BVerwG 4. Senat, Urteil vom 26.09.2024, AZ 4 C 3/23, ECLI:DE:BVerwG:2024:260924U4C3.23.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 27. Februar 2023, Az: 10 A 1136/22, Urteil
vorgehend VG Düsseldorf, 8. April 2022, Az: 25 K 6111/19, Urteil
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Februar 2023 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
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Die Klägerin, eine Stadt im Ruhrgebiet, wendet sich gegen einen der Beigeladenen erteilten bauplanungsrechtlichen Vorbescheid für einen Sportfachmarkt in der beklagten Nachbarstadt.
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Das Vorhabengrundstück ist nahezu identisch mit dem etwa 2,5 ha großen Plangebiet des im Februar 2019 beschlossenen vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 27 – B. – der Beklagten, der ein sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Großflächiger Einzelhandelsbetrieb – Sportfachmarkt“ festsetzt. Zuvor lag es im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 465 – Gelände des ehemaligen Stahlwerks Ost im Stadtteil Neue Mitte – in der Fassung der 1. Änderung. Diese setzt weite Teile ihres Plangebiets – darunter auch einen großen Teil des Vorhabengrundstücks – als Kerngebiet oder als Gewerbegebiet fest. Nach Nr. 1 ihrer textlichen Festsetzungen sind auf allen als Kerngebiet festgesetzten Flächen Handelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauNVO unzulässig. Der ursprüngliche Bebauungsplan Nr. 465 – O. – enthielt eine inhaltsgleiche Festsetzung. Dieses Plangebiet wird ringförmig vom B. erschlossen. Das Vorhabengrundstück liegt innerhalb des B. und wird auf der westlichen und nordwestlichen Seite von dieser Straße begrenzt. Innerhalb des Rings schließen sich östlich bzw. nordöstlich ein Möbelmarkt und ein Baumarkt an; südlich des Vorhabengrundstücks finden sich – jedenfalls seit 2021 – ein Fachgeschäft für Brautmoden/Hochzeitsartikel und östlich hiervon eine Freizeitanlage. Außerhalb des Rings finden sich im westlichen Plangebiet Hotels, Restaurants, ein Arbeitsbekleidungsausstatter, eine Spielhalle, ein Lebensmittel-Discountmarkt und vom Fraunhofer-Institut genutzte Gebäude.
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Auf die Klage der wie die Beklagte als Mittelzentrum ausgewiesenen Klägerin hob das Verwaltungsgericht den Vorbescheid auf: Er sei, was die festgelegte Verkaufsfläche von 800 m2 für zentrenrelevante Sortimente angehe, zu deren Lasten unbestimmt. Die Beklagte konkretisierte daraufhin den Vorbescheid hinsichtlich der Verkaufsfläche.
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Auf die Berufung der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ein Abwehrrecht der Klägerin ergebe sich weder aus Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans, dessen Unwirksamkeit im parallel geführten Normenkontrollverfahren festgestellt worden sei, noch aus solchen der Vorgängerbebauungspläne, die jeweils unwirksame und zur Gesamtunwirksamkeit führende textliche Festsetzungen enthielten. Auch § 34 Abs. 3 BauGB verhelfe der Klage nicht zum Erfolg. Die Vorschrift sei anwendbar. Das Vorhabengrundstück liege, wie bereits vom Verwaltungsgericht ausgeführt, jedenfalls im für die Beurteilung insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. § 34 Abs. 3 BauGB stehe dem Vorhaben aber nicht entgegen. Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche seien nicht zu erwarten. Das Vorhaben mit der aufgrund der Klarstellung verbindlichen Verkaufsflächenobergrenze für zentrenrelevante Sortimente bewirke voraussichtlich keine so nachhaltige Störung der Funktionsfähigkeit der zentralen Versorgungsbereiche im Stadtgebiet der Klägerin, dass diese ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen könnten. Nach dem Ergebnis der Auswirkungsanalyse lägen die Umsatzumverteilungen im gesamten Sportsegment, das in der Innenstadt der Klägerin noch von einem Sport- und einem Waffengeschäft bedient werde, unterhalb einer rechnerischen Nachweisgrenze. Vor diesem Hintergrund könne dem Vorhaben auch eine Verstärkung einer durch andere Einzelhandelsvorhaben verursachten (Vor-)Schädigung nicht zugerechnet werden. Es sei ferner weder dargetan noch erkennbar, dass durch die Zulassung des Vorhabens – eine Vorschädigung unterstellt – eine „Erholung“ des zentralen Versorgungsbereichs Innenstadt erschwert oder unmöglich gemacht würde. Ein weitergehendes Abwehrrecht der Klägerin folge schließlich nicht aus § 2 Abs. 2 BauGB. Denn mit der Einfügung von § 34 Abs. 3 BauGB habe der Gesetzgeber eine von ihm identifizierte Lücke im Prüfungsprogramm der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 34 BauGB geschlossen. Deswegen sei § 2 Abs. 2 BauGB bei der Zulassung von Einzelvorhaben im unbeplanten Innenbereich nicht mehr zu beachten. Überdies habe die Beklagte hier der Beigeladenen nicht – wie von der früheren Rechtsprechung vorausgesetzt – einen Zulassungsanspruch unter Missachtung des interkommunalen Abstimmungsgebots verschafft.
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Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor: Ihr Nachbarschutz richte sich nicht nach § 34 Abs. 3 BauGB; vielmehr könne sie sich auf eine Verletzung von § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB berufen. Das Vorhabengrundstück liege – auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – nicht im unbeplanten Innenbereich, sondern im Außenbereich. Die gegenteilige Feststellung sei für das Revisionsgericht nicht bindend, weil die Wertung des Berufungsgerichts auf einem Rechtsirrtum beruhe. Auch bei Zuordnung des Vorhabengrundstücks zum unbeplanten Innenbereich sei § 34 Abs. 3 BauGB nicht anwendbar. Die Vorschrift setze die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB voraus. Dies sei hier nicht der Fall, weil das Vorhaben sich jedenfalls hinsichtlich des Merkmals der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Ungeachtet des Inkrafttretens des § 34 Abs. 3 BauGB sei hier ein Abwehranspruch nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht ausgeschlossen. Denn die Beklagte habe – wie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorausgesetzt – der Beigeladenen unter Missachtung des interkommunalen Abstimmungsgebots einen Zulassungsanspruch verschafft, indem sie durch Aufstellung des mittlerweile für unwirksam erklärten Bebauungsplans „die Weichen in Richtung Zulassungsentscheidung gestellt“ habe. Jedenfalls sei im Planverfahren auch § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu ihren Lasten verletzt worden. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht schädliche Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB angesichts der Vorschädigung zentraler Versorgungsbereiche der Klägerin zu Unrecht verneint.
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Die Beklagte und die Beigeladene treten der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
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Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 i. V. m. § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
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Die Revision ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 2 VwGO). Zutreffend hat das Berufungsgericht den von der Klägerin geltend gemachten Abwehranspruch tragend an der für Nachbargemeinden drittschützenden Norm des § 34 Abs. 3 BauGB gemessen (1.) und einen Verstoß gegen diese Bestimmung zu Recht verneint (2.)
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1. Nach § 34 Abs. 3 BauGB dürfen von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erstreckt sich auf alle Vorhaben, die im unbeplanten Innenbereich verwirklicht werden sollen; es kommt nicht darauf an, ob sie sich nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen und insoweit zulässig sind (BVerwG, Urteil vom 24. April 2024 – 4 C 1.23 – juris Rn. 38 f.). Die Vorschrift versteht sich als abschließende Regelung; für einen Abwehranspruch der Nachbargemeinde nach Maßgabe der „Weichenstellungsrechtsprechung“ ist bei Vorhaben im unbeplanten Innenbereich kein Raum mehr (BVerwG, Urteil vom 24. April 2024 – 4 C 1.23 – juris Rn. 34).
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Die Annahme des Berufungsgerichts, § 34 Abs. 3 BauGB sei hier einschlägig, steht mit Bundesrecht in Einklang.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass das Vorhabengrundstück nicht im Geltungsbereich eines wirksamen Bebauungsplans liegt. Gegen die näher begründete Rechtsauffassung, dass die Vorgängerbebauungspläne des im parallelen Normenkontrollverfahren rechtskräftig für unwirksam erklärten vorhabenbezogenen Bebauungsplans wegen einer unzulässigen Festsetzung ebenfalls unwirksam sind, bringen die Beteiligten nichts vor. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Ansicht unzutreffend sein könnte.
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Des Weiteren ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verwirklicht werden soll. Diese tatrichterliche Würdigung der örtlichen Verhältnisse ist für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt dieser nicht irriger Weise ein unzutreffender Rechtsmaßstab zugrunde mit der Folge, dass die Bindungswirkung entfiele (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 – 4 C 5.14 – BVerwGE 152, 275 Rn. 16). Das Berufungsgericht hat die Tatbestandsmerkmale des „Ortsteils“ und „im Zusammenhang bebaut“ nicht in unzulässiger Weise vermengt. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Bezugnahme (UA S. 17) auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, welche vom Berufungsgericht bezogen auf den Bebauungszusammenhang ergänzt werden. Im erstinstanzlichen Urteil (UA S. 26) wird nämlich festgestellt, dass das Vorhabengrundstück „nunmehr … an dem Bebauungszusammenhang des Ortsteils teil(nimmt), welcher sich schon in den letzten Jahren jenseits der Fahrbahn des B. erstreckte“.
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2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht festgestellt, dass vom angefochtenen Vorhaben schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche der Klägerin nicht zu erwarten sind.
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Schädliche Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB sind dann zu erwarten, wenn das Vorhaben die Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche der Standortgemeinde so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen können (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 – 4 C 7.07 – BVerwGE 129, 307 Rn. 14 f.). Bei der gebotenen prognostischen Bewertung sind diejenigen Auswirkungen zugrunde zu legen, die typischerweise von einem Betrieb der Art, wie er zur Genehmigung gestellt wird, an der betreffenden Stelle zu erwarten sind. Als taugliche Kriterien können insbesondere eine Umsatzumverteilung bzw. ein Kaufkraftabfluss herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – 4 C 1.08 – BVerwGE 136, 18 Rn. 14, 16). Bei der Ermittlung der Schädlichkeitsschwelle sind die Auswirkungen bereits vorhandener Einzelhandelsbetriebe und insoweit „Vorschädigungen“ zu berücksichtigen, um zu verhindern, dass ein bereits beeinträchtigter, vom Funktionsverlust bedrohter Versorgungsbereich sich weiter funktionell verschlechtert. Auch soll ihm eine „Erholung“ nicht durch die Zulassung von Vorhaben erschwert oder unmöglich gemacht werden, welche die Schädigung verstärken (BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 4 B 43.16 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 222 Rn. 4). Bei der Prüfung des Vorliegens schädlicher Auswirkungen ist grundsätzlich zu beachten, dass sie einem Vorhaben nicht schon dann entgegengehalten werden können, wenn sie lediglich möglich erscheinen. Voraussetzung ist vielmehr, dass eine hinreichend gesicherte Tatsachenbasis besteht, mit der sich die Erwartung schädlicher Auswirkungen begründen lässt (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – 4 C 1.08 – BVerwGE 136, 18 Rn. 12).
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An diesen rechtlichen Vorgaben hat das Berufungsgericht seine Prüfung ausgerichtet. Entgegen der Rüge der Klägerin hat es bei einer unterstellten Vorschädigung ihres zentralen Versorgungsbereichs Innenstadt durch das auf dem Gebiet der Beklagten betriebene Einkaufszentrum „C.“ (weitere) schädliche Auswirkungen nicht unter Anwendung unzutreffender rechtlicher Maßstäbe verneint.
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In ihrem Vorbringen zu einer behaupteten Fehlgewichtung ihrer städtebaulichen Belange im Rahmen der planerischen Abwägungsentscheidung beim vorhabenbezogenen Bebauungsplan, der Sache nach aber auch für die Frage der schädlichen Auswirkungen von Belang, nimmt die Klägerin Bezug auf den Beschluss des Senats vom 12. Januar 2017 – 4 B 43.16 – (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 222) und hebt die vom Senat „mit dem Oberverwaltungsgericht“ bejahte Frage (Rn. 3) hervor. Danach sind im Falle einer Vorschädigung eines zentralen Versorgungsbereichs durch vorhandene, außerhalb dieses Versorgungsbereichs gelegene Einzelhandelsbetriebe generell schon dann schädliche Auswirkungen durch einen neu hinzutretenden Einzelhandelsbetrieb zu erwarten, wenn dieser, ohne dass es auf den von ihm zu erwartenden konkreten Kaufkraftabfluss oder andere Einzelfallumstände ankommt, die Vorschädigung lediglich verstärkt. Wollte man diese Passage so verstehen, dass auch ohne Kaufkraftabfluss eine weitere im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB beachtliche Verstärkung schädlicher Auswirkungen möglich wäre, hätte die Argumentation des Berufungsgerichts keinen Bestand. Denn es hat die Vorschädigung unterstellt, weitere schädliche Auswirkungen im Sinne einer Verstärkung aber deswegen verneint, weil ausweislich eines Gutachtens die Umsatzumverteilung sich unterhalb der Nachweisgrenze bewege.
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Dem von der Klägerin vertretenen Verständnis der Ausführungen des Senats ist aber nicht zu folgen. Eine entsprechende Rechtsansicht, die vom Senat bestätigt werden könnte, findet sich nicht in dem in jenem Verfahren angegriffenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 29. Juni 2016 – 1 LB 7/14 – (juris Rn. 33 ff.). Vielmehr wird darin – insoweit in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 11. Oktober 2007 – 4 C 7.07 – BVerwGE 129, 307 Rn. 16) – auf die Umsatzumverteilung und den Kaufkraftabfluss als Voraussetzung einer nicht nur unwesentlichen Steigerung bereits gegebener Störungen abgestellt. Auch den weiteren Ausführungen im betreffenden Beschluss, der letztlich entscheidend auf „eine Intensivierung einer bereits gegenwärtigen Gefährdung der Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereichs als schädliche Auswirkungen“ abstellt, ist für eine positive Antwort auf die wiedergegebene Frage nichts zu entnehmen.
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Im Übrigen ist nicht plausibel, dass eine Verstärkung der Schädigung zentraler Versorgungsbereiche ohne Umsatzumverteilung und Kaufkraftabfluss zu deren Lasten angenommen werden könnte. Zentrale Versorgungsbereiche setzen rentable und damit lebensfähige Einzelhandelsbetriebe voraus. Der Umsatz ist hierfür ein bedeutender und in der Regel der ausschlaggebende Parameter. Umsatzeinbußen durch den Eintritt neuer Marktteilnehmer können nach verschiedenen Methoden – unter anderem, wie hier geschehen, durch Marktgutachten – prognostiziert werden.
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Mit der für sich genommen missverständlichen Erwähnung der Entbehrlichkeit eines „konkreten Kaufkraftabflusses“ soll demnach zum Ausdruck gebracht werden, dass allgemeine Orientierungswerte oder „Richtgrößen“, bei deren Erreichen nach in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretener Auffassung bei isolierter Betrachtung von schädlichen Auswirkungen auszugehen ist – hier wird etwa auf einen Schwellenwert von 10% abgestellt (vgl. die Rechtsprechungsbeispiele bei Söfker/Hellriegel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand April 2024, § 34 Rn. 86l) -, in dieser Situation nicht maßgeblich sind (Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand August 2024, § 34 Rn. 59.3). Vielmehr ist bei der gebotenen summierenden/kumulierenden Betrachtungsweise, die eine sukzessive Vorgehensweise – im Sinne einer „Salamitaktik“- erfasst, jede nicht nur unwesentliche Steigerung der Störungen zu berücksichtigen.
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Ohne Erfolg wendet die Klägerin sich schließlich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, eine Erschwerung der Erholung des zentralen Versorgungsbereichs erfordere die konkrete Perspektive einer (erneuten) Ansiedlung eines Einzelhandelsbetriebs, die durch das Vorhaben infrage gestellt werde. Ihre abweichende Auffassung stützt die Klägerin auf die Vermutungswirkung des § 11 Abs. 3 Satz 1, 3 BauNVO. Diese Vermutung ist im Rahmen des § 34 Abs. 1 und 3 BauGB aber weder unmittelbar noch kraft gesetzlicher Verweisung anwendbar (BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 2009 – 4 B 3.09 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 34 Rn. 9). Vielmehr gilt – wie bereits ausgeführt – auch insoweit, dass allein die Möglichkeit schädlicher Auswirkungen für den Versagungsgrund nach § 34 Abs. 3 BauGB nicht ausreicht. Die Erwartung schädlicher Auswirkungen oder deren Verstärkung kann nur dann bejaht werden, wenn es hierfür eine gesicherte Grundlage in den tatsächlichen Umständen gibt. Hiernach ist gegen die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts nichts zu erinnern.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.