BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 06.09.2022, AZ 2 B 44/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:060922B2B44.21.0
Verfahrensgang
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 8. Juli 2021, Az: 3 BV 20.1259, Urteil
vorgehend VG Ansbach, 6. März 2020, Az: AN 1 K 17.00320, Urteil
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 480 € festgesetzt.
Gründe
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1. Der Rechtsstreit betrifft die Anrechnung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Versorgung und Besoldung einer Kirchenbeamtin.
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Die im August 1950 geborene Klägerin stand seit 1. September 1984 – zuletzt im Amt einer Oberstudienrätin – im Dienst der beklagten evangelischen Landeskirche in Bayern; seit dem 13. Februar 2016 ist sie im Ruhestand. Ihre Versorgungsbezüge wurden auf den Höchstruhegehaltssatz von 71,75 % festgesetzt. Mit den von der Klägerin angefochtenen Bescheiden nahm die Beklagte eine Anrechnung der der Klägerin seit dem 1. Januar 2016 gewährten Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Diese beruhen darauf, dass die Klägerin vor ihrer Tätigkeit bei der Beklagten als verbeamtete Lehrerin im Dienst des Freistaats Bayern stand; für den Zeitraum vom 19. September 1979 bis 31. August 1984 wurde sie nach ihrem Ausscheiden in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert. Die beim Freistaat Bayern geleisteten Dienstjahre sind bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt worden.
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Die gegen die Anrechnung erhobene Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass nach den maßgeblichen kirchenrechtlichen Bestimmungen Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der für Beamte geltenden Höchstgrenzen gezahlt würden. Da die Klägerin diesen Betrag erreicht habe, sei die gesetzliche Rente voll anzurechnen. Nur so könne eine Überversorgung im Vergleich zu Beamten, die ihre gesamte Berufstätigkeit bei der Beklagten verbracht haben, vermieden werden. Eine Benachteiligung der Klägerin liege hierin nicht, weil die Vordienstzeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit angerechnet würden. Im Fall der Klägerin beruhe die Rentenleistung im Übrigen ausschließlich auf Zahlungen ihres ehemaligen Dienstherrn. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden nicht. Nach den kirchenrechtlichen Bestimmungen finde die Anrechnung von Rentenleistungen bei der Besoldung in gleicher Weise wie bei der Versorgung statt, sodass auch die Anrechnung auf die Besoldung der Klägerin vom 1. Januar bis 12. Februar 2016 nicht zu beanstanden sei.
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2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde hat den allein in Anspruch genommenen Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht dargelegt.
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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 – 2 B 107.13 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
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a) Die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob eine Anrechnung nach § 34 Abs. 8 des Kirchengesetzes über die Versorgung der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Beschäftigten in der bis zum 30. Juni 2021 gültigen Fassung – KVersG a. F. – unabhängig von den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift stattzufinden hat, wenn die der Rentenleistung zugrundeliegenden Zeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkannt worden sind, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
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Die Beschwerde hat bereits nicht dargelegt, dass der Auslegung der zum 1. Juli 2021 außer Kraft getretenen Bestimmung noch grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte. Regelmäßig haben Rechtsfragen, die die Auslegung außer Kraft getretener Rechtsvorschriften betreffen, aber keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung der Rechtslage nicht mehr erforderlich ist. Anderes gilt nur, wenn die Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin von Bedeutung ist oder die Nachfolgeregelung dieselben Rechtsfragen aufwirft (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2021 – 2 B 64.20 – juris Rn. 7 m. w. N.). Ausführungen hierzu enthält die Beschwerde nicht, ein fortbestehender Klärungsbedarf kann auch dem Akteninhalt nicht entnommen werden. Angesichts des geänderten Wortlauts des § 34 Abs. 8 KVersG n. F. stellen sich die Fragen künftig aber nicht in gleicher Weise.
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Unabhängig hiervon ist die Auslegung von § 34 Abs. 8 KVersG a. F. für den Ausgang der Klage nicht entscheidungserheblich. Zuzugeben ist der Beschwerde allerdings, dass die Bestimmung in § 34 Abs. 8 KVersG a. F., auf die das Berufungsgericht die Anrechnung primär gestützt hat, nur eine Ausschlussregelung enthält. Die Zulässigkeit einer Anrechnung, die in § 34 Abs. 1 bis 6 KVersG a. F. keine Grundlage findet, kann hierauf daher nicht gestützt werden. Auf diesem Mangel beruht die Entscheidung aber nicht, weil das Berufungsgericht – wie zuvor bereits ausführlich das Verwaltungsgericht – zur Begründung auch auf § 37 KVersG i. V. m. Art. 85 BayBeamtVG verwiesen hat.
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Ist eine Berufungsentscheidung selbständig tragend auf mehrere Gründe gestützt, kann die Revision aber nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2016 – 3 B 10.15 – juris Rn. 9). Ist nur hinsichtlich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, kann diese Erwägung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (BVerwG, Beschluss vom 2. März 2016 – 2 B 66.15 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 62 Rn. 6 m. w. N.).
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b) Hinsichtlich der Anwendung des § 37 KVersG hat die Beschwerde die in Anspruch genommene grundsätzliche Bedeutung aber nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 VwGO).
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Soweit die Beschwerde die Auffassung vertritt, § 37 KVersG erfasse nicht Fälle, in denen die Rentenzahlung auf Leistungen beruhe, zu denen die Beklagte keine Beiträge geleistet habe, widerspricht dies bereits dem klaren Wortlaut der Regelung. § 37 KVersG umfasst gerade Renten oder Rententeile, die nicht gemäß § 34 KVersG anrechenbar sind. Insbesondere kann § 34 KVersG nicht als eine die Anwendbarkeit des § 37 KVersG ausschließende Spezialregelung für die Anrechnung von Renten auf die Versorgung angesehen werden. Zum einen gilt § 37 KVersG nach seinem Wortlaut ohne Einschränkung für „Renten“, also auch für solche der gesetzlichen Rentenversicherung, deren Anrechnung in § 34 KVersG geregelt ist. Zum anderen bezieht sich § 37 KVersG ausdrücklich auf „Renten oder Rententeile, die nicht nach § 34 anrechenbar sind“ und damit auf Renten der gesetzlichen Rentenversicherung. Die gesetzliche Systematik sieht eine gestufte Anrechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Sie sind entweder bereits nach den speziellen kirchlichen Regelungen des § 34 Abs. 1 bis 6 KVersG in dem dort bestimmten Umfang anzurechnen. Oder – soweit die Spezialregelung des § 34 KVersG nicht anwendbar ist – eine Anrechnung erfolgt nach der allgemeinen Bestimmung des § 37 KVersG mit dem Verweis auf das staatliche Beamtenversorgungsrecht in Art. 85 BayBeamtVG in dem dort bestimmten Umfang. Danach hat bei einem Kirchenbeamten, bei dem – wie hier – der Höchstruhegehaltssatz von 71,75 Prozent festgesetzt worden ist, eine Anrechnung zu erfolgen.
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Die Beschwerde hat auch keine tragenden Einwände gegen die Gültigkeit der Vorschrift dargetan. Ebenso wie bei der Vorbildvorschrift des § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist auch für die Anwendung des § 37 KVersG nicht maßgeblich, ob der Rentenanspruch durch eigene Beiträge des die Versorgungsbezüge zahlenden Dienstherrn finanziert worden ist. Grundgedanke ist vielmehr die „Einheit der öffentlichen Kassen“; der Beamte soll insgesamt von der öffentlichen Hand eine angemessene Versorgung erhalten (BVerwG, Urteil vom 15. November 2016 – 2 C 9.15 – Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 17; zur Verfassungsmäßigkeit BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256 <297 f.>; Kammerbeschluss vom 16. März 2009 – 2 BvR 1003/08 – NVwZ-RR 2010, 118). „Öffentliche Mittel“ in diesem Sinne sind auch kirchliche Alimentationsleistungen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1967 – VI C 68.67 – BVerwGE 28, 345 Rn. 46 m. w. N.). Nur dann, wenn die Rente überwiegend auf einer Eigenleistung des Beamten beruht, scheidet eine Anrechnung aus.
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Bezüglich der Anrechnungsregelungen ist auch nichts für die von der Beschwerde angenommene Verletzung des Willkürverbots ersichtlich. Jedenfalls beim Erreichen des gesetzlich geregelten Höchstversorgungsniveaus rechtfertigt der Gesichtspunkt der Vermeidung einer Überversorgung des zusätzlich eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehenden Beamten, dem die außerhalb des Beamtenverhältnisses verbrachte Zeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit bei seiner Beamtenversorgung zugutekommt, die Anrechnung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
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c) Schließlich hat die Klägerin auch hinsichtlich der Anrechnung ihrer Rentenleistung auf die bis 12. Februar 2016 noch gezahlten Besoldungsbezüge keine grundsätzliche Bedeutung dargelegt.
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Nach § 6 Satz 1 des Kirchengesetzes über die Besoldung der Kirchenbeamten, Kirchenbeamtinnen, Religionspädagogen, Religionspädagoginnen, Diakone und Diakoninnen vom 3. Dezember 2013 (KABl. 2014 S. 10, 12) – KBBesG – erfolgt eine Anrechnung von Renten der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Besoldung entsprechend den im Bereich der beklagten Landeskirche geltenden versorgungsrechtlichen Bestimmungen. Die Anrechnung findet ihre Grundlage damit in einer kirchenrechtlichen Rechtsgrundlage. Sie kommt hier zur Anwendung, weil die Klägerin erst zum Schulhalbjahr in den Ruhestand getreten ist und damit für den Zeitraum vom 1. Januar bis 12. Februar 2016 neben der gesetzlichen Altersrente auch Bezüge aus ihrem aktiven Dienstverhältnis bezogen hat.
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Grundlegende Zweifel an der Gültigkeit dieser Norm hat die Beschwerde nicht aufgezeigt. Insbesondere ist nicht dargelegt, warum die Anrechnung im Fall der Klägerin zu einer Verletzung des Alimentationsprinzips führen sollte. Denn sie erhält die ihrem Amt angemessene Alimentation auch im Zeitraum vom 1. Januar bis 12. Februar 2016 in ungeschmälerter Höhe. Dass hierfür auch die Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Ansatz gebracht werden, ändert an dem Betrag der ihr aus öffentlichen Kassen gewährten Gesamtalimentation nichts.
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Die Beschwerde hat auch nicht dargelegt, warum die Anrechnung gegen das Willkürverbot verstoßen sollte. Sie beruht auf der Besonderheit, dass die Klägerin erst nach Eintritt der gesetzlichen Regelaltersgrenze in den Ruhestand getreten ist und daher neben der Rentenleistung auch Bezüge aus einem aktiven Dienstverhältnis bezogen hat. Die Anrechnung beruht daher auf einem sachlichen Grund.
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Soweit die Klägerin darauf verwiesen hat, dass die Beklagte keine eigenen Mittel für die Finanzierung der gesetzlichen Rente aufgebracht hat, verkennt sie den Begriff der öffentlichen Kassen. Im Übrigen hat auch die Klägerin selbst keine eigenen Mittel für die streitige Rentenleistung aufgewendet, die auf einer Nachversicherung ihres ehemaligen Dienstherrn beruht. Von dem geltend gemachten Missverhältnis kann daher keine Rede sein.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 42 Abs. 3 GKG.