BAG 2. Senat, Urteil vom 10.12.2020, AZ 2 AZR 308/20, ECLI:DE:BAG:2020:101220.U.2AZR308.20.0
§ 4 S 1 KSchG, § 5 Abs 3 S 1 KSchG, § 7 Halbs 1 KSchG, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 516 ZPO
Leitsatz
Hat der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage im Wege der Anschlussberufung in ein zweitinstanzliches Verfahren eingeführt, kann er, nachdem die Anschließung infolge einer Berufungsrücknahme durch den Arbeitgeber ihre Wirkung verloren hat (§ 524 Abs. 4 ZPO), mit einer die nämliche Kündigung betreffenden weiteren Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht in analoger Anwendung der in § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG bestimmten Frist – nur – durchdringen, wenn er die neue Klage innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis vom Wirkungsverlust anhängig macht.
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Hamburg, 30. August 2018, Az: 12 Ca 241/17, Teilurteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg, 4. Juli 2019, Az: 8 Sa 57/18, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 4. Juli 2019 – 8 Sa 57/18 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 2. August 2016 zum 31. Dezember 2016. Das Arbeitsgericht befand diese Kündigung für unwirksam. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens sprach sie unter dem 31. Mai 2017 eine außerordentliche fristlose sowie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. September 2017 aus.
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Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 12. Juni 2017, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Zudem erklärte er, die Kündigungen vom 31. Mai 2017 würden in das „Verfahren eingeführt, so dass sie vom Streitgegenstand umfasst“ seien. Mit weiterem Schriftsatz vom 28. August 2017 formulierte er ausdrücklich Klageanträge gegen die beiden Folgekündigungen.
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Die Beklagte nahm ihre Berufung am 12. September 2017 zurück. Davon erhielt der Kläger am nächsten Tag Kenntnis. Am 15. September 2017 hat er die vorliegende Klage gegen die Kündigungen vom 31. Mai 2017 beim Arbeitsgericht anhängig gemacht.
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Der Kläger hat beantragt
- 1.
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung sowie die ordentliche Kündigung der Beklagten jeweils vom 31. Mai 2017 nicht aufgelöst worden ist;
- 2.
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30. September 2017 hinaus fortbesteht;
- 3.
- für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens vertragsgemäß als C im Betrieb der Beklagten weiterzubeschäftigen;
- 4.
- die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.
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Die Vorinstanzen haben die Kündigungsschutzklage – entsprechend dem Antrag der Beklagten – abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das die Kündigungsschutzklage abweisende Teilurteil des Arbeitsgerichts nicht zurückweisen. Ob eine der beiden Kündigungen vom 31. Mai 2017 wirksam ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
(§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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A. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft die Kündigungsschutzklage mit der Begründung abgewiesen, die außerordentliche und die ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2017 gölten nach § 7 Halbs. 1 KSchG als von Anfang an wirksam.
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I. Ausgehend von seiner Annahme, bereits die außerordentliche Kündigung sei wirksam, durfte das Berufungsgericht nicht die gesamte Kündigungsschutzklage abweisen. Das Klagebegehren ist dahin zu verstehen, dass der Kläger zwei Anträge gem. § 4 Satz 1 KSchG gestellt hat. Mit einem Hauptantrag wendet er sich gegen die außerordentliche, mit einem unechten Hilfsantrag gegen die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2017
(vgl. BAG 21. November 2013 – 2 AZR 598/12 – Rn. 17 ff., BAGE 146, 353). Letzterer fällt nicht zur Entscheidung an, wenn ersterer erfolglos bleibt. In der Abweisung des Hilfsantrags liegt dann ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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II. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht überdies nicht annehmen, die Kündigungen vom 31. Mai 2017 gölten gem. § 7 Halbs. 1 KSchG als von Anfang an wirksam. Es ist nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen, dass der Kläger durch eine (erste) Klage zum Landesarbeitsgericht den Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 Halbs. 1 KSchG vermieden hat und es ihm auch nicht verwehrt ist, mit der vorliegenden (zweiten) Klage weiterhin die Rechtsunwirksamkeit der streitbefangenen Kündigungen vom 31. Mai 2017 gerichtlich geltend zu machen.
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1. Der Kläger könnte die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG durch eine (erste) Klage zum Berufungsgericht gewahrt haben.
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a) Eine Kündigungsschutzklage kann fristwahrend iSv. § 4 Satz 1 KSchG in einem beim Landesarbeitsgericht anhängigen Berufungsverfahren erhoben werden
(vgl. BAG 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 16 ff., BAGE 161, 198), ggf. im Wege der Anschlussberufung nach § 524 ZPO
(ErfK/Kiel 21. Aufl. KSchG § 4 Rn. 23b).
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b) Die streitbefangenen Kündigungen sind dem Kläger am 31. Mai 2017 zugegangen. Er hat mit Schriftsatz vom 12. Juni 2017 an das Landesarbeitsgericht erklärt, diese in das damalige Berufungsverfahren einzuführen, „so dass sie vom Streitgegenstand umfasst“ seien. Damit hat er unmissverständlich deutlich gemacht, sich im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung vom 2. August 2016 auch gegen die Folgekündigungen verteidigen zu wollen. Hierin lag in der gebotenen Auslegung entsprechend § 133 BGB
(vgl. BAG 18. Februar 2016 – 8 AZR 426/14 – Rn. 15) eine – fristgerechte – Anschlussberufung nach § 524 ZPO
(vgl. BAG 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 11), mit der der Kläger zwei Klageanträge mit dem von § 4 Satz 1 KSchG vorgegebenen, iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmten Inhalt verfolgt hat
(vgl. BAG 13. Dezember 2007 – 2 AZR 818/06 – Rn. 15 ff.). Anders hätte der Kläger sein Rechtsschutzziel nicht erreichen können. Bei den im Schriftsatz vom 28. August 2017 ausformulierten Anträgen handelte es sich lediglich um entsprechende Bestätigungen.
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c) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Schriftsatz vom 12. Juni 2017 dort außerhalb der bis zum 21. Juni 2017 laufenden Frist des § 4 Satz 1 KSchG eingegangen ist.
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2. Hat der Arbeitnehmer – was für das vorliegende Revisionsverfahren zu unterstellen ist – einmal fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben, kann die materielle Wirksamkeitsfiktion des § 7 Halbs. 1 KSchG grundsätzlich nicht mehr eintreten. Sie wird nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift vermieden, wenn die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung rechtzeitig
geltend gemacht wird. Das ist nach § 4 Satz 1 KSchG der Fall, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung
Klage auf Feststellung
erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Hat der Arbeitnehmer mit diesem Begehren fristgerecht ein Gericht „angerufen“
(vgl. die amtliche Überschrift zu § 4 KSchG), ist dem Zweck von § 4 Satz 1 KSchG genügt, dem Arbeitgeber alsbald Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Arbeitnehmer die Kündigung hinnimmt oder nicht
(vgl. BAG 31. März 1993 – 2 AZR 467/92 – zu B II 2 b cc der Gründe, BAGE 73, 30). Das „Recht“ des Arbeitnehmers, die Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen, kann dann grundsätzlich nicht mehr nach der spezialgesetzlichen Konkretisierung des Verwirkungstatbestands in § 4 Satz 1, § 7 Halbs. 1 KSchG
(vgl. BAG 25. November 2010 – 2 AZR 323/09 – Rn. 33), sondern nur noch aus anderen Gründen „verloren“ gehen.
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3. Die erste Klage gegen die Kündigungen vom 31. Mai 2017 ist nicht rückwirkend „weggefallen“. Zwar hat die Anschließung des Klägers infolge der Berufungsrücknahme durch die Beklagte
(§ 516 ZPO) ihre Wirkung verloren
(§ 524 Abs. 4 ZPO). Doch hatte dies schon prozessrechtlich nicht zur Folge, dass die weiteren Kündigungsschutzanträge als nie anhängig geworden anzusehen wären. Solches ist ausschließlich in § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 ZPO
(ggf. iVm. § 54 Abs. 5 Satz 4 ArbGG) bestimmt. Deshalb bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob eine derartige prozessuale Anordnung auch zum Entfallen einer fristwahrenden Klage iSv. § 4 Satz 1 KSchG und damit ex tunc zum Eintritt der materiellen Wirksamkeitsfiktion des § 7 Halbs. 1 KSchG führt
(so ohne die gebotene Auslegung von § 4 Satz 1, § 7 Halbs. 1 KSchG: BAG 19. Oktober 2011 – 7 AZR 743/10 – Rn. 41, 65; 9. Februar 2011 – 7 AZR 91/10 – Rn. 43, 65; 18. Mai 2006 – 2 AZR 245/05 – Rn. 20; sh. auch BAG 11. Juli 1990 – 5 AZR 609/89 – zu II der Gründe, BAGE 65, 264; aA BAG 21. August 2008 – 8 AZR 201/07 – Rn. 39; 24. September 1970 – 5 AZR 54/70 – zu 2 der Gründe, BAGE 22, 441; zu § 204 Abs. 2 BGB als einer abweichenden Regelung der – fortbestehenden – materiell-rechtlichen Wirkung der prozessual rückwirkend entfallenden Klageerhebung vgl. BT-Drs. 14/6857 S. 44; BGH 20. Dezember 2018 – III ZR 17/18 – Rn. 12; MüKoBGB/Grothe 8. Aufl. § 204 Rn. 73).
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4. Mit seiner ersten Klage gegen die Kündigungen vom 31. Mai 2017 hat der Kläger – ungeachtet der Frage, ob das möglich wäre – nicht bloß eine „bedingte Verteidigungsbereitschaft“ angezeigt. Der fortgesetzte Angriff gegen diese Kündigungen mit der vorliegenden Klage stellt sich auch nicht als treuwidrig selbstwidersprüchlich iSv. § 242 BGB dar. Indem der Kläger die erste Klage im Wege der Anschlussberufung in das seinerzeit anhängige Berufungsverfahren eingeführt hat, hat er nicht zu verstehen gegeben, er wolle die Rechtsunwirksamkeit der Kündigungen vom 31. Mai 2017 nur solange geltend machen, wie die Beklagte an ihrer Berufung und damit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die ordentliche Kündigung vom 2. August 2016 festhält. Die Entscheidung für eine Klageerweiterung im zweitinstanzlichen Verfahren besagte für sich genommen lediglich, dass der Kläger den gesamten Streit der Parteien „in eine Hand“ legen und möglichst zeitnah einer Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht zuführen wollte. Dies gilt umso mehr, als er sich gegen die Wirksamkeit von zwei Folgekündigungen gewendet hat. Hätte der Kläger die Kündigungen vom 31. Mai 2017 unmittelbar mit einer gesonderten Klage zum Arbeitsgericht angegriffen, hätte dieses eine Aussetzung des Folgerechtsstreits nach § 148 ZPO bis zum Abschluss des vorgreiflichen Berufungsverfahrens betreffend die Kündigung vom 2. August 2016 zumindest in Betracht ziehen müssen
(vgl. LAG Köln 24. September 2013 – 11 Ta 146/13 – zu II der Gründe). Mit der Einführung weiterer Kündigungsschutzanträge in das schwebende Berufungsverfahren bestand demgegenüber die Möglichkeit, dass über die (Nicht-)Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien sogleich abschließend befunden würde. Der Kläger hat sich auch nicht „aus freien Stücken“ für eine (unselbständige) Anschlussberufung entschieden. Eine solche war für ihn, nachdem er erstinstanzlich obsiegt hatte, vielmehr die einzige Möglichkeit, neue Klageanträge in das zweitinstanzliche Verfahren einzubringen
(vgl. BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 407/13 – Rn. 18; 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 11; ErfK/Kiel 21. Aufl. KSchG § 4 Rn. 23b). Zumindest unter diesen Umständen konnte die Beklagte nicht schutzwürdig darauf vertrauen, der Kläger werde im Fall des § 524 Abs. 4 ZPO vollends davon absehen, die Unwirksamkeit der beiden Folgekündigungen geltend zu machen
(zu § 204 Abs. 2 BGB vgl. BGH 20. Dezember 2018 – III ZR 17/18 – Rn. 12), und sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die außerordentliche Kündigung vom 31. Mai 2017 abfinden
(vgl. BAG 25. November 2010 – 2 AZR 323/09 – Rn. 26).
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5. Die §§ 4 ff. KSchG bestimmen nicht, dass die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung allein in dem durch die fristwahrende Klage eingeleiteten Verfahren verfolgt werden könnte. Solches lässt sich insb. nicht aus § 6 Satz 1 KSchG ableiten. Bei der Verwendung des Demonstrativartikels „diesem“ in der Wendung „in diesem Verfahren“ hatte der Gesetzgeber den Regelfall vor Augen, dass die Parteien nur einen, beim Arbeitsgericht beginnenden Rechtsstreit über die Wirksamkeit der betreffenden Kündigung führen; für andere Konstellationen wollte er weder ein „Nachschieben“ von Unwirksamkeitsgründen noch gar die Möglichkeit für den Arbeitnehmer ausschließen, ggf. mit einer zweiten Kündigungsschutzklage durchzudringen. Vielmehr ist § 6 Satz 1 KSchG im Einklang mit der den Weg einer weiteren Klage eröffnenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
(vgl. 15. September 1977 – 2 AZR 333/76 – zu I der Gründe; 10. Dezember 1970 – 2 AZR 82/70 – zu I 2 c der Gründe, BAGE 23, 139; 24. September 1970 – 5 AZR 54/70 – zu 2 der Gründe, BAGE 22, 441) so zu lesen, dass er in sämtlichen Rechtsstreiten Anwendung findet, die
die Kündigung zum Streitgegenstand haben, deren Rechtsunwirksamkeit der Arbeitnehmer rechtzeitig – und sei es in einem formal anderen Verfahren – durch eine Klage zum Arbeitsgericht, eine Klageerweiterung in einem Berufungsverfahren
(§§ 524, 533 ZPO) oder die Anrufung eines Schiedsgerichts
(§ 101 Abs. 2 ArbGG) bzw. Schlichtungsausschusses
(§ 111 Abs. 2 ArbGG) geltend gemacht hat. Dass es ggf. an einer § 17b Abs. 1 GVG iVm. § 48 Abs. 1 ArbGG entsprechenden „Verklammerung“ zu einem einheitlichen Rechtsstreit fehlt, ist unbeachtlich.
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6. Allerdings darf der Arbeitnehmer sich mit einer neuen Klage nicht unbegrenzt Zeit lassen
(insoweit schon BAG 10. Dezember 1970 – 2 AZR 82/70 – zu I 2 c der Gründe, BAGE 23, 139; 24. September 1970 – 5 AZR 54/70 – zu 2 der Gründe, BAGE 22, 441). Eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung durch analoge Anwendung der in § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG bestimmten Frist führt vielmehr dazu, dass er sein „Recht“, sich auf die Unwirksamkeit der betreffenden Kündigung(en) zu berufen, verwirkt, wenn er die weitere Klage nicht innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung vom Wirkungsverlust gem. § 524 Abs. 4 ZPO anhängig macht.
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a) Das Gesetz weist die für einen Analogieschluss vorausgesetzte planwidrige Lücke auf. Der Arbeitgeber hat auch nach einer rechtzeitigen Klageerhebung ein berechtigtes, im laufenden Rechtsstreit ua. durch §§ 61a, 64 Abs. 8 ArbGG geschütztes Interesse an einer zügigen Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung
(vgl. BAG 25. November 2010 – 2 AZR 323/09 – Rn. 27). Dieses bliebe unbeachtet, wenn das Recht des Arbeitnehmers, die Unwirksamkeit der betreffenden Kündigung mit einer weiteren Klage zu verfolgen, zeitlich unbegrenzt bestünde. Die erforderliche Begrenzung ergibt sich indes nicht aus einer unmittelbaren Anwendung von § 5 KSchG, weil die Klagefrist nicht versäumt, sondern im Gegenteil gewahrt wurde
(ohne Begründung aA LKB/Linck KSchG 16. Aufl. § 4 Rn. 34; LSSW/Spinner 11. Aufl. § 4 Rn. 20; SPV/Vossen 11. Aufl. Rn. 1907). Auch die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung nach § 242 BGB bieten – anders als zur Ergänzung des Prozessrechts in einem anhängigen Rechtsstreit
(vgl. BAG 25. November 2010 – 2 AZR 323/09 – Rn. 19 ff.) – keinen angemessenen Schutz für den Arbeitgeber, weil danach in jedem Einzelfall ein Umstandsmoment festgestellt werden müsste. Das widerspräche dem auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausgerichteten gesetzlichen Regelungskonzept für den Kündigungsschutzprozess, das für das Anbringen einer Klage
(§ 4 Satz 1 KSchG) bzw. eines Antrags
(§ 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG) allein auf die Einhaltung bestimmter, kurzer Fristen abstellt.
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b) Denkt man diesen Regelungsplan weiter, ist die Gesetzeslücke durch eine analoge Anwendung der in § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG bestimmten
Frist zu schließen. Das Abstellen auf die Zweiwochenfrist – und nicht auf die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG – ist in Abwägung mit den schutzwürdigen Belangen des Arbeitgebers sachgerecht, weil der Arbeitnehmer die Entscheidung, sich gerichtlich gegen die fragliche(n) Kündigung(en) zur Wehr zu setzen, bereits getroffen und sie auch schon einmal umgesetzt hatte. Er bedarf keiner längeren Überlegungs- und Vorbereitungszeit mehr, sondern muss nur die Klageerhebung „wiederholen“, nachdem der Weg zu einer Sachentscheidung über die erste Klage nachträglich versperrt wurde. Macht er die zweite Klage verspätet anhängig, ist sie – vorbehaltlich ihrer nachträglichen Zulassung bei unverschuldeter Versäumnis der Zweiwochenfrist – kraft einer spezialgesetzlichen Konkretisierung des Verwirkungstatbestands
(§ 242 BGB, vgl. Rn. 15 zu § 4 Satz 1 KSchG) unbegründet. Die Interessenlage ist insoweit vergleichbar mit dem Erfordernis gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG, einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zu stellen.
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7. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger sein „Recht“, sich infolge einer – für das Revisionsverfahren zu unterstellenden
– fristwahrenden Klageerhebung im früheren Verfahren auch im vorliegenden Rechtsstreit auf die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 31. Mai 2017 zu berufen, nicht verwirkt. Er hat schon am 15. September 2017 und damit innerhalb von zwei Tagen, nachdem er von der Berufungsrücknahme Kenntnis erlangt hat, die vorliegende Klage beim Arbeitsgericht anhängig gemacht. Die Klageschrift ist der Beklagten „demnächst“ iSv. § 167 ZPO zugestellt worden.
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B. Der Senat kann aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht selbst über die Wirksamkeit der beiden Kündigungen vom 31. Mai 2017 entscheiden, weshalb die Sache insgesamt an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen ist.
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C. Für das fortgesetzte Berufungsverfahren erscheinen folgende weitere Hinweise angezeigt:
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I. Falls der Schriftsatz des Klägers vom 12. Juni 2017 aus dem vorangegangen Verfahren erst nach dem 21. Juni 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangen sein sollte, wäre die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG nicht gewahrt worden und gölte die außerordentliche Kündigung vom 31. Mai 2017 nach § 7 Halbs. 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Der diesbezügliche Hauptantrag wäre dann abzuweisen und der Hilfsantrag gegen die ordentliche Kündigung fiele nicht zur Entscheidung an
(Rn. 9), weil der Kläger – soweit ersichtlich – keine auf eine verspätete erste Klage bezogene nachträgliche Zulassung gem. § 5 KSchG begehrt hat.
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II. Sollte der Schriftsatz vom 12. Juni 2017 rechtzeitig beim Landesarbeitsgericht eingegangen, aber außerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG an die Beklagte zugestellt worden sein, erfolgte die Zustellung gleichwohl „demnächst“ iSv. § 167 ZPO. Insofern gilt keine absolute zeitliche Obergrenze; Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb dürfen nicht zulasten des Klägers gehen
(vgl. BAG 20. Februar 2014 – 2 AZR 248/13 – Rn. 35, BAGE 147, 227). Vorliegend hatte dieser alle nötigen Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße Zustellung erbracht
(vgl. BGH 1. Oktober 2019 – II ZR 169/18 – Rn. 10). Zwar hat er im Schriftsatz vom 12. Juni 2017 keinen Klageantrag ausformuliert und sein prozessuales Vorgehen nicht explizit als Anschlussberufung gekennzeichnet. Doch war für das Landesarbeitsgericht auch so eindeutig erkennbar, dass es sich um eine zuzustellende Klageerweiterung handelte
(Rn. 13).
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III. Die Voraussetzungen von § 167 ZPO wären aus den gleichen Gründen auch erfüllt, wenn der Schriftsatz vom 12. Juni 2017 zwar rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen, jedoch der Beklagten bis dato nicht zugestellt worden sein sollte. Es müsste dann keine Zustellung dieses Schriftsatzes mehr veranlasst werden, nachdem der Beklagten ein die streitgegenständlichen Klageanträge enthaltendes Dokument schon in Gestalt des Schriftsatzes vom 28. August 2017 und jedenfalls der das vorliegende Verfahren einleitenden Klageschrift zugestellt worden ist. Auch käme es nicht darauf an, ob ein etwaiger Zustellungsmangel nach § 295 ZPO mit der Folge einer „demnächstigen“ Zustellung geheilt worden ist.
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IV. Sollte das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangen, die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG
(ggf. iVm. § 167 ZPO) sei gewahrt, wird es ua. zu prüfen haben, ob die Kündigungen vom 31. Mai 2017 iSv. § 626 BGB bzw. § 1 Abs. 2 KSchG berechtigt waren.
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V. Falls der Kläger mit seinen Kündigungsschutzanträgen durchdringen sollte, wäre über den allgemeinen Feststellungsantrag sowie den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu befinden, bei denen es sich – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – jeweils um unechte Hilfsanträge handelt.
- Rachor
- Schlünder
- Niemann
- Grimberg
- Niebler