BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 25.09.2024, AZ VIa ZR 269/23, ECLI:DE:BGH:2024:250924UVIAZR269.23.0
Verfahrensgang
vorgehend OLG Bamberg, 14. Februar 2023, Az: 5 U 86/22
vorgehend LG Schweinfurt, 17. März 2022, Az: 12 O 803/21
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 14. Februar 2023 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für die Revision wird auf bis 25.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb am 28. Mai 2018 ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug BMW 218d Gran Tourer, das mit einem ebenfalls von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe B47 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.
2
Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen, sowie von Deliktszinsen, Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er seine Klageanträge abgesehen von dem Deliktszinsen betreffenden Klageantrag weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
3
Die Revision hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit das für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist, im Wesentlichen wie folgt begründet:
5
Der Vortrag des Klägers zu einer Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit einem SCR-Katalysator gehe ins Leere, weil das Fahrzeug über einen solchen nicht verfüge.
6
Im Übrigen habe der Kläger die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB nicht hinreichend dargetan. In Bezug auf das verwendete Thermofenster komme es wegen mangelnder Prüfstandsbezogenheit auf weitere Umstände an, etwa im Sinne eines Bewusstseins des Gesetzesverstoßes und einer billigenden Inkaufnahme desselben. Solche Umstände habe der Kläger nicht hinreichend vorgetragen. Auch scheide die Sittenwidrigkeit mit Blick auf die damals unsichere Rechtslage aus. Diese Erwägungen seien sinngemäß maßgebend, soweit der Kläger weitere, nicht prüfstandsbezogene Abschalteinrichtungen behauptet habe. Abgesehen vom Thermofenster fehlten ferner greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung von Abschalteinrichtungen.
7
Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV komme nicht in Betracht, weil es sich bei den genannten Bestimmungen der EG-FGV nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handele.
II.
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Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
9
1. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die seitens der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
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2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
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Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung des sogenannten „großen“ Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 – III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; – III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 – VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
12
Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
13
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
C. Fischer Möhring Götz
Liepin Vogt-Beheim