Beschluss des BGH 13. Zivilsenat vom 29.10.2024, AZ XIII ZB 25/22

BGH 13. Zivilsenat, Beschluss vom 29.10.2024, AZ XIII ZB 25/22, ECLI:DE:BGH:2024:291024BXIIIZB25.22.0

Verfahrensgang

vorgehend LG Dresden, 15. Februar 2022, Az: 2 T 847/19
vorgehend AG Dresden, 3. Dezember 2019, Az: 470 XIV 698/19

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Person des Vertrauens wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 15. Februar 2022 in Tenorziffer II insgesamt und in Tenorziffer III insoweit aufgehoben, als der Person des Vertrauens darin Kosten der Rechtsmittelinstanz auferlegt worden sind.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.

Tenorziffer III des Beschlusses der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 15. Februar 2022 wird wie folgt neu gefasst:

Der Betroffene trägt die Kosten der Rechtsmittelinstanz einschließlich seiner außergerichtlichen Kosten.

Gerichtskosten werden im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erhoben. Ihre außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt jede Partei selbst.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

1

I.    Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. Dezember 2019 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 17. Dezember 2019 angeordnet. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2019, das ausweislich des Faxstempels am 5. Dezember 2019 um 10.09 Uhr bei Gericht eingegangen ist, hat der Betroffene gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und für den Fall der Haftentlassung die Fortsetzung des Verfahrens als Feststellungsverfahren nach § 62 FamFG beantragt. Zudem hat er den Rechtsbeschwerdeführer als seine Vertrauensperson benannt. Am 5. Dezember 2019 um 16:08 Uhr hat sich der Rechtsbeschwerdeführer als Person des Vertrauens des Betroffenen beim Amtsgericht gemeldet, sich dessen laufender Beschwerde angeschlossen, gemäß § 426 Abs. 2 FamFG die Aufhebung der mit Beschluss vom 3. Dezember 2019 gegen den Betroffenen angeordnete Abschiebungshaft und ebenfalls für den Fall der Haftentlassung die Fortsetzung des Verfahrens als Feststellungsverfahren nach § 62 FamFG beantragt. Mit Beschluss vom 8. Dezember 2019 hat das Amtsgericht der Beschwerde gegen den Beschluss vom 3. Dezember 2019 nicht abgeholfen. Der Betroffene wurde am 13. Dezember 2019 abgeschoben.

2

Nach Rücknahme der Anschlussbeschwerde durch den Rechtsbeschwerdeführer hat das Beschwerdegericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. Februar 2022 den „Feststellungsantrag des Betroffenen“ zurückgewiesen (Tenorziffer I), den „Antrag der Person des Vertrauens festzustellen, der Beschluss des Amtsgerichts […] vom 08.12.2019, seinem Antrag auf Aufhebung der Freiheitsentziehung nicht stattzugeben, habe den Betroffenen in seinen Rechten verletzt“ als unzulässig verworfen (Tenorziffer II) und die Kosten der Rechtsmittelinstanz je zur Hälfte dem Betroffenen und der Person des Vertrauens auferlegt sowie entschieden, dass diese ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen haben (Tenorziffer III). Gegen diesen Beschluss wendet sich die Vertrauensperson mit ihrer Rechtsbeschwerde.

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II.    Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg, soweit sie sich gegen die in Tenorziffer II enthaltene Verwerfung eines Feststellungsantrags des Rechtsbeschwerdeführers und den ihn belastenden Teil der Kostenentscheidung richtet. Soweit mit ihr auch die Zurückweisung des Feststellungsantrags des Betroffenen angegriffen wird, ist sie unzulässig.

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1.    In Tenorziffer II des angefochtenen Beschlusses hat das Landgericht über einen Feststellungsantrag des Rechtsbeschwerdeführers entschieden, der nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens und auch sonst nicht beim Beschwerdegericht anhängig geworden ist. Insoweit und hinsichtlich der damit verbunden Kostenentscheidung erweist sich der Beschluss daher als rechtsfehlerhaft.

5

a)    Das Amtsgericht hat im Beschluss vom 8. Dezember 2019 nicht über den vom Rechtsbeschwerdeführer als Person des Vertrauens des Betroffenen am 5. Dezember 2019 gestellten Haftaufhebungsantrag entschieden. Der Beschluss vom 8. Dezember 2019 lautet: „Der Beschwerde gegen den Beschluss des AG […] vom 03.12.19 wird nicht abgeholfen. Die der Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen und Gründe treffen nach wie vor zu“. Damit enthält dieser Beschluss nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich eine Nichtabhilfeentscheidung in Bezug auf die Beschwerde des Betroffenen und allenfalls die Anschlussbeschwerde des Rechtsbeschwerdeführers, nicht aber eine Entscheidung über den – aufgrund der Eigenständigkeit von Haftanordnungs- und Haftaufhebungsverfahren (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Februar 2024 – XIII ZB 42/21, juris Rn. 10 mwN) gesondert zu bescheidenden – Haftaufhebungsantrag des Rechtsbeschwerdeführers.

6

b)    Gegen den Beschluss vom 8. Dezember 2019, gegen den kein Rechtsmittel statthaft ist, hat der Rechtsbeschwerdeführer zudem ausweislich der Akten kein Rechtsmittel eingelegt. Insbesondere hat er nicht beantragt festzustellen, dass dieser Beschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt habe.

7

c)    Der vom Rechtsbeschwerdeführer als Person des Vertrauens gestellte Haftaufhebungsantrag vom 5. Dezember 2019, der mit der abschiebungsbedingten Haftentlassung des Betroffenen als Feststellungsantrag aufrechterhalten geblieben ist, ist somit nicht an das Beschwerdegericht gelangt, sondern nach wie vor beim Amtsgericht anhängig. Seine – gegen die Haftanordnung vom 3. Dezember 2019 gerichtete – Anschlussbeschwerde hatte der Rechtsbeschwerdeführer vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts zurückgenommen. Auch wenn der Feststellungsantrag des Rechtsbeschwerdeführers, der einige Stunden nach demjenigen des Betroffenen beim Amtsgericht eingegangen ist, wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig war (vgl. zum Verhältnis der vom Betroffenen und der Vertrauensperson gestellten Feststellungsanträge nach § 62 FamFG in Freiheitsentziehungsverfahren BGH, Beschlüsse vom 20. April 2021 – XIII ZB 93/20, juris Rn. 18; vom 15. November 2022 – XIII ZB 89/20, juris Rn. 7; vom 21. März 2023 – XIII ZB 76/20, juris Rn. 17), hätte das Beschwerdegericht mangels eines im Zeitpunkt der Beschlussfassung bei ihm anhängigen Rechtsmittels des Rechtsbeschwerdeführers weder dessen Feststellungsantrag verwerfen noch ihn mit Verfahrenskosten belasten dürfen.

8

2.    Soweit mit der Rechtsbeschwerde, die mangels Beschränkung gegen den gesamten Beschluss des Landgerichts vom 15. Februar 2022 eingelegt worden ist, auch die Zurückweisung des Feststellungsantrags des Betroffenen (Tenorziffer I) angegriffen wird, ist sie unzulässig. Insoweit fehlt es an der erforderlichen Rechtsbeschwerdebefugnis der Vertrauensperson, die insbesondere nicht durch seine Nennung im Rubrum des angefochtenen Beschlusses begründet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2023 – XIII ZB 9/20, FamRZ 2023, 1655, Rn. 2 bis 17; vom 26. März 2024 – XIII ZB 69/21, juris Rn. 3 bis 8).

9

III.    Der angefochtene Beschluss war daher im tenorierten Umfang aufzuheben und die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren neu zu fassen. Eine Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht kommt aufgrund der Eigenständigkeit von Haftanordnungs- und Haftaufhebungsverfahren nicht in Betracht.

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IV.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

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