Erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde in einem Prüfungsrechtsstreit (Zahnärztliche Prüfung) (Beschluss des BVerwG 6. Senat)

BVerwG 6. Senat, Beschluss vom 11.06.2024, AZ 6 B 1/24, ECLI:DE:BVerwG:2024:110624B6B1.24.0

Leitsatz

Die Rechtsprechung zu Kollegialprüfungen, bei der Beratung einer Prüfungskommission sei es im Grundsatz nicht angängig, dass – vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung des Normgebers – andere Personen als die bestellten Prüfer anwesend seien (BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2023 – 6 B 38.22 – NJW 2023, 2960 Rn. 10), lässt sich auf die Bewertung durch einen Einzelprüfer nicht übertragen.

Verfahrensgang

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 11. Juli 2023, Az: 9 S 831/22, Urteil
vorgehend VG Karlsruhe, 14. Dezember 2020, Az: 11 K 3828/18

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Juli 2023 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger wendet sich gegen das Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung im Prüfungsabschnitt „Zahnersatzkunde“ der zahnärztlichen Prüfung.

2

Er unterzog sich im Februar 2017 der zahnärztlichen Prüfung. Der Prüfungsabschnitt „Zahnersatzkunde“ wurde mit der Note „nicht genügend“ bewertet; die weiteren Prüfungsabschnitte hat der Kläger bestanden.

3

Bei der im September/Oktober 2017 durchgeführten Wiederholungsprüfung im Fach „Zahnersatzkunde“ hatte der Kläger bei einem Patienten einen festsitzenden Zahnersatz über drei Zähne sowie bei einer Patientin einen herausnehmbaren Zahnersatz (Totalprothese) für Ober- und Unterkiefer anzufertigen. Die sich anschließende mündliche Prüfung fand unter Anwesenheit des Prüfers Prof. Dr. R., des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses Prof. Dr. K. und einer Protokollführerin statt. Im Anschluss an die Prüfung wurde dem Kläger eröffnet, dass er in der Wiederholungsprüfung die Note „nicht genügend“ erhalten habe. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2017 stellte der Vorsitzende des Ausschusses für die zahnärztliche Prüfung das Nichtbestehen der zahnärztlichen Prüfung fest.

4

Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde, der der Beklagte entgegentritt.

II

5

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.

6

1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 – 6 B 35.16 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 425 Rn. 3 und vom 21. Dezember 2017 – 6 B 43.17 – Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 6 m. w. N.).

7

a) Die Beschwerde erachtet als Fragen grundsätzlicher Bedeutung,

„ob die Rekrutierung eigener Patienten durch Prüfungskandidaten im Fach Zahnersatzkunde der Zahnärztlichen Prüfung nach der Approbationsordnung für Zahnärzte vom 26.01.1995 (BGBl. I S. 37, im Zeitpunkt der hier gegenständlichen Prüfung zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 18.04.2016, BGBl. I S. 886, ZAppO a. F.) bzw. im Fach Zahnärztliche Prothetik nach der Approbationsordnung für Zahnärzte und Zahnärztinnen vom 08.07.2019 (BGBl. I S. 933, zuletzt geändert durch Art. 4 der Verordnung vom 07.06.2023, BGBl. I 2023 Nr. 148, ZAppO n. F.) und die Zuweisung des vom Prüfungskandidaten rekrutierten Patienten als von ihm sodann als Examensleistung zu bearbeitende Prüfungsaufgabe zu ihm zumindest dann gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstößt, wenn die Selbstrekrutierung und die dadurch bedingte vorherige Kenntnis der konkreten Prüfungsaufgabe durch den Prüfling bei der Bewertung der Prüfungsleistung unberücksichtigt bleibt,

oder allgemeiner,

ob die Beschaffung eines Prüfungssubjekts/-objekts durch einen Prüfungskandidaten als sodann von ihm als Prüfungsleistung zu bearbeitende Prüfungsaufgabe zumindest dann gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstößt, wenn diese Selbstbeschaffung und die dadurch bedingte vorherige Kenntnis der konkreten Prüfungsaufgabe bei der Bewertung der Prüfungsleistung unberücksichtigt bleibt.“

8

Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, denn sie haben sich dem Berufungsgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen nicht gestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt, es sei nicht ersichtlich, wie für den Prüfling die vorherige Kenntnis des Patienten im Hinblick auf die praktischen Fertigkeiten, die in der Prüfung gemäß § 50 Satz 2 ZAppO a. F. (Anfertigung und Eingliederung festen und herausnehmbaren Zahnersatzes) bewertet würden, relevant werden könne. Eine gezielte Vorbereitung über das allgemeine Training der praktischen Fertigkeiten erscheine – im Gegensatz zu Klausuraufgaben oder mündlichen Prüfungsfragen, deren vorherige Kenntnis einen erheblichen Vorteil darstelle – kaum möglich, so dass sich Unterschiede der Prüfungsaufgaben lediglich auf den Umfang der Arbeiten und individuelle Besonderheiten der Patienten bezögen. Verbleibende, dieser Art von Prüfung immanente Unterschiede in Umfang und Schwierigkeitsgrad der Behandlung seien bei der Bewertung der Prüfungsleistung zu berücksichtigen. Zudem habe der Prüfer erläutert, dass die Schwierigkeiten in der Regel nicht in der Art der prothetischen Versorgung lägen, sondern im Zerstörungsgrad der Pfeilerzähne, der meist erst im Laufe der Prüfung nach Entfernung der alten Restaurationen sichtbar werde (UA S. 18 f.). Schließlich könne vor dem Hintergrund der einer praktischen Prüfung immanenten Unwägbarkeiten aus dem Umstand der Selbstrekrutierung von Patienten nicht geschlossen werden, dass diese Prüflinge bessere Erfolgschancen in der Prüfung hätten als Prüflinge, die keinen eigenen Patienten rekrutiert hätten (UA S. 19 f.).

9

Diese in freier Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen mit der tatrichterlichen Schlussfolgerung, durch Selbstrekrutierung von Patienten bestehe tatsächlich kein Vorteil für einen Prüfling bei der Anfertigung und Eingliederung von Zahnersatz, hat die Beschwerde nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen. Demzufolge wäre das Bundesverwaltungsgericht in dem erstrebten Revisionsverfahren daran gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Damit erweisen sich die aufgeworfenen Fragen zu einem Verstoß gegen die Chancengleichheit mangels tatsächlicher Basis nicht als entscheidungserheblich.

10

b) Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob den im Rahmen der im Fach „Zahnersatzkunde“ gemäß § 50 ZAppO a. F. bzw. im Fach „Zahnärztliche Prothetik“ gemäß § 64 Abs. 2 ZApprO n. F. zu erbringenden praktischen Prüfungsleistungen nach dem Prüfungszweck ein überragendes Gewicht zukommt. Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision.

11

Insoweit mangelt es bereits an der Darlegung, dass diese zu § 50 Satz 2 ZAppO a. F. als ausgelaufenes Recht gestellte Frage sich in gleicher Weise zu § 64 Abs. 2 ZApprO (Approbationsordnung für Zahnärzte und Zahnärztinnen vom 8. Juli 2019, BGBl. I S. 933) stellt. Denn anders als nach der obligatorischen Verpflichtung zur Anfertigung und Eingliederung herausnehmbaren wie festsitzenden Zahnersatzes in § 50 Satz 2 ZAppO a. F. hat der Studierende nach § 64 Abs. 2 ZApprO im Fach Zahnärztliche Prothetik die Behandlung mit Eingliederung verschiedener Formen des Zahnersatzes, (nur) in der Regel eine festsitzende und eine abnehmbare Versorgung, an dem Patienten selbst durchzuführen.

12

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof es nicht beanstandet, dass der Prüfer, der die gebotene Gewichtung vorgenommen habe, zur Begründung der Note „nicht genügend“ auf die ungenügenden praktischen Leistungen des Klägers abgestellt habe, denen nach dem Prüfungszweck ein überragendes Gewicht zukomme. Ungenügende Leistungen in einem Prüfungsteil – und erst recht in zwei Prüfungsteilen – könnten bereits zum Nichtbestehen der Prüfung führen, was auch der Prüfer angenommen habe (UA S. 21). Damit hat das Berufungsgericht die Gewichtung der Teilleistungen durch den Prüfer anhand des zurückgenommenen gerichtlichen Kontrollmaßstabs als rechtmäßig erachtet. Denn die Gewichtung von Teilleistungen zählt – wenn die Prüfungsordnung keine entsprechenden Vorgaben enthält – zu den prüfungsspezifischen Wertungen, die in den Beurteilungsspielraum des Prüfers fallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1993 – 6 C 12.92 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 und Beschluss vom 10. Oktober 1994 – 6 B 73.94 – NJW 1995, 977). Insoweit sind die Verwaltungsgerichte auf die Nachprüfung beschränkt, ob der Prüfer die Prüfungsleistung vollständig und richtig zur Kenntnis genommen hat, sachwidrige Erwägungen in die Bewertung hat einfließen lassen, seine autonomen Bewertungsmaßstäbe einheitlich angewandt und allgemeingültige Bewertungsgrundsätze beachtet hat. Schließlich müssen die prüfungsspezifischen Wertungen und Gewichtungen nachvollziehbar sein; sie dürfen insbesondere keine inhaltlichen Widersprüche enthalten (BVerwG, Beschluss vom 5. März 2018 – 6 B 71.17 – NJW 2018, 2142 Rn. 10 m. w. N.). Unter Berücksichtigung dieses reduzierten gerichtlichen Kontrollmaßstabs liegt es auf der Hand und bedarf keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass mit Blick auf das Berufsbild des Zahnarztes und des in § 1 ZAppO a. F. niedergelegten Prüfungszwecks, den (angehenden) Zahnarzt wissenschaftlich und praktisch auszubilden, den praktischen Fähigkeiten des Prüflings überragendes Gewicht zukommt.

13

c) Schließlich wirft die Beschwerde mit Blick auf den Prüflingen in der Zahnklinik auferlegten Labor- und Saalreinigungsdienst als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob durch die Konkretisierung einer Mitwirkungspflicht der Prüflinge in einer Staatsprüfung eine in der einschlägigen Prüfungsordnung nicht enthaltene Tätigkeit als gesonderter Bestandteil der Examensleistung auferlegt werden dürfe. Werde diese Frage bejahend beantwortet, schließe sich hieran die weitere Frage an, ob ein Bestandteil der Examensleistung immer auch Prüfungsgegenstand sei und daher die Prüfungsbewertung beeinflusse. Auch diese Frage verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

14

Der Verwaltungsgerichtshof hat die irrevisible „Examensordnung für das Staatsexamen Zahnersatzkunde 25.09.2017 – 09.10.2017“ dahingehend ausgelegt, dass die genannten Dienste zwar Bestandteil der Examensleistung, nicht aber unmittelbarer Prüfungsgegenstand seien. Dass damit die Mitwirkungspflicht der Prüflinge konkretisiert werde, sei ersichtlich sachgerecht und auch darüber hinaus nicht zu beanstanden. Im Übrigen sei ein Einfluss auf die Prüfungsbewertung im konkreten Fall weder vorgetragen noch ansatzweise erkennbar. Dass der Kläger eine mentale Beeinträchtigung behaupte, rechtfertige keine andere Beurteilung (UA S. 21 f.).

15

Damit erweist sich die Fragestellung in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht als klärungsfähig. Da das Berufungsgericht die Kausalität der (Nicht-)Erfüllung der Mitwirkungspflicht des Prüflings auf das Prüfungsergebnis ausgeschlossen hat, fehlt der aufgeworfenen Frage die Entscheidungserheblichkeit.

16

2. Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder das Bundesverfassungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt haben. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die eines der genannten divergenzfähigen Gerichte aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (stRspr; vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2023 – 6 B 12.23 – NVwZ 2024, 420 Rn. 16). Nach diesem Maßstab ergibt sich aus dem Beschwerdevortrag kein Anknüpfungspunkt für eine Revisionszulassung wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 VwGO).

17

a) Die Beschwerde rügt, das Berufungsurteil beruhe auf dem tragenden Rechtssatz, dass die Teilnahme einer anderen Person als derjenigen des bestellten Prüfers an der Beratung über die endgültige Bewertung von Prüfungsleistungen unschädlich sei, wenn das Nichtbestehen auf einem Teil der Prüfungsleistungen (hier: den praktischen Leistungen) beruhe. Mit diesem Rechtssatz setze sich der Verwaltungsgerichtshof in Widerspruch zu dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 11. Juli 2023 – 6 B 38.22 – (NJW 2023, 2960 Rn. 10), demzufolge es im Grundsatz nicht angängig sei, dass bei der Beratung einer Prüfungskommission über das Prüfungsergebnis, die den Kernbereich der Prüfertätigkeit darstelle, andere Personen als die bestellten Prüfer anwesend seien. Denn im Fach „Zahnersatzkunde“ werde die Prüfung gemäß § 50 ZAppO a. F. nur von einem Prüfer abgenommen, sodass bei der Beratung über das Prüfungsergebnis nur dieser Prüfer anwesend sein dürfe. Dieses Vorbringen lässt keine Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des beschließenden Senats erkennen.

18

Die Divergenzrüge scheitert schon daran, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof eine Tatsachenfeststellung unterstellt, die dieser nicht getroffen hat. Denn die Vorinstanz hat gerade nicht festgestellt, dass der Prüfer Prof. Dr. R. die
praktische Leistung nicht allein bewertet habe. Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (UA S. 15) ergibt sich vielmehr, dass das Berufungsgericht lediglich offengelassen hat, ob die Entscheidungsfindung zum Ergebnis der
mündlichen Prüfung durch die Anwesenheit von Prof. Dr. K. beeinflusst worden sei. Im Übrigen betrifft der von der Beschwerde angeführte Rechtssatz des beschließenden Senats, bei der Beratung einer Prüfungskommission sei es im Grundsatz nicht angängig, dass – vorbehaltlich einer anderweitigen ausdrücklichen Regelung des zuständigen Normgebers – andere Personen als die bestellten Prüfer anwesend seien, die Fälle der Beratung einer Prüfungskommission. Diese Vorgabe für die Notenfestlegung in Fällen einer Kollegialprüfung ist auf die hier vorliegende Fallkonstellation der Bewertung durch einen Einzelprüfer nicht übertragbar. Denn eine Beratung impliziert zwingend eine diskursive Entscheidungsfindung in einem Kollegium.

19

b) Die Beschwerde macht des Weiteren geltend, das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 18. Januar 2022 – 6 B 21.21 – (NJW 2022, 1115 Rn. 15) abgewichen. Danach gewährleiste Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gerichtlichen Rechtsschutz, wenn die Prüfungsbehörde sich weigere, überhaupt ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren durchzuführen oder bei dessen Ausgestaltung grundlegende Anforderungen missachte, die die Annahme rechtfertigten, dass dessen Zweck nicht erreicht werde. So liege der Fall hier.

20

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Denn sie bleibt den Nachweis schuldig, der Verwaltungsgerichtshof habe dem von ihr wiedergegebenen Rechtssatz des beschließenden Senats widersprochen. Ein solcher Widerspruch liegt auch in der Sache nicht vor. In Wahrheit kritisiert die Beschwerde im Gewande der Divergenzrüge die Rechtsanwendung der Vorinstanz in dem hier vorliegenden Fall; damit kann sie jedoch keine Revisionszulassung wegen Abweichung erreichen.

21

Nach Auffassung der Beschwerde ist das Berufungsgericht auch von dem Urteil des Senats vom 30. Juni 1994 – 6 C 4.93 – (DVBl. 1994, 1362) abgewichen, demzufolge dem Anspruch des Prüflings auf Überdenken nur in den dort bezeichneten – hier nicht vorliegenden – Übergangsfällen während der Anhängigkeit des Prüfungsrechtsstreits hätte Rechnung getragen werden dürfen. In allen anderen Fällen, in denen ein Widerspruchsverfahren zur Verfügung stehe, sei hingegen das gleichzeitige Betreiben von Verwaltungsstreitverfahren und verwaltungsinternem Kontrollverfahren zu vermeiden, um zum einen die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit dieses Kontrollverfahrens zu gewährleisten und zum anderen seine Beendigung vor derjenigen des gerichtlichen Verfahrens sicherzustellen. Die Durchführung außerhalb des Widerspruchsverfahrens sei daher entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden unzulässig. Auch dieses Vorbringen belegt keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

22

Der Senat hat in dem Urteil vom 30. Juni 1994 (6 C 4.93) die Berufungsentscheidung aufgehoben und in dem von der Beschwerde wiedergegebenen Auszug aus den Entscheidungsgründen dem Berufungsgericht Hinweise für das weitere gerichtliche Verfahren gegeben. Sogenannte Segelanweisungen in zurückverweisenden Revisionsurteilen sind indes nicht divergenzfähig, weil die Revisionsentscheidung nicht auf ihnen beruht (BVerwG, Beschluss vom 3. April 1996 – 4 B 253.95 – NVwZ 1997, 389; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 132 Rn. 36).

23

Zudem ist der Verwaltungsgerichtshof auch in der Sache nicht von der Rechtsprechung des beschließenden Senats abgewichen. Denn weder dem genannten Urteil vom 30. Juni 1994 – 6 C 4.93 – (DVBl. 1994, 1362) noch dem Senatsbeschluss vom 18. Januar 2022 – 6 B 21.21 – (NJW 2022, 1115 Rn. 15) lässt sich der von der Beschwerde behauptete Rechtssatz entnehmen, der Anspruch des Prüflings auf Überdenken der Bewertung seiner in einer berufsbezogenen Prüfung gezeigten Leistungen könne – außerhalb der durch die Rechtsprechungsänderung aufgetretenen Übergangsfälle – ausschließlich in einem Widerspruchsverfahren erfüllt werden.

24

3. Die Beschwerde lässt keinen Verfahrensmangel des Verwaltungsgerichtshofs erkennen, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könnte. Ihr Vorbringen lässt weder einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (a) noch eine Gehörsverletzung durch eine verfahrensfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags (§ 86 Abs. 2 VwGO) (b) seitens des Verwaltungsgerichtshofs erkennen.

25

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es in der prozessrechtlich zwischen Tatsachengericht und Revisionsinstanz vorgesehenen Kompetenzverteilung Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung die Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Der in § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung bzw. Überzeugungsgrundsatz eröffnet dem Tatrichter dafür einen Wertungsrahmen. Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist von dem Bundesverwaltungsgericht nicht daraufhin nachzuprüfen, ob die Gewichtung einzelner Umstände und deren Gesamtwürdigung überzeugend erscheinen. Sie wird dementsprechend nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass ein Beteiligter aus dem vorliegenden Tatsachenmaterial andere Schlüsse ziehen will als das Tatsachengericht. Ein nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO beachtlicher Mangel bei der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn der gerügte Fehler sich hinreichend deutlich von der materiell-rechtlichen Subsumtion, das heißt der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier Beweiswürdigung eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat. Eine Überschreitung des Wertungsrahmens kann etwa in einer Nichtbeachtung der Denkgesetze (Logik), gesetzlicher Beweisregeln oder allgemeiner Erfahrungssätze oder auch in einer objektiv willkürlichen oder aktenwidrigen Sachverhaltswürdigung bestehen (BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 2020 – 6 C 11.18 – BVerwGE 171, 59 Rn. 40 und vom 2. März 2022 – 6 C 7.20 – BVerwGE 175, 76 Rn. 40, jeweils m. w. N.). Die Rüge, das Gericht habe den Sachverhalt „aktenwidrig“ festgestellt, kann einen Verfahrensmangel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ansprechen, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt ein offensichtlicher, keiner weiteren Beweiserhebung bedürftiger „zweifelsfreier“ Widerspruch vorliegt (BVerwG, Beschlüsse vom 19. November 1997 – 4 B 182.97 – Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1, vom 16. März 1999 – 9 B 73.99 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 7 und vom 5. Oktober 2018 – 6 B 148.18 – juris Rn. 9 f.).

26

An diesen Maßstäben gemessen ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdebegründung kein Verstoß des Verwaltungsgerichtshofs gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Denn die Beschwerde hat keine „zweifelsfreien“, d. h. jenseits von tatrichterlichen Würdigungen sowie Wertungen liegende offene Widersprüche zwischen Akteninhalt und den von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen aufgezeigt.

27

aa) Der Kläger rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe den Sachverhalt aktenwidrig gewürdigt, indem er in den Entscheidungsgründen davon ausgegangen sei, die Stellungnahme des Prüfers in der Begründung des Widerspruchsbescheids sei in indirekter Rede wiedergegeben worden. Vielmehr werde dort der Indikativ Imperfekt verwendet. Deshalb sei für den Kläger nicht ersichtlich gewesen, ob und in welchen Teilen die dortigen Ausführungen der Prüfungsbehörde auf eine Stellungnahme des Prüfers zurückgegangen seien.

28

Dieses Vorbringen vermag die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts (UA S. 25), die wesentlichen Gründe der Bewertung seien dem Kläger in einer Weise mitgeteilt worden, dass ihm die Erhebung substantiierter Einwendungen möglich gewesen sei, nicht zu erschüttern. Auch wenn die Widerspruchsbehörde bei der Wiedergabe der Stellungnahme des Prüfers in indirekter Rede grammatikalisch fehlerhaft nicht den Konjunktiv verwendet hat, erschließt sich aus den Passagen des Widerspruchsbescheids „Herr Prof. Dr. R. führt in seiner Stellungnahme zum Widerspruch vom 11.12.2027 aus, […]“ und „Herr Prof. Dr. R. führt weiter aus, […]“ in aller Deutlichkeit, dass an dieser Stelle die Äußerungen des Prüfers wiedergegeben worden sind.

29

bb) Der Kläger macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 25 2. Absatz) gehe aktenwidrig davon aus, dass dem Kläger die wesentlichen Gründe der Leistungsbewertung des Prüfers mit der Stellungnahme des Prüfers gegenüber der Prüfungsbehörde vom 11. Dezember 2017 bekannt gegeben worden seien.

30

Damit unterstellt die Beschwerde dem Berufungsgericht eine Aussage, die dieses nicht getroffen hat. Mitnichten hat der Verwaltungsgerichtshof behauptet, die Stellungnahme des Prüfers sei unmittelbar dem Kläger bekanntgegeben worden. Denn in den Gründen der angefochtenen Entscheidung (UA S. 25) führt die Vorinstanz aus, „[…] die wesentlichen Gründe der Bewertung sind ihm ersichtlich und in einer Weise mitgeteilt worden, dass ihm die Erhebung substantiierter Einwendungen möglich war. Dass dies erst im Widerspruchsbescheid in indirekter Rede erfolgte, ist im Ergebnis unschädlich.“

31

cc) Schließlich führt die Beschwerde an, der Verwaltungsgerichtshof gehe in den Entscheidungsgründen (UA S. 18 unten) aktenwidrig davon aus, dass die Eignung eines vom Prüfungskandidaten selbstrekrutierten Patienten auch hinsichtlich des Umfangs geprüft werde und daher der pädagogische Ermessensspielraum bei der Auswahl der Aufgaben nicht überschritten sei. Auch dieses Vorbringen verhilft ihr nicht zum Erfolg. Denn im Gewande einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes greift die Beschwerde der Sache nach lediglich die Beweiswürdigung und darauf aufbauende rechtliche Bewertung des Berufungsgerichts an, ohne eine aktenwidrige Tatsachenfeststellung aufzuzeigen.

32

b) Der Kläger rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe seinen ersten Beweisantrag in der Berufungsverhandlung rechtswidrig abgelehnt. Der damit implizit gerügter Gehörsverstoß liegt jedoch nicht vor.

33

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der Berufungsverhandlung u. a. die Einvernahme von Prof. Dr. K. als Zeugen für die Behauptung beantragt, dass „im Rahmen der gemeinsamen Reflexion des Prüfers Prof. R. im Anschluss an die mündliche Prüfung auch über die vom Kläger gezeigte Prüfungsleistung gesprochen worden ist.“ Der Verwaltungsgerichtshof hat laut Protokoll den Beweisantrag durch einen in der Verhandlung verkündeten Beschluss abgelehnt. Er hat zur Begründung ausgeführt, der Beweisantrag sei unzulässig, weil er ohne greifbare tatsächliche Anhaltspunkte ins Blaue hinein aufgestellt worden sei. Unabhängig davon sei die unter Beweis gestellte Tatsache für die Entscheidung unerheblich, weil es auf die Bewertung der in der mündlichen Prüfung vom Kläger gezeigten Leistung und insbesondere die Frage, ob sie mit 3 – 4 oder 4 bewertet worden sei, nicht ankomme. Ein Einfluss dieser Bewertung auf das (Gesamt-)Prüfungsergebnis sei ausgeschlossen, nachdem für das Gesamtergebnis die nicht genügenden praktischen Leistungen entscheidend gewesen seien.

34

Wenn die Beschwerde versucht, unter Rückgriff auf die Ausführungen von Prof. Dr. R. in dessen Stellungnahme vom 18. Juni 2018 gegenüber der Widerspruchsbehörde eine gemeinsame Reflexion mit dem Beisitzer nicht nur über den Verlauf der mündlichen Prüfung, sondern über das Gesamtprüfungsergebnis – und damit auch der praktischen Prüfung – in den Raum zu stellen, lassen sich dafür keine Anhaltspunkte finden. Damit ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, die dem Beweisantrag zugrundeliegende Tatsachenbehauptung, die auf die Schlussfolgerung einer gemeinsamen oder zumindest von dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses beeinflussten Bewertung der mündlichen und der praktischen Prüfung zielt, sei aus der Luft gegriffen.

35

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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