Beschluss des BPatG München 29. Senat vom 04.07.2022, AZ 29 W (pat) 546/20

BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 04.07.2022, AZ 29 W (pat) 546/20, ECLI:DE:BPatG:2022:040722B29Wpat546.20.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 025 703.1

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 4. Juli 2022 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Seyfarth und den Richter Posselt

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10. März 2020 wird aufgehoben.

Gründe

I.

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Das Wortzeichen

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ALZETTE

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ist am 07. Oktober 2017 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren angemeldet worden:

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Klasse 09: Sonnenbrillen;

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Klasse 14: Fantasie-Schmuckwaren, nämlich Ringe, Schlüsselringe, Ohrringe, Manschettenknöpfe, Armbänder, Uhrkettenanhänger, Broschen, Ketten, Halsketten, Krawattennadeln, Anstecknadeln, Medaillons;

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Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Freizeittaschen, Einkaufstaschen, Umhängetaschen, Schultertaschen, Handtaschen, Abendtaschen, Sporttaschen, Badetaschen, Schultaschen, Umhängeriemen [Schulterriemen], Kindertaschen, Gürteltaschen, Koffer, Handkoffer, Hutkoffer, Attachékoffer, Aktenkoffer, Kleidersäcke, Packsäcke, Beutel, Brustbeutel, Tabakbeutel, Kulturbeutel, Reisenecessaires, Strumpfbeutel, Schuhbeutel, Sportbeutel, Schulranzen; Kleinlederwaren, nämlich Kartentaschen [Brieftaschen], Ausweistaschen; Taschen aus Stoff, Leder und lederähnlichen Materialien, soweit in Klasse 18 enthalten; Portemonnaies; Rucksäcke; Reisekoffer; Reisetaschen; Regenschirme; Aktentaschen; Brieftaschen; College-Mappen [soweit in Klasse 18 enthalten]; Kosmetiktaschen; Kosmetikkoffer;

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Klasse 25: Bekleidungsstücke, insbesondere Damen- und Herren-Oberbekleidung; Blusen; Kostüme; Kleider; Röcke; Jacken; Hosen; Hemden; Pullover; Krawatten; Mäntel; Schals; Handschuhe; Strümpfe; Unterwäsche; T-Shirts; Polo-Shirts; Sportbekleidung; Badebekleidung; Lederbekleidung; Kopfbedeckungen; Schuhe; Stiefel; Gürtel.

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Mit Beschluss vom 10. März 2020 hat die Markenstelle für Klasse 25 des DPMA die Anmeldung wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat die Markenstelle angeführt, der Begriff „ALZETTE“ werde von den maßgebenden allgemeinen Verkehrskreisen als Name eines sehr bekannten, durch Luxemburg fließenden Flusses erkannt. Dieser werde in der Luxemburger Nationalhymne besungen; ferner führten die Radfernwege PC 1 und 15 als Teile des nationalen Radverkehrswegenetzes im Großherzogtum Luxemburg an ihm entlang. „ALZETTE“ stelle daher lediglich eine sachbezogene Information über die beanspruchten Waren dar, nämlich einen Hinweis auf deren geographische Herkunft. Der Fluss sei – obwohl er in Luxemburg und Frankreich fließe – den angesprochenen Verkehrskreisen aufgrund seiner grenznahen Lage zu Deutschland bekannt. Das Gebiet um ihn herum habe eine nicht zu gering zu bewertende touristische und sonstige Bedeutung und werde daher mit positiven Eigenschaften verbunden.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des DPMA vom 10. März 2020 aufzuheben.

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Sie ist der Auffassung, die beteiligten Verkehrskreise würden die Bezeichnung der angemeldeten Waren nicht mit der örtlichen Herkunft assoziieren, sondern als Fantasiewort wahrnehmen. Bei der Alzette handele es sich um einen im Inland aufgrund der überschaubaren Länge und mangels eines deutschen Berührungspunkts gänzlich unbekannten Fluss. Dass die Alzette in der Luxemburger Nationalhymne besungen werde, vermöge eine Bekanntheit im deutschen Verkehr nicht zu begründen. Insbesondere sei der Text der Hymne nicht in deutscher Sprache. Weiterhin würde der angesprochene Verkehr selbst dann nicht davon ausgehen, dass es sich bei dem Fluss um den Herkunftsort der angemeldeten Waren handle, wenn ihm „ALZETTE“ bekannt wäre. Ein Fluss eigne sich grundsätzlich nicht als Herkunftsort für Waren. Hierfür kämen allenfalls Städte in dessen Einzugsgebiet in Betracht, die für die Herstellung der beanspruchten Waren bekannt seien. Dies sei hier für die entsprechenden Regionen bzw. Städte in Luxemburg nicht der Fall. Der Auffassung der Markenstelle liege eine analysierende Betrachtung zu Grunde, die der Verkehr gerade nicht anstelle.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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A. Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG wirksam eingelegte Beschwerde ist zulässig. Selbst wenn – wie die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 14. April 2020 darlegt – ihr der Beschluss bereits am 11. März 2020 zugestellt worden sein sollte, wurde die Beschwerde gem. § 193 BGB am 14. April 2020 rechtzeitig eingelegt, da der 11. April 2020 ein Samstag und der 13. April 2020 ein Feiertag (Ostermontag) war.

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B. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

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Der Eintragung des angemeldeten Zeichens ALZETTE steht kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Auch fehlt ihm nicht gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG die erforderliche Unterscheidungskraft. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Unrecht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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1. Im Laufe des Verfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 8 – #darferdas? II). Die Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und des Freihaltebedürfnisses aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95/EG (MarkenRL a. F.) finden sich nun in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie (EU) 2015/2436 (MarkenRL) und werden unverändert umgesetzt durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG.

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2. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 2011, 1035 Rn. 37 – 1000; BGH GRUR 2017, 186 Rn. 38 – Stadtwerke Bremen). Die Bejahung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt in Bezug auf geografische Angaben voraus, dass diese zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Sofern eine Verwendung als Herkunftsangabe noch nicht stattfindet, ist im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu prüfen, ob sie vernünftigerweise in Zukunft zu erwarten ist (EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 31 – Chiemsee; BGH GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein; GRUR 2009, 994, Rn. 15 – Vierlinden). Von entscheidender Bedeutung sind hierbei einerseits die tatsächlichen Gegebenheiten an dem fraglichen Ort in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Frage, inwieweit diese Gegebenheiten den beteiligten Verkehrskreisen bekannt sind. Für die Eignung einer Ortsangabe zur Beschreibung der geographischen Herkunft von Waren und Dienstleistungen sprechen vor allem tatsächliche Anhaltspunkte wie der Umstand, dass an dem fraglichen Ort bereits einschlägige Herstellungs- oder Leistungsunternehmen existieren. Das Vorhandensein entsprechender Gewerbebetriebe stellt aber keine notwendige Voraussetzung für die Annahme des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar (EuGH a. a. O. – Chiemsee; BGH a. a. O. – Lichtenstein). Vielmehr kommt es darauf an, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung solcher Betriebe im Zuge der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung vernünftigerweise zu erwarten oder auszuschließen ist (EuGH a. a. O. – Chiemsee). Gegen die Eignung eines Ortsnamens als beschreibende geographische Herkunftsangabe kann vor allem der Umstand sprechen, dass sich der fragliche Ort weder gegenwärtig als Sitz entsprechender Herstellungs-, Vertriebs- oder Leistungsunternehmen anbietet, noch mit anderen relevanten Anknüpfungspunkten in Zukunft ernsthaft zu rechnen ist, weil eine dahingehende wirtschaftliche Entwicklung wegen der geographischen Eigenschaften des Ortes auch aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise unwahrscheinlich ist (EuGH a. a. O. – Chiemsee; BPatG 29 W (pat) 68/07, Beschluss vom 11.11.2009 – Carcavelos).

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Namen von Flüssen und Seen oder Bergen und Tälern kommen als geographische Herkunftsangaben in Betracht, soweit in diesen Örtlichkeiten (insbesondere für Touristen) Waren vertrieben oder Dienstleistungen erbracht werden. Soweit sie nicht selbst als konkrete Angaben über die geographische Herkunft von Waren oder Dienstleistungen anzusehen sind, können sie gleichwohl als beschreibende Ortsangaben zu bewerten sein, wenn sie zugleich die angrenzenden Gebiete, Regionen oder Landschaften hinreichend deutlich bezeichnen und diese Gebiete als geographische Herkunftsangaben verstanden werden können (vgl. auch Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 8 Rn. 536).

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3. Ausgehend von diesen Vorgaben handelt es sich bei dem angemeldeten Wortzeichen ALZETTE nicht um eine freihaltebedürftige geographische Herkunftsangabe.

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a. Die beanspruchten Waren richten sich an den Endverbraucher.

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b. ALZETTE ist die Bezeichnung für einen 73 km langen Fluss, der in Frankreich entspringt und in Ettelbrück (Luxemburg) in die Sauer mündet. Die Alzette entspringt im Département Meurthe-et-Moselle, fließt von dort nach Norden und durchzieht den Süden des Großherzogtums Luxemburg (das Gutland) von Süd nach Nord. Sie fließt unter anderem durch Esch und Hesperingen und durch die Hauptstadt Luxemburg. Die Alzette wird als „Uelzecht“ in der Luxemburger Nationalhymne besungen. Ferner führen die Radfernwege PC 1 und PC 15 als Teile des Nationalen Radverkehrswegenetzes im Großherzogtum Luxemburg an der Alzette entlang (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Alzette).

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c. Die Alzette als Fluss kommt selbst nicht als Ort für den Vertrieb von Waren in Betracht, da Namen von Flüssen, Seen oder Bergen nicht ohne weiteres selbst als Angaben über die geographische Herkunft von Waren oder Dienstleistungen anzusehen sind. Sie können aber gleichwohl als beschreibende Herkunftsangaben zu bewerten sein, wenn sie zugleich die angrenzenden Gebiete, Regionen oder Landschaften hinreichend deutlich bezeichnen (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723 Rn. 34 – Chiemsee, zugleich als Hinweis auf den umliegenden Chiemgau; BPatG, Beschluss vom 11.01.2006, 29 W (pat) 172/03 – RuhrCard, Ruhr als Hinweis auf das Ruhrgebiet; Beschluss vom 20.02.2006, 33 W (pat) 266/03 – Alster Kids; Beschluss vom 20.05.2021, 30 W (pat) 9/20 – Alster Wagyus; Alster als Hinweis auf das Hamburger Umland; Beschluss vom 16.06.2014, 24 W (pat) 508/14 – Schwalm, Bezeichnung einer naturraumähnlichen Region in Hessen). Derartige Feststellungen konnten vorliegend allerdings nicht getroffen werden. Die Markenstelle hat ihrer Entscheidung hierzu keine ausreichenden Belege zu Grunde gelegt. Die Recherche des Senats hat vielmehr ergeben, dass der Südwesten Luxemburgs, in dem sich die größeren Städte wie Luxemburg und die Stadt Esch-sur-Alzette befinden, die im gleichnamigen Kanton liegt, als Minette-Region bezeichnet wird. In der Minette-Region, die ihren Aufschwung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte, konzentriert sich die Eisen- und Stahlindustrie des Großherzogtums. Wegen der Stahlkrise Mitte der 1970iger bis 1980iger Jahre wurden die meisten Bergwerke und Hütten jedoch geschlossen. Bei Stadt und Kanton Esch-sur-Alzette steht – nicht zuletzt aufgrund der Stellung am Beginn der Bezeichnung – der Bestandteil „Esch“ im Vordergrund. Auch ist nicht ersichtlich, dass Stadt oder Kanton mit Alzette abgekürzt oder ausschließlich damit benannt würden. Der inländische Verkehr ist zudem daran gewöhnt, dass die Benennung eines Flusses neben einer Stadt oder Region lediglich untergeordnete Bedeutung aufweist und nur dann herangezogen wird, wenn mehrere Orte oder Gebiete gleichen Namens existieren (vgl. z. B. Frankfurt am Main/Frankfurt an der Oder; Homburg/Saar und Homburg am Main etc.).

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d. Eine geografische Herkunftsangabe setzt ferner nicht zwingend eine Betriebsstätte voraus, sondern kann auch darin gesehen werden, dass die Grundstoffe aus einem bestimmten Gebiet stammen, mit dem die angesprochenen Verbraucher eine besondere Qualität verbinden (BPatG GRUR 2000, 149, 150 – Wallis). Auch als geografische Herkunftsangabe für die in den Produkten verwendeten Naturstoffe ist das Zeichen jedoch nicht geeignet. Ausgangsprodukte für die hier relevanten Waren – Sonnenbrillen, Schmuck- und Lederwaren, sowie Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhe, Stiefel und Gürtel – stammen jedoch in der Regel nicht aus einem Fluss oder dessen direkter Umgebung. Jedenfalls verbindet der Verkehr damit keine besonderen Qualitätsmerkmale und ist nicht daran gewöhnt, dass Flussnamen zur Bezeichnung dieser Ausgangsstoffe (wie Leder, Edelmetalle, Baumwolle etc.) dienen würden. Luxemburg ist zudem nicht für diese Materialien bekannt. Dies gilt auch dann, wenn – wie in einigen Fällen nachweisbar – Bekleidung in der Stadt Esch-sur-Alzette hergestellt und vertrieben wird.

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e. Hinzu kommt, dass das Wort ALZETTE in Alleinstellung angemeldet ist und den Begriff „Fluss“ im Wortzeichen nicht aufweist (vgl. z. B. BPatG, Beschluss vom 18.12.2013, 29 W (pat) 50/13 – Whyte River). Erkennt der inländische Verkehr die geographische Herkunftsangabe jedoch nicht als solche, wird er die konkret beanspruchten Waren mit dem betreffenden Ort vernünftigerweise weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung bringen. Auch wenn es sich für die Annahme eines Freihaltebedürfnisses nicht um eine bekannte geographische Herkunftsangabe handeln muss, muss der angesprochene Verkehr in dem Zeichen aber zumindest eine Ortsangabe erkennen (vgl. BPatG, Beschluss vom 07.02.2022, 26 W (pat) 67/20 – CAMBON; 29.06.2011, 26 W (pat) 520/10 – Salva; Beschluss vom 03.05.2021, 26 W (pat) 31/19 – IZON). Letzteres ist bei dem Zeichen „ALZETTE“ nicht der Fall. Da das Wort im Deutschen keine Bedeutung hat, liegt für den inländischen Endverbraucher – anders als bei Flüssen in Deutschland, die häufig zugleich die Region bezeichnen – ein Fantasiebegriff nahe. Der Verkehr ist im Übrigen daran gewöhnt, dass Fantasiebezeichnungen oder Eigennamen häufig für Bekleidung, Taschen und Schmuck als Produktnamen verwendet werden. Die wenigen Rechercheergebnisse des Senats für „Alzette“ im Bekleidungsbereich deuten daher auch auf eine markenmäßige Zweitkennzeichnung hin (Strandkleid ALZETTE Schwarz von BANANA MOON https://www.breuninger.com/de/marken/banana-moon/strandkleid-alzette/; Schmuddelwedda Kurzmantel aus Softshell alzette https://schmuddelwedda.de/schmuddelwedda-kurzmantel-aus-softshell-alzette-34312882.html).

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Für die Annahme einer Fantasiebezeichnung spricht in diesem Fall auch, dass Luxemburg – und vor allem die dortigen Flüsse – aufgrund der geringen Größe des Landes und der vergleichsweise kleinen Grenzregion mit Deutschland im Inland eher wenig bekannt sind. Hinzu kommt, dass die Alzette relativ kurz ist, weder durch Deutschland fließt noch in einen bekannten deutschen Fluss mündet. Soweit Frankreich durchflossen wird, handelt es sich zudem vor allem um ländliche Gebiete mit kleinen Orten.

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Zwar gibt es intensive wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Deutschland und Luxemburg und eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Großregionen. Jedoch ist weder Luxemburg als Ganzes noch die hier relevante Region im Inland als Produktionsstandort für die beanspruchten Waren wie Sonnenbrillen, Schmuck, Taschen, Lederwaren oder Bekleidung bekannt. Vielmehr wird das Großherzogtum in Deutschland vor allem mit Dienstleistungen von Banken und Versicherungen, Immobilien, Vermögensverwaltung und Institutionen der EU verbunden. Die Region um die Alzette, insbesondere um Esch-sur-Alzette, war früher vor allem durch die Schwerindustrie, insbesondere die Stahlproduktion geprägt, während in letzter Zeit zunehmend auch Chemie, Maschinen- und Fahrzeugbau, keramische Industrie sowie Glas- und Lebensmittelproduktion eine stärkere Bedeutung entfalten. Die wichtigsten Ausfuhrgüter Luxemburgs sind Metalle und Metallerzeugnisse, Maschinen und Geräte, Kunststoff- und Gummierzeugnisse, Transportmaterial, Erzeugnisse aus Stein, Glas, Keramik sowie chemische Erzeugnisse.

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f. Soweit die Markenstelle folgert, dass es sich bei der Alzette um einen im Inland sehr bekannten Fluss handeln müsse, da er in der luxemburgischen Nationalhymne genannt wird, kann auch dies nicht überzeugen. Die relevanten Verkehrskreise werden in aller Regel weder den Text der eben erwähnten Hymne kennen noch in dem dort in luxemburgischer Sprache als „Uelzecht“ bezeichneten Fluss die Alzette wiedererkennen. Eine unmittelbare Verbindung mit dem angemeldeten Zeichen liegt schon deshalb nicht nahe.

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g. Ebenso wenig verbindet der Verkehr mit „Alzette“ positiv besetzte Vorstellungen hinsichtlich Lebensstil, Flair, Tradition, Modernität, Nimbus, etc. (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 509 f.), insbesondere nicht im Zusammenhang mit den hier beanspruchten Waren wie Sonnenbrillen, Schmuck, Lederwaren und Bekleidung. Die Bezugnahme der Markenstelle auf die an der Alzette entlangführenden Fernradwege legt eine andere Auffassung ebenfalls nicht nahe.

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h. Soweit die Markenstelle in der Begründung ihres Beschlusses die Entscheidung BPatG, Beschluss vom 23.02.2017, 25 W (pat) 518/17 – Kehlstein Praline herangezogen hat, ist diese schon nicht mit dem hier zu entscheidenden Fall vergleichbar. Während es sich beim Kehlstein um eine – jedenfalls auch im Inland bekannte – Touristenattraktion handelt, kann dies für die Alzette gerade nicht festgestellt werden.

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Daher ist auch in absehbarer Zukunft fernliegend, dass ALZETTE im Verständnis des inländischen Verbrauchers die Bedeutung einer geografischen Herkunftsangabe für die hier beanspruchten Waren gewinnen wird. Ein aktuelles oder zukünftiges Freihaltebedürfnis besteht daher an dem Zeichen nicht.

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4. Einer Registrierung steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, da das angemeldete Kennzeichen aus den genannten Gründen keine im Vordergrund stehende Sachaussage darstellt, noch irgendwelche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es als ausschließlich werbliche Anpreisung verstanden wird.

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5. Die Beschwerdeführerin hat lediglich hilfsweise einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Da sie bereits mit ihrem Hauptantrag erfolgreich ist und der Senat eine mündliche Verhandlung auch nicht für sachdienlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden (§ 69 MarkenG).