Prüfung bei Unklarheiten über die Qualifikation als Betrieb der Fleischwirtschaft (Beschluss des BFH 7. Senat)

BFH 7. Senat, Beschluss vom 19.02.2024, AZ VII B 40/23 (AdV), ECLI:DE:BFH:2024:BA.190224.VIIB40.23.0

§ 69 FGO, § 2 Abs 1 SAFleischWiG, § 6a SAFleischWiG, § 6b SAFleischWiG, § 6 Abs 9 AEntG

Leitsatz

1. NV: Der Sinn und Zweck einer Prüfung der Einhaltung der Vorgaben des § 6a des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) besteht darin, etwaige Verstöße hiergegen aufzudecken.

2. NV: Die Zollbehörden müssen die Möglichkeit haben, durch die Prüfung überhaupt erst einmal festzustellen, ob es sich bei dem fraglichen Betrieb um einen Betrieb der Fleischwirtschaft handelt. Nur so kann beurteilt werden, inwieweit der Betrieb den Einschränkungen des § 6a GSA Fleisch unterliegt (Bestätigung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 10.02.2022 – VII B 85/21, BFHE 275, 482).

Verfahrensgang

vorgehend FG Hamburg, 24. Februar 2023, Az: 4 V 118/22, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 24.02.2023 – 4 V 118/22 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) stellte an ihrem Standort in A sogenannte Convenience-Produkte … her, wobei einige Produktionsschritte von einer Tochtergesellschaft übernommen wurden. An dem Standort in A beschäftigte sie im Jahr 2020 insgesamt durchschnittlich … Mitarbeiter, darin enthalten ein Anteil von circa … Werkvertragsarbeitern. Der Standort in A verfügte neben der Produktions- und Verpackungsabteilung zudem über ein Tiefkühl- und Hilfs-/Betriebsstofflager, eine Verwaltungsabteilung, eine Werkstatt sowie eine Qualitätssicherung.

2

Mit Verfügung vom 30.08.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.10.2022 ordnete der Antragsgegner und Beschwerdegegner (Hauptzollamt –HZA–) eine Prüfung gemäß § 2 Abs. 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) in Verbindung mit dem Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) an. Ausweislich der Prüfungsverfügung umfasste die Prüfung unter anderem die Fragen, ob „Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen“ entgegen § 6a Abs. 2 i.V.m. § 6a Abs. 3 GSA Fleisch „ver- oder entliehen werden oder wurden“ (Nr. 5 Buchst. c der Verfügung) und ob gegen bestimmte Verbote gemäß „§ 6a oder § 1“ GSA Fleisch verstoßen wurde (Nr. 9 der Verfügung). Das HZA gab der Antragstellerin die Prüfungsverfügung am 30.08.2022 vor Ort im Betrieb bekannt und begann an demselben Tag mit den Prüfungshandlungen.

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Gegen die Prüfungsverfügung erhob die Antragstellerin, nachdem ein Einspruch erfolglos geblieben war, beim Finanzgericht (FG) eine Klage, die unter dem Aktenzeichen 4 K 117/22 erfasst wurde und noch anhängig ist. Einen ebenfalls gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FG mit Beschluss vom 24.02.2023 – 4 V 118/22 ab und ließ die Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3, § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu. Seine Entscheidung begründete das FG damit, die streitgegenständliche Prüfungsverfügung habe bei summarischer Prüfung ihre Rechtsgrundlage in § 6b Abs. 1 Satz 1 GSA Fleisch. Die Anordnung der Prüfung sei im Hinblick auf die angegriffenen Nr. 5 Buchst. c und Nr. 9 der Verfügung voraussichtlich ermessensgerecht, da sie den Prüfungsumfang entsprechend den in § 6a Abs. 2 und 3 GSA Fleisch normierten Vorgaben beschreibe. Da die Antragstellerin an ihrem Standort in A sogenannte Convenience-Produkte herstelle und hierzu Fleisch verarbeite, erscheine die Annahme, dass sie als Betrieb der Fleischwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch anzusehen sei und den Einschränkungen des § 6a GSA Fleisch unterliege, nicht als willkürlich oder sachwidrig. Im Übrigen müssten die Behörden der Zollverwaltung die Möglichkeit erhalten, in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen und festzustellen, ob und in welchem Umfang und durch welche Mitarbeiter im Betrieb eine Fleischverarbeitung stattfinde.

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Die Antragstellerin hat gegen den FG-Beschluss mit Schriftsatz vom 10.03.2023 Beschwerde eingelegt.

5

Im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung war vor dem Senat ein Verfahren derselben Antragstellerin unter dem Aktenzeichen VII B 9/22 anhängig, in welchem diese den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend begehrte, dass sie am Standort in A kein Betrieb der Fleischwirtschaft im Sinne von § 6 Abs. 9 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz –;AEntG–) sei. Hilfsweise beantragte sie die vorläufige Feststellung, dass bestimmte Betriebsbereiche nicht dem Bereich der Fleischverarbeitung im Sinne von § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterfielen. Nachdem im finanzgerichtlichen Verfahren (FG-Beschluss vom 07.01.2022 – 4 V 85/21) lediglich der Hilfsantrag Erfolg gehabt hatte, wies der Senat mit Beschluss vom 03.05.2023 – VII B 9/22 die dagegen von beiden Beteiligten eingelegten Beschwerden als unbegründet zurück.

6

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Vollziehung von Nr. 5 Buchst. c und Nr. 9 der Prüfungsverfügung auszusetzen und aufzuheben. Es handele sich um eine Ergänzung zu dem zuvor verfolgten negativen Feststellungsantrag, so die Antragstellerin. Verfahrensrechtlich folge sie dem Hinweis des Senats im Beschluss vom 10.02.2022 – VII B 85/22, Rz 42 wonach gegen Prüfungsverfügungen mit der Anfechtungsklage vorzugehen sei. Dass ihr der fachgerichtliche Rechtsschutz zustehe, ergebe sich auch aus Rz 20 des Kammerbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29.12.2020 – 1 BvQ 165-167/20.

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In der Sache sei sie von dem GSA Fleisch nicht betroffen, da sie kein Betrieb der Fleischwirtschaft sei. Die Bereiche des Tiefkühl- und Betriebslagers, der Verwaltung, der Qualitätssicherung und der Werkstatt seien nicht dem Bereich der Fleischverarbeitung im Sinne des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch zuzuordnen. Im Übrigen verstoße § 6a Abs. 2 GSA Fleisch als Ermächtigungsgrundlage gegen Verfassungs- und Unionsrecht. Bislang habe auch das BVerfG die Frage der Verfassungswidrigkeit ausdrücklich offengelassen und stattdessen lediglich auf eine Folgenabwägung abgestellt (BVerfG-Kammerbeschluss vom 29.12.2020 – 1 BvQ 152-157/20, Rz 27).

8

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Vollziehung der Nr. 5 Buchst. c und Nr. 9 der angefochtenen Prüfungsverfügung vom 30.08.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.10.2022 auszusetzen und aufzuheben.

9

Das HZA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

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Nach Auffassung des HZA ist die Anordnung der Prüfung rechtmäßig, da die Antragstellerin zumindest teilweise Fleisch verarbeite, sodass nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne, dass sie in den Anwendungsbereich des GSA Fleisch falle. Den Behörden der Zollverwaltung müsse es durch die Prüfung ermöglicht werden zu überprüfen, ob die Antragstellerin den Regelungen des GSA Fleisch unterliege. Eine Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung sei auch nicht aufgrund von verfassungsrechtlichen Zweifeln geboten. Das dafür erforderliche besondere berechtigte Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehe nicht. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Prüfungsverfügung vom 30.08.2022, da das BVerfG bestätigt habe, dass durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen das GSA Fleisch nicht bestünden (BVerfG-Kammerbeschluss vom 29.12.2020 – 1 BvQ 152-157/20).

Entscheidungsgründe

II.

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1. Die Beschwerde ist zulässig.

12

Das FG hat in seinem Beschluss vom 24.02.2023 – 4 V 118/22 die Beschwerde zugelassen, sodass der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO gegen die Entscheidung des FG über die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO die Beschwerde zusteht.

13

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

14

Der Antrag auf Aussetzung beziehungsweise Aufhebung der Vollziehung ist nach summarischer Prüfung zulässig. Bei der Prüfungsverfügung vom 30.08.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.10.2022 handelt es sich gemäß § 6b Abs. 2 GSA Fleisch i.V.m. § 22 SchwarzArbG und § 118 der Abgabenordnung um einen Verwaltungsakt, sodass der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO statthaft ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10.02.2022 – VII B 85/21, Rz 42). Inwieweit die Prüfungsverfügung durch die am 30.08.2022 begonnenen Prüfungshandlungen bereits vollzogen war und insofern der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung statthaft ist (§ 69 Abs. 2 Satz 7 FGO), kann dabei dahinstehen.

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Denn der Antrag auf Aussetzung beziehungsweise Aufhebung der Vollziehung ist jedenfalls unbegründet.

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a) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs. 2 Satz 7 FGO).

17

Nach der Rechtsprechung des Senats bestehen ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen, wird dabei nicht vorausgesetzt (Senatsbeschluss vom 26.05.2021 – VII B 13/21 (AdV), Rz 10; BFH-Beschluss vom 15.04.2020 – IV B 9/20 (AdV), Rz 25, m.w.N.). Ernstliche Zweifel können auch verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm sein (ständige Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom 26.05.2021 – VII B 13/21 (AdV), Rz 10; BFH-Beschluss vom 04.07.2019 – VIII B 128/18, Rz 12, m.w.N.).

18

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Vollziehung der Nr. 5 Buchst. c und Nr. 9 der angefochtenen Prüfungsverfügung nicht auszusetzen beziehungsweise aufzuheben.

19

aa) § 6a GSA Fleisch in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) vom 22.12.2020 (BGBl I 2020, 3334) enthält bestimmte Einschränkungen des Einsatzes von Fremdpersonal. Diese Vorgaben gelten gemäß § 2 Abs. 1 GSA Fleisch für die Fleischwirtschaft, zu der Betriebe im Sinne von § 6 Abs. 9 AEntG gehören. Nach der Legaldefinition des § 6 Abs. 9 Satz 1 AEntG handelt es sich bei Betrieben der Fleischwirtschaft um Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen, in denen überwiegend geschlachtet oder Fleisch verarbeitet wird. Außerdem werden damit nach § 6 Abs. 9 Satz 1 AEntG Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen angesprochen, die ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überwiegend in Betrieben der Fleischwirtschaft einsetzen. Gemäß § 6 Abs. 9 Satz 2 AEntG umfasst das Schlachten alle Tätigkeiten des Schlachtens und Zerlegens von Tieren mit Ausnahme von Fischen. Nach § 6 Abs. 9 Satz 3 i.V.m. Satz 4 AEntG umfasst die Verarbeitung alle Tätigkeiten der Weiterverarbeitung von beim Schlachten gewonnenen Fleischprodukten zur Herstellung von Nahrungsmitteln sowie deren Portionierung und Verpackung, es sei denn, die Behandlung, Portionierung oder Verpackung erfolgt auf Anforderung des Endverbrauchers (vgl. Senatsbeschluss vom 22.09.2022 – VII B 183/21, Rz 39).

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Gemäß § 6b Abs. 1 Satz 1 GSA Fleisch obliegt die Prüfung der Einhaltung der Vorgaben des § 6a GSA Fleisch den Behörden der Zollverwaltung. Nach § 6b Abs. 2 GSA Fleisch sind die §§ 2 bis 6, 14, 15 bis 20, 22 und 23 SchwarzArbG entsprechend anzuwenden. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchst. c SchwarzArbG prüfen die Behörden der Zollverwaltung, ob Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen entgegen § 6a Abs. 2 i.V.m. § 6a Abs. 3 GSA Fleisch ver- oder entliehen werden oder wurden. Dieselbe Prüfungsbefugnis besteht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 SchwarzArbG im Hinblick auf bestimmte Verbote nach § 6a oder § 7 Abs. 1 GSA Fleisch.

21

bb) Hiervon ausgehend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsverfügung.

22

(1) Die Ermächtigungsgrundlage für Prüfungsverfügungen des HZA ergibt sich nach summarischer Prüfung aus § 6b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GSA Fleisch i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 9 SchwarzArbG, wonach die Behörden der Zollverwaltung die Einhaltung bestimmter Verbote gemäß §§ 6a, 7 Abs. 1 GSA Fleisch prüfen (vgl. Senatsurteil vom 18.08.2020 – VII R 34/18, BFHE 271, 80, Rz 14 zur Ermächtigungsgrundlage einer Prüfungsverfügung nach dem Mindestlohngesetz). Diese Prüfungsbefugnis umfasst auch den Erlass einer Prüfungsverfügung.

23

(2) Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei von dem GSA Fleisch nicht betroffen, da sie kein Betrieb der Fleischwirtschaft sei. Denn wie der Senat bereits entschieden hat, besteht gerade der Sinn und Zweck einer Prüfung darin, etwaige Verstöße gegen die Vorgaben des § 6a GSA Fleisch aufzudecken (Senatsbeschluss vom 10.02.2022 – VII B 85/21, BFHE 275, 482, Rz 44). Die Zollbehörden müssen daher die Möglichkeit haben, überhaupt erst einmal festzustellen, ob es sich bei dem fraglichen Betrieb um einen Betrieb der Fleischwirtschaft handelt. Nur so kann beurteilt werden, inwieweit der Betrieb den Einschränkungen des § 6a GSA Fleisch unterliegt (Senatsbeschluss vom 10.02.2022 – VII B 85/21, BFHE 275, 482, Rz 44; vgl. auch Senatsurteil vom 18.08.2020 – VII R 34/18, BFHE 271, 80, Rz 98 zur Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 20 des Mindestlohngesetzes).

24

Dass eine eventuelle Prüfung durch das HZA im Streitfall rechtsmissbräuchlich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich, weil die Antragstellerin –neben den Bereichen des Tiefkühl- und Betriebslagers, der Verwaltung, der Qualitätssicherung und der Werkstatt– jedenfalls auch Fleisch verarbeitet und damit nicht von vorneherein auszuschließen ist, dass sie dem Anwendungsbereich des GSA Fleisch unterliegt. Die Frage, ob im Betrieb der Antragstellerin „überwiegend“ im Sinne des § 6 Abs. 9 Satz 1 AEntG geschlachtet oder Fleisch verarbeitet wird, erscheint zumindest nicht ausgeschlossen.

25

Vor diesem Hintergrund ist auch nicht zu beanstanden, dass sich die angefochtene Prüfungsanordnung auch auf diejenigen Betriebsbereiche erstreckt, für die das FG mit Beschluss vom 07.01.2022 – 4 V 85/21 (bestätigt durch den Senatsbeschluss vom 03.05.2023 – VII B 9/22) zuvor festgestellt hatte, dass diese Bereiche nicht der Fleischverarbeitung im Sinne von § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterfielen. Denn zur Untersuchung, welche Tätigkeiten in einem Betrieb „überwiegend“ im Sinne des § 6 Abs. 9 Satz 1 AEntG ausgeübt werden, sind auch diejenigen Bereiche einzubeziehen, in denen kein Fleisch verarbeitet wird.

26

cc) Eine Aussetzung beziehungsweise Aufhebung der Vollziehung kann entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht darauf gestützt werden, dass § 6a Abs. 2 GSA Fleisch bei summarischer Prüfung gegen Verfassungs- und Unionsrecht verstoßen würde.

27

Zwar sind im Schrifttum nicht unerhebliche Bedenken gegen die Verfassungs- und Unionsrechtmäßigkeit der Neuregelung des § 6a GSA Fleisch durch das Arbeitsschutzkontrollgesetz vom 22.12.2020 vorgebracht worden (vgl. nur Boemke/Düwell/Greiner/Hamann/Kalb/Kock/Mengel/Motz/Schüren/Thüsing/ Wank, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2020, 1160, 1163 ff). Ebenso hat das BVerfG unter Bezugnahme auf den vorgenannten Schrifttumsbeitrag festgestellt, die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen –bis hin zu den Auswirkungen einer ohne Übergangsfrist in Kraft getretenen Neuregelung– bedürften jedenfalls sorgfältiger Prüfung, deren Ausgang offen sei (BVerfG-Kammerbeschluss vom 29.12.2020 – 1 BvQ 152-157/20, Rz 27). Eine diesbezügliche Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG lediglich aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Kammerbeschluss vom 01.06.2022 – 1 BvR 2888/20, 1 BvR 1152-1156/21).

28

Im Streitfall ist jedoch nicht die Verfassungs- und Unionsrechtskonformität des § 6a GSA Fleisch maßgeblich. Denn Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht eine an einen eventuellen Verstoß der Antragstellerin gegen das Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal gebundene Rechtsfolge, sondern lediglich die Prüfungsanordnung auf der Grundlage des § 6b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GSA Fleisch i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 9 SchwarzArbG. Dagegen, dass das HZA aufgrund der dargestellten Rechtsgrundlagen zu einer Prüfung berechtigt ist, bestehen jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, die eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Prüfungsverfügung rechtfertigen würden. Solche Bedenken hat die Antragstellerin auch nicht substantiiert dargelegt. Die Antragstellerin hat ihre diesbezüglichen Ausführungen auf Bedenken gegen die Verfassungs- und Unionsrechtskonformität des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch beschränkt.

29

Würde im Hinblick auf verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel an § 6a Abs. 2 GSA Fleisch bereits eine Prüfung des Betriebs unterbunden, so würde das HZA nicht in die Lage versetzt zu prüfen, ob der jeweilige Betrieb überhaupt in den Anwendungsbereich des GSA Fleisch fallen könnte. Dies ist jedoch die Voraussetzung, um von einer Verfassungs- oder Unionsrechtswidrigkeit des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch betroffen zu sein.

30

Die Notwendigkeit einer Würdigung der eventuellen Verfassungs- oder Unionsrechtswidrigkeit des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch ergibt sich auch nicht aus der Erwägung, dass ein Verstoß gegen diese Vorschrift nach § 7 GSA Fleisch bußgeldbewährt ist und die Antragstellerin nicht darauf verwiesen werden darf, sich im Anschluss an die Prüfung des HZA der Gefahr eines Bußgeldverfahrens auszusetzen und erst im Rahmen dieses Verfahren die Verfassungs- oder Unionsrechtswidrigkeit des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch überprüfen lassen zu können (vgl. Beschluss vom 03.05.2023 – VII B 9/22, Rz 26). Da jedoch dem Vorbringen der Antragstellerin im Verfahren VII B 9/22 zu entnehmen war, dass sie derzeit auf den Einsatz von Fremdpersonal verzichtet, und das HZA dies im dortigen Verfahren bestätigt hat (vgl. Beschluss vom 03.05.2023 – VII B 9/22, Rz 34), besteht derzeit nicht die Gefahr eines Bußgeldverfahrens.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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