BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 22.10.2020, AZ 29 W (pat) 545/19, ECLI:DE:BPatG:2020:221020B29Wpat545.19.0
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2018 101 160.8
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. Oktober 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und die Richterin Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
Die Beschwerde und der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die Bezeichnung
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Exergiemaschine
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ist am 31. Januar 2018 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
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Klasse 9: Temperaturregelungsgeräte; Schaltkästen [Elektrizität]; Instrumente zur Temperaturregelung und zur Temperaturüberwachung; Instrumente zur Messung physikalischer Daten; Computersoftware [Programme]; Computersoftware [gespeichert]; Computerhardware; Gerät zur Steuerung oder Regelung einer Wärmepumpe; Gerät zur Steuerung oder Regelung von Fluidströmen; Gerät zur Steuerung oder Regelung eines Wärmetauschers; Software zur Steuerung oder Regelung einer Wärmepumpe; Software zur Steuerung oder Regelung von Fluidströmen; Software zur Steuerung oder Regelung eines Wärmetauschers;
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Klasse 11: Anlagen zum Kühlen von Trinkwasser; Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen; Heizungsanlagen; Heizungsapparate und -anlagen; Industrielle Heizungsanlagen; Speisewassererhitzer [für industrielle Zwecke]; Wärmeerzeugungsgeräte; Wärmepumpen; Wärmepumpen zur Energieverarbeitung; Wärmerückgewinner; Wärmerückge-winnungsanlagen; Wärmetauscher; Wärmetauscher für Zentral-heizungen; Warmwasseranlagen; Warmwasserbereiter; Warmwasser-geräte; Warmwasserheizungsanlagen; Wasserkühler und -erhitzer; Zentralheizungsanlagen; Zentralheizungsgeräte; Trinkwassererwär-mer; Trinkwasserkühler; Erwärmer und/oder Kühler an einem Fluidspeicher; Wärmetauscher an einem Fluidspeicher;
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Klasse 42: Technische Planung und Beratung; Ingenieurtechnische Beratung; Beratung im Bereich der Wärmenutzung; Erstellen von hydraulischen Schaltschemen; Erstellen von Konzepten im Bereich der Brauchwasser-versorgung.
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Mit Beschluss vom 7. Mai 2019 hat die Markenstelle für Klasse 11 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen.
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Zur Begründung ist unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 20. März 2018 ausgeführt, die angemeldete Marke „Exergiemaschine“ setze sich aus dem Begriff „Exergie“ als dem Teil der Energie, der bei Energieumwandlungen tatsächlich in die gewünschte Energieform umgewandelt werde, und dem Wort „Maschine“ zusammen. Der Begriff „Exergiemaschine“ sei den beteiligten Verkehrskreisen in seiner Bedeutung von einem „Gerät, das Zirkulationsverluste elektrisch deckt und die im Pufferspeicher enthaltende thermische Energie auf ein nutzbares Niveau zur Trinkwarmwasserbereitung über 60 °C anhebt“ bekannt (unter Hinweis auf die Bachelorarbeit „Experimentelle Untersuchung einer Exergiemaschine zur Deckung von Zirkulationsverlusten und Nutzung thermischer Energie von Abwärmeprozessen“ von R…, FH M…). In Verbindung mit den angemeldeten Waren der Klassen 9 und 11 weise das angemeldete Zeichen „Exergiemaschine“ schlagwortartig auf deren Einsatzbereich hin bzw. darauf, dass diese Waren mit einem derartigen Gerät ausgestattet bzw. betrieben werden könnten. Bezüglich der angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 42 könne das Zeichen „Exergiemaschine“ beschreiben, dass die Planungs- und Beratungsdienstleistungen zum Einsatz der Exergiemaschine erbracht würden. Der beschreibende Aussagegehalt des angemeldeten Zeichens trete deutlich und unmissverständlich hervor, so dass er für den Fachkreis unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar sei und der angesprochene Verkehr, der der angemeldeten Bezeichnung „Exergiemaschine“ im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen begegne, nicht davon ausgehe, einen ganz bestimmten Geschäftsbetrieb vor sich zu haben. Ob zugleich eine freihaltungsbedürftige Sachangabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben sei, könne dahingestellt bleiben.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
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Zur Begründung trägt die Beschwerdeführerin vor, die angemeldete Bezeichnung „Exergiemaschine“ stelle eine durchaus kreative und phantasievolle Bezeichnung eines Wärmetauschers oder einer Wärmepumpe dar. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass mindestens 50 % der Verkehrskreise die Bedeutung des Begriffs „Exergie“ erkennen würden. Vielmehr werde der überwiegende Anteil des Verkehrs in diesem eine kreative Abwandlung des geläufigen Begriffs „Energie“ und in der Kombination mit dem Begriff „Maschine“ eine Wortschöpfung sehen, der keine lexikalische Bedeutung zukomme. Bei Exergie handele es sich nicht um eine Erhaltungsgröße. Für die Betrachtung von Exergie als Anteil des Ge-samtenergiegehalts eines Systems sei vielmehr der Zustand der Umgebung zu betrachten, wobei der Anteil der Gesamtenergie des Systems, der Arbeit verrichten könne, wenn das betrachtete System mit der Umgebung in ein Gleichgewicht gerate, als Exergie bezeichnet werde. Bereits diese begriffliche Festlegung sei komplex. Des Weiteren würden im allgemeinen Sprachgebrauch Wörter mit der Endung „-maschine“ so gebildet, dass das gebildete Wort die Funktion der Maschine erläutere (z.B. Eismaschine als Maschine, die Eis produziere) oder deren Arbeitsweise (z.B. Spülmaschine als Maschine, die zu reinigendes Geschirr spüle) und manchmal auch deren Antrieb (z.B. Dampfmaschine als Maschine, die durch Dampf angetrieben werde). Keine dieser üblichen Wortkombination mit dem Begriff Maschine als Bestandteil führe jedoch in Bezug auf das angemeldete Zeichen „Exergiemaschine“ zu einer sinnvollen Bedeutung. Keine der beanspruchten Waren betreffe eine Maschine, die Exergie produziere (was unmöglich sei), eine Maschine, die Exergie betreibe (Exergie könne nicht betrieben werden), oder eine Maschine, die durch Exergie angetrieben werde (Exergie treibe eine Maschine nicht an).
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Der sehr geringe Anteil der Verkehrskreise, der eine Bedeutung hinter dem Begriff „Exergie“ überhaupt verstehe wie beispielsweise Thermodynamiker, besitze eine so spezifische technische Bildung, dass er sofort erkenne, dass eine Exergiemaschine nicht existiere. Dementsprechend werde der Begriff „Exergiemaschine“ als Herkunftshinweis verwendet, beispielsweise auf der Webseite exergiemaschine.com, die von der Beschwerdeführerin und ihrer Koope-rationspartnerin B… AG betrieben werde. Entsprechendes gelte in Bezug auf die Inhalte der von der Kooperationspartnerin der Beschwerdeführerin betriebenen Webseite ….com.
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Soweit die Markenstelle in ihrem Beschluss schließlich erstmalig die Bachelorarbeit von R… zitiert habe, so sei diese Arbeit nicht öffentlich zugänglich und von der Fachhochschule M… zusammen mit der Beschwerdeführerin betreut worden. Der in dieser Arbeit verwendete Begriff „Exergiemaschine“ sei eine Schöpfung der Beschwerdeführerin für ein in der Arbeit untersuchtes System. Da die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit hatte, sich vor Erlass des Beschlusses zu dieser Bachelorarbeit zu äußern, sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Vor diesem Hintergrund sei die Rückerstattung der Beschwerdegebühr anzuordnen. Denn der Einlegung der Beschwerde und der umfangreichen neuen Dokumentation durch den Senat habe es im Hinblick darauf bedurft, dass die Markenanmeldung ohne die erforderliche Gewährung rechtlichen Gehörs zurückgewiesen worden sei.
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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 vom 7. Mai 2019 aufzuheben und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
15
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den mit der Terminsladung zugesandten Hinweis des Senats samt Anlagen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die zulässige, insbesondere nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte und gem. § 66 Abs. 2 MarkenG fristgerecht eingelegte Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, ebenso wie der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
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Der Eintragung der angemeldeten Wortkombination “
Exergiemaschine“ als Marke steht im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung gem. § 37 Abs. 1 MarkenG zu Recht die Eintragung versagt hat.
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I. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schließt von der Eintragung als Marke Zeichen aus, denen für die in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; GRUR 2018, 932 Rn. 7 – #darferdas? I; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2008, 608 Rn. 66 – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 229 Rn. 27 – BioID AG/HABM [BioID]; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).
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Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel KGaA; BGH GRUR 2018, 301 Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 10 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013,1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – AS/DPMA [#darferdas?]; GRUR 2008, 608 Rn. 67 – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA [MATRATZEN]; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
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Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt enthalten, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird (EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Koninklijke KPN Nederland NV/Benelux-Merkenbureau [Postkantoor]; BGH GRUR 2018, 932 Rn. 8 – #darferdas? I). Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht (BGH GRUR 2018, 301 Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard). Ferner kommt die Eignung, Waren oder Dienstleistungen ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 11 – #darferdas? II; GRUR 2018, 932 Rn. 8 – #darferdas? I; GRUR 2016, 934 Rn. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!).
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II. Nach diesen Grundsätzen ist die Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens „Exergiemaschine“ im relevanten Waren- und Dienstleistungs-zusammenhang zu verneinen, da die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung ohne besonderen gedanklichen Aufwand nur als beschreibende Sachangabe, nicht jedoch als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen werden.
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1. Angesprochene Verkehrskreise der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sind teilweise die allgemeinen Verkehrskreise und hier insbesondere der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, der sich z. B. eine Computerhardware oder auch – möglicherweise nach Beratung durch einen Fachmann – eine Heizungsanlage oder eine Wärmepumpe anschafft bzw. einbauen lässt. Sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen wenden sich jedoch zumindest auch an Fachkreise, die derartige Geräte oder Anlagen beispielsweise den Endverbrauchern anbieten und für diese einbauen und sich, wie im angegriffenen Beschluss dargelegt, mit Themen wie Effizienzsteigerung, Energieeinsparungen, CO2-Ausstoß, Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik etc. befassen, sowie an den Fachhandel und teilweise auch an gewerbliche Kunden aus der Industrie (z.B. die Waren „industrielle Heizungsanlagen“ oder „Speisewassererhitzer [für industrielle Zwecke]“ in Klasse 11).
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2. Die angemeldete Bezeichnung „Exergiemaschine“ setzt sich aus den Worten „Exergie“ und „Maschine“ zusammen.
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Besteht eine Marke – wie vorliegend – aus mehreren Wortelementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (vgl. BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 9 – DüsseldorfCongress); gleichwohl ist es bei solchen aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2006, 229 Rn. 11 – BioID; GRUR 2004, 943 Rn. 28 – SAT.2;). Dies widerspricht nicht dem Verbot zergliedernder Betrachtung, weil es der natürlichen und intuitiven und daher zu prognostizierenden Herangehensweise des Verkehrs an komplexe (sprachliche) Gebilde entspricht, sich deren Gesamtaussage über deren Einzelelemente anzunähern (Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 8 Rn. 205; EuGH Markenrecht 2007, 204 Rn. 79 – Celltech).
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Mit dem Begriff „Maschine“ wird im Allgemeinen Sprachgebrauch eine mechanische, aus beweglichen Teilen bestehende Vorrichtung bezeichnet, die Kraft oder Energie überträgt und mit deren Hilfe bestimmte Arbeiten unter Einsparung menschlicher Arbeitskraft ausgeführt werden können (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Maschine, der Beschwerdeführerin als Anlage 1 zum Ladungshinweis des Senats vom 9. September 2020 zugesandt; s. dort auch zu weiteren, vorliegend weniger relevanten Verwendungen beispielsweise zur Bezeichnung des Motors eines Autos, eines bestimmten Flugzeugs, eines Motorrads etc.). Nach Art. 2 a Maschinen-Richtlinie [RL 2006/42/EG] bezeichnet der Begriff „Maschine“ u. a. eine mit einem anderen Antriebssystem als der unmittelbar eingesetzten menschlichen oder tierischen Kraft ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines bzw. eine beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind.
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Der weitere Bestandteil „Exergie“ ist ein Begriff aus der Physik mit der Bedeutung „Anteil der Energie, der in die gewünschte, wirtschaftlich verwertbare Form (z. B. elektrische Energie) umgewandelt wird“ (vgl. https://www.duden.de/recht-schreibung/Exergie, Anlage 2 zum Hinweis des Senats). Er beschreibt denjenigen Teil der Gesamtenergie eines Systems, der dann Arbeit verrichten kann, wenn es in ein sogenanntes thermodynamisches Gleichgewicht mit seiner Umgebung gebracht wird. Dieses Gleichgewicht kann mechanisch, chemisch oder thermisch sein. Die Exergie ist also eine physikalische Größe, die das Potenzial des Systems in Abhängigkeit zu seiner Umgebung betrachtet (vgl. https://studyflix.de/ingenieur-wissenschaften/anergie-und-exergie-572, Anlage 3 zum vorgenannten Hinweis).
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Jedenfalls die angesprochenen Fachverkehrskreise verstehen den Begriff der „Exergie“, der Bestandteil des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik (vgl. https://www.ingenieurkurse.de/thermodynamik/2-hauptsatz-der-thermodyna-mik/exergie-und-anergie.html, Anlage 5 zum gerichtlichen Hinweis) und von entsprechender Bedeutung insbesondere auf dem Gebiet der Energie- und Umwelttechnik ist und dementsprechend auch Gegenstand entsprechender Studienordnungen (vgl. beispielhaft https://www.th-nuernberg.de/studien-gang/energieprozesstechnik-beng-0/, Anlage 6 zum Hinweis des Senats). Im Hinblick auf die zunehmende Aktualität der Frage der Energiewende und der Energieeffizienz von Gebäuden fand der Begriff der „Exergie“ bereits vor dem Anmeldetag verstärkt Beachtung in der Öffentlichkeit und war Gegenstand diverser Konzepte und Publikationen (vgl. die als Anlagenkonvolut 4 zum gerichtlichen Hinweis zugesandten Nachweise).
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Soweit die Beschwerdeführerin ausführt, dass der überwiegende Anteil (mehr als 50 %) der Verkehrskreise den Begriff „Exergie“ nicht verstehe, so ändert dies nichts daran, dass maßgeblich auf die vorgenannten Fachkreise abgestellt werden kann. Zwar muss zur Bejahung der Unterscheidungskraft eines Zeichens zumindest ein erheblicher Teil des Verkehrs dieses als betrieblichen Herkunftshinweis bewerten; sofern sich die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen jedoch an verschiedene Verkehrskreise richten, beispielsweise sowohl an Endverbraucher als auch an Fachkreise, so kann auch allein einer dieser angesprochenen Verkehrskreise und damit ein zahlenmäßig geringer Teil des Verkehrs als relevant für die Verneinung der Unterscheidungskraft anzusehen sein (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 181).
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3. In seiner Gesamtheit werden die angesprochenen Fachverkehrskreise das aus den ihnen verständlichen Worten „Exergie“ und „Maschine“ sprachüblich zusammengesetzte Substantiv „Exergiemaschine“ dahingehend verstehen, dass es sich um eine Vorrichtung handelt, die für einen hohen Anteil an Exergie, also an tatsächlich nutzbarer Energie, sorgen soll.
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Insbesondere ergibt sich vorliegend aus der Verbindung der beiden im konkreten Waren- und Dienstleistungszusammenhang beschreibenden Begriff „Exergie“ und „Maschine“ kein Herkunftshinweis.
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Durch die Zusammenfügung von beschreibenden Begriffen kann zwar der Charakter einer Sachangabe entfallen. Dies setzt allerdings voraus, dass die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 98 f. – Postkantoor; GRUR 2006, 229 Rn. 34 – BIOMILD; BGH GRUR 2012, 272 Rn. 12 – Rheinpark-Center Neuss; GRUR 2009, 949 Rn. 13 – My World). Der beschreibende Charakter mehrerer Wörter geht aber regelmäßig nicht schon durch deren Zusammenführung verloren. Vielmehr bleibt im Allgemeinen die bloße Kombination von beschreibenden Bestandteilen selbst beschreibend.
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Vorliegend handelt es sich bei der Wortkombination „Exergiemaschine“ um eine sprachübliche Zusammensetzung, der die angesprochenen Verkehrskreise insgesamt lediglich den dargelegten beschreibenden Sachhinweis entnehmen werden. Soweit die Beschwerdeführerin der Ansicht ist, dass bei Wortkombinationen mit dem Bestandteil „-maschine“ der vorangestellte Wortbestandteil üblicherweise die Funktion bzw. Arbeitsweise der Maschine erläutere (wie beispielsweise bei den Begriffen „Eismaschine“ oder „Spülmaschine“) oder auf die Antriebsart hinweise (z.B. „Dampfmaschine“) und dies bei der angemeldeten Wortkombination „Exergiemaschine“ nicht der Fall sei, so führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Unabhängig davon, dass der Bestandteil „-maschine“ auf ein Gerät als solches und prima facie nicht auf eine betriebliche Herkunft hindeutet, gibt es beispielsweise bereits den parallel zum angemeldeten Zeichen gebildeten Begriff der „Energiemaschine“ als Bezeichnung einer Maschine, die Energie von einer Form in eine andere umwandelt (vgl. Anlage 7 zum Hinweis des Senats).
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Im Übrigen wird die Begriffskombination „Exergiemaschine“ bereits als Sachhinweis verwendet. So wird die Wirkungsweise der von der Beschwerdeführerin zusammen mit ihrer Kooperationspartnerin entwickelten Exergiemaschine „eXm“ dahingehend beschrieben, dass diese die Wirkung einer Wärmeanlage steigere, indem sie die Vorlauftemperatur erhöhe und die Rücklauftemperatur senke, bzw. dass sie der Effizienzsteigerung in Heiz- und Warmwassersystemen diene (vgl. Anlagen 2 und 3 zur Beschwerdebegründung). Ebenso liegt eine beschreibende Verwendung der Wortkombination vor, wenn die Kooperationspartnerin der Beschwerdeführerin, die B… AG, in der Darstellung eines von dieser angebotenen Kurses nach der Darlegung der Möglichkeiten der Erhöhung der Wärmeleistung ausführt: „Mit einer Exergiemaschine wird genau dies erreicht“ (vgl. Anlage 2 zur Beschwerdebegründung; in dieser Kursbeschreibung wird mehrfach der unbestimmte Artikel „eine(r)“ verwendet und ein Verständnis des Wortes „Exergiemaschine“ im Sinne einer Maschine/Vorrichtung vermittelt, die der Effizienzsteigerung in Heiz- und Warmwassersystemen dient). Die angesprochenen Fachkreise werden dementsprechend die Bezeichnung „Exergiemaschine“ nicht aufgrund ihrer Wortbildung als ungewöhnlich wahrnehmen.
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4. Nicht relevant für die markenrechtliche Beurteilung ist des Weiteren, dass der Begriff „Exergiemaschine“ eine Schöpfung der Beschwerdeführerin darstellt und sie ihrem Vortrag nach diese „Exergiemaschine“ bzw. dieses „System“ entwickelt hat. Hierauf kommt es nicht an, sofern der angesprochene Verkehr in der in Frage stehenden Bezeichnung wie dargelegt nur eine beschreibende Sachangabe und nicht (auch) einen Hinweis auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb sieht. Der Aspekt der „Neuheit“ bzw. „erfinderischen Tätigkeit“ spielt im Markenrecht – anders als im Patentrecht – keine Rolle, da es zur Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Zeichens lediglich auf die Unterscheidungskraft bzw. das Freihaltebedürfnis ankommt (vgl. BGH GRUR 2003, 436 – Feldenkrais; BPatG, Beschluss vom 30.04.2014, 29 W (pat) 113/11 – Schichtenmodell der Integration).
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5. Vor diesem Hintergrund werden jedenfalls die angesprochenen Fachverkehrskreise auf dem Gebiet der Energie- und Gebäudetechnik, der Heiz- und Warmwassersysteme etc. die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich als beschreibenden Hinweis auf den Gegenstand bzw. den Einsatzzweck dieser Waren und Dienstleistungen auffassen.
37
So können die in Klasse 9 beanspruchten (Steuerungs-, Regelungs-, Mess- und Überwachungs-) Geräte sowie Computersoft- und -hardware für den Einbau in/ den Einsatz im Zusammenhang mit derartigen Maschinen, die für einen hohen Anteil nutzbarer Energie (Exergie) sorgen sollen bzw. der Effizienzsteigerung einer Wärmeanlagen dienen können, gedacht sein wie beispielsweise Temperaturregelungsgeräte oder Software zur Steuerung oder Regelung einer Wärmepumpe (vgl. insoweit auch die Ausführungen in der von der Beschwerdeführerin mitbetreuten Bachelorarbeit Anlage 1 zur Beschwerde-begründung, in der die Exergiemaschine als Wärmepumpe bezeichnet wird, Bl. 25 GA). Weitere in Klasse 9 beanspruchte Waren können im Zusammenhang mit einer derartigen Vorrichtung zum Einsatz kommen.
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Entsprechendes gilt für in Klasse 11 beanspruchte Waren, die eine derartige Vorrichtung zur Effizienzsteigerung einer Wärmeanlage beinhalten können (z.B. Heizungsanlagen) bzw. für eine solche oder im Zusammenhang mit einer solchen eingesetzt werden können.
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Soweit die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem DPMA ausgeführt hat, dass die beanspruchten Waren teilweise nicht unter den Begriff der „Maschine“ fielen und beispielsweise ein Wärmetauscher keine Maschine nach der Definition in Art. 2 der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG sei, so ist darauf hinzuweisen, dass die Unterscheidungskraft auch solchen Angaben fehlt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird. Dies ist vorliegend anzunehmen, da Wärmetauscher beispielsweise beim Betrieb von Wärmepumpen oder allgemein in Heizanlagen zum Einsatz kommen (vgl
. Anlagen 8, 9 zum gerichtlichen Hinweis). Zwischen der Bezeichnung einer Vorrichtung, die die Effizienz einer Heizanlage steigern soll, und den weiteren Bestandteilen einer Heizanlage ist ein derartiger enger beschreibender Bezug anzunehmen.
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Schließlich können die in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen der Planung und Beratung sowie der Erstellung von Schemata und Konzepten die Effizienzsteigerung von Heiz- und Warmwassersystemen mittels einer Exergiemaschine zum Gegenstand haben.
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Das Anmeldezeichen ist daher nicht geeignet auf die betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinzuweisen, sondern erschöpft sich in einer sachbeschreibenden Bedeutung.
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III. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob die angemeldete Bezeichnung darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die fraglichen Waren und Dienstleistungen freihaltebedürftig ist.
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IV. Der Antrag der Anmelderin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr war ebenfalls zurückzuweisen, da die Voraussetzungen für eine Rückzahlung nach § 71 Abs. 3 MarkenG nicht vorliegen.
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1. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gem. § 71 Abs. 3 MarkenG stellt eine Ausnahme von der vom Ausgang des Verfahrens unabhängigen Gebührenpflichtigkeit der Beschwerde nach dem PatKostG dar und wird angeordnet, wenn es aufgrund der besonderen Umstände im Einzelfall unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl. Knoll in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 50). Dies kommt bei fehlerhafter Sachbehandlung durch die Vorinstanz, insbesondere dem Vorliegen von Verfahrensfehlern oder Verstößen gegen die Verfahrensökonomie in Betracht (vgl. BPatG, Beschluss vom 16.05.2007, 29 W (pat) 76/05; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage 2010, § 71 Rn. 37). Entsprechende Billigkeitsgründe können sich beispielsweise aus Verfahrensfehlern wie der Verletzung rechtlichen Gehörs ergeben. Die fehlerhafte Sachbehandlung durch das DPMA muss des Weiteren kausal sein für die Notwendigkeit der Einlegung der Beschwerde (vgl. BPatG, Beschluss vom 21.05.2015 – 30 W (pat) 40/13 – rcd; Knoll in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 54; Ingerl/Rohnke, a. a. O., § 71 Rn. 40).
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2. Vorliegend hat zwar die Markenstelle erstmals im angegriffenen Beschluss die Bachelorarbeit „Experimentelle Untersuchung einer Exergiemaschine zur Deckung von Zirkulationsverlusten und Nutzung thermischer Energie von Abwärmeprozessen“ von R… zitiert und dieser eine Definition des Begriffes „Exergiemaschine“ entnommen, ohne der Beschwerdeführerin zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Soweit hierin eine Verletzung rechtlichen Gehörs zu sehen ist, so wurde diese jedenfalls im vorliegenden Beschwerdeverfahren geheilt, da die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich Gelegenheit zur Äußerung hatte. Eine Zurückverweisung des Verfahrens an das DPMA erfolgt nicht, da die Sache entscheidungsreif ist.
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Eine Gebührenrückzahlung aus Billigkeitsgründen ist nicht veranlasst, da die Beschwerdeeinlegung und somit der Anfall der Beschwerdegebühr nicht auf dieser (möglichen) Verletzung rechtlichen Gehörs beruhen. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerdebegründung weitgehend ihre Ausführungen zum Beanstandungsbescheid wiederholt bzw. auf diese Bezug genommen. Zu der Bachelorarbeit, die in dem angegriffenen Beschluss zitiert wurde ohne zuvor in das Verfahren eingeführt worden zu sein, führt sie aus, dass diese Arbeit von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit der Fachhochschule M… betreut worden sei. Ferner erläutert sie, dass der Zweitprüfer der Bachelorarbeit der Geschäftsführer der Komplementärin der Beschwerdeführerin sei und dass der in dieser Arbeit verwendete Begriff „Exergiemaschine“ eine Schöpfung der Beschwerdeführerin für ein in der Arbeit untersuchtes System sei. Dieser Vortrag ändert jedoch nichts an der rechtlichen Bewertung des Verfahrens. Die Markenstelle hat auf die vorgenannte Bachelorarbeit Bezug genommen, um den Bedeutungsgehalt des Begriffes der Exergiemaschine wiederzugeben. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin diese Arbeit mitbetreut hat, ändert nichts an dem Verständnis des Begriffs, der auch in dieser Arbeit beschreibend und nicht als Herkunftshinweis verwendet wird. Vor diesem Hintergrund fehlt es an einer Veranlassung der Beschwerdeeinlegung durch die Verletzung rechtlichen Gehörs. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr scheidet jedoch aus, wenn das DPMA ohne Fehlverhalten inhaltlich dieselbe Entscheidung getroffen und deshalb Beschwerde hätte eingelegt werden müssen (vgl. Ingerl/Rohnke a. a. O. § 71 Rn. 40).
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V. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beschwerdeführerin den Antrag auf Durchführung einer solchen zurückgenommen und der Senat sie auch nicht für geboten erachtet hat (§ 69 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG).