Beschluss des BSG vom 05.06.2024, AZ B 9 SB 2/24 B

BSG, Beschluss vom 05.06.2024, AZ B 9 SB 2/24 B, ECLI:DE:BSG:2024:050624BB9SB224B0

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 29. November 2023 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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I. Die Klägerin begehrt in der Sache die Feststellung eines Grads der Behinderung (GdB) von 50. Ihre Klage ist in beiden Tatsacheninstanzen nach Einholung von Sachverständigengutachten erfolglos geblieben
(Gerichtsbescheid des SG vom 22.7.2020; Urteil des LSG vom 29.11.2023).

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Gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht.

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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist
(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

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1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen
(stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.8.2020 – B 9 V 5/20 B – juris RdNr 6 mwN).

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Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

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Die Klägerin wirft folgende Frage auf: „Wie ist der Begriff der ‚aggressiven Therapien‘ gem. Ziffer 18.2.1 Satz 2 der VersMedV zu definieren?“.

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Hierbei handelt es sich schon nicht um eine hinreichend konkret formulierte abstrakt-generelle Rechtsfrage. Die Konkretisierung einer Rechtsfrage zur Auslegung, Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts
(§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht erfordert grundsätzlich, dass sie mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden kann
(stRspr; zB BSG Beschluss vom 29.2.2024 – B 1 KR 89/23 B – juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 6.11.2023 – B 2 U 14/23 B – juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 3.5.2023 – B 7 AS 19/23 B – juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 3.5.2018 – B 10 ÜG 6/17 BH – juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 11.4.2018 – B 5 R 366/17 B – juris RdNr 10; BFH Beschluss vom 10.1.2024 – XI B 13/22 – juris RdNr 3; BAG Beschluss vom 5.6.2020 – 10 AZN 53/20 – BAGE 171, 28 – juris RdNr 49). Das schließt zwar nicht aus, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt; sie darf aber nicht so allgemein gehalten sein, dass ihre Beantwortung eine kommentar- oder lehrbuchartige Aufbereitung durch den Senat verlangen würde, weil dies nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens ist
(vgl BSG Beschluss vom 25.6.2020 – B 8 SO 36/20 B – juris RdNr 6). Daher ist eine offene Fragestellung grundsätzlich nicht ausreichend. Denn im Kern zielen Rechtsfragen iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG auf die Entwicklung abstrakter Rechtssätze durch das BSG ab
(BSG Beschluss vom 11.1.2024 – B 2 U 17/23 B – juris RdNr 7).

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Nach diesen Maßstäben ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage zu allgemein gehalten, um sie in einem Revisionsverfahren in einer Weise beantworten zu können, die der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts dienlich sein könnte.

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Letztlich läuft die Rüge der Klägerin auf den Vorwurf hinaus, das LSG habe ihren Einzelfall zu Unrecht nicht unter den Begriff der aggressiven Therapie subsumiert. Dass ein Kläger die Entscheidung der Vorinstanz für falsch hält, kann indes die Zulassung der Revision von vorneherein nicht rechtfertigen, weil dafür ein bloßer Rechtsanwendungsfehler nicht genügt
(vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 21.2.2023 – B 2 U 47/22 B – juris RdNr 19; BSG Beschluss vom 25.5.2020 – B 9 V 3/20 B – juris RdNr 6).

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Auf der Grundlage der Beschwerdebegründung lässt sich schließlich auch nicht beurteilen, ob die von der Klägerin aufgeworfene Frage in einem nachfolgenden Revisionsverfahren klärungsfähig wäre.

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Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist. Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also konkret-individuell in der Sache entscheiden müssen. Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht
(stRspr; zB BSG Beschluss vom 3.5.2023 – B 7 AS 19/23 B – juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 4.10.2022 – B 4 AS 28/22 B – juris RdNr 2).

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Der Prüfung der Klärungsfähigkeit ist der vom LSG festgestellte Sachverhalt zugrunde zu legen
(vgl BSG Beschluss vom 6.2.2023 – B 7 AS 90/22 B – juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 23.12.2016 – B 9 SB 53/16 B – juris RdNr 11). Dies erfordert dessen vollständige Darstellung in der Beschwerdebegründung, soweit er für die aufgeworfene Rechtsfrage entscheidungserheblich ist. Die Klägerin teilt aber nicht mit, von welcher Therapie (genaue Medikation) zu welcher Zeit mit welchen Auswirkungen sich das LSG in ihrem Fall überzeugt hat.

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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab
(vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

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3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

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  • 4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
  • Kaltenstein
  • Röhl
  • B. Schmidt
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