Beschluss des BGH 1. Strafsenat vom 07.01.2025, AZ 1 StR 393/23

BGH 1. Strafsenat, Beschluss vom 07.01.2025, AZ 1 StR 393/23, ECLI:DE:BGH:2025:070125B1STR393.23.2

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 7. Januar 2025, Az: 1 StR 393/23, Beschluss
vorgehend BGH, 7. Januar 2025, Az: 1 StR 393/23, Beschluss

vorgehend LG Hamburg, 23. März 2023, Az: 620 KLs 2/22

Tenor

1. Auf die Revision der Einziehungsbeteiligten B.                                        GmbH wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. März 2023 – soweit es sie betrifft – aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.

2. In den Fällen 48, 50 bis 54, 57 bis 59, 62, 64 und 66 bis 68 der Anklage entfällt die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen; im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten B.                wegen Steuerhinterziehung in 21 Fällen verurteilt. Gegen die Einziehungsbeteiligte hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 312.886 Euro angeordnet. Die Revision des Angeklagten B.                 hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage verworfen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Einziehungsbeteiligten ist überwiegend begründet.

2

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verpachtete der Angeklagte B.               , der alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der B.                                       GmbH war, dieser als Einzelunternehmer Material für den von ihr ausgeübten Gerüstbau. Zwischen ihm und der Einziehungsbeteiligten bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft mit ihm als Organträger und der Einziehungsbeteiligten als Organgesellschaft. Die Umsätze der Einziehungsbeteiligten erklärte er in seinen Umsatzsteuererklärungen. Dabei zog er auch Vorsteuer aus an die Einziehungsbeteiligte gerichteten Rechnungen ab, obwohl er zumindest billigend in Kauf nahm, dass er hierzu nicht berechtigt war, weil die Aussteller der Rechnungen nicht identisch mit dem Erbringer der darin abgerechneten Leistungen waren. Dies führte in den Fällen 48, 50 bis 54, 57 bis 59, 62, 64 und 66 bis 68 der Anklage jeweils zu einer zu niedrigen Umsatzsteuerzahllast, in den Fällen 49, 55 und 56, 60 und 61, 63 und 65 der Anklage zu ungerechtfertigten Umsatzsteuerrückerstattungen.

3

2. Die gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Einziehungsanordnung ist aufzuheben, weil die Einziehungsbeteiligte nach den bisherigen Feststellungen selbst nichts erlangte.

4

a) Soweit die Taten in den Fällen 48, 50 bis 54, 57 bis 59, 62, 64 und 66 bis 68 der Anklage jeweils zu einer zu niedrigen Umsatzsteuerzahllast führten, entfällt die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen. Zwar kann erlangt im Sinne des § 73 StGB auch eine Steuerersparnis sein. Die Steuerersparnis erlangt jedoch nur der Steuerpflichtige, der diese nicht weiterreichen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2023 – 1 StR 472/22 Rn. 2; vom 8. Februar 2023 – 1 StR 376/22 Rn. 11 und vom 8. März 2023 – 1 StR 22/23 Rn. 9). Steuerpflichtiger ist bei einer Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG allein der Organträger, nicht die Organgesellschaft (vgl. BFH, Urteil vom 18. Januar 2023 – XI R 29/22 [XI R 16/18], BFHE 279, 320 Rn. 23 ff.), mithin hier der Angeklagte B.                , nicht die Einziehungsbeteiligte.

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b) Auch soweit die Taten in den Fällen 49, 55 und 56, 60 und 61, 63 und 65 der Anklage zu ungerechtfertigten Umsatzsteuerrückerstattungen führten, erlangte die Einziehungsbeteiligte nach den bisherigen Feststellungen nichts. Denn auch diese fließen grundsätzlich an die Organträgerin als Steuerpflichtige, nicht die Organgesellschaft. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Angeklagte B.                zu Unrecht ausgezahlte Umsatzsteuererstattungen an die Einziehungsbeteiligte unter die Einziehung begründenden Umständen übertrug (§ 73b Abs. 1 Satz 1 StGB), hat das Landgericht nicht festgestellt. Insoweit erscheint aber eine weitergehende Aufklärung möglich.

6

3. Die – lückenhaften – Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird ergänzende, nicht widersprechende Feststellungen zu etwaigen Zahlungszuflüssen bei der Einziehungsbeteiligten zu treffen haben, wenn es hierauf die Einziehungsanordnung stützen will.

7

4. Das Verfahren ist von dem Senat vier Monate nicht gefördert worden. Offenbleiben kann, ob diese Verzögerung mit Blick auf den bestehenden Arrestbeschluss, dessen Vollstreckung die Beschwerdeführerin durch Hinterlegung abgewendet hat, gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verstößt. Denn eine Kompensation im Wege des Vollstreckungsmodells ist in § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG ausschließlich für immaterielle Schäden des Beschuldigten, nicht der übrigen Verfahrensbeteiligten vorgesehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2023 – 3 StR 192/18 Rn. 48 f.).

Jäger                         Wimmer                         Bär

            Leplow                      Welnhofer-Zeitler

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