BVerfG 2. Senat 1. Kammer, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23.01.2025, AZ 2 BvR 5/25, ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250123.2bvr000525
Art 2 Abs 2 S 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 12 EGRaBes 584/2002, § 15 Abs 1 Nr 1 IRG, § 25 IRG
Verfahrensgang
vorgehend OLG Stuttgart, 3. Januar 2025, Az: 301 OAus 173/24, Beschluss
vorgehend OLG Stuttgart, 17. Dezember 2024, Az: 301 OAus 173/24, Beschluss
Tenor
1. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2024 und vom 3. Januar 2025 – 301 OAus 173/24 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.
2. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Stuttgart zurückverwiesen.
3. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
4. Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
5. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 (in Worten: zehntausend) Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit der Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer zwei Beschlüsse über die Anordnung der Auslieferungshaft und die Zurückweisung hiergegen gerichteter Anträge an.
I.
2
1. Der Beschwerdeführer ist ein in Deutschland geborener italienischer Staatsbürger. Gegen ihn liegt ein Europäischer Haftbefehl des Gerichts von Neapel vom 24. Oktober 2024 vor. Mittels Ausschreibung im Schengener Informationssystem ersuchten die Justizbehörden der Republik Italien um seine Überstellung zum Zwecke der Strafverfolgung. Ihm werden „Verbrechen, die in Bacoli (Na) und anderswo bis einschließlich 21.03.2023 begangen wurden“, vorgeworfen. Er soll „insbesondere“ gemeinschaftlich handelnd „als logistische Unterstützung bei der Verwendung eines Sprengsatzes mitgewirkt … haben“. Der mutmaßliche Mittäter habe den Sprengkörper im Auto des Geschädigten deponiert, dann ferngesteuert explodieren lassen und somit einen Anschlag verübt und das Leben des Geschädigten gefährdet. In dem Europäischen Haftbefehl ist die Katalogstraftat „illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen“ angekreuzt. Die Höchstdauer der Strafe betrage vier Jahre.
3
2. Am 25. November 2024 wurde der Beschwerdeführer an seiner Wohnanschrift in Deutschland widerstandslos festgenommen und am Folgetag dem Amtsgericht Ludwigsburg vorgeführt, das eine vorläufige Festhalteanordnung erließ.
4
Im Rahmen der richterlichen Vernehmung teilte der Beschwerdeführer mit, mit dem vereinfachten Auslieferungsverfahren nicht einverstanden zu sein. Er gab an, in [Stadt 1] geboren und aufgewachsen zu sein. Er habe die Grundschule besucht, einen Hauptschulabschluss absolviert und eine Ausbildung zum Bäckereifachverkäufer begonnen, aber nicht abgeschlossen. Anschließend sei er in verschiedenen Firmen als Arbeiter tätig gewesen. Das letzte Arbeitsverhältnis habe geendet, weil er einen schweren Verkehrsunfall im Jahr 2021 in Italien gehabt habe. Unter den Verletzungsfolgen leide er noch heute. Er sei in ärztlicher Behandlung und nehme Krankengymnastik und Schmerztabletten in Anspruch. Seit Januar 2023 sei er in Frührente. „Bis September“ beziehe er eine befristete EU-Rente. Er lebe mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen vierjährigen Sohn zusammen. Seine Frau sei früher als Kosmetikerin selbstständig gewesen. Seine Eltern und drei Geschwister lebten in [Stadt 1], ein Bruder lebe in [Stadt 2].
5
3. Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2024 beantragte der Beschwerdeführer gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vorsorglich für den Fall, dass ein vorläufiger Auslieferungshaftbefehl ergangen sei, diesen aufzuheben, hilfsweise gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen.
6
Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Auslieferungshaft lägen nicht vor. Die Sachverhaltsdarstellung des italienischen Auslieferungsersuchens reiche nicht aus, denn diese enthalte keine hinreichende Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftaten begangen worden sein sollen. Er sei zwar italienischer Staatsbürger, aber in Deutschland geboren und aufgewachsen. Jedenfalls dränge sich eine Außervollzugsetzung der Auslieferungshaft auf, weil er über ausreichende soziale Bindungen verfüge. Hinzu komme, dass er aufgrund der bei einem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen äußerst haftempfindlich sei.
7
4. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte die Generalstaatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Stuttgart, gegen den Beschwerdeführer einen Auslieferungshaftbefehl zu erlassen.
8
Die Voraussetzungen für den Erlass eines Auslieferungshaftbefehls lägen vor. Die Auslieferung des Beschwerdeführers erscheine nicht von vornherein unzulässig. Auslieferungshindernisse oder zwingende Bewilligungshindernisse seien nicht erkennbar. Zwar sei er in Deutschland geboren und aufgewachsen und habe einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründet; allerdings wäre auch die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen zum Zwecke der Strafverfolgung zulässig, da die in Italien begangene Tat ausschließlich Bezüge zum ersuchenden Mitgliedstaat aufweise. Da er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe, werde die Bewilligung der ersuchten Auslieferung unter den Vorbehalt einer Rücküberstellung zur Strafvollstreckung gestellt werden, wenn er hierauf nicht verzichte. Seine Überstellung stelle auch keinen unzumutbaren Eingriff in das Kindeswohl seines vierjährigen Sohnes dar. Den Kontakt zu seiner Familie könne er auch über elektronische Medien und telefonisch aufrechterhalten. Es bestehe der Haftgrund der Fluchtgefahr. Ihm drohe in Italien die Verurteilung zu einer erheblichen Freiheitsstrafe. Seine bisher bekannten persönlichen und sozialen Bindungen reichten nicht aus, um dem daraus resultierenden Fluchtanreiz verlässlich entgegenzutreten. Deshalb bestehe die Gefahr, dass er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung beispielsweise durch Flucht entziehen werde. Die Anordnung der Auslieferungshaft sei daher geboten, um seine weitere Anwesenheit im Auslieferungsverfahren sicherzustellen.
9
5. Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2024 bestritt der Beschwerdeführer gegenüber dem Oberlandesgericht den ihm vorgeworfenen Sachverhalt und bekräftigte seine Auffassung, die Sachverhaltsdarstellung im Europäischen Haftbefehl reiche als Grundlage für die Anordnung der Auslieferungshaft nicht aus.
10
6. Mit angegriffenem Beschluss vom 17. Dezember 2024 ordnete das Oberlandesgericht die Auslieferungshaft an.
11
Der von den italienischen Behörden übermittelte Europäische Haftbefehl enthalte die gemäß § 83a Abs. 1 IRG erforderlichen formalen Angaben. Ihm könne ein Datum, bis zu dem Straftaten begangen worden sein sollen, ein Tatort, die Tatbeteiligung des Beschwerdeführers und auch Angaben zu dem Mittäter und zu der Person des Geschädigten entnommen werden. Auch sei eine konkrete Tathandlung enthalten. Dies genüge in seiner Gesamtheit den erforderlichen formalen Mindestangaben, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Februar 2023 konkretisiert habe (mit Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Februar 2023 – 2 BvR 2009/22 -). Vor dem Hintergrund, dass dem Europäischen Haftbefehl indes nicht entnommen werden könne, ob über das konkret genannte Tatgeschehen hinaus noch weitere Tatvorwürfe bestünden – worauf der Hinweis auf Tatbegehungen an „anderen Orten“ und die Verwendung des Wortes „insbesondere“ für das konkret beschriebene Tatgeschehen hindeuteten -, ersuche der Senat die Generalstaatsanwaltschaft bereits jetzt um die Einholung einer Konkretisierung der Tatvorwürfe durch die italienischen Behörden beziehungsweise um Übermittlung des dem Europäischen Haftbefehl zugrundeliegenden nationalen Haftbefehls.
12
Die Auslieferung erscheine nicht von vornherein unzulässig. Die vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2024 vorgebrachten Einwendungen, die sich gegen den Schuldverdacht als solchen gerichtet hätten, seien unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob sie besondere Umstände im Sinne des § 10 Abs. 2 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) beinhalteten, die ausnahmsweise zu der Prüfung Anlass gäben, ob der Beschwerdeführer der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig erscheine. Haftrelevant könnten sie jedoch nur sein, wenn sie so stark seien, dass die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheine, oder im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung den Vollzug des Auslieferungshaftbefehls nicht erforderlich erscheinen ließen. Solche besonderen Umstände seien vorliegend nicht gegeben. Auslieferungs- und Bewilligungshindernisse seien nicht ersichtlich. Die Überstellung des Beschwerdeführers stelle keinen unzumutbaren Eingriff in das Kindeswohl des vierjährigen Sohnes und die eheliche Gemeinschaft mit seiner Ehefrau dar. Zwar sei zu erwarten, dass seine Ehefrau und sein Sohn durch die Auslieferung einer besonderen Belastung ausgesetzt sein würden. Jedoch sei nicht erkennbar, dass in das Kindeswohl existenzgefährdend eingegriffen würde, zumal der Beschwerdeführer auch bei einer Vollstreckung in Deutschland von seiner Familie getrennt sein werde. Über ein eigenes Erwerbseinkommen verfüge er nach eigenen Angaben nicht. Den Kontakt zu seiner Familie könne er auch über elektronische Medien und telefonisch aufrechterhalten. Es sei davon auszugehen, dass seine körperliche Verfassung mit großer Wahrscheinlichkeit und nach derzeitiger Würdigung einer späteren Auslieferung nicht entgegenstehen dürfte, zumal sich der vorläufige Entlassungsbericht der Klinik für Orthopädie vom 11. Mai 2023 auf verhältnismäßig niederschwellige Therapie- beziehungsweise Medikationsempfehlungen beschränke.
13
Es bestehe der Haftgrund der Fluchtgefahr. Dem Beschwerdeführer drohe in Italien die Verurteilung zu einer erheblichen Freiheitsstrafe. Seine bekannten persönlichen und sozialen Bindungen reichten nicht aus, um dem Fluchtanreiz verlässlich entgegenzuwirken. Die Anordnung und der Vollzug der Auslieferungshaft seien daher geboten, um seine Anwesenheit im Auslieferungsverfahren sicherzustellen und der Auslieferungspflicht der Bundesrepublik Deutschland verlässlich Genüge tun zu können. Mildere Maßnahmen, die diesen Zweck erreichen könnten, erschlössen sich dem Senat gegenwärtig nicht.
14
Soweit der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2024 beantragt habe, „den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben, hilfsweise gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen“, gehe dieser Antrag ins Leere, da vor der heutigen Entscheidung noch kein Auslieferungshaftbefehl gegen ihn erlassen worden sei. Ungeachtet dessen habe der Senat die vorgebrachten Einwendungen gegen die Festhalteanordnung beziehungsweise gegen die Anordnung und den Vollzug der Auslieferungshaft im Rahmen der Entscheidung über den Erlass des vorliegenden Auslieferungshaftbefehls in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und gewürdigt.
15
7. Mit Schreiben vom 30. Dezember 2024 erhob der Beschwerdeführer Gegenvorstellung und beantragte, den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben, hilfsweise gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen.
16
Die ihm vorgeworfene „logistische Unterstützung“ sei ein Oberbegriff für ein breites Spektrum denkbarer Handlungen, beschreibe aber nicht eine konkrete Tathandlung. Die zeitliche Angabe „bis einschließlich 21.03.2023“ nenne nicht einmal eine Zeitspanne, in der die nicht genannte Tatzeit seiner Beteiligung liegen könne. Der Hinweis auf „Bacoli (Na) und anderswo“ sage nicht explizit, dass er tatsächlich in Bacoli gehandelt habe. Es gebe auch keinen Hinweis darauf, wo „anderswo“ sei. Der Europäische Haftbefehl beschreibe keinen Tatbeitrag von ihm, sondern nur ansatzweise die behauptete Tat des vermeintlichen Mittäters. Die Auslieferungshaft sei unverhältnismäßig und nicht hinreichend begründet. Dass weniger einschneidende Maßnahmen wie die Meldung bei der Polizei und die Verwahrung der Ausweispapiere nahelägen, die eine Außervollzugsetzung unter Auflagen geeignet erscheinen ließen, finde in der Begründung des Oberlandesgerichts bisher keine Berücksichtigung. Seine individuelle Situation werde nicht gewürdigt. Auch das Vorliegen der Fluchtgefahr werde nicht tragfähig begründet. Er sei ein rechtschaffener Bürger, der bis zu seinem Unfall seiner Arbeit nachgegangen sei, seine Steuern gezahlt und in keiner Weise bei den hiesigen Ermittlungsbehörden auffällig geworden sei. Er verdiene das Vertrauen, dass er sich einem Verfahren nicht entziehen werde. Das Oberlandesgericht habe verkannt, dass die Beurteilung der Fluchtgefahr die Berücksichtigung aller Umstände des Falles erfordere, insbesondere auch seiner Persönlichkeit, seiner Lebensverhältnisse und seines Vorlebens.
17
8. Mit angegriffenem Beschluss vom 3. Januar 2025, dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Januar 2025 am 10. Januar 2025 zugegangen, entschied das Oberlandesgericht, die Einwendungen gegen den Auslieferungshaftbefehl vom 17. Dezember 2024 zurückzuweisen und den Antrag des Beschwerdeführers, den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen, abzulehnen. Der Auslieferungshaftbefehl bleibe aufrechterhalten. Die Fortdauer der Auslieferungshaft werde angeordnet.
18
Die Auslieferung des Beschwerdeführers erscheine weiterhin zulässig. Die Generalstaatsanwaltschaft habe darüber hinaus mitgeteilt, dass sie die italienischen Behörden bereits mit Schreiben vom 18. Dezember 2024 um Übermittlung des nationalen Haftbefehls, Konkretisierung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tathandlungen sowie um Klarstellung hinsichtlich der Anzahl der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten gebeten habe. Mit einer weiteren Konkretisierung sei vor einer etwaigen Zulässigkeitsentscheidung zu rechnen. Die Auslieferungshaft habe aus den im Auslieferungshaftbefehl angeführten Gründen fortzudauern. Es sei weiterhin von einer Fluchtgefahr auszugehen. Der Senat verkenne nicht, dass der Beschwerdeführer in Deutschland aufgewachsen sei, hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe und über soziale Bindungen verfüge. Im Hinblick auf die voraussichtlich empfindlich hohe Straferwartung im Falle einer Verurteilung sowie die Gesamtwürdigung seiner konkreten Lebensumstände vermöge der Beschwerdeführer mit seinen Anträgen indes nicht durchzudringen. Zu dessen Gesundheitszustand habe der Senat ebenfalls bereits Stellung bezogen. Auf die Ausführungen im Auslieferungshaftbefehl werde ergänzend Bezug genommen.
II.
19
1. Mit der am 2. Januar 2025 eingegangenen Verfassungsbeschwerde, die der Beschwerdeführer mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbindet, rügt er eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sowie aus Art. 2, Art. 4 und Art. 47 Abs. 1 GRCh.
20
Das Oberlandesgericht gehe ohne tragfähige Begründung davon aus, dass der Europäische Haftbefehl eine ausreichende Beschreibung der vorgeworfenen Tat beinhalte. Die vom Oberlandesgericht angesprochenen „formalen Mindestangaben“ lägen nicht vor. Der Auslieferungshaftbefehl enthalte keine Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Auslieferungshaft. Das Oberlandesgericht begründe den von ihm angenommenen Haftgrund der Fluchtgefahr nicht tragfähig, sondern ohne weitere Auseinandersetzung einzig und allein mit der Annahme der – auch nicht weiter begründeten – hohen Straferwartung. Die Straferwartung könne nur als ein Indiz für eine Fluchtgefahr herangezogen werden, wenn man im konkreten Fall begründe, warum ein Tatverdächtiger selber eine hohe Straferwartung habe und deshalb die Flucht ergreifen wolle. So eine Begründung sei gar nicht möglich im vorliegenden Fall, in dem er die ihm vorgeworfene Straftat noch gar nicht kenne. Es werde auch nicht erkennbar, warum das Oberlandesgericht den Vollzug des Auslieferungshaftbefehls nicht wenigstens ausgesetzt habe und warum keine weniger einschneidenden Maßnahmen die Gewähr bieten könnten, dass der Zweck der Auslieferungshaft auch durch sie erreicht werde.
21
Er beantrage zudem den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 17.Dezember 2024 aufgehoben, hilfsweise außer Vollzug gesetzt werde.
22
2. Mit Schreiben vom 14. Januar 2025 erweiterte er seine Verfassungsbeschwerde auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 3. Januar 2025, soweit der Auslieferungshaftbefehl des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2024 aufrechterhalten bleibe.
23
Soweit das Oberlandesgericht auf eine Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Bezug nehme, wonach diese die italienischen Behörden um weitere Informationen und eine Konkretisierung der ihm vorgeworfenen Tathandlungen gebeten habe, werde verkannt, dass die Auskünfte bereits vor dem Erlass eines Auslieferungshaftbefehls hätten erteilt worden sein müssen. Die vom Oberlandesgericht verwendete Formulierung einer „voraussichtlich empfindlich hohe[n] Straferwartung“ verdeutliche, dass gegenwärtig noch nicht bekannt sei, was ihm eigentlich vorgeworfen werde. Der Haftentscheidung vom 3. Januar 2025 fehle es an der erforderlichen Begründungstiefe. Das Oberlandesgericht nehme im Wesentlichen auf die Ausführungen im Auslieferungshaftbefehl Bezug. Im Übrigen werde vom Gericht ausgeführt, dass seine sozialen Bindungen und seine Erkrankung zur Kenntnis genommen worden seien. Eine nachvollziehbare Abwägung mit seinem Freiheitsgrundrecht sei nicht erkennbar. Die Frage der Verhältnismäßigkeit werde nicht erwähnt. Die Möglichkeit der Aussetzung der Auslieferungshaft unter Berücksichtigung milderer Mittel werde nicht behandelt.
24
3. Das Ministerium der Justiz und für Migration des Landes Baden-Württemberg hat von einer Stellungnahme abgesehen.
25
4. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.
III.
26
1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
27
2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2024 und vom 3. Januar 2025 – 301 OAus 173/24 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, weil sie den an eine Entscheidung über die Anordnung und Aufrechterhaltung der Auslieferungshaft zu stellenden Anforderungen an die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe nicht genügen.
28
a) aa) Die Anordnung der Auslieferungshaft und ihre Aufrechterhaltung sind primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu messen. Im Geltungsbereich des Rechts der Europäischen Union hängt die Bestimmung der für deutsche Behörden und Gerichte maßgeblichen Grundrechtsverbürgungen grundsätzlich davon ab, ob die zu entscheidende Rechtsfrage unionsrechtlich vollständig determiniert ist (vgl. BVerfGE 158, 1 <23 Rn. 35 f.> – Ökotox-Daten). Bei der Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichter Regelungen sind grundsätzlich nicht die deutschen Grundrechte, sondern die Unionsgrundrechte maßgeblich (vgl. BVerfGE 152, 216 <233 ff. Rn. 42 ff.> – Recht auf Vergessen II; 156, 182 <197 Rn. 36> – Rumänien II). Die Anwendung unionsrechtlich nicht vollständig determinierten Rechts prüft das Bundesverfassungsgericht primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, auch wenn das innerstaatliche Recht der Durchführung des Unionsrechts dient (vgl. BVerfGE 152, 152 <Leitsatz 1. a, 170 Rn. 45> – Recht auf Vergessen I; 158, 1 <23 Rn. 35>). Dort, wo das Unionsrecht den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume einräumt, zielt es regelmäßig nicht auf eine Einheitlichkeit des Grundrechtsschutzes (vgl. BVerfGE 152, 152 <171 f. Rn. 49 f.>). Dabei greift die Vermutung, dass durch eine Prüfung am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes das Schutzniveau der Charta, wie sie vom Europäischen Gerichtshof ausgelegt wird, in der Regel mitgewährleistet ist (vgl. BVerfGE 152, 152 <175 Rn. 55>). Ob eine Rechtsfrage vollständig unionsrechtlich determiniert ist, richtet sich in aller Regel nach den Normen, aus denen die Rechtsfolgen für den streitgegenständlichen Fall abzuleiten sind, also danach, ob das streitgegenständliche Rechtsverhältnis und die sich aus ihm konkret ergebenden Rechtsfolgen durch das Unionsrecht oder das nationale Recht festgelegt werden. Maßgeblich sind die im konkreten Fall anzuwendenden Vorschriften in ihrem Kontext, nicht eine allgemeine Betrachtung des in Rede stehenden Regelungsbereichs (vgl. BVerfGE 152, 216 <246 f. Rn. 78>; 158, 1 <26 Rn. 42>). Das Verfahren der Überstellung im Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl (RbEuHb) ist vollständig unionsrechtlich determiniert (vgl. BVerfGE 156, 182 <197 Rn. 35 m.w.N.>). Art. 12 RbEuHb, wonach im Fall der Festnahme einer Person aufgrund eines Europäischen Haftbefehls die vollstreckende Justizbehörde entscheidet, ob die gesuchte Person nach Maßgabe des Rechts des Vollstreckungsmitgliedstaats in Haft zu halten ist, unterstellt die Frage der Inhaftierung einer betroffenen Person allerdings dem nationalen Recht. Eine vollständige unionsrechtliche Determinierung liegt somit insoweit nicht vor (vgl. bereits BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 – 2 BvR 2655/17 -, Rn. 18).
29
bb) Die Anordnung der Auslieferungshaft stellt ebenso wie die Anordnung der Untersuchungshaft einen staatlichen Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit dar, der nur aufgrund eines Gesetzes und nur dann erfolgen darf, wenn überwiegende Belange des Gemeinwohls dies zwingend gebieten (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG; BVerfGE 53, 152 <158>; 61, 28 <32>). Die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Anordnung der Auslieferungshaft bildet § 15 Abs. 1 IRG. Während gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft nur dann angeordnet werden kann, wenn die Gefahr besteht, dass er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde, ermöglicht § 25 IRG eine Außervollzugsetzung eines Auslieferungshaftbefehls, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Gewähr bieten, dass der Zweck der Auslieferungshaft auch durch sie erreicht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 – 2 BvR 2655/17 -, Rn. 20).
30
cc) Die Auslieferungshaft ist als Maßnahme der internationalen Rechts- und Amtshilfe Teil der gegen den Verfolgten durchgeführten Strafverfolgung insgesamt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Februar 2000 – 2 BvR 66/00 -, Rn. 12; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 – 2 BvR 2655/17 -, Rn. 21). Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Auslieferungshaft sowie bei der Entscheidung über ihren fortdauernden Vollzug ist – wie auch im Rahmen der Untersuchungshaft – stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den Bedürfnissen einer funktionierenden Strafrechtspflege und eines funktionierenden zwischenstaatlichen Rechtshilfeverkehrs zu beachten. Grundsätzlich darf einer Person nur nach einer rechtskräftigen Verurteilung die Freiheit entzogen werden. Der vorherige Entzug der Freiheit ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <370 f.>), nur ausnahmsweise zulässig. Den zur Durchführung der Auslieferung erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen muss daher der Freiheitsanspruch der betroffenen Person als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 – 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 32; vgl. hinsichtlich der Haftdauer zudem BVerfGE 19, 342 <347>; 20, 34 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; 61, 28 <34 ff.>; BVerfGK 15, 474 <479>; zum Zweck der Auslieferungshaft BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Februar 2000 – 2 BvR 66/00 -, Rn. 14; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 – 2 BvR 2655/17 -, Rn. 21; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juli 2019 – 2 BvR 419/19 -, Rn. 44).
31
dd) Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>). Verfahren, mit denen die Fortdauer der Haft gerichtlich überprüft wird, müssen deshalb so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG besteht. Dem ist vor allem durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 – 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 – 2 BvR 1275/16 -, Rn. 47; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. August 2017 – 2 BvR 2039/16 -, Rn. 41; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 – 2 BvR 2655/17 -, Rn. 22; zu verfassungsrechtlich unterlegten Begründungsanforderungen vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>). Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich mit den Voraussetzungen für den (fortdauernden) Vollzug der Haft eingehend auseinanderzusetzen und ihre Entscheidungen entsprechend zu begründen. In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung beziehungsweise Aufrechterhaltung der Haft aktuelle Ausführungen zu dem (weiteren) Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen und den hierzu in Widerstreit stehenden Interessen sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>; 19, 428 <433>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 – 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 – 2 BvR 2655/17 -, Rn. 22; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juli 2020 – 2 BvR 1242/20 -, Rn. 4).
32
ee) Diese Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Gericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 – 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 39; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 – 2 BvR 1275/16 -, Rn. 47; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. August 2017 – 2 BvR 2039/16 -, Rn. 41; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 – 2 BvR 2655/17 -, Rn. 23; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juli 2020 – 2 BvR 1242/20 -, Rn. 4).
33
b) Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben genügen die angegriffenen Beschlüsse nicht.
34
aa) Es bestehen bereits verfassungsrechtliche Bedenken, ob die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht die Fluchtgefahr bejaht hat, der verfassungsrechtlich gebotenen Begründungstiefe genügen. Die Ausführungen des Gerichts lassen besorgen, dass es die Fluchtgefahr allein auf die – nicht näher erläuterte – hohe Straferwartung gestützt hat.
35
Die hohe Strafandrohung vermag nach der bisherigen fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur eine Fluchtgefahr indes nicht allein zu belegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 – 2 BvR 2655/17 -, Rn. 25; vgl. Böhm, in: Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 15 IRG Rn. 36 m.w.N. <Dezember 2008>; König/Voigt, in: Ambos/König/Rackow, Rechtshilferecht in Strafsachen, 2. Aufl. 2020, § 15 IRG Rn. 191; Hackner, in: Schomburg/Lagodny/ Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl. 2020, § 15 IRG Rn. 19a; siehe auch BGH, Beschluss vom 4. November 1970 – 4 ARs 43/170 -, BGHSt 23, 380 <383>), sondern kann lediglich Ausgangspunkt der vorzunehmenden intensiven Einzelfallprüfung sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 – 2 BvR 2655/17 -, Rn. 25; Hackner, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl. 2020, § 15 IRG Rn. 19a m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 3. März 2009 – [2] 4 Ausl A 21/09 [62/09] -, juris, Rn. 9; OLG Bremen, Beschluss vom 14. März 2013 – Ausl A 6/13 -, juris, Rn. 7). Zwar hat das Oberlandesgericht in den angegriffenen Beschlüssen ohne nähere Begründung festgehalten, dass die bekannten persönlichen und sozialen Bindungen des Beschwerdeführers nicht ausreichten, um dem Fluchtanreiz verlässlich entgegenzuwirken, und somit im Kontext der Fluchtgefahr nicht nur die Straferwartung angeführt. Dennoch erscheint es zweifelhaft, ob das Gericht der gebotenen Begründungstiefe insoweit genügt hat.
36
bb) Jedenfalls erreicht die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe. Das Oberlandesgericht stellt in dem Beschluss vom 17. Dezember 2024 nach den Ausführungen zur Fluchtgefahr lediglich pauschal fest, dass mildere Maßnahmen, um die Anwesenheit des Beschwerdeführers im Auslieferungsverfahren sicherzustellen, nicht ersichtlich seien. In dem Beschluss vom 3. Januar 2025 wird ohne weitere Ausführungen festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf die voraussichtlich empfindlich hohe Straferwartung im Falle einer Verurteilung sowie „die Gesamtwürdigung seiner konkreten Lebensumstände“ mit seinen Anträgen nicht durchzudringen vermöge und dass das Gericht zu seinem Gesundheitszustand bereits Stellung bezogen habe. Allerdings ist der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers im Beschluss vom 17. Dezember 2024 unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Bewilligungshindernisses für eine spätere Überstellung, nicht hingegen im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Auslieferungshaft, etwa mit Blick auf die von ihm vorgetragene besondere Haftempfindlichkeit, angesprochen worden.
37
Eine verfassungsrechtlich notwendige Abwägungsentscheidung des Gerichts, die erkennen lässt, dass es sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls, hier etwa der Art, des Umfangs, der Stetigkeit und Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im ersuchten Staat sowie der sozialen, familiären und persönlichen Bindungen (vgl. Böhm, in: Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 15 IRG Rn. 38 f. m.w.N. <Dezember 2008>), ernstlich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung auseinandergesetzt hat, fehlt in den angegriffenen Beschlüssen. Gleiches gilt für die Offenlegung der Gesichtspunkte, die das Gericht als maßgeblich erachtet hat, um ein Überwiegen des Interesses, die Durchführung des Auslieferungsverfahrens und der Auslieferung zu sichern, gegenüber dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen zu rechtfertigen. Auch eine nachvollziehbare Prüfung weniger einschneidender Maßnahmen – etwa die Aussetzung des Vollzugs des Auslieferungshaftbefehls unter Auflagen – unterbleibt. Die Ausführungen des Gerichts hierzu erschöpfen sich vielmehr in der pauschalen Wendung, mildere Maßnahmen erschlössen sich dem Senat gegenwärtig nicht.
38
c) Ob die angegriffenen Beschlüsse weitere Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzen, kann vor dem Hintergrund der bereits festgestellten Rechtsverletzung offenbleiben. Daher bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob der Europäische Haftbefehl hinreichend bestimmt ist, um Grundlage für die Anordnung einer Auslieferungshaft sein zu können (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. April 2015 – 2 BvR 221/15 -, Rn. 19; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 – 2 BvR 1860/15 -, Rn. 25; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Februar 2023 – 2 BvR 2009/22 -, Rn. 32).
IV.
39
Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2024 und vom 3. Januar 2025 – 301 OAus 173/24 – werden aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2, § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Das Oberlandesgericht wird unter Beachtung der dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen erneut über den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zu entscheiden haben. Dabei werden insbesondere die konkreten persönlichen Lebensumstände des Beschwerdeführers einschließlich seiner familiären Verhältnisse und seines offenbar straffreien Vorlebens zu würdigen sein.
V.
40
Mit der Entscheidung der Hauptsache erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfGE 7, 99 <109>; 100, 266 <270>).
VI.
41
1. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34 Abs. 2 BVerfGG.
42
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen über die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsrechtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).