Beschluss des BVerwG 6. Senat vom 22.10.2024, AZ 6 BN 2/24

BVerwG 6. Senat, Beschluss vom 22.10.2024, AZ 6 BN 2/24, ECLI:DE:BVerwG:2024:221024B6BN2.24.0

Verfahrensgang

vorgehend OVG Lüneburg, 31. Januar 2024, Az: 11 KN 284/21, Urteil

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2024 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die vom Antragsgegner erlassene Verordnung über das Verbot der Prostitution im Teilgebiet Braunschweig des Bezirks der Polizeidirektion Braunschweig in der am 15. August 2022 bekanntgemachten Fassung (Nds. MBl. 2022 S. 1215) – im Folgenden: Sperrgebietsverordnung. Diese Verordnung enthält ein stadtweites generelles Verbot der Straßen- und Bordellprostitution sowie der Prostitution in Prostitutionsfahrzeugen in Braunschweig und nimmt hiervon fünf so bezeichnete Toleranzzonen aus (§ 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 6 a), b) und d), § 3 Sperrgebietsverordnung). Die Wohnungsprostitution wird in § 1 Abs. 6 c) Sperrgebietsverordnung näher definiert, allerdings nicht verboten. Darüber hinaus sehen § 2 Abs. 2 sowie § 4 Sperrgebietsverordnung Abweichungen für die Prostitutionsstätten in der Bruchstraße sowie für bestimmte bereits bestehende Einrichtungen vor.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines bebauten Eckgrundstücks im unbeplanten Innenbereich der Stadt Braunschweig. Das Grundstück liegt außerhalb der in der Sperrgebietsverordnung ausgewiesenen Toleranzzonen, mithin in der für die Ausübung der Prostitution mit Ausnahme der Wohnungsprostitution definierten Verbotszone. In dem Gebäude befinden sich ein vietnamesischer Schnellimbiss, eine Spielhalle sowie Wohnungen. Die Antragstellerin beabsichtigt, in den Wohnungen zukünftig eine Prostitutionsstätte zu betreiben. Die Bauaufsichtsbehörde lehnte die Erteilung eines Bauvorbescheides für diese Umnutzung der Wohnungen ab. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet. Das Vorhaben der Antragstellerin stelle jedoch einen für ein allgemeines Wohngebiet störenden Gewerbebetrieb dar. Nach der vorgelegten Betriebsbeschreibung sei der geplante Geschäftsbetrieb darauf angelegt, die Wohnungen vorübergehend, typischerweise nur wenige Tage oder eine Woche, wechselnden Prostituierten anzubieten. Dadurch fehle es an einem für Wohnungsprostitution typischen wohnähnlichen Erscheinungsbild. Ohnehin sei die angestrebte Umnutzung der Wohnungen nach der Sperrgebietsverordnung ordnungsrechtlich verboten. Infolgedessen mangele es der Antragstellerin an dem erforderlichen Sachbescheidungsinteresse für die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens.

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Am 8. September 2021 hatte die Antragstellerin zunächst gegen die im Wesentlichen wortgleiche Sperrgebietsverordnung des Antragsgegners vom 28. Mai 2021 einen Normenkontrollantrag erhoben, später allerdings die am 15. August 2022 bekanntgemachte Sperrgebietsverordnung einbezogen und den auf die frühere Verordnung bezogenen Antrag zurückgenommen. Sie begründet ihre Antragsbefugnis mit dem von der Bauaufsichtsbehörde angenommenen fehlenden Sachbescheidungsinteresse. Die bauaufsichtliche Entscheidung sei fehlerhaft und werde angegriffen. Überwiegendes spreche dafür, dass allein die Sperrgebietsverordnung dem geplanten Vorhaben entgegenstünde. Die Antragstellerin meint, die Sperrgebietsverordnung sei materiell rechtswidrig. Ein rechtmäßiger Abwägungsvorgang erfordere eine Bestandsaufnahme der örtlichen Gegebenheiten und der Wechselwirkungen mit dem Jugendschutz sowie dem öffentlichen Anstand im Stadtgebiet. Hieran mangele es. Zudem seien die ausgewiesenen Toleranzzonen aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht geeignet, das Prostitutionswesen in Braunschweig weiter aufzunehmen. Die angegriffene Verordnung genüge nicht den in der Ermächtigungsgrundlage enthaltenen Anforderungen an die räumliche Ausdehnung des Sperrgebiets.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat das Verfahren eingestellt, soweit die Antragstellerin ihren Antrag zurückgenommen hat. Im Übrigen hat es § 2 Abs. 1 Satz 1, soweit er die Bordellprostitution gemäß § 1 Abs. 6 b) betrifft, und § 3 Sperrgebietsverordnung für unwirksam erklärt. Der Normenkontrollantrag sei zulässig. Insbesondere fehle es nicht an der Antragsbefugnis, obwohl die Antragstellerin nach ihrem eigenen Verständnis eine von der Sperrgebietsverordnung nicht verbotene Wohnungsprostitutionsstätte plane. Denn die Bauaufsichtsbehörde habe mit überzeugenden Gründen ausgeführt, dass es sich bei der zur Genehmigung gestellten Prostitutionsstätte nicht um einen Fall der Wohnungsprostitution handele, sondern um einen Bordellbetrieb. Da die baurechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens nicht offensichtlich sei, lasse sich auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin nicht verneinen. Es sei nämlich zweifelhaft, ob die nähere Umgebung des Grundstücks der Antragstellerin tatsächlich – wie von der Bauaufsichtsbehörde angenommen – einem allgemeinen Wohngebiet entspreche. Die Nichtigerklärung verbessere die Rechtsstellung der Antragstellerin, weil die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ihres Vorhabens nicht geklärt zu werden bräuchte, wenn es bereits aufgrund der Sperrgebietsverordnung unzulässig wäre.

5

Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Die Sperrgebietsverordnung sei materiell rechtswidrig. Denn die Verordnung halte sich in räumlicher Hinsicht nicht in dem von der Ermächtigungsgrundlage in Art. 297 Abs. 1 EGStGB vorgegebenen Rahmen. Es sei nicht ersichtlich, dass der erforderliche Zusammenhang zwischen Schutzgut und Ausdehnung der Sperrgebietsverordnung durchgehend für den gesamten Geltungsbereich der Verbotszone bestehe. Ob dabei die vom Antragsgegner gewählte Regelungstechnik schon für sich genommen rechtsfehlerhaft sei, könne offenbleiben. Jedenfalls habe der Verordnungsgeber in der Konsequenz seiner Regelungstechnik in fehlerhafter Weise ein generelles Sperrgebiet bestimmt, ohne dessen konkrete Schutzbedürftigkeit zu prüfen. Überdies seien dem Antragsgegner auch bei der Auswahl der Toleranzzonen Rechtsfehler unterlaufen, weil er nicht untersucht habe, inwieweit die ausgewiesenen Zonen für den beabsichtigten Zweck überhaupt zur Verfügung stünden.

6

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der die Antragstellerin entgegentritt.

II

7

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die mit ihr aufgeworfenen und vom Antragsgegner als grundsätzlich bedeutsam erachteten Rechtsfragen, auf deren Prüfung der Senat aufgrund des Darlegungserfordernisses gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

8

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 – 6 B 35.16 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 425 Rn. 3 und vom 21. Dezember 2017 – 6 B 43.17 – Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 6 m. w. N.).

9

1. Ausgehend hiervon führt die von dem Antragsgegner aufgeworfene Frage,

„Erlaubt Art. 297 Abs. 1 EGStGB bereits im Ausgangspunkt nicht, ein generelles Verbot der Bordellprostitution mit Ausnahme von Toleranzzonen in Städten mit mehr als 50.000 Einwohner zu regeln?“,

nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Frage zielt erkennbar auf die Klärung der Zulässigkeit der vom Antragsgegner als Verordnungsgeber gewählten Regelungstechnik für die Sperrgebietsverordnung. Hierauf käme es im Revisionsverfahren jedoch nicht entscheidungserheblich an, so dass es an der Klärungsfähigkeit mangelt.

10

Der Antragsgegner hat für Braunschweig stadtweit ein Verbot u. a. der Bordellprostitution ausgesprochen und lediglich in fünf Toleranzzonen Ausnahmen von dem generellen Verbot zugelassen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 6 b), § 3 Sperrgebietsverordnung). Darüber hinaus enthalten § 2 Abs. 2 sowie § 4 Sperrgebietsverordnung Sonderregelungen für die Prostitutionsstätten in der Bruchstraße sowie für bestehende Einrichtungen, die Bestandsschutz genießen. Nach Art. 297 Abs. 1 EGStGB kann die Landesregierung oder nach Abs. 2 eine von ihr bestimmte Behörde zwar zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstands für Teile des Gebiets einer Gemeinde durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen. Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGStGB sieht allerdings ein Verbot der Prostitution für das ganze Gemeindegebiet lediglich bei Gemeinden bis zu einer Größe von fünfzigtausend Einwohnern vor. Braunschweig hat deutlich mehr Einwohner. Für größere Gemeinden ermöglicht Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB Prostitutionsverbote nur für Teile des Gemeindegebiets. Ob im Hinblick hierauf schon die Regelungstechnik des Antragsgegners – stadtweites Verbot mit zugelassenen Ausnahmen – rechtlichen Bedenken unterliegt, hat das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich offengelassen (UA S. 26 f.). Eine für die Entscheidung der Tatsacheninstanz nicht maßgebliche Rechtsfrage vermag die Zulassung der Revision jedoch nicht zu rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 9 B 34.07 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 5 m. w. N.).

11

Der Verweis der Beschwerde darauf, die Regelungstechnik des Antragsgegners habe „die Entscheidungsgründe des Senats maßgeblich geprägt“, da dieser von einem hierdurch strukturierten (und fehlerhaften) Abwägungsvorgang ausgegangen sei, weshalb es auf die Frage der Zulässigkeit der Regelungstechnik als solche ankomme, verfängt nicht. Auch hiermit wird nicht begründet, dass es in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich auf die Regelungstechnik des Verordnungsgebers ankäme, mit der er die Prostitution lokal gesteuert hat.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Antragsgegner in der Konsequenz der von ihm gewählten Regelungstechnik dem gesamten Stadtgebiet pauschal eine Schutzbedürftigkeit und Sensibilität unterstellt habe, ohne diese gebietsbezogen geprüft zu haben. Lediglich in Bezug auf identifizierte Industrie- und Gewerbegebiete sei er in eine Einzelfallbetrachtung eingetreten, ob dort ausnahmsweise eine Bordellprostitution zugelassen werden könne. Das beschreibt das Vorgehen des Antragsgegners bei Erlass der angegriffenen Sperrgebietsverordnung zutreffend. Auch die Beschwerde behauptet nichts Abweichendes. Das Oberverwaltungsgericht geht ferner davon aus, dass der Antragsgegner mit dieser Herangehensweise den rechtlichen Anforderungen an die unter Schutz gestellten Gebiete nicht Rechnung getragen habe. Auch hiergegen ist nichts zu erinnern. Nur dann, wenn ein Gebiet durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität gekennzeichnet ist, z. B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen, darf der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass die Ausübung der Prostitution dort die abstrakte Gefahr von Beeinträchtigungen des öffentlichen Anstands begründet (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 6 C 28.13 – Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 105 Rn. 13; OVG Saarlouis, Urteil vom 30. Juni 2020 – 2 C 252/19 – juris Rn. 30 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 23. März 2016 – 1 S 410/14 – juris Rn. 74). Für die ordnungsrechtliche Steuerung der Prostitution muss der Verordnungsgeber zwar nicht für jedes einzelne Grundstück, das von dem Verbotsbereich erfasst werden soll, konkret feststellen, ob es in einer Weise genutzt wird, dass abzuwehrende Gefahren und Belästigungen durch die Prostitutionsausübung erwartet werden können. Die Abgrenzung braucht nicht grundstücksscharf getroffen werden, sondern kann durchaus auch größere durch ihre Eigenart geprägte Gebiete erfassen (BVerwG, a. a. O. Rn. 18). Von dieser Prägung eines ganzen Gebiets muss sich der Verordnungsgeber aber tatsächlich vergewissern und darf sie nicht nur annehmen, denn dies genügte nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der bei der Abgrenzung der Verbotsbereiche zu berücksichtigen ist. Erst recht gilt das, wenn der Verordnungsgeber bei seiner Typisierung von Gebieten im Ausgangspunkt – wie hier – an im Bebauungsplan festgesetzte Gebietsarten nach der Baunutzungsverordnung anknüpft, in denen höchst unterschiedliche Nutzungen baurechtlich erlaubt sind. So liegt es insbesondere bei Misch- oder Kerngebieten nach §§ 6 und 7 BauNVO. Ob der Antragsgegner diese Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse getreulich vorgenommen hat, lässt sich von der von ihm gewählten Regelungstechnik in der Sperrgebietsverordnung gedanklich trennen und ist vom Oberverwaltungsgericht auch unabhängig davon untersucht worden.

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2. Eine grundsätzliche Bedeutung zeigt auch die weitere vom Antragsgegner formulierte Frage nicht auf, ob

„bei einer heterogenen Struktur eines Baugebiets der Baunutzungsverordnung, namentlich von Misch- und/oder Kerngebieten von der Schutzbedürftigkeit gem. Art. 297 EGStGB ausgegangen werden“ dürfe.

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Insoweit geht es der Beschwerde darum, rechtsgrundsätzlich zu klären, ob die pauschale Unterschutzstellung (auch) von Misch- und/oder Kerngebieten zulässig ist. Diese Frage ist allerdings – wie die unter 1. wiedergegebene Rechtsprechung belegt – bereits höchstrichterlich geklärt. Das angegriffene Urteil geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon aus, dass jedes konkret betroffene Gebiet eine Schutzbedürftigkeit und Sensibilität im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter Jugend und öffentlicher Anstand aufweisen muss (UA S. 25 f.). Gesichtspunkte, die einen darüberhinausgehenden oder neuen Klärungsbedarf aufzeigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2020 – 6 BN 3.19 – Buchholz 421.10 Schulrecht Nr. 19 Rn. 8 m. w. N.), legt die Beschwerde nicht dar.

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3. Soweit die Beschwerde außerdem die Frage aufwirft, ob

„die nach der angegriffenen Verordnung im Stadtgebiet – bis auf die Toleranzzonen – ausgeschlossene Bordellprostitution der Wohnungsprostitution“ gleichstehe,

dringt sie ebenfalls nicht durch, da es erneut an der Klärungsfähigkeit mangelt. Darauf, ob die Bordellprostitution der Wohnungsprostitution bei der rechtlichen Würdigung gleichsteht oder gleichzustellen ist, käme es in einem Revisionsverfahren nicht an. Im Übrigen ist nicht ansatzweise dargelegt oder zu erkennen, weshalb mit der Beschwerde „davon ausgegangen werden muss“, das Oberverwaltungsgericht habe beide Prostitutionsformen gleichgesetzt. Vielmehr geht die Vorinstanz unter Heranziehung der einschlägigen baurechtlichen Rechtsprechung und Kommentierung ohne Verstoß gegen revisibles Recht davon aus, dass Bordelle und bordellähnliche Betriebe bauplanungsrechtlich als „sonstige Gewerbebetriebe“ zu qualifizieren, mithin als solche nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO in Kerngebieten allgemein zulässig sind und unter bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall ausnahmsweise auch in Mischgebieten zulässig sein können. Deswegen schließe das pauschale ordnungsrechtliche Vorgehen des Antragsgegners bauplanungsrechtlich nach der Baunutzungsverordnung grundsätzlich in Betracht kommende Nutzungsformen aus, ohne die Schutzbedürftigkeit und Sensibilität dieser Gebiete je geprüft zu haben. Anders als bei den homogen auf das Wohnen ausgerichteten Baugebieten, in denen Bordelle und bordellartige Betriebe schon planungsrechtlich nicht zulässig seien, wirke das Vorgehen des Antragsgegners mithin – so das Oberverwaltungsgericht – als zusätzliche Beschränkung (UA S. 28 ff., 30). Dem ist nichts hinzuzufügen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt deshalb die Prüfung, ob die Beschränkung nach der Eigenart des konkret betroffenen Gebiets verhältnismäßig ist. Diese Prüfung hat der Antragsgegner unterlassen.

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4. Auch die weiteren Fragen der Beschwerde,

„Ist eine Differenzierung der sozialen Einrichtungen im Hinblick auf den Schutzzweck des Art. 297 EGStGB geboten?“

sowie

„Darf für die Ausweisung von Toleranzzonen in einer Sperrgebietsverordnung, die ansonsten ein grundsätzliches Verbot der Bordellprostitution regelt, auf die Festsetzung von Gewerbegebieten in Bebauungsplänen dergestalt zurückgegriffen werden, dass die Plangebiete nur ‚insgesamt‘ als Toleranzzonen ausgewiesen werden, jedoch dann nicht, wenn diese aufgrund einer angrenzenden schutzbedürftige Nutzung ‚zugeschnitten‘ werden müssten?“

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Mit ihnen greift die Beschwerde ergänzende Erwägungen im angefochtenen Urteil an, die das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich als nicht entscheidungserheblich bezeichnet hat (UA S. 32 – 39). Sie tragen die Entscheidung nicht und bieten keine Basis für eine durchgreifende Grundsatzrüge.

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5. Einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt schlussendlich auch nicht die Frage auf, ob

„bei der Ausweisung von Toleranzzonen bei einem stadtweiten Verbot der Bordellprostitution die tatsächliche Verfügbarkeit und baurechtliche Möglichkeit zur Umsetzung einer solchen Nutzung geprüft werden“ müsse.

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Sie wäre in einem Revisionsverfahren ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Denn das Oberverwaltungsgericht hat bereits selbständig tragend den fehlenden Zusammenhang zwischen Schutzgut und Ausdehnung der Sperrgebietsverordnung für den Geltungsbereich der Verbotszone beanstandet (UA S. 21, 25 – 32). Unabhängig davon rügt das Gericht daneben in einem zweiten Begründungsansatz Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Auswahl der Toleranzzonen (UA S. 39 – 40), auf die sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage bezieht. Wird aber eine Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jedes Grundes ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 und vom 23. Mai 2024 – 6 B 67.23 – juris Rn. 12 m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Ziffer 35.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung der Vorinstanz.

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