BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 21.05.2024, AZ 2 B 17/24, ECLI:DE:BVerwG:2024:210524B2B17.24.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 29. Februar 2024, Az: OVG 4 B 5.19, Urteil
vorgehend VG Potsdam, 28. September 2016, Az: 2 K 1726/14
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Februar 2024 wird abgelehnt.
Gründe
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1. Der inzwischen pensionierte Kläger war Studiendirektor im Dienst des beklagten Landes. Er begehrte in den Vorinstanzen erfolglos immateriellen Schadensersatz wegen „Mobbings“ durch eine Schulleiterin und Bedienstete eines Schulamtes.
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Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben am 3. April 2024 für den Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihnen am 28. März 2024 zugestellten Berufungsurteil eingelegt und die Begründung der Beschwerde in einem späteren Schriftsatz angekündigt. Am 12. April 2024 haben sie dem Berufungsgericht angezeigt, dass das Mandat beendet ist. Mit Fax-Schreiben vom selben Tag hat der Kläger dem Berufungsgericht mitgeteilt, dass er seinem Rechtsanwalt das Mandat entzogen habe, weil dieser das Berufungsverfahren nicht sachgerecht geführt habe. Mit Schreiben vom 15. April 2024 hat das Berufungsgericht die Prozessbevollmächtigten des Klägers vorsorglich darauf hingewiesen, dass ihre Mitteilung die Bevollmächtigung nicht beende, da die Mandatsniederlegung aufgrund des Vertretungszwangs erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtlich wirksam werde. Mit Schreiben vom 18. April 2024 hat der Kläger das Berufungsgericht gebeten, den Schriftverkehr ausschließlich über ihn zu führen, und mitgeteilt, mit drei Rechtsanwältinnen Kontakt wegen einer Beauftragung aufgenommen zu haben. Mit weiterem, undatierten und am 3. Mai 2024 beim Berufungsgericht eingegangenem Schreiben hat der Kläger mitgeteilt, dass auch die dritte der kontaktierten Rechtsanwältinnen nicht zur Vertretung bereit gewesen sei, und die Beiordnung eines Notanwaltes beantragt.
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Das Berufungsgericht hat die Akten dem Bundesverwaltungsgericht übersandt und die Beteiligten darüber unterrichtet. Mit Schreiben vom 10. Mai 2024 hat der Kläger gegenüber dem Senat ausführlich dazu ausgeführt, welche Fehler dem Berufungsgericht und seinem Rechtsanwalt in der Berufungsverhandlung unterlaufen seien und warum das Berufungsurteil fehlerhaft sei. Zugleich hat er mitgeteilt, dass er jetzt in eine Tagesklinik gehen werde und nicht ausschließe, ganz in eine Akutklinik zu müssen. Mit Schreiben vom 17. Mai 2024 hat der Kläger bekannt gegeben, dass der Anwaltsvertrag habe gekündigt werden müssen, weil sein Anwalt ihn bedroht und sein Vertrauen schwerwiegend verletzt habe. Er sei in eine Klinik überwiesen worden und habe im Augenblick nicht die Möglichkeit, sich selbst weiter um einen Anwalt zu kümmern.
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2. Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts ist abzulehnen.
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a) Nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 78b ZPO ist einem Verfahrensbeteiligten auf dessen Antrag hin, soweit – wie hier gemäß § 67 Abs. 4 VwGO – eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, durch Beschluss für den Rechtszug ein Rechtsanwalt zur Wahrung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung ist weiter, dass der Verfahrensbeteiligte nicht mittellos ist, da andernfalls sein Antrag nach den Vorgaben des Prozesskostenhilferechts gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO zu behandeln wäre (BVerwG, Beschluss vom 28. März 2017 – 2 B 4.17 – Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 5 Rn. 6).
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Zuständig für die Bescheidung eines Antrags auf Bestellung eines Notanwalts ist das Prozessgericht, das über den von dem Antragsteller verfolgten Rechtsbehelf zu entscheiden hat. Das ist beim angestrebten Zugang zur Revisionsinstanz das Bundesverwaltungsgericht. Dies gilt auch bei einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die beim Berufungsgericht einzulegen und der zunächst eine Nichtabhilfeentscheidung durch das Berufungsgericht vorgeschaltet ist. Dies folgt schon daraus, dass die Prüfung, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos ist, nicht von dem gleichen Gericht zu treffen ist, das über diese Rechtsverfolgung in der angegriffenen Entscheidung abschlägig entschieden hat (BVerwG, Beschluss vom 28. März 2017 – 2 B 4.17 – Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 5 Rn. 7 m. w. N.).
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b) Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Kläger hat nicht in der gebotenen Weise dargelegt, dass er sich erfolglos um eine anwaltliche Vertretung für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde bemüht hat.
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aa) Nach allgemeiner Ansicht in der überwiegend zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur muss der Verfahrensbeteiligte substantiiert darlegen und glaubhaft machen, dass er sich erfolglos darum bemüht hat, einen Rechtsanwalt für die Prozessvertretung zu gewinnen. Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde muss diese Substantiierung innerhalb der Einlegungsfrist erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Betroffene substantiiert dartun, dass er sich zumindest an mehr als vier (beim Bundesgerichtshof zugelassene) Rechtsanwälte gewandt hat, bei denen er erfolglos wegen einer Übernahme des Mandats angefragt hat, und dies gegebenenfalls nachweisen (BGH, Beschlüsse vom 16. Februar 2004 – IV ZR 290/03 – NJW-RR 2004, 864, vom 25. Januar 2007 – IX ZB 186/06 – FamRZ 2007, 635 und vom 27. November 2014 – III ZR 211/14 – MDR 2015, 540 Rn. 3). Der erforderliche Umfang der erfolglosen Bemühungen dürfte allerdings z. B. auch von der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit bzw. der in Rede stehenden Rechtshandlung abhängen. Erforderlich ist nach Auffassung des Senats jedenfalls, dass der Rechtsschutzsuchende innerhalb der Einlegungsfrist substantiiert darlegt und glaubhaft macht, rechtzeitig alles ihm Zumutbare getan zu haben, um sich vertreten zu lassen. Dazu gehört, dass er eine angemessene Zahl von postulationsfähigen Prozessvertretern vergeblich um die Übernahme des Mandats ersucht hat (BVerwG, Beschluss vom 28. März 2017 – 2 B 4.17 – Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 5 Rn. 9 m. w. N.).
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bb) Dieser Darlegungspflicht hat der Kläger nicht Genüge getan. Die Anzahl von drei kontaktierten Anwältinnen ist in jedem Fall zu gering, um als hinreichendes Bemühen angesehen werden zu können. Angesichts des Umstandes, dass beim Bundesverwaltungsgericht jeder Rechtsanwalt postulationsfähig ist, ist grundsätzlich zumindest die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte Zahl von „mehr als vier“ Rechtsanwälten erforderlich. Die vom Kläger vorgetragene Zahl von drei Kontaktaufnahmen genügt deshalb nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass er seit der Mandatskündigung gegenüber seinen Rechtsanwälten nicht in der Lage gewesen wäre, sich bei noch weiteren Rechtsanwälten um eine Beauftragung zu bemühen. Die in seinem Schreiben an den Senat mitgeteilten psychischen Beeinträchtigungen und der dort erwähnte Akutaufenthalt sind nicht weiter substantiiert und nicht – etwa durch entsprechende ärztliche Atteste – belegt.
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c) Dahin stehen kann, ob die Bestellung eines Notanwalts bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil der bisherige Bevollmächtigte gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 87 Abs. 1 ZPO bis zur Bestellung einer anderen gemäß § 67 Abs. 4 VwGO zur Prozessvertretung befugten Person im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet ist, den Kläger im Beschwerdeverfahren zu vertreten (so BVerwG, Beschluss vom 20. November 2012 – 4 AV 2.12 – Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 4 Rn. 9 für den Fall der Kündigung des Mandatsverhältnisses durch den Rechtsanwalt).
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Ebenso kann dahinstehen, ob die Beiordnung eines Notanwalts auch deshalb ausgeschlossen ist, weil der Kläger durch die Beendigung des Mandatsverhältnisses gegenüber seinem bisherigen Rechtsanwalt, ohne zuvor einen anderen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gesucht und gefunden zu haben, die Situation selbst zu vertreten hat, in der sich die Frage nach der Bestellung eines Notanwalts stellt. Für den Fall, dass eine Partei zunächst einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und mandatiert hat, der Rechtsanwalt aber später das Mandat niedergelegt, ist anerkannt, dass die Bestellung eines Notanwalts nur dann in Betracht kommt, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat, was sie substantiiert darzulegen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – IX ZR 128/16 – ZInsO 2017, 442 Rn. 1 m. w. N.; BSG, Beschluss vom 27. November 2015 – B 9 V 51/15 B – juris Rn. 9); Gleiches wird angenommen, wenn die Partei einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden, das Mandatsverhältnis jedoch ohne ausreichenden Grund gekündigt hat (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013 – V ZR 1/13 – juris Rn. 3; OVG Greifswald, Beschluss vom 8. Juli 2014 – 1 L 164/11 – juris Rn. 8).
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Schließlich kann offenbleiben, ob außerdem die Rechtsverfolgung des Klägers mittels der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Berufungsurteil aussichtslos ist (zu den Maßstäben insoweit vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2017 – 2 B 4.17 – Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 5 Rn. 11).