt, wenn der Dienstbetrieb bei einem Verbleiben des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde. Dabei dürfen dem Soldaten keine Nachteile zugefügt werden, die außer Verhältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines mit einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme zu ahndenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung dieses Vorwurfs von der Dienstausübung auszuschließen. Das Wehrdienstgericht ist insoweit auf eine Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung beschränkt und trifft – im Gegensatz zur späteren Disziplinarmaßnahme – keine originäre gerichtliche Entscheidung (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2019 – 2 WDB 3.19 – juris Rn. 26 und vom 31. März 2020 – 2 WDB 2.20 – juris Rn. 37).

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Nach Maßgabe dessen ist die Ermessensentscheidung hier nicht zu beanstanden. Die Entscheidung, einen Soldaten, dessen Verfassungstreue ernsthaft in Zweifel steht, vorübergehend auf keinem Dienstposten einzusetzen, ist nicht sachwidrig. Denn auch nur der Anschein, der Soldat bekenne sich nicht zu einer für das Soldatenverhältnis geradezu fundamentalen Verpflichtung, schadet zum einen dem Ansehen der Bundeswehr, die sich in der letzten Zeit des Vorwurfs erwehren muss, rechtsradikalen Umtrieben nicht energisch genug entgegenzutreten; zum anderen bewirkt er nach innen eine Gefährdung bzw. Störung des Dienstbetriebs, weil dadurch der Eindruck einer Bagatellisierung entsteht (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 – 2 WDB 2.20 – juris Rn. 38). Der Dienstbetrieb ist zudem durch das Verhalten des Soldaten auch tatsächlich bereits erheblich beeinträchtigt worden.

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e) Sollte sich die Prognose bezüglich eines zur Entfernung aus dem Dienst führenden Dienstvergehens nicht bestätigen, würden die mit der vorliegenden Entscheidung verbundenen Folgen besoldungsrechtlicher Art kompensiert werden (§ 127 Abs. 2 Satz 1 WDO, § 27 Abs. 9 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 BBesG). Die Anordnung des Einbehaltens der Dienstbezüge erweist sich auch von ihrer Höhe nicht als unverhältnismäßig, zumal der Soldat nicht entsprechend vorgetragen hat. Sollten sich Sachverhaltsumstände zu Gunsten des Soldaten verändern, steht ihm im Übrigen das Recht zu, bei der Einleitungsbehörde eine Aufhebung der Anordnungen zu beantragen (§ 126 Abs. 5 Satz 1 WDO).

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4. Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedurfte es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens mit erfasst (BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2009 – 2 WDB 4.09 – jurion Rn. 17).