BSG 10. Senat, Urteil vom 25.06.2020, AZ B 10 EG 1/19 R
Verfahrensgang
vorgehend SG Augsburg, 18. November 2015, Az: S 5 EG 22/15, Urteil
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 16. Januar 2018, Az: L 9 EG 68/15, Urteil
Tenor
Auf die Revision des beklagten Freistaats wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 2018 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld unter Berücksichtigung einer von März bis November 2014 ausgezahlten „variablen Vergütungskomponente“.
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Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und Mutter eines am 3.5.2015 geborenen Sohnes. Sie hat ihren Wohnsitz in Deutschland, lebte während des Bezugszeitraums mit dem Sohn und dem Kindesvater in einem Haushalt, betreute und erzog ihren Sohn selbst und übte keine Erwerbstätigkeit aus.
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Die Klägerin arbeitete vor der Geburt ihres Sohnes in einer laborärztlichen Gemeinschaftspraxis in Vollzeit als medizinisch-technische Assistentin. Arbeitsvertraglich war ein Bruttogehalt vereinbart und die Verpflichtung der Arbeitnehmerin, „gegen entsprechende Vergütung in einem zumutbaren Rahmen Überstunden zu leisten, wenn die Erfordernisse des Praxisbetriebes es notwendig machen“. Aus dem Arbeitsverhältnis bezog die Klägerin im Zeitraum März bis Juni 2014 ein monatliches Gehalt iH von 2950 Euro und ab Juli 2014 iH von 3100 Euro, das in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen als laufender Arbeitslohn gekennzeichnet war. Zudem erhielt die Klägerin in den Monaten März bis November 2014 jeweils eine variable Vergütungskomponente ausgezahlt, die der Arbeitgeber in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen als „Festbezug netto jhrl“ bezeichnete und lohnsteuerrechtlich als sonstigen Bezug behandelte. Es handelte sich dabei um Beträge zwischen 526 und 2208,54 Euro pro Monat. Die Klägerin unterlag ab dem 22.3.2015 einem Beschäftigungsverbot. Von da an bezog sie Mutterschaftsleistungen bis zum 3.7.2015.
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Mit Bescheid vom 16.6.2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin unter dem Vorbehalt des Widerrufs Elterngeld für die ersten 12 Lebensmonate ihres Sohnes (3.5.2015 bis 2.5.2016). Die monatlichen Leistungen betrugen im ersten Lebensmonat 0 Euro, im zweiten Monat 158,40 Euro und in den übrigen Monaten 1187,89 Euro, bemessen nach dem Einkommen von März 2014 bis Februar 2015. Bei der Elterngeldbemessung berücksichtigte der Beklagte die variable Vergütungskomponente nicht.
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Mit ihrem Widerspruch legte die Klägerin eine Bescheinigung des Arbeitgebers vom 1.7.2015 vor, in der mitgeteilt wurde, dass es sich bei den variablen Vergütungskomponenten um die Auszahlung der „im Zeitraum des Vormonates geleisteten Überstunden oder Zusatzstunden“ handele. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.7.2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
6
Das SG hat mit Urteil vom 18.11.2015 den Beklagten verurteilt, der Klägerin Elterngeld unter Berücksichtigung der von März bis November 2014 bezogenen variablen Vergütungskomponente zu gewähren. Bei diesen Einnahmen handele es sich entgegen den Angaben in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen um laufenden Arbeitslohn.
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Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ein Schreiben ihres Arbeitgebers vom 16.2.2016 vorgelegt, wonach es sich bei der variablen Vergütungskomponente um eine Leistungsprämie handele, die jeweils aufgrund üblicherweise im Vormonat bearbeiteter Untersuchungsmaterialien ermittelt werde. Die Berechnung der variablen Vergütungskomponente wurde in diesem Schreiben nach Stückzahlen aufgeschlüsselt. Nach einer vom LSG eingeholten weiteren Stellungnahme des Arbeitgebers vom 23.8.2017 sei mit der variablen Vergütungskomponente keine Überstundenvergütung ausgezahlt worden. Die Vergütung beziehe sich vielmehr auf eine gesonderte mündliche Vertragsabrede mit der Klägerin. Dieser sei angeboten worden, an Werktagen außerhalb ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen weitere Proben zu bearbeiten. Die Klägerin habe frei entscheiden können. Jede ausgewertete Probe sei mit einem Euro-Multiplikator (1,80 Euro netto) vergütet worden. Darauf basierend sei die Lohnart als „sonstiger Bezug“ bzw „Einmalbezug“ abgerechnet worden.
8
Das LSG hat die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 16.1.2018 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Maßgebend für das bei der Bemessung des Elterngelds berücksichtigungsfähige Einkommen sei dessen lohnsteuerrechtliche Einordnung als laufender Arbeitslohn. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die variable Vergütungskomponente kein sonstiger Bezug, sondern laufender Arbeitslohn. Die variable Vergütungskomponente beruhe auf einer „mündlichen Zusatzabrede zum Arbeitsvertrag der Klägerin“, die zu einer zeitlichen Erweiterung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag geführt habe. Es handele sich um eine Kombination von Festlohn und aufgesetztem Akkordlohn, mithin um ein schwankendes Monatsgehalt bzw jedenfalls um eine regelmäßige Mehrarbeit im Rahmen des Arbeitsvertrages. Die Richtigkeitsvermutung der Lohn- und Gehaltsbescheinigungen sei widerlegt. Die falsche lohnsteuerrechtliche Einordnung durch den Arbeitgeber sei nicht bindend. Eine absolute Bindung der Lohnsteueranmeldungen im Elterngeldrecht begegne verfassungsrechtlichen Bedenken.
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Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 2c Abs 1 Satz 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG)
. Die Behandlung von Entgeltbestandteilen im Lohnsteuerabzugsverfahren binde die Beteiligten des Elterngeldverfahrens, wenn die Lohnsteueranmeldung bestandskräftig geworden sei. Daher komme es nicht darauf an, ob die variable Vergütungskomponente materiell-rechtlich als sonstiger Bezug zu betrachten sei. Von der Bestandskraft der Lohnsteueranmeldungen könne hier ausgegangen werden.
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Der beklagte Freistaat beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 2018 und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet
(§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG lassen eine abschließende Entscheidung nicht zu.
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Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben
(§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Satz 1 SGG). Die Einverständniserklärung der Klägerin nach § 124 Abs 2 SGG ist auch ohne Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten iS von § 73 Abs 4 Satz 1 SGG wirksam, weil diese Prozesshandlung nicht dem Vertretungszwang unterliegt
(Senatsurteil vom 20.12.2012 – B 10 LW 1/12 R – SozR 4-5860 § 15 Nr 1 RdNr 19; BSG Urteil vom 25.8.2011 – B 11 AL 13/10 R – SozR 4-4300 § 132 Nr 6 RdNr 7 f; BSG Urteil vom 30.6.1981 – 5b/5 RJ 126/79 – SozR 1500 § 124 Nr 6 – juris RdNr 12).
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Zutreffend hat das LSG entschieden, dass der Klägerin für die ersten 12 Lebensmonate ihres Sohnes Elterngeld zusteht
(dazu unter A). Ob die Klägerin höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der variablen Vergütungskomponente beanspruchen kann, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beantworten. Es kann im Hinblick auf die Abgrenzung von laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen nicht abschließend entschieden werden, ob im Rahmen des steuerakzessorischen Regelungskonzepts des Elterngelds eine Bindungswirkung an die Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers besteht
(dazu unter B 1). Ebenso wenig kann beurteilt werden, ob die an die Klägerin von März bis November 2014 gezahlte variable Vergütungskomponente nach den materiellen lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstiger Bezug zu bewerten ist
(dazu unter B 2). Denn hierzu sind weitere Feststellungen des LSG notwendig
(dazu unter C).
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A. Der Klägerin steht dem Grunde nach Elterngeld für die ersten 12 Lebensmonate ihres Sohnes (3.5.2015 bis 2.5.2016) zu.
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Rechtsgrundlage für den Elterngeldanspruch ist § 1 BEEG
(in der hier maßgeblichen ab dem 1.1.2015 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 18.12.2014, BGBl I 2325; vgl § 27 Abs 1 Satz 2 BEEGidF des Gesetzes vom 18.12.2014, aaO). Im Übrigen sind für die vor dem 1.7.2015 geborenen Kinder – und damit auch für den am 3.5.2015 geborenen Sohn der Klägerin – die §§ 2 bis 22 BEEG in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden
(§ 27 Abs 1 Satz 2 BEEG idF des Gesetzes vom 18.12.2014, aaO); allerdings mit Ausnahme von § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG, der gemäß der gesetzlichen Anordnung des § 27 Abs 1 Satz 3 BEEG
(idF des Gesetzes vom 18.12.2014, aaO) bereits in der Fassung ab dem 1.1.2015 Anwendung findet.
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Die Klägerin erfüllt die Grundvoraussetzungen des Elterngeldanspruchs nach § 1 Abs 1 Satz 1 BEEG. Wie in § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 BEEG vorausgesetzt, hatte sie nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG
(§ 163 SGG) im Bezugszeitraum des Elterngelds ihren Wohnsitz in Deutschland, lebte in einem Haushalt mit dem von ihr selbst betreuten und erzogenen Kind und übte im Bezugszeitraum keine volle Erwerbstätigkeit aus iS von § 1 Abs 6 BEEG
(idF des Gesetzes vom 18.12.2014, aaO).
18
B. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf höheres Elterngeld hat.
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Die Höhe des Elterngelds bemisst sich nach § 2 BEEG
(in der ab dem 18.9.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012,BGBl I 1878). Wie § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG insoweit bestimmt, wird Elterngeld iH von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. War das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt – wie hier – höher als 1200 Euro, sinkt der Prozentsatz von 67 um 0,1 Prozentpunkte für je zwei Euro, um die dieses Einkommen aus Erwerbstätigkeit den Betrag von 1200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 %
(§ 2 Abs 1, Abs 2 Satz 2 BEEG idF des Gesetzes vom 10.9.2012, aaO).
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1. Als Bemessungszeitraum hat der Beklagte zutreffend den Zeitraum von März 2014 bis Februar 2015 herangezogen. Wurde – wie vom LSG festgestellt – vor der Geburt des Kindes nur Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2c BEEG bezogen, sind für die Ermittlung des Einkommens die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich
(§ 2b Abs 1 Satz 1 BEEG idF des Gesetzes vom 10.9.2012, aaO). Der Bemessungszeitraum verschiebt sich jedoch gemäß § 2b Abs 1 Satz 2 Nr 2 BEEG
(idF des Gesetzes vom 10.9.2012, aaO) um Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld bezogen hat. Daher waren hier aufgrund des Mutterschaftsgeldbezugs der Klägerin ab März 2015 die Monate März und April 2015 bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums nicht zu berücksichtigen.
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2. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Beklagte das Bemessungseinkommen hinsichtlich der von der Klägerin zwischen März bis November 2014 bezogenen variablen Vergütungskomponente zutreffend bestimmt hat. Nicht beim Elterngeld zu berücksichtigen sind solche Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind
(§ 2c Abs 1 Satz 2 BEEGidF des Gesetzes vom 18.12.2014, aaO). Anhand der getroffenen Feststellungen lässt sich nicht klären, ob die streitige variable Vergütungskomponente allein deshalb als sonstiger Bezug zu behandeln ist, weil der Arbeitgeber sie als solchen zur Lohnsteuer angemeldet hat und diese Anmeldung auch die Beteiligten des Elterngeldverfahrens bindet.
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Einer bestandskräftig gewordenen Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers kommt nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich Bindungswirkung auch im Elterngeldverfahren zu
(dazu unter a). Allerdings gilt diese Bindungswirkung bereits nach der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht ausnahmslos. Ihre Reichweite ist als Ausdruck des steuerakzessorischen Regelungskonzepts des BEEG begrenzt. Die Elterngeldbehörde kann sich insbesondere dann nicht mehr auf die Bindungswirkung der Lohnsteueranmeldung berufen, wenn die Lohnsteueranmeldung aufgrund eines nachfolgenden Einkommensteuerbescheids nicht mehr Grundlage der Besteuerung ist
(dazu unter b). Im vorliegenden Fall reichen unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe die Feststellungen des LSG nicht aus, um von einer Ausnahme von der Bindungswirkung auszugehen
(dazu unter c).
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a) Der Inhalt einer bestandskräftig gewordenen Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers
(§ 41a EStG) bindet im Regelfall auch die Beteiligten des Elterngeldverfahrens. Kraft der gesetzlichen Rechtsfolgenverweisung des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG müssen sie den Inhalt einer solchen Lohnsteueranmeldung als feststehend hinnehmen. Sie haben insbesondere die dadurch erfolgte Einordnung von Lohn- oder Gehaltsbestandteilen als sonstiger Bezug oder laufender Arbeitslohn nicht mehr daraufhin zu überprüfen, ob sie dem materiellen Lohnsteuerrecht entspricht
(Senatsurteil vom 14.12.2017 – B 10 EG 4/17 R – SozR 4-7837 § 2c Nr 1 RdNr 35, 37; Senatsurteil vom 14.12.2017 – B 10 EG 7/17 R – BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 34, 36).
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Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser zu § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG ergangenen Rechtsprechung zur grundsätzlichen Bindungswirkung einer bestandskräftigen Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers im Elterngeldrecht abzuweichen
(vgl dazu Senatsurteil vom 25.6.2020 – B 10 EG 3/19 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 29 f).
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b) Bei der vom Gesetzgeber gewollten steuerakzessorischen Betrachtungsweise im Rahmen der elterngeldrechtlichen Behandlung der Einnahmen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit kann eine Bindungswirkung der Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers jedoch nicht ausnahmslos angenommen werden
(vgl Senatsurteil vom 25.6.2020 – B 10 EG 3/19 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 31 f mwN).
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Diese Rechtsprechung führt der Senat fort. Bestehen greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die inhaltlichen Festsetzungen aus dem Lohnsteuerabzugsverfahren nicht mehr Grundlage der Besteuerung der Einnahmen des Arbeitnehmers aus nichtselbstständiger Arbeit sind, müssen die Elterngeldbehörden bei eigenen Bedenken oder Einwänden des Elterngeldberechtigten gegen die lohnsteuerrechtliche Einordnung von Vergütungsbestandteilen ebenfalls in eine eigenständige steuerrechtliche Prüfung eintreten. Ist die Lohnsteueranmeldung – insbesondere aufgrund eines nachfolgenden Einkommensteuerbescheids – nicht mehr Grundlage der Besteuerung, kann sich die Elterngeldbehörde nicht mehr auf die Bindungswirkung der Lohnsteueranmeldung berufen. Besteht aber steuerrechtlich keine Bindung mehr an das in § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG in Bezug genommene Lohnsteuerabzugsverfahren, ist die Elterngeldbehörde aus eigener Kompetenz zur Prüfung verpflichtet
(vgl § 26 Abs 1 BEEG iVm § 20 SGB X), ob der in Rede stehende Lohn- oder Gehaltsbestandteil nach den materiellen lohnsteuerrechtlichen Vorgaben zu Recht als sonstiger Bezug behandelt worden ist
(vgl dazu ausführlich Senatsurteil vom 25.6.2020 – B 10 EG 3/19 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 33 ff).
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Im Rahmen des steuerakzessorischen Regelungskonzepts des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG stehen den Arbeitnehmern somit hinreichende Korrektur- und Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine ihrer Ansicht nach unzutreffende Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers zur Verfügung. Sie erfüllen die rechtsstaatlichen Anforderungen an ein faires Verfahren und an eine klare und berechenbare Verfahrensgestaltung und bewirken einen sachgerechten Ausgleich zwischen der mit § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG bezweckten Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität einerseits und dem schützenswerten Interesse der Elterngeldberechtigen an einen effektiven Rechtsschutz
(Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) andererseits
(vgl zu den Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitnehmers und zu den Korrekturentscheidungen der Elterngeldbehörden: Senatsurteil vom 25.6.2020 – B 10 EG 3/19 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 44 ff).
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c) Das LSG hat – nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob die im Rahmen des steuerakzessorischen Regelungskonzepts vorgesehene Bindungswirkung an die Festsetzung im Lohnsteuerabzugsverfahren entfallen ist. Dies wäre dann der Fall, wenn für das Kalenderjahr 2014 eine Veranlagung der Klägerin durch einen Einkommensteuerbescheid erfolgt ist. Die entsprechenden Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben. Denn die Entscheidung des LSG erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig
(dazu sogleich unter 3).
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3. Mangels ausreichender Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob sich die Behandlung der variablen Vergütungskomponente im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstiger Bezug materiell-rechtlich als richtig erweist.
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§ 2c Abs 1 Satz 2 BEEG
(idF des Gesetzes vom 18.12.2014, aaO) sieht vor, dass solche Einnahmen nicht berücksichtigt werden, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind
. Allein die einschlägige lohnsteuerrechtliche Begriffsbestimmung entscheidet darüber, ob ein Einkommensbestandteil ein sonstiger Bezug iS des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG ist
(dazu unter a und b). Die Feststellungen des LSG erlauben keine Entscheidung darüber, ob es sich bei den der Klägerin von März bis November 2014 monatlich zugeflossenen variablen Vergütungsbestandteilen um sonstige Bezüge iS des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG gehandelt hat
(dazu unter c).
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a) Allein die einschlägige lohnsteuerrechtliche Begriffsbestimmung entscheidet darüber, ob ein Einkommensbestandteil als sonstiger Bezug iS des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG elterngeldrechtlich unbeachtlich ist. Im Bemessungszeitraum bezogene Einkommensbestandteile, die lohnsteuerrechtlich sonstige Bezüge sind, sind auch elterngeldrechtlich sonstige Bezüge
(stRspr, zB Senatsurteil vom 25.6.2020 – B 10 EG 3/19 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 21 f mwN).
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b) Sonstige Bezüge iS des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unter Berücksichtigung der materiellen lohnsteuerrechtlichen Vorgaben solche Entgeltbestandteile, deren Zahlungszeiträume von dem als Regel vorgesehenen Zahlungsturnus für Arbeitslohn nicht nur unerheblich abweichen. Maßgeblich ist die Abweichung von dem Lohnzahlungszeitraum, den die Vertragsparteien arbeitsrechtlich zugrunde gelegt haben
(stRspr, zB Senatsurteil vom 25.6.2020 – B 10 EG 3/19 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 23 mwN). Ist also zB für die Zahlung eines Grundgehalts ein monatlicher Zahlungszeitraum vereinbart, ist auch bei anderen Entgeltbestandteilen eine lückenlose monatliche Zahlung im Bemessungszeitraum erforderlich, um diese als laufenden Arbeitslohn betrachten zu können
(Senatsurteil vom 25.6.2020 – B 10 EG 3/19 R, aaO).
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c) Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht entscheiden, ob es sich bei der variablen Vergütungskomponente um laufenden Arbeitslohn oder um einen sonstigen Bezug iS des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG gehandelt hat. Seine Feststellungen zu den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber reichen hierfür nicht aus, weil sie lückenhaft und widersprüchlich sind.
34
Das Revisionsgericht ist zwar grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz gebunden
(§ 163 SGG). Zu den bindenden Feststellungen gehören auch die Würdigungen der Gegebenheiten in tatsächlicher Hinsicht; bei Willenserklärungen und Verträgen also der Wortlaut einer abgegebenen Erklärung und der ihr zu Grunde liegende Erklärungswille
(Senatsurteil vom 29.6.2017 – B 10 EG 5/16 R –SozR 4-7837 § 2 Nr 32 RdNr 30;Senatsurteil vom 20.12.2012 – B 10 LW 2/11 R – SozR 4-5868 § 12 Nr 1 RdNr 63; Senatsurteil vom 27.9.1994 – 10 RAr 1/93 – BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 S 47 = juris RdNr 31). Sind die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen hingegen unklar oder widersprüchlich, muss das Revisionsgericht – auch ohne Rüge eines Beteiligten – die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen in die Tatsacheninstanz zurückverweisen, wenn sie sich nicht aus anderen Gründen als richtig erweist
(BSG Urteil vom 20.3.2018 – B 1 KR 4/17 R – SozR 4-2500 § 2 Nr 12 RdNr 24; Hauck in Hennig, SGG, Band 2, Stand Dezember 2018, § 163 RdNr 73). Das Revisionsgericht prüft nach diesen Vorgaben auch, ob die zur Auslegung von Verträgen erforderlichen Umstände von der Vorinstanz vollständig ermittelt worden sind. Nur dann hat das Revisionsgericht die Umstände in die Rechtsanwendung einzubeziehen. Bei der Auslegung schuldrechtlicher Verträge hat das Revisionsgericht zudem zu prüfen, ob die Vorinstanz hierbei Bundesrecht iS des § 162 SGG verletzt hat, also insbesondere die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB nicht beachtet und gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat
(BSG Urteil vom 11.12.2008 – B 9 VS 1/08 R – BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 67; BSG Urteil vom 13.12.2011 – B 1 KR 9/11 R – SozR 4-2500 § 133 Nr 6 RdNr 24). Die genannten Auslegungsvorschriften verlangen nicht nur, dass der Tatrichter alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend würdigt, sondern auch, dass er seine Erwägungen in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar darlegt. Zumindest die wichtigsten für und gegen eine bestimmte Auslegung sprechenden Umstände hat er in ihrer Bedeutung für das Auslegungsergebnis zu erörtern und gegeneinander abzuwägen. Verletzt die Begründung dieses Gebot der Erörterung und Abwägung auf vollständiger Tatsachengrundlage, dann ist sie lückenhaft. In diesem Fall leidet die Entscheidung an einem rechtlichen Mangel und bindet das Revisionsgericht nicht
(BSG Urteil vom 25.10.2016 – B 1 KR 6/16 R – SozR 4-2500 § 109 Nr 59 RdNr 19 ff). Das Revisionsgericht kann dann selbst die Erklärungen auslegen, wenn ihm die erforderlichen Tatsachenfeststellungen verfügbar sind
(Senatsurteil vom 29.6.2017 – B 10 EG 5/16 R –SozR 4-7837 § 2 Nr 32 RdNr 30 mwN). Anderenfalls muss es die Sache zurückverweisen
(Hauck in Hennig, SGG, Band 2, Stand Dezember 2018, § 163 RdNr 51, 55).
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Nach diesen Maßstäben binden die Feststellungen des LSG zu den vertraglichen Abreden zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber zur variablen Vergütungskomponente den Senat nicht. Das LSG hat mit seiner Auslegung gegen Auslegungsgrundsätze verstoßen
(dazu unter aa). Zudem hat es nicht alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend gewürdigt und seine Erwägungen in den Entscheidungsgründen nicht nachvollziehbar dargelegt
(dazu unter bb). Auf Grundlage der hiernach noch verbleibenden tatsächlichen Feststellungen des LSG lässt sich keine abschließende Entscheidung darüber treffen, ob es sich bei den vom Arbeitgeber gezahlten variablen Vergütungskomponenten in der Zeit zwischen März und November 2014 um laufenden Arbeitslohn oder um sonstige Bezüge gehandelt hat
(vgl zu den nachzuholenden Feststellungen unter C).
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aa) Die Auslegung des LSG, dass es sich bei der Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber zur variablen Vergütungskomponente um eine „Zusatzabrede zum Arbeitsvertrag der Klägerin“ handele, die zu einer zeitlichen Erweiterung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag bzw jedenfalls zu einer regelmäßigen Mehrarbeit im Rahmen des Arbeitsvertrages geführt habe, widerspricht den hierfür maßgeblichen vorgenannten Auslegungsgrundsätzen.
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Das LSG hat bereits nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Auslegung die Feststellung des Erklärungstatbestandes vorangehen muss
(vgl BGH Urteil vom 19.3.1992 – IX ZR 120/91 – juris RdNr 27 mwN). Feststellungen zu den konkreten Willenserklärungen der Klägerin und ihres Arbeitgebers, die Grundlage der „mündlichen Zusatzvereinbarung“ gewesen sein sollen, sind aber nicht getroffen. Damit fehlt es schon an einer ausreichenden Grundlage für die Auslegung der Zusatzvereinbarung, zumal die allein zugrunde gelegten Äußerungen des Arbeitgebers vom 23.8.2017 seinen früheren Angaben und den Angaben der Klägerin widersprechen
(dazu sogleich unter bb). Zudem hat sich das LSG auch nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Arbeitsvertrag eine Klausel enthält, dass Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages der schriftlichen Bestätigung bedürfen, während die vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 23.8.2017 geschilderte Änderungsabrede entgegen dieser Schriftformklausel mündlich erfolgt sein soll
(vgl zu den Folgen § 125 Satz 2 BGB).
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Hiervon unabhängig gehört es zu den anerkannten Grundsätzen bei der Feststellung und Auslegung einer Änderung eines Arbeitsvertrages, dass die Vertragsauslegung in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen und den objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen hat, wie er sich aus dem Wortlaut und den Umständen ergibt
(§§ 133, 157 BGB; BAG Urteil vom 3.7.2019 – 4 AZR 312/18 – juris RdNr 21; BAG Urteil vom 19.12.2018 – 7 AZR 70/17 – juris RdNr 23 f). Dabei darf das Gericht einer Erklärung keinen Sinn unterschieben, den sie nach dem maßgeblichen Parteiwillen nicht hat
(vgl OLG Stuttgart Urteil vom 14.12.2017 – 2 U 58/17 – juris RdNr 67; Reichold in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl 2020, Stand Mai 2020, § 133 BGB RdNr 9). Auch dies hat das LSG nicht hinreichend beachtet. Es ist vor dem Hintergrund der Stellungnahme des Arbeitgebers vom 23.8.2017 davon ausgegangen, die Vertragsparteien hätten die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten zeitlich erweitert. Aus dieser Stellungnahme lässt sich aber gerade keine Vereinbarung einer längeren Arbeitszeit innerhalb des arbeitsvertraglich Vereinbarten entnehmen. Vielmehr wird darin ausgeführt, bei der Vereinbarung habe es sich um eine „gesonderte“ Vertragsabrede gehandelt; der Klägerin sei „angeboten“ worden, an Werktagen „außerhalb ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen“ weitere Proben zu bearbeiten. Die zusätzliche Arbeit der Klägerin sollte danach – gerade abweichend vom eigentlichen Arbeitsvertrag – auch nicht nach Zeitstunden, sondern nach Stückzahlen (1,80 Euro netto pro Probe) vergütet werden.
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bb) Des Weiteren lässt das LSG eine nachvollziehbare Darlegung für seine Erwägungen und eine umfassende Würdigung aller für die Auslegung erheblichen Umstände vermissen. Insbesondere setzt sich das LSG nicht damit auseinander, dass die Klägerin und ihr Arbeitgeber im Laufe des Verfahrens wechselnde und widersprüchliche Angaben zu der angeblichen „Zusatzvereinbarung“ gemacht haben. Zunächst hat der Arbeitgeber unter dem 1.7.2015 bescheinigt und die Klägerin vorgetragen, bei der streitigen Vergütung handele es sich um die Vergütung von Überstunden bzw Zusatzstunden. Als nächstes hat der Arbeitgeber in einem weiteren Schreiben vom 16.2.2016 mitgeteilt, es habe sich um eine Leistungsprämie gehandelt. Schließlich hat der Arbeitgeber auf Nachfrage des LSG unter dem 23.8.2017 geantwortet, es habe sich um eine gesonderte Vereinbarung von Leistungen an Werktagen außerhalb der arbeitsvertraglichen Pflichten gehandelt. Mit diesen offensichtlichen Wechseln und Widersprüchen im Vortrag des Arbeitgebers hat sich das LSG in seinen Entscheidungsgründen nicht auseinandergesetzt. Schon deshalb sind seine Tatsachenfeststellungen unvollständig.
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Darüber hinaus hätte das LSG bei seiner Auslegung der angeblichen Zusatzabrede erwägen müssen, wie es der Klägerin überhaupt möglich gewesen sein sollte, neben ihrer Vollzeittätigkeit ihre arbeitsvertraglichen Pflichten an Werktagen derart zu erweitern, dass sie ihre Vergütung mit einem „aufgesetzten Akkordlohn“ teilweise fast verdoppeln konnte. Denn die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften verbieten in der Regel eine werktägliche Arbeitszeit von mehr als acht Stunden; auf bis zu zehn Stunden darf sie nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden
(§ 3 Arbeitszeitgesetz <ArbzG> idF des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts vom 6.6.1994, BGBl I 1170). Ohnehin galten für die Klägerin ab Beginn ihrer Schwangerschaft die weitergehenden Vorschriften des Mutterschutzes. Insbesondere war die Beschäftigung von werdenden Müttern mit Akkordarbeit und sonstigen Arbeiten verboten, bei denen durch ein gesteigertes Arbeitstempo ein höheres Entgelt erzielt werden konnte
(vgl § 4 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Mutterschutzgesetz <MuSchG> in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 20.6.2002, BGBl I 2318). Ausnahmen konnte nur die zuständige Aufsichtsbehörde bewilligen
(vgl § 4 Abs 3 Satz 2 MuSchG, aaO). Die genannten Vorschriften des ArbZG und des MuSchG sind gesetzliche Verbote iS des § 134 BGB und bewirken die (Teil-)Nichtigkeit entgegenstehender Vereinbarungen. Dies hätte das LSG bei seiner Vertragsauslegung ebenfalls würdigen müssen.
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Ebenso wenig nachvollziehbar begründet hat das LSG schließlich seine Schlussfolgerung, bei der variablen Vergütungskomponente habe es sich um Nachzahlungen gehandelt, etwa im März 2014 für den Monat Februar 2014. Die Aufschlüsselung der Vergütung durch den Arbeitgeber in seinem Schreiben vom 16.2.2016 könnte eher dafür sprechen, dass die jeweilige Vergütung für den jeweils abgerechneten Monat erfolgt ist.
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C. In dem wiederzueröffnenden Berufungsverfahren wird das LSG die erforderlichen Tatsachenfeststellungen nachzuholen haben.
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1. In einem ersten Schritt wird es prüfen müssen, ob die Bindungswirkung der Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers
(dazu oben B 1) entfallen ist. Das wäre nach Maßgabe der dargestellten Grundsätze insbesondere dann der Fall, wenn für das Kalenderjahr 2014 eine Veranlagung der Klägerin durch einen Einkommensteuerbescheid erfolgt ist. Dass und wann ein solcher Bescheid gegenüber der Klägerin ergangen ist, hat das LSG jedoch nicht festgestellt.
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2. In einem zweiten Schritt wird das LSG Feststellungen zu den tatsächlich zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarungen über die hier in Rede stehenden variablen Vergütungskomponenten nachzuholen haben
(dazu oben B 2), sofern aufgrund eines Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2014 keine Bindung an die Behandlung von Entgeltbestandteilen im Lohnsteuerabzugsverfahren mehr besteht.
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Die wechselnden und widersprüchlichen Angaben der Klägerin und ihres Arbeitgebers zum Inhalt der „Zusatzvereinbarung“ drängen zu weiteren Ermittlungen, die der Senat als Revisionsgericht nicht selbst durchführen kann. Es ist aus Sicht des Senats offen, ob und ggf welche vertraglichen Zusatzabreden die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber getroffen hat oder welchen Inhalt die zugrundeliegenden Willenserklärungen hatten. Die Vertragsfreiheit lässt verschiedene denkbare Varianten der Vereinbarung zu, die es im Detail unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerschutzvorschriften festzustellen gilt: Insbesondere ist unklar, wann und für welchen Zeitraum die Zusatzabrede getroffen oder eventuell erneuert wurde, ob die Klägerin also nur am Anfang, jeden Monat, jede Woche oder jeden Tag neu die Bearbeitung weiterer Proben mit ihrem Arbeitgeber vereinbart hat. Dabei stellt sich die Frage, ob die Zusatzabrede über die Probenbearbeitung für bestimmte, aufeinanderfolgende Zeiträume im Voraus oder im jeweiligen Einzelfall neu erfolgte und die Klägerin sie auch in jedem Einzelfall ablehnen konnte. Weiter ist unklar, ob die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber Überstunden oder Mehrarbeit im Rahmen des regulären Arbeitsvertrages vereinbart oder davon losgelöst eine zusätzliche Vereinbarung getroffen hat. Auch zu dem Hintergrund der Vergütung von 1,80 Euro netto pro Probe hat das LSG keine Feststellungen getroffen. Hier stellt sich die Frage, wie es zu der Vereinbarung von 1,80 Euro kam, insbesondere, ob es sich um eine Gewinnbeteiligung (Provision) oder um eine Leistungsprämie für ohnehin im Rahmen des Arbeitsvertrages untersuchte Proben oder ob es sich um einen Akkordlohn für vereinbarte Mehrarbeit/Überstunden im Rahmen des regulären Arbeitsvertrages oder außerhalb des Arbeitsvertrages gehandelt hat. Ebenso fehlen Feststellungen dazu, wieso die Klägerin in den Monaten Dezember 2014, Januar 2015 und Februar 2015 die Zusatzvergütung nicht erwirtschaftet hat, obwohl sie ihr reguläres Gehalt im Rahmen des Arbeitsvertrages jedenfalls bis Februar 2015 erhalten hat.
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Zusammenfassend wird das LSG deshalb zu ermitteln haben, in welchem rechtlichen Rahmen was genau zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber zur variablen Vergütungskomponente vereinbart worden ist, worauf sich die variable Vergütungskomponente im Einzelnen bezogen und ggf aus welchem Grund die Klägerin von Dezember 2014 bis Februar 2015 keine variable Vergütungskomponente mehr verdient hat. Auf dieser Basis wird das LSG sodann in Bezug auf die streitbefangene variable Vergütungskomponente auf der Grundlage der maßgeblichen materiellen lohnsteuerrechtlichen Vorgaben und unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Senatsrechtsprechung zu entscheiden haben, ob es sich bei ihr um laufenden Arbeitslohn oder sonstigen Bezug iS des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG gehandelt hat.
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D. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.