BSG 5. Senat, Beschluss vom 30.04.2024, AZ B 5 R 167/23 B, ECLI:DE:BSG:2024:300424BB5R16723B3
§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 37 Abs 1 S 1 VersAusglG, § 37 Abs 2 VersAusglG, Art 14 Abs 1 S 1 GG
Verfahrensgang
vorgehend SG Darmstadt, 27. September 2022, Az: S 23 R 95/21, Urteil
vorgehend Hessisches Landessozialgericht, 17. Oktober 2023, Az: L 2 R 290/22, Urteil
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. Oktober 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Altersrente ohne Berücksichtigung eines Abschlags aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich.
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Die am 1.2.1976 geschlossene Ehe des Klägers wurde durch Urteil vom 12.4.2001 geschieden und zu seinen Lasten ein Versorgungsausgleich durchgeführt. Er bezieht seit Januar 2009 eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte von der Beklagten. Diese berücksichtigte bei der Rentenberechnung einen versorgungsausgleichsbedingten Abschlag von 16,4734 Entgeltpunkten. Nach dem Bezug einer Regelaltersrente von Juli 2006 bis August 2010 verstarb die geschiedene Ehefrau am 16.8.2010. Dem Antrag des Klägers vom Februar 2011, die versorgungsausgleichsbedingte Kürzung seiner Rente auszusetzen, lehnte die Beklagte ab
(Bescheid vom 17.2.2011). Eine Anpassung wegen Vorversterbens des ausgleichsberechtigten Ehegatten (sog Rückausgleich) nach § 37 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) finde nicht statt, weil die geschiedene Ehefrau mehr als 36 Monate Rentenleistungen bezogen habe. Mit Schreiben vom 6.1.2020 beantragte der Kläger erneut, die versorgungsausgleichsbedingte Kürzung seiner Rente auszusetzen. Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag ab
(Bescheid vom 9.9.2020; Widerspruchsbescheid vom 12.2.2021).
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Das SG hat die Klage abgewiesen
(Urteil vom 27.9.2022). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anpassung seiner Altersrente, weil die geschiedene Ehefrau länger als 36 Monate Rentenleistungen unter Berücksichtigung der übertragenen Rentenanwartschaften bezogen habe. § 37 Abs 1 Satz 1, Abs 2 VersAusglG verstoße mit dieser zeitlichen Begrenzung auch nicht gegen Verfassungsrecht
(Urteil vom 17.10.2023).
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Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 22.1.2024 begründet hat.
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II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) wird nicht hinreichend dargetan. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss in der Beschwerdebegründung darlegen, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist daher eine Rechtsfrage zu formulieren und deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufzuzeigen
(stRspr; zB BSG Beschluss vom 28.2.2024 – B 5 R 143/23 B – juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 31.7.2017 – B 1 KR 47/16 B – SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Daran richtet der Kläger sein Vorbringen nicht aus.
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Er formuliert schon keine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zur Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit revisibler (Bundes-)Normen mit höherrangigem Recht, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte
(vgl zu dieser Anforderung zB BSG Beschluss vom 22.4.2020 – B 5 R 266/19 B – juris RdNr 5; Beschluss vom 2.3.2015 – B 12 KR 60/14 B – juris RdNr 15; jeweils mwN). Soweit er mit seinem Gesamtvorbringen sinngemäß die Frage nach der Vereinbarkeit von § 37 Abs 1 Satz 1, Abs 2 VersAusglG mit Art 14 Abs 1 Satz 1 GG aufwirft, legt er die (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit einer solchen Frage nicht hinreichend dar.
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Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist
(vgl zB bereits BSG Beschluss vom 21.1.1993 – 13BJ207/92 – SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung getroffen wurde oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die nunmehr maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet wurde
(stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 4.1.2024 – B 5 R 68/23 B – juris RdNr 7 mwN). Leitet eine Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund aus einer Verletzung von Normen des GG ab, muss sie zudem unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben
soll (stRspr; vgl bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 – 11 BA 8/75 – BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 11.2.2020 – B 10 EG 14/19 B – juris RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 4.1.2024 – B 5 R 68/23 B – juris RdNr 7). Die Beschwerdebegründung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
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Der Kläger trägt vor, die Regelung in § 37 Abs 2 VersAusglG sei noch nicht Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das BVerfG gewesen. Zwar befasst er sich mit dem Urteil des BVerfG vom 5.7.1989
(1 BvL 11/87 ua) zur Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs 2 Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (
VAHRG) vom 21.2.1983 (BGBl I 105). Danach ist ua Art 14 Abs 1 Satz 1 GG nicht dadurch verletzt, dass bei einem Vorversterben des ausgleichsberechtigten Ehegatten die Kürzung der Versorgung des Ausgleichsverpflichteten nur dann entfällt, wenn die aus dem Versorgungsausgleich gewährten Leistungen innerhalb der in § 4 Abs 2 VAHRG bestimmten Grenzen liegen
(vgl BVerfG Urteil vom 5.7.1989 – 1 BvL 11/87 – BVerfGE 80, 297, juris RdNr 47 ff). Wie der Kläger selbst darlegt, war die Härtefallregelung in § 4 Abs 2 VAHRG aber eine Vorgängerregelung zu derjenigen in § 37 Abs 1 Satz 1, Abs 2 VersAusglG. Vor diesem Hintergrund reicht schon sein pauschales Vorbringen nicht aus, es bestünden erhebliche Bedenken, der BVerfG-Entscheidung vom 5.7.1989 uneingeschränkt die Verfassungsmäßigkeit auch von § 37 Abs 2 Satz 1, Abs 2 VersAusglG zu entnehmen. Das gilt umso mehr, als das BVerfG zu Anrechten aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes es sogar als mit dem GG vereinbar angesehen hat, wenn es im Fall des Vorversterbens der ausgleichsberechtigten Person überhaupt nicht zur Aussetzung der Kürzung durch Versorgungsausgleich bei der ausgleichspflichtigen Person kommt. Gerade in Bezug auf § 37 VersAusglG hat das BVerfG ausgeführt, die dort getroffene Regelung möge wünschenswert erscheinen; zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs seien Härteregelungen für die Fallgestaltungen, die bei seiner Einführung erörtert worden seien, aber jedenfalls heute nicht geboten
(BVerfG Beschluss vom 6.5.2014 – 1 BvL 9/12 ua – BVerfGE 136, 152 RdNr 39 ff, insbes RdNr 56; relativierend zur Härtefallregelung bereits BVerfG Urteil vom 5.7.1989 – 1 BvL 11/87 ua – BVerfGE 80, 297 = SozR 5795 § 4 Nr 8 – juris RdNr 50; kritisch Sondervotum Gaier, BVerfGE 136, 184 RdNr 3).
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Das BVerfG hat ferner im Beschluss vom 11.12.2014
(1 BvR 1485/12) befunden, die Regelungen über den Versorgungsausgleich würden in mit dem GG grundsätzlich vereinbarer Weise Inhalt und Schranken des verfassungsrechtlichen Eigentums an Renten und Versorgungsanwartschaften bestimmen
(vgl BVerfG aaO juris RdNr 15 mwN). Es hat zuletzt mit Urteil vom 26.5.2020 bestätigt, dass es keine von Verfassungs wegen korrekturbedürftige Zweckverfehlung des Versorgungsausgleichs sei, wenn aus der von der ausgleichspflichtigen Person hinzunehmenden Kürzung auf Seiten der ausgleichsberechtigten Person wegen Vorversterbens, also aufgrund ihres individuellen Versicherungsschicksals, eine betragsmäßig geringere Leistung resultiert
(vgl BVerfG Urteil vom 26.5.2020 – 1 BvL 5/18 – BVerfGE 153, 358, juris RdNr 52). Auf diese Entscheidungen des BVerfG geht der Kläger nicht ein.
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Ebenso unterbleibt eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG, die auf die jüngere verfassungsrechtliche Rechtsprechung Bezug nimmt
(zB BSG Urteil vom 20.1.2021 – B 13 R 5/20 R – BSGE 131, 202 = SozR 4-2600 § 88 Nr 4, RdNr 34 mwN aus der Rechtsprechung des BVerfG). Die Zeitgrenze des § 37 Abs 2 VersAusglG war im Übrigen bereits Gegenstand einer Entscheidung des BSG, das die Vorschrift als verfassungsgemäß angesehen hat
(vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 – B 13 R 9/14 R – SozR 4-5796 § 37 Nr 2 RdNr 30). Das LSG hat darauf ausdrücklich Bezug genommen. Auch dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen
(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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- 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG und einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
- Körner
- Hahn
- Hannes