BGH 5. Strafsenat, Beschluss vom 09.10.2024, AZ 5 StR 409/24, ECLI:DE:BGH:2024:091024B5STR409.24.0
Verfahrensgang
vorgehend BGH, 9. Oktober 2024, Az: 5 StR 409/24, Beschluss
vorgehend LG Hamburg, 29. Februar 2024, Az: 640 KLs 7/23
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. Februar 2024 betreffend den Angeklagten M. A. , soweit er verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. A. wegen Betruges und Computerbetruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es bestimmt, dass vier Monate der Gesamtfreiheitsstrafe wegen Verfahrensverzögerung als bereits vollstreckt gelten und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Von weiteren Vorwürfen hat es den Angeklagten freigesprochen. Die gegen das verurteilende Erkenntnis gerichtete und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
I.
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Das Landgericht hat – soweit hier von Interesse – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Zeuge A. verlagerte im Jahr 2014 seinen Lebensmittelpunkt aus dem Iran nach Deutschland. Weil er zu dieser Zeit noch kein Deutsch sprach, wandte er sich für Unterstützung an den Angeklagten und dessen Bruder, den vormals Mitangeklagten. Der Angeklagte erhielt in der Folge eine Anstellung bei der Firma des Zeugen A. , der S. S. GmbH. Er war als Fahrer und Übersetzer tätig, zudem nahm er Überweisungen für den Zeugen A. vor. Der Zeuge A. hatte dem Angeklagten eine Generalvollmacht erteilt, aufgrund seiner Sprachunkundigkeit war ihm aber nicht bewusst, über welche Befugnisse der Angeklagte hierdurch tatsächlich verfügte.
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Der Angeklagte unterstützte den Zeugen A. auch bei der Gründung einer GmbH. Die Gründung der Gesellschaft wurde im November 2015 im Beisein des Angeklagten notariell beurkundet. Am 7. Dezember 2015 überwies der Zeuge A. an den Angeklagten 12.500 Euro, wobei das Geld als Teil des zu leistenden Stammkapitals dienen sollte. Entgegen der zuvor getroffenen Absprache zwischen dem Zeugen A. und dem Angeklagten nutzte letzterer das Geld hierfür jedoch nicht, sondern verwendete es absprachewidrig für sich (Fall 13 der Urteilsgründe).
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Der Angeklagte, der als Mitarbeiter des Zeugen A. auch Zugriff auf dessen Posteingang hatte, nutzte dies aus, um eine neue EC-Karte samt dazugehöriger PIN des Zeugen an sich zu nehmen. Am 6. März 2016 hob er mit dieser EC-Karte samt PIN „absprachewidrig“ 230 Euro vom Konto des Zeugen an einem Geldautomaten ab, um das Geld für sich zu verwenden (Fall 17 der Urteilsgründe).
II.
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1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB im Falle 13 der Urteilsgründe sowie wegen Computerbetruges gemäß § 263a Abs. 1 Var. 3 StGB im Fall 17 der Urteilsgründe kann von Rechts wegen keinen Bestand haben.
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a) Die Feststellungen im Fall 13 tragen den Schuldspruch nicht. Sie lassen nicht erkennen, dass der Angeklagte den Zeugen A. im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB vorsätzlich täuschte. Denn es bleibt offen, wann sich der Angeklagte dazu entschloss, das Geld entgegen der zuvor getroffenen Absprache für sich zu verwenden. Dies kann hier den Urteilsgründen auch nicht im Gesamtzusammenhang entnommen werden.
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b) Im Fall 17 tragen die Urteilsgründe den Schuldspruch ebenfalls nicht. Dass der Angeklagte das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unbefugte Verwendung von Daten beeinflusst hätte, ist nicht ausreichend und widerspruchsfrei beweiswürdigend unterlegt. Die Kammer hat festgestellt, dass der Angeklagte die EC-Karte samt PIN „absprachewidrig“ verwendete. Das missbräuchliche Verwenden durch den berechtigten Karteninhaber ist aber nicht tatbestandsmäßig, die Strafvorschrift ist „betrugsspezifisch” auszulegen, so dass nur täuschungsäquivalente Handlungen unbefugt im Sinne des Tatbestandes sind (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160). Ein Computerbetrug liegt nicht vor, wenn der berechtigte Inhaber die Karte einem anderen überlässt und dieser die Karte abredewidrig nutzt (BGH, Beschluss vom 31. März 2004 – 1 StR 482/03, NStZ 2005, 213 Rn. 4 mwN).
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Die Strafkammer hat zwar ausgeführt, dass „insbesondere die Generalvollmacht zu keinem Entfall der Strafbarkeit“ geführt habe. Schließlich habe der Angeklagte sich die Karte widerrechtlich angeeignet und diese ohne Einverständnis des Zeugen A. im Besitz. Diese Feststellungen sind aber weder beweiswürdigend unterlegt, noch erschließt sich aus diesen Ausführungen, wieso der Angeklagte angesichts der umfassenden Bevollmächtigung und des ungehinderten Zugriffs auf den Posteingang des Zeugen insoweit „widerrechtlich“ handelte.
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2. Das neue Tatgericht wird jeweils auch zu prüfen haben, ob das Handeln des Angeklagten möglicherweise den Untreuetatbestand des § 266 Abs. 1 StGB erfüllt.
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3. Soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird das Verböserungsverbot hinsichtlich der neu zu verhängenden Einzel- und Gesamtstrafe zu beachten sein, § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO (KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 358 Rn. 21).
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Der Senat weist ferner vorsorglich darauf hin, dass bei etwaiger Verhängung von Geldstrafen auch die Höhe des Tagessatzes durch das Tatgericht festzusetzen ist (§ 40 Abs. 4 StGB).
Cirener Gericke Köhler
Resch Werner