Anforderungen an eine Veränderungssperre zur Sicherung einer Planung nach § 9 Abs. 2a BauGB. (Beschluss des BVerwG 4. Senat)

BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 14.10.2022, AZ 4 BN 12/22, ECLI:DE:BVerwG:2022:141022B4BN12.22.0

Leitsatz

1. Für den Erlass einer Veränderungssperre zur Sicherung einer Bebauungsplanung nach § 9 Abs. 2a BauGB bestehen keine erhöhten Anforderungen an die Konkretisierung der Planungsabsicht.

2. Die positiven Planungsvorstellungen der Gemeinde müssen sich beim Erlass einer Veränderungssperre auf die durch den zukünftigen Bebauungsplan über Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB ausgeschlossenen oder nur ausnahmsweise zulässigen Nutzungen beziehen und nicht auf die im Übrigen nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zulässige Art der baulichen Nutzung.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 27. Januar 2022, Az: 2 C 113/21, Urteil

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2022 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

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Die auf alle Zulassungsgründe gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

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1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst.

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Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2019 – 4 B 27.19 – ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 – 4 BN 3.20 – juris Rn. 3).

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a) Die Beschwerde möchte der Sache nach grundsätzlich klären lassen,

ob eine Gemeinde bei Beschluss einer Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB eine positive Vorstellung entwickelt haben muss, welche Art der baulichen Nutzung als Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB zulässig sein soll, wenn der Bebauungsplan als sektoraler Plan nach § 9 Abs. 2a BauGB allein bestimmte Einzelhandelsnutzungen ausschließen soll und sich die nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zulässigen Nutzungen wegen des Bestehens einer Gemengelage nicht zuverlässig feststellen lassen.

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Die Frage, auch in ihren Abwandlungen, führt nicht zur Zulassung der Revision, denn sie ist auf einen Sachverhalt zugeschnitten, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Die Beschwerde geht davon aus, dass das Plangebiet durch eine Gemengelage heterogener Nutzungen (Wohnen, Gewerbe und nichtgroßflächiger Einzelhandel) geprägt wird und sich deshalb die Art der zulässigen Nutzung nach den Maßstäben des § 34 Abs. 1 und 2 BauGB nicht zuverlässig feststellen lasse. Das Normenkontrollgericht hat jedoch keine Feststellungen zur Eigenart der näheren Umgebung i. S. v. § 34 Abs. 1 BauGB und zur Art der baulichen Nutzung im Plangebiet getroffen. Lediglich im Tatbestand hat es auf die Auffassung der Antragsgegnerin verwiesen, bei dem Plangebiet handele es sich um ein faktisches Mischgebiet (UA S. 3). Im Übrigen geht die Beschwerde daran vorbei, dass § 34 Abs. 1 BauGB auch die Zulässigkeit von baulichen Nutzungen in Gemengelagen regelt.

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b) Die Beschwerde hält sinngemäß für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Muss bei dem Beschluss einer Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB ein Einzelhandelskonzept, eine für das Gemeindegebiet geltende Sortimentsliste oder eine sonstige konkrete Planungsvorstellung vorliegen, die zuverlässig erkennen lässt, welche Sortimente im Plangebiet zulässig sein sollen, wenn die Veränderungssperre der Sicherung einer Planung dient, mit der nach § 9 Abs. 2a BauGB zentren- und nahversorgungsrelevante Sortimente im Planbereich ausgeschlossen werden sollen?

Muss bei dem Erlass einer solchen Veränderungssperre ein schlüssiges Einzelhandelskonzept für das gesamte Gemeindegebiet vorliegen, in das auch Einzelhandelsstandorte außerhalb des als schutzwürdig betrachteten Versorgungsbereichs und das Vorhandensein zu erhaltender oder zu entwickelnder Versorgungsbereiche einbezogen wurden?

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Soweit diese Fragen einer über die Umstände des Einzelfalls hinausgehenden, verallgemeinerungsfähigen Antwort zugänglich sind und sich auf die für den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO) zurückführen lassen, geben sie keinen Anlass zur Zulassung der Revision, weil sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lassen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2022 – 4 BN 53.21 – juris Rn. 7 m. w. N.).

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aa) Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass Vorhaben i. S. d. § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen. Eine Veränderungssperre darf erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 – 4 C 5.15 – BVerwGE 156, 1 Rn. 19 m. w. N. und Beschluss vom 6. Juli 2022 – 4 BN 53.21 – juris Rn. 5). Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 16.03 – BVerwGE 120, 138 <147>). Das Mindestmaß an Vorstellungen, die vorliegen müssen, um eine Veränderungssperre zu rechtfertigen, muss zugleich geeignet sein, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde zu steuern, wenn sie über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu befinden hat (BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 – 4 C 1.11 – BVerwGE 144, 82 Rn. 11; Beschlüsse vom 19. Mai 2020 – 4 BN 45.19 – juris Rn. 5 und vom 5. März 2021 – 4 BN 66.20 – ZfBR 2021, 561 Rn. 6). Diese Vorstellungen können sich nicht nur aus Niederschriften über die Gemeinderatssitzung, sondern auch aus allen anderen erkennbaren Unterlagen und Umständen ergeben (BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 2009 – 4 BN 34.09 – Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 29 Rn. 9).

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Wesentlich ist folglich, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des zukünftigen Bebauungsplans entwickelt hat (BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 – 4 C 5.15 – BVerwGE 156, 1 Rn. 19 m. w. N.). Ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept ist nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Oktober 2007 – 4 BN 36.07 – ZfBR 2008, 70 <70> und vom 5. März 2021 – 4 BN 66.20 – ZfBR 2021, 561 Rn. 6). Auch muss die Planung noch keinen Stand erreicht haben, der nahezu den Abschluss des Verfahrens ermöglicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 – 4 C 39.74 – BVerwGE 51, 121 und Beschluss vom 15. August 2000 – 4 BN 35.00 – juris Rn. 3). Daher darf der Erlass einer Veränderungssperre nicht von endgültigen Aussagen zur Lösung von Nutzungskonflikten abhängig gemacht werden, die erst im weiteren Verlauf des Planungsverfahrens im Rahmen einer umfassenden Abwägung aller betroffenen privaten und öffentlichen Belange und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung möglich sind. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, genügt indes nicht. Denn die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären – auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG – nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt (BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 – 4 C 5.15 – BVerwGE 156, 1 Rn. 19). Eine unzulässige Negativplanung liegt aber nicht schon deswegen vor, weil die Gemeinde die Planung aus Anlass eines konkreten, bisher zulässigen Vorhabens betreibt, das sie verhindern will, oder weil sie das Ziel verfolgt, eine Ausweitung bestimmter bisher zulässiger Nutzungen zu verhindern, selbst wenn dies jeweils den Hauptzweck einer konkreten Planung darstellt (BVerwG, Beschluss vom 5. März 2021 – 4 BN 66.20 – ZfBR 2021, 561 Rn. 6).

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Dem entsprechend ist es grundsätzlich erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp (§ 1 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. §§ 2 ff. BauNVO), sei es, dass sie nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 2d BauGB festsetzbare Nutzungen ins Auge gefasst hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. August 2012 – 4 C 1.11 – BVerwGE 144, 82 Rn. 12 und vom 9. August 2016 – 4 C 5.15 – BVerwGE 156, 1 Rn. 19 m. w. N.).

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bb) Diese Grundsätze gelten auch für eine Veränderungssperre, die einen in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan sichern soll, der Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 2a BauGB enthält.

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Nach § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB kann für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34 BauGB) zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Der Wortlaut des § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB erhellt, dass es sich bei entsprechenden Festsetzungen um solche zur Art der baulichen Nutzung handelt.

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Die durch das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3316) eingefügte Vorschrift ist im Regelungsgehalt an § 1 Abs. 5, Abs. 8 und Abs. 9 BauNVO angelehnt, erfordert aber nicht die Festsetzung eines Baugebiets (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/2496 S. 11), um die von der Norm eröffneten Ausschlussmöglichkeiten zu aktivieren (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 16. März 2012 – 2 B 202/12 – ZfBR 2012, 459 <460>), sondern lässt das Vorliegen eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i. S. v. § 34 Abs. 1 BauGB genügen. Aus der Eigenart der näheren Umgebung ergibt sich damit der bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsmaßstab u. a. in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung, der mittels auf § 9 Abs. 2a BauGB gestützten Festsetzungen modifiziert werden kann. Dabei gibt § 9 Abs. 2a BauGB den Gemeinden das Planungsinstrument nicht nur an die Hand, um zentrale Versorgungsbereiche davor zu schützen, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr in substantieller Weise wahrnehmen können, sondern – wie namentlich in der Betonung der Innenentwicklung in Satz 1 zum Ausdruck kommt – auch als Mittel, um im Rahmen ihres planerischen Gestaltungsspielraums die Attraktivität der Zentren zu steigern oder im Status quo zu erhalten (BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2013 – 4 BN 1.13 – ZfBR 2013, 573 Rn. 11).

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Vergleichbar den Regelungen in § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO für Baugebiete lässt sich im unbeplanten Innenbereich über Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB die Einzelhandelsnutzung steuern; die zu vorgenannten Normen ergangene Rechtsprechung kann auf Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB übertragen werden (BVerwG, Beschluss vom 6. August 2013 – 4 BN 8.13 – ZfBR 2013, 781 Rn. 6 m. w. N.). Danach ist es möglich, für den Einzelhandel Sortimentsbeschränkungen festzusetzen, wenn sie marktüblichen Gegebenheiten entsprechen (BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2001 – 4 BN 45.01 – juris Rn. 22). Mit Blick auf den Zweck von Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB, zentrale Versorgungsbereiche zu erhalten oder zu entwickeln, handelt es sich bei einer solchen Sortimentsbeschränkung um keine (unzulässige) Negativplanung (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand April 2022, § 9 Rn. 242). Soll sie durch eine Veränderungssperre gesichert werden, ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die Gemeinde bereits positive Vorstellungen darüber hat, welche Sortimente künftig im Plangebiet zulässig oder unzulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sein sollen. Das erfordert regelmäßig eine entsprechende Sortimentsliste, die im Laufe des Planverfahrens weiter konkretisiert oder modifiziert werden kann, sowie den Bezug zu einem zu schützenden zentralen Versorgungsbereich. Dazu kann auch auf ein bereits vorliegendes Einzelhandelskonzept zurückgegriffen werden (vgl. § 9 Abs. 2a Satz 2 i. V. m. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB). Ob die planerischen Vorstellungen diesen Anforderungen genügen, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls (BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 4 BN 45.19 – juris Rn. 5).

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Hierüber hinausgehende Anforderungen an die Konkretisierung der Planungsabsicht bestehen nicht (OVG Münster, Beschluss vom 16. März 2012 – 2 B 202/12 – ZfBR 2012, 459 <460>; Hornmann, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand 1. Mai 2022, § 14 Rn. 41). Anders als die Beschwerde meint, müssen sich die positiven Planungsvorstellungen der Gemeinde nicht auf die nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB zulässige Art der baulichen Nutzung beziehen. Diese ergibt sich aus der Eigenart der näheren Umgebung und wird als solches von Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB nicht berührt. Dieser begrenzte Regelungsanspruch eines Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2a BauGB ist im Übrigen auch bei der Auslegung einer hierauf bezogenen Veränderungssperre und der Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu beachten.

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2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des angefochtenen Urteils zu Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.

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Nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung (u. a.) des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Abweichung setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 6 B 43.17 – Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4). Der Beschwerde obliegt es nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen tragenden, abstrakten Rechtssatz zu einer revisiblen Rechtsvorschrift zu benennen und darzulegen, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abweichenden abstrakten Rechtssatz zu derselben Rechtsvorschrift beruht. Dem genügt die Beschwerde nicht.

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a) Eine Divergenz zu dem Urteil des Senats vom 19. Februar 2004 – 4 CN 16.03 – (BVerwGE 120, 138) ist nicht dargelegt. Die Beschwerde kritisiert, das Oberverwaltungsgericht sei beim Kontrollmaßstab für den Inhalt der zukünftigen Planung davon ausgegangen, dass es ausreiche, wenn der Planaufstellungsbeschluss die Ziele der Gemeinde, welche mit dem eingeleiteten Planaufstellungsverfahren verfolgt würden, unschwer erkennen lasse. Dieser Satz ist indes kein abstrakter Rechtssatz, sondern leitet die tatrichterliche Würdigung ein. Die Beschwerde macht damit eine unzutreffende Rechtsanwendung geltend, auf die eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gestützt werden kann (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Januar 2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447 <448> und vom 24. August 2017 – 4 B 35.17 – juris Rn. 10). Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht gerade unter Berufung auf das Senatsurteil vom 19. Februar 2004 (a. a. O. S. 146) angenommen, dass eine Veränderungssperre erst erlassen werden darf, wenn die Planung ein „Mindestmaß“ dessen erkennen lässt, was Inhalt des Bebauungsplans werden soll (UA S. 20).

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b) Auch eine Abweichung zum Urteil vom 9. August 2016 – 4 C 5.15 – (BVerwGE 156, 1) ist nicht dargetan. Die Antragstellerin entnimmt dieser Entscheidung den Rechtssatz, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzen und dass sie dabei im Fall des § 9 Abs. 2a BauGB festsetzbare Nutzungen ins Auge gefasst haben muss. Einen solchen Rechtssatz hat der Senat nicht aufgestellt. Er ist zwar davon ausgegangen, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzen muss, um die Planung durch eine Veränderungssperre sichern zu können. Er hat aber nicht zusätzlich die Festsetzung eines bestimmten Baugebietstyps oder nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 2a BauGB festsetzbare Nutzungen gefordert, sondern in solchen Festsetzungen die Konkretisierung der Vorstellungen der Gemeinde über die Art der baulichen Nutzung gesehen. Das kommt durch die Formulierung „sei es“ (a. a. O. Rn. 19) hinreichend klar zum Ausdruck.

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3. Der geltend gemachte Verfahrensfehler i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor.

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Die Beschwerde rügt eine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO), weil bei Durchsicht der beigezogenen Akten des Verwaltungsgerichts des Saarlandes festgestellt worden sei, dass weder der Schriftsatz der Antragstellerin vom 28. September 2020 nebst Anlagen noch das Schreiben des Kreisrechtsausschusses vom 7. Oktober 2020 zu den Verwaltungs- und damit zu den Gerichtsakten gelangt ist. Wären die beigezogenen Akten vollständig gewesen, hätte das Oberverwaltungsgericht die als Anlage zum Schreiben vom 28. September 2020 vorgelegte Stellungnahme des Einzelhandelsgutachters I. vom 28. September 2020 zur Kenntnis nehmen können. Es sei zumindest möglich, dass die angefochtene Entscheidung dann anders ausgefallen wäre. Ein Verfahrensfehler ist hiermit nicht dargetan.

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Ausweislich der Akten des Normenkontrollverfahrens hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit dem Normenkontrollantrag vom 20. April 2021 als Anlage 11 das Schreiben des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 28. September 2020 an den S.-Kreis, Kreisrechtsausschuss, sowie als Anlage 14 die gutachterliche Stellungnahme der I. vom 28. September 2020 vorgelegt. Die Dokumente lagen dem Oberverwaltungsgericht somit vor und konnten von diesem berücksichtigt werden. Dass sie ggf. erst nachträglich zur vom Oberverwaltungsgericht beigezogenen Akte des Verwaltungsgerichts des Saarlandes (5 K 804/20; vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2022, GA Bl. 253) genommen wurden, ist daher unschädlich. Soweit die Beschwerde das Schreiben des Kreisrechtsausschusses vom 7. Oktober 2020 vermisst, fehlt es an jeglicher Darlegung, inwiefern dieses für die angefochtene Entscheidung von Bedeutung hätte sein können.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.