Beschluss des BVerwG 4. Senat vom 18.09.2024, AZ 4 BN 6/24

BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 18.09.2024, AZ 4 BN 6/24, ECLI:DE:BVerwG:2024:180924B4BN6.24.0

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 20. November 2023, Az: 1 C 2/23, Urteil

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. November 2023 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die allein auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie verfehlt in weiten Teilen die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO; ungeachtet dessen ist sie jedenfalls unbegründet.

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1. Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin auf eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes.

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(Angebliche) Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts, die dem Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO genügen muss, sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Die Grenzen der Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung sind mit der Folge des Vorliegens eines Verfahrensfehlers aber dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 15, vom 23. August 2021 – 4 BN 7.21 – juris Rn. 3 m. w. N. und vom 2. März 2023 – 4 B 16.22 – juris Rn. 26).

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Einen Fehler in diesem Sinne legt die Beschwerde nicht dar. Dafür reicht der Vortrag, die Tatsachen- und Rechtswürdigung des Oberverwaltungsgerichts zu den Auswirkungen der während des gerichtlichen Verfahrens beschlossenen Änderungen des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts auf die Veränderungssperre „weiche nicht unerheblich vom Sachvortrag und den Beweisangeboten der Antragstellerin ab“, nicht aus. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich insoweit in inhaltlicher Kritik an der vorinstanzlichen Entscheidung.

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2. Das Oberverwaltungsgericht hat auch das Recht der Antragstellerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) nicht verletzt.

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a) Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den Vortrag der Antragstellerin zu den Folgen des während des gerichtlichen Verfahrens im September 2023 beschlossenen neuen Einzelhandels- und Zentrenkonzepts der Antragsgegnerin unzureichend berücksichtigt. Das führt nicht auf einen Gehörsverstoß. Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz vom 16. November 2023 zur Kenntnis genommen und sich dazu ausdrücklich verhalten (vgl. UA Rn. 36, 78, 92). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte aber nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch zu folgen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2024 – 4 B 5.24 – juris Rn. 24 m. w. N.).

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b) Auch die Rüge der Antragstellerin, ihrem Antrag auf Einsicht in die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin zu zwei Verfahren auf Erteilung eines Vorbescheids, sei nicht entsprochen worden, begründet keinen Gehörsverstoß.

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Das Akteneinsichtsrecht nach § 100 Abs. 1 VwGO dient zwar der Gewährung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (BVerwG, Urteil vom 3. November 1987 – 9 C 235.86 – Buchholz 310 § 100 VwGO Nr. 5 S. 3 m. w. N.; Beschlüsse vom 29. November 2023 – 6 B 10.23 – juris Rn. 12 und vom 21. September 2023 – 3 B 44.22 – DVBl 2024, 504 Rn. 12). Es erstreckt sich aber nur auf die gerichtseigenen Akten sowie auf die dem Gericht im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit vorgelegten Akten, also auf den bei Gericht vorhandenen Aktenbestand (BVerwG, Beschluss vom 11. März 2004 – 6 B 71.03 – juris Rn. 10). Die Verwaltungsvorgänge über die beiden Vorbescheidsanträge hat das Oberverwaltungsgericht aber nicht beigezogen; sie unterfallen folglich nicht § 100 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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3. Schließlich greift auch die Rüge nicht durch, das Oberverwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt.

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Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, welche Tatsachen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Tatsachengerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 29. Januar 2019 – 4 BN 15.18 – juris Rn. 14). Daran fehlt es hier.

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a) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht sei den Beweisangeboten der Antragstellerin nicht nachgegangen, wonach die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgenommenen Änderungen der Planungsvorstellungen der Antragsgegnerin zu einer Aufgabe der mit der Veränderungssperre gesicherten Planung geführt hätten und diese daher ab diesem Zeitpunkt keinen Bestand mehr haben könne, wird schon den Darlegungsanforderungen nicht gerecht. Die Beschwerde zeigt nicht auf, welchen konkreten Beweisangeboten zu aus der Sicht der Vorinstanz entscheidungserheblichen Tatsachen das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt ist. Ob die Änderungen des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts sich auf die Wirksamkeit der Veränderungssperre auswirken, ist im Übrigen keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage.

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b) Aus der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann sich ein Gebot auf Beiziehung von Akten ergeben, soweit die Kenntnis des Akteninhalts unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz für die Entscheidung des Gerichts von Bedeutung ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. August 2006 – 7 B 38.06 – Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 1 Rn. 33). Die Vorinstanz hat von der Beiziehung der Verwaltungsvorgänge zu den Vorbescheidsanträgen abgesehen, weil sich nicht erschließe, inwiefern es hierauf entscheidungserheblich ankäme (UA Rn. 84). Damit setzt die Beschwerde sich nicht auseinander.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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