Urteil des BGH 6a. Zivilsenat vom 24.09.2025, AZ VIa ZR 274/22

BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 24.09.2025, AZ VIa ZR 274/22, ECLI:DE:BGH:2025:240925UVIAZR274.22.0

Verfahrensgang

vorgehend OLG Bamberg, 2. Februar 2022, Az: 8 U 190/21
vorgehend LG Schweinfurt, 9. August 2021, Az: 13 O 45/21

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 2. Februar 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung mit dem Antrag zu 1 auch in Höhe von 23.626,56 € (nebst Zinsen) sowie mit den Anträgen zu 4 und zu 5 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 25.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Dezember 2018 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Passat 2.0 TDI, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 der Abgasnorm Euro 6 ausgestattet ist.

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Der Kläger hat zuletzt die Zahlung von Schadensersatz nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Antrag zu 1), hilfsweise Feststellung der Schadensersatzpflicht (Antrag zu 2), außerdem die Feststellung von Annahmeverzug (Antrag zu 4) und die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (Antrag zu 5) begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt er seine Berufungsanträge im tenorierten Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision
des Klägers hat Erfolg.

I.

4

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – im Wesentlichen wie folgt begründet:

5

Der Vortrag des Klägers sei nicht geeignet, einen Anspruch aus § 826 BGB zu begründen. Er habe schon nicht substantiiert vorgetragen, dass es in seinem Fahrzeug eine unzulässige prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung gebe. Zudem unterschieden die temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung in Gestalt des „Thermofensters“ und auch die sonstigen vom Kläger behaupteten Beeinflussungen nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befinde, womit es mangels Hinzutretens weiterer Umstände auch an einem besonders verwerflichen Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen fehle. Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bestehe nicht, weil es sich bei den Vorschriften der EG-FGV nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handele.

II.

6

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

7

1. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB verneint hat. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

8

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21,
BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten „großen“ Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21,
BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 – III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff. und III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 – VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10

Das angefochtene
Urteil ist im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Sie ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen
Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

C. Fischer                    
Möhring                    
Katzenstein

                 
Ostwaldt                     
Tausch

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