BVerwG 2. Senat, Urteil vom 15.11.2022, AZ 2 C 23/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:151122U2C23.21.0
Leitsatz
1. Das Ruhen eines Unterhaltsbeitrags nach § 55 BeamtVG ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil die zum Ruhen führende Rente auf demselben Unfallereignis beruht wie der Unterhaltsbeitrag.
2. Bezieht ein früherer Beamter einen Unterhaltsbeitrag und Renten, so ist bei der Bestimmung der Höchstgrenze nach § 55 Abs. 2 BeamtVG eine ruhegehaltfähige Dienstzeit nicht zugrunde zu legen (Bestätigung von BVerwG, Urteil vom 18. April 1991 – 6 C 56.88 – Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 12).
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 27. Oktober 2021, Az: 3 A 1630/18, Urteil
vorgehend VG Gelsenkirchen, 9. März 2018, Az: 3 K 2748/13, Urteil
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 2021 wird aufgehoben, soweit es den Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 27. Juni 2013 in der Fassung des Bescheids vom 18. Juni 2014 aufgehoben hat und soweit nicht das Verfahren eingestellt worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 9. März 2018 wird insgesamt zurückgewiesen, soweit dieses nicht für wirkungslos erklärt worden ist.
Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 3/4 und der Beklagte 1/4. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um das Ruhen eines Unterhaltsbeitrags.
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Der 1965 geborene Kläger erlitt im Jahr 1985 als Polizeihauptwachtmeister-Anwärter im Rahmen der Sportausbildung einen Dienstunfall. Aufgrund der Folgen dieses Unfalls entließ der Beklagte den Kläger zum 31. Dezember 1988 wegen Dienstunfähigkeit aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf und gewährte ihm einen Unterhaltsbeitrag. Ab dem 1. Januar 1989 war der Kläger als Regierungsangestellter tätig. Seit dem Jahr 2010 ist er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erwerbstätig.
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Im Mai 2011 beantragte der Kläger die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Zunächst rückwirkend ab dem 1. September 2010 wurden dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Deutsche Rentenversicherung, DRV) sowie eine Betriebsrente wegen voller Erwerbsminderung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) bewilligt. Im Hinblick auf die Bewilligung dieser Renten ab September 2010 ging der Beklagte im Bescheid vom 27. Juni 2013 davon aus, dass der Unterhaltsbeitrag im Zeitraum vom 1. September 2010 bis Ende Juli 2013 wegen seines teilweise Ruhens in Höhe von ca. 30 000 € überzahlt worden sei.
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Anfang 2014 wurden der Beginn der Renten des Klägers wegen voller Erwerbsminderung auf den 1. Mai 2011 und auch deren Beträge neu festgesetzt. Unter dem Datum 18. Juni 2014 erließ der Beklagte daraufhin einen weiteren Ruhensbescheid, der die Überzahlung des Unterhaltsbeitrags wegen des Wegfalls des Rentenbezugs im Zeitraum bis zum 30. April 2011 auf ca. 22 000 € reduzierte.
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Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich des Zeitraums vom 1. September 2010 bis zum 30. April 2011 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts für wirkungslos erklärt. Im Übrigen hat das Berufungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Fassung des Bescheids vom 18. Juni 2014 hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Mai 2011 bis einschließlich 31. Juli 2013 aufgehoben, soweit darin das Ruhen des Unterhaltsbeitrags über bestimmte Beträge hinaus festgestellt worden ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Renten des Klägers wegen voller Erwerbsminderung seien für das Ruhen des Unterhaltsbeitrags des Klägers relevant. Von den Renten sei auch nicht vorab ein Betrag in Höhe des Unfallausgleichs abzusetzen. Die Bescheide träfen jedoch unzutreffende Feststellungen zur Höhe des Betrags, in der der Unterhaltsbeitrag des Klägers neben seinem Rentenbezug ruhe. Als Höchstgrenze sei nicht der tatsächlich gezahlte Unterhaltsbeitrag anzusetzen. Weder fordere dies der Wortlaut der gesetzlichen Regelung noch deren Sinn und Zweck. Als Höchstgrenze sei das Ruhegehalt anzusehen, das der Betroffene voraussichtlich bekommen hätte, wenn er im Beamtenverhältnis geblieben wäre. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit lediglich um 90 v. H. gemindert gewesen.
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Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er beantragt,
den Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 27. Juni 2013 in der Fassung des Bescheids vom 18. Juni 2014 hinsichtlich der Feststellung des Ruhens von Versorgungsbezügen für den Zeitraum vom 1. Mai 2011 bis 31. Juli 2013 aufzuheben und die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 2021 und des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 9. März 2018 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen
und
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 2021, soweit es das Verfahren nicht eingestellt hat, aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 9. März 2018 zurückzuweisen, soweit dieses nicht für wirkungslos erklärt worden ist
und
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet, die des Beklagten dagegen begründet. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Anwendbarkeit der Ruhensregelung auf den Fall des Klägers sowie zur Einbeziehung der dem Kläger gewährten Renten in die Berechnung verletzen kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 und § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG sowie § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG; 1.). Dagegen verstößt die Bestimmung der Höchstgrenze durch das Berufungsgericht gegen revisibles Recht (2.). Der Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Fassung des Bescheids vom 18. Juni 2014 ist rechtmäßig. Im streitgegenständlichen Zeitraum war die Erwerbsfähigkeit des Klägers um 90 v. H. gemindert. Bei der Bestimmung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch das Tatsachengericht handelt es sich um eine tatsächliche Feststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO (BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2016 – 2 C 14.14 – BVerwGE 154, 190 Rn. 17). Darauf bezogene Verfahrensrügen hat der Kläger nicht erhoben.
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1. Die dem Kläger gewährte Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung sowie die Betriebsrente wegen voller Erwerbsminderung („VBLklassik“) sind bei der Bestimmung des Ruhens des dem Kläger zustehenden Unterhaltsbeitrags grundsätzlich zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl für den Zeitraum vom 1. Mai 2011 bis Ende Mai 2013 (a.) als auch für die Monate Juni und Juli 2013 (b.).
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a) Im Zeitraum vom 1. Mai 2011 bis zum 31. Mai 2013 richtet sich das Ruhen des Unterhaltsbeitrags nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung (Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1987, BGBl. I S. 570, 1339, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28. Juni 1990, BGBl. I S. 1221 – BeamtVG 1991) und § 55 Abs. 1 Satz 3 bis 7 und Abs. 2 bis 8 BeamtVG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (Fassung vom 16. März 1999, BGBl. I S. 322, 847 und 2033, zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 21. Juni 2005, BGBl. I S. 1818 – BeamtVG 2006). Dies folgt aus Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG sowie § 69a Nr. 1 Satz 1 BeamtVG 2006 als der maßgeblichen Übergangsregelung (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 – 2 C 2.15 – BVerwGE 154, 253 Rn. 10). Der Unterhaltsbeitrag ist ein Versorgungsbezug und der Kläger war am 1. Januar 1992 als sonstiger Versorgungsempfänger vorhanden.
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Nach § 63 Nr. 2 und Halbs. 2 BeamtVG 1991 gilt für das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Renten nach § 55 BeamtVG 1991 der dem Kläger gezahlte Unterhaltsbeitrag als Ruhegehalt und der Kläger selbst als Ruhestandsbeamter. § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1991 bestimmt, dass der Unterhaltsbeitrag als Versorgungsbezug neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 und § 43 Abs. 2 SGB VI) und aus einer zusätzlichen Altersversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes (zur Versicherungsrente der VBL, BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1992 – 2 B 21.92 – Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 17 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 24. September 1987 – 2 C 52.86 – BVerwGE 78, 122 <123 f.>) nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze gezahlt wird.
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Gegen die vom Kläger geforderte teleologische Reduktion des § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1991 beim Zusammentreffen von Unterhaltsbeitrag und auf demselben Unfallereignis beruhenden Renten spricht neben dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung auch ihre Systematik. § 55 Abs. 7 BeamtVG 2006 regelt, dass die Vorschrift des § 53 Abs. 6 BeamtVG 2006 über den Mindestanspruch eines Beziehers eines Unterhaltsbeitrags im Falle des Zusammentreffens von Versorgungsbezügen mit Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen entsprechend gilt. Dies belegt, dass der Gesetzgeber das Zusammentreffen von Unterhaltsbeitrag und Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einer zusätzlichen Altersversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes im Rahmen des Ruhens der Versorgungsbezüge bedacht hat. Wenn es seinem Willen entsprochen hätte, die Konstellation des Zusammentreffens von Unterhaltsbeitrag und einer auf dasselbe Unfallereignis zurückgehenden Rente von der Anwendung der Ruhensregelung auszunehmen, so wäre eine dies ausdrücklich regelnde Bestimmung zu erwarten.
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Der weiteren Forderung des Klägers, von den in die Ruhensberechnung einzubeziehenden Renten i. S. v. § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1991 sei vorab ein Betrag in Höhe des Unfallausgleichs nach § 35 BeamtVG 1991 abzuziehen, steht in systematischer Hinsicht ferner die Vorschrift des § 55 Abs. 4 BeamtVG 2006 entgegen, wonach bei der Anwendung des § 55 Abs. 1 und 2 BeamtVG 1991/2006 bestimmte Teile der Rente nach Absatz 1 außer Ansatz bleiben. Die dem Kläger zustehenden Renten i. S. v. § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1991 zählen jedoch nicht zu den Teilen der Versorgungsbezüge, die bei der Berechnung wegen der Eigenleistungen des Betroffenen außer Ansatz bleiben.
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Auch spricht der generelle Zweck des § 55 BeamtVG 1991/2006 dafür, dass der Fall des Klägers der Ruhensregelung unterliegt. Aus dem Beamtenverhältnis resultierende Versorgungsbezüge und gesetzliche Renten sind nicht aufeinander abgestimmt. Zweck des § 55 BeamtVG 1991/2006 ist es, eine ungerechtfertigte Doppelversorgung aus diesen beiden Versorgungssystemen gegenüber solchen Beamten zu vermeiden, die ihr gesamtes Erwerbsleben im Beamtenverhältnis verbracht und deshalb keine Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben (sog. „Nur-Beamte“, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 – 2 C 22.14 – Buchholz 239.1 § 67 BeamtVG Nr. 6 Rn. 16). Dieser Grundsatz erfasst auch den Fall, dass der Bezieher eines Unterhaltsbeitrags, der an den früheren Status des Empfängers als Beamter anknüpft, Rentenzahlungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen oder aus einer zusätzlichen Altersversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes erhält.
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Die unterschiedliche Behandlung des Beziehers eines Unterhaltsbeitrags für frühere Beamte und eines Verletzten, der Anspruch auf Unfallausgleich nach § 35 BeamtVG 1991 hat, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1991 erhält ein Verletzter, sofern er infolge des Dienstunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist, für die Dauer dieses Zustands neben den Dienstbezügen, den Anwärterbezügen oder dem Ruhegehalt einen Unfallausgleich. Danach betrifft die Regelung des § 35 BeamtVG 1991 einen Beamten, der im Beamtenverhältnis verblieben ist. Dagegen ist der Unterhaltsbeitrag eine Form des Schadensersatzes für frühere Beamte, deren Beamtenverhältnis nicht durch den Eintritt oder die Versetzung in den Ruhestand geendet hat. Erhält der Bezieher des Unterhaltsbeitrags noch Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einer zusätzlichen Altersversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes, stellt sich das vom Gesetzgeber durch § 55 BeamtVG 1991/2006 geregelte Problem, dass Leistungen aus zwei nicht aufeinander abgestimmten Versorgungssystemen bezogen werden.
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Das Schicksal des Klägers, dass ihm infolge des Dienstunfalls sowohl die Ernennung zum Lebenszeitbeamten und die Erlangung höherer Statusämter mit den damit verbundenen Dienst- und Versorgungsbezügen als auch infolge der körperlichen Einschränkungen der Erwerb von höheren Renten i. S. v. § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1991 versagt geblieben sind, kann nicht durch eine mit dem Gesetz unvereinbare Handhabung der Ruhensregelung kompensiert werden. Dem Aspekt der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem früheren Beamten ist dadurch Rechnung getragen, dass dem durch einen Dienstunfall verletzten Bezieher eines Unterhaltsbeitrags nach § 55 Abs. 7 und § 53 Abs. 6 BeamtVG 2006 mindestens ein Betrag als Versorgung zu belassen ist, der unter Berücksichtigung seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge des Dienstunfalls dem Unfallausgleich entspricht.
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b) Für die Monate Juni und Juli 2013 gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend, weil auch für diesen Zeitraum im Bereich des beklagten Landes das Beamtenversorgungsgesetz in der am 31. August 2006 geltenden Fassung maßgeblich ist (vgl. der am 1. Juni 2013 in Kraft getretene Art. 5 Nr. 1 Buchst. a) des Dienstrechtsanpassungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2013, GV. NRW. S. 234).
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2. Die Bestimmung der Höchstgrenze des § 55 Abs. 2 BeamtVG F 2006 durch das Berufungsgericht verletzt revisibles Recht.
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Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht als Höchstgrenze i. S. v. § 55 Abs. 2 BeamtVG 2006 das fiktive Ruhegehalt angesehen, das der Betroffene (voraussichtlich) erhalten hätte, wenn er im Beamtenverhältnis verblieben wäre. Vielmehr ist die Höchstgrenze im Falle des Zusammentreffens eines Unterhaltsbeitrags mit Renten i. S. v. § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1991 nach den im Urteil vom 18. April 1991 – 6 C 56.88 – (Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 12) entwickelten Grundsätzen zu bestimmen, an denen der Senat festhält.
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Ausgehend von § 63 Nr. 2 BeamtVG 1991 i. V. m. § 55 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG 2006 gilt für den Empfänger eines Unterhaltsbeitrags als Höchstgrenze der Betrag, der sich als Unterhaltsbeitrag zuzüglich des Unterschiedsbetrags nach § 50 Abs. 1 BeamtVG 2006 ergeben würde, wenn der Berechnung bei den zu berücksichtigenden Bezügen die Endstufe der Besoldungsgruppe zugrunde gelegt wird, aus der sich der Unterhaltsbeitrag berechnet. Dagegen ist eine ruhegehaltfähige Dienstzeit, die bei der Berechnung der Höchstgrenze gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BeamtVG 2006 grundsätzlich zu beachten ist, nicht zugrunde zu legen. Denn eine ruhegehaltfähige Dienstzeit ist nicht Bestandteil des Unterhaltsbeitrags, der allein auf dem festgesetzten Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit und den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen beruht. Bei der weiteren Berechnung ist die Vorgabe des § 38 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG 1991/2006 zu berücksichtigen, wonach der Unterhaltsbeitrag nach Absatz 2 Nr. 1 nicht hinter dem Mindestunfallruhegehalt zurückbleiben darf, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit infolge des Dienstunfalls entlassen worden ist.
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§ 55 Abs. 2 BeamtVG 2006 begründet keine Ansprüche, sondern regelt lediglich das Zusammentreffen von Ansprüchen aus nicht aufeinander abgestimmten Versorgungssystemen. Dies hat für die Bestimmung der Höchstgrenze zur Folge, dass die in § 55 Abs. 2 BeamtVG 2006 genannten Voraussetzungen nach § 63 Nr. 2 BeamtVG 1991 nur mit der Maßgabe auf die Berechnung der Höchstgrenze übertragen werden können, als diese mit dem Rechtscharakter des Unterhaltsbeitrags vereinbar sind, d. h. wenn die in § 55 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG 2006 genannten Bestandteile dem Unterhaltsbeitrag materiell entsprechen. Dementsprechend ist beim Ruhen eines Unterhaltsbeitrags der Gesichtspunkt der ruhegehaltfähigen Dienstzeit nicht relevant, weil diese für den Unterhaltsbeitrag nicht von Bedeutung ist. Die Berücksichtigung von Elementen bei der Bestimmung der Höchstgrenze, die einen Bezug zur Länge der Dienstzeit haben, wäre hier sachwidrig und systemfremd.
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Durch die doppelte Fiktion des § 63 BeamtVG 1991 ändert sich die Rechtsnatur des Unterhaltsbeitrags nicht. Er wird nur für die Dauer der durch den Dienstunfall verursachten Erwerbsbeschränkung gewährt und nach deren Grad bemessen. Er ist kein erdientes, auf eine Dienstzeit bezogenes Ruhegehalt eines Beamten, sondern eine besondere Form des Schadensersatzes. Der Unterhaltsbeitrag soll Nachteile ausgleichen, die einem früheren Beamten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entstehen. Zudem ist er als Ersatz der durch den Dienstunfall erwachsenen echten Mehraufwendungen gedacht (BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2016 – 2 C 14.14 – BVerwGE 154, 190 Rn. 11). Er wird dem früheren Beamten danach weder für Zeiten gewährt, die er im öffentlichen Dienst tatsächlich abgeleistet hat, noch soll er Nachteile ausgleichen, die dem Berechtigten dadurch entstanden sind, dass ein Dienstunfall seine Erwartung zunichtegemacht hat, weitere Zeiten im öffentlichen Dienst abzuleisten (BVerwG, Urteile vom 31. Januar 1974 – 2 C 50.72 – Buchholz 232 § 160 BBG Nr. 10 und vom 18. April 1991 – 6 C 56.88 – Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 12 Rn. 22). Dass § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BeamtVG 2006 nicht auf den Unterhaltsbeitrag anzuwenden ist, ergibt sich auch aus der Natur dieser Vorgabe. Grundlage der Regelung ist entsprechend dem Sinn und Zweck des Gesetzes ein vollständig im öffentlichen Dienst verbrachtes Berufsleben. Sie ist daher so großzügig bemessen, dass sie die tatsächlich im Beamtenverhältnis verbrachte Dienstzeit übersteigt (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256 <322>).
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Der Gesetzgeber hat bisher keine Veranlassung gesehen, die seit langem bekannte Rechtsprechung zur Bestimmung der Höchstgrenze beim Zusammentreffen von Unterhaltsbeitrag und Renten durch eine entsprechende Klarstellung zu korrigieren. Dies gilt auch für die Einfügung des Absatzes 5 in den § 38 BeamtVG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes vom 19. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2542). Diese Regelung hat den Rechtscharakter des Unterhaltsbeitrags nicht wesentlich geändert. Denn Ziel der Gesetzesänderung ist nicht die generelle Angleichung der Versorgung von früheren Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst an die Versorgung von Beamten auf Probe und auf Lebenszeit, sondern lediglich die Gleichstellung insbesondere von Polizeivollzugsbeamten im Bereich des Dienstunfallschutzes, weil sie dem gleichen Verletzungsrisiko ausgesetzt sind. Zudem machen die Materialien deutlich, dass der eingefügte Absatz 5 am Charakter des Unterhaltsbeitrags nichts ändert, der gemäß seinem Zweck nach dem Umfang der Erwerbsminderung gestaffelt bleiben soll (Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 10/6547 S. 26). Auch regelt § 38 Abs. 5 BeamtVG den Mindestbetrag des Unterhaltsbeitrags unter Verweis auf das Mindestunfallruhegehalt nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG abstrakt nach einem bestimmten Betrag und nicht auf der Grundlage von konkreten ruhegehaltfähigen Dienstzeiten.
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Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts spricht der Wortlaut des § 63 Nr. 2 BeamtVG 1991 i. V. m. § 55 Abs. 2 BeamtVG 2006 nicht gegen, sondern eher für die dargelegte Berechnungsweise der Höchstgrenze. Werden entsprechend der Fiktionen des § 63 Nr. 2 BeamtVG 1991 in § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) BeamtVG 2006 die Worte „Unterhaltsbeitrag“ und „Bezieher eines Unterhaltsbeitrags“ anstelle der Worte „Ruhegehalt“ und „Ruhestandsbeamte“ eingesetzt, so ergeben sich die genannten Vorgaben für die Berechnung der Höchstgrenze; § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BeamtVG 2006 hat dagegen wegen der Bezugnahme auf die für den Unterhaltsbeitrag irrelevante ruhegehaltfähige Dienstzeit keinen Inhalt.
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Die vom Oberverwaltungsgericht für richtig befundene Bezugnahme auf ein fiktives Ruhegehalt, das der Kläger im Falle einer Übernahme ins Lebenszeitbeamtenverhältnis hätte erreichen können, findet im Wortlaut des § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG 2006 keine hinreichende Stütze. Die Auslegung übergeht zudem, dass gemäß § 63 Nr. 2 BeamtVG 1991 Bezugspunkt der Regelung für Empfänger von Unterhaltsbeiträgen nicht das – hier nicht bestehende – Ruhegehalt, sondern der Unterhaltsbeitrag ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 154 Abs. 2 VwGO.