BVerwG 6. Senat, Beschluss vom 27.09.2022, AZ 6 B 20/22, ECLI:DE:BVerwG:2022:270922B6B20.22.0
Verfahrensgang
vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 6. April 2022, Az: 5 A 697/20, Urteil
vorgehend VG Leipzig, 2. Juli 2020, Az: 7 K 2097/18, Urteil
Tenor
Der Klägerin wird für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt A., B., als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. April 2022 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.
Gründe
I
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung der Genehmigung des Rücktritts vom Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung.
2
Das Landesprüfungsamt ließ die Klägerin nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung an der Universität C. und Absolvieren der weiteren Ausbildung im März 2017 zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung zu. Nach zwei erfolglosen Prüfungsversuchen lud es sie von Amts wegen zur Fortsetzung des schriftlichen Teils der Prüfung vom 10. bis 12. April 2018 jeweils um 9:00 Uhr.
3
Die Klägerin nahm die Prüfung an den ersten beiden Tagen wahr. Bereits am Nachmittag des zweiten Prüfungstages litt sie an migräneartigen Beschwerden, die sich am Morgen des dritten Prüfungstages als Migränekopfschmerzen mit Schwindel und Übelkeit fortsetzten. Sie suchte einen Arzt auf und informierte das Landesprüfungsamt mit einer E-Mail um 9:43 Uhr (nach dessen Ausdruck im Verwaltungsvorgang), dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht zum dritten Prüfungstag kommen könne; gleichzeitig bat sie um Mitteilung, ob sie ein Attest persönlich abgeben oder per Expresspost übersenden solle. Das Landesprüfungsamt teilte ihr daraufhin per E-Mail um 10:10 Uhr bzw. 11:09 Uhr mit, dass ein ausführliches Attest benötigt werde, auf dessen Grundlage es die Prüfungsunfähigkeit erkennen könne. Die Klägerin solle das Attest einscannen, vorab per E-Mail schicken und eine Kontaktmöglichkeit angeben, damit es sie einem Arzt seiner Wahl vorstellen könne. Um 11:41 Uhr erhielt das Landesprüfungsamt eine E-Mail der Klägerin mit einem Attest ihres Arztes in Gestalt einer von diesem ausgefüllten „Bescheinigung der Prüfungsunfähigkeit“ der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität C. Darin führte der Arzt die körperlichen Beeinträchtigungen (Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Konzentrationsstörung, erhöhte Temperatur, erhöhte Lichtempfindlichkeit) auf und gab an, dass aus seiner Sicht eine erhebliche Beeinträchtigung des Leistungsvermögens vorliege, die Gesundheitsstörung vorübergehend sei, die Erkrankung vom 12. bis 13. April 2018 andauere und die Beeinträchtigung/Leistungsminderung sich auf die Klausur auswirke. Darauf antwortete das Landesprüfungsamt um 12:17 Uhr, dass die Klägerin nichts mehr unternehmen müsse; die festgestellten Symptome träten in unterschiedlicher Ausprägung bei einer Prüfung auf und seien kein Hinweis auf eine Prüfungsunfähigkeit. Ihr Fehlen werde als Säumnis gewertet. Die Klägerin suchte währenddessen auf eigene Initiative um 12:00 Uhr den Amtsarzt auf, um ihre Prüfungsunfähigkeit feststellen zu lassen. Der Amtsarzt verweigerte ihre Untersuchung und die Erstellung eines Gutachtens, nachdem das Landesprüfungsamt ihm gegenüber die Erteilung eines Untersuchungsauftrags abgelehnt hatte. Am 16. April 2018 gingen beim Landesprüfungsamt die „Bescheinigung der Prüfungsunfähigkeit“ im Original sowie eine von dem Arzt der Klägerin ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den im Attest genannten Zeitraum mit den Diagnosen Migräne und Grippe ein. Das Landesprüfungsamt lehnte mit Bescheid vom 23. April 2018 den Antrag auf Genehmigung der Säumnis ab. Der anschließend eingelegte Widerspruch und die nachfolgende Klage vor dem Verwaltungsgericht sind erfolglos geblieben.
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Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil geändert und den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, den Rücktritt der Klägerin zu genehmigen. Die Klägerin habe am 12. April 2018 sinngemäß die Genehmigung des Rücktritts im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 ÄApprO beantragt. Der Rücktritt könne auch nach Beginn der Prüfung erklärt werden. Die Genehmigungsvoraussetzungen lägen vor. Die Prüfungsunfähigkeit wegen Krankheit stelle einen wichtigen Grund dar.
5
Die Klägerin sei aufgrund ihrer Migräne am dritten Prüfungstag prüfungsunfähig gewesen; dies ergebe sich vor allem aus ihren Erklärungen und den Aussagen ihres Arztes. Bei Migräne handele es sich weder generell noch in ihrem Fall um ein Dauerleiden, da nur bei Einsetzen des Migräneanfalls die Leistungsfähigkeit betroffen sei. Bei der Klägerin klinge die Migräne jeweils in absehbarer Zeit wieder ab, sodass sie in den längeren Zeitabschnitten zwischen den Anfällen keine Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit aufweise. Anhaltspunkte dafür, dass ihre Migräneanfälle eine psychogene Reaktion auf das Prüfungsgeschehen seien, lägen nicht vor, da sie bei ihr auch unabhängig von einer Prüfungssituation diagnostiziert worden seien.
6
Den Rücktritt habe die Klägerin unverzüglich erklärt. Ihr sei erst am Morgen des dritten Prüfungstages bewusst geworden, dass sie die Krankheitssymptome nicht mehr rechtzeitig wirksam bekämpfen könne. Mit Blick auf die ihr zustehende Überlegungsfrist sei ihre erste E-Mail als unverzügliche Rücktrittserklärung anzusehen. Demgegenüber habe sie die Gründe für den Rücktritt entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO nicht unverzüglich mitgeteilt, weil sich aus dem Attest nicht hinreichend das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergeben hätten. Dieser Umstand stehe allerdings der Genehmigung des Rücktritts nicht entgegen, da der Beklagte die nicht unverzügliche Mitteilung des Rücktrittgrundes verschuldet habe. Aus dem Prüfungsverhältnis ergäben sich abhängig von den Umständen des Einzelfalles Hinweispflichten der Prüfungsbehörde. Diese verstoße gegen ihre Fürsorgepflicht, wenn sie sich ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen auf die inhaltliche Unzulänglichkeit einer von einem Arzt erstellten Bescheinigung der Prüfungsunfähigkeit berufe. Enthalte ein vom Prüfling vorgelegtes Attest – wie hier – konkrete Anhaltspunkte für eine migränebedingte Prüfungsunfähigkeit, lasse es aber eine Beurteilung des Ausmaßes der gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zu, obliege der Prüfungsbehörde ein Hinweis darauf, welche Mängel des Attests eine abschließende Beurteilung der Prüfungsunfähigkeit nicht erlaubten. Insoweit treffe den Beklagten angesichts seiner E-Mail, wonach die Klägerin nichts mehr unternehmen müsse, auch ein Verschulden. Die nicht unverzügliche Mitteilung der Rücktrittsgründe dürfe der Klägerin daher nicht zum Nachteil gereichen. Das Berufungsgericht hat in dem Urteil die Revision nicht zugelassen.
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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Beschwerde, mit der er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Divergenz geltend macht. Die Klägerin tritt der Beschwerde entgegen.
II
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1. Der Klägerin ist antragsgemäß nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 119 Abs. 1 Satz 2 und § 121 Abs. 1 ZPO unter Beiordnung ihres Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
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2. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (a)) und der Divergenz (b)) gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
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a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 – 6 B 43.14 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Ist eine Rechtsfrage bereits bundesgerichtlich beantwortet, kommt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nur in Betracht, wenn die Beschwerde neue rechtliche Gesichtspunkte aufzeigt, die ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung erforderlich machen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 24. August 2017 – 6 B 55.17 – juris Rn. 4 m. w. N.).
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Anhand dieses Maßstabes ist die Revision wegen der von dem Beklagten aufgeworfenen Rechtsfragen, auf deren Prüfung der Senat nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO beschränkt ist, nicht zuzulassen.
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aa) Der Beklagte erachtet die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam,
„ob ein Rücktritt nach § 18 Abs. 1 ÄApprO wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit, die der Prüfling vor Beginn der Prüfung am letzten Prüfungstag einer dreitägigen Prüfung erkannt hat, noch als unverzüglich angesehen werden kann, wenn der Prüfling am letzten Prüfungstag zur Prüfung nicht erscheint und den Rücktritt erst nach Beginn der Prüfung am letzten Prüfungstag erklärt.“
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Die Frage, ob ein Rücktritt auch noch nach Beginn der Prüfung am letzten Prüfungstag als „unverzüglich“ angesehen werden kann, ist nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2018 – 6 B 36.17 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 432 Rn. 8) und damit einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Sie rechtfertigt schon aus diesem Grunde keine Revisionszulassung.
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Sofern der Beklagte grundsätzlich geklärt wissen will, ob der Prüfling einen Rücktritt auch nach Beginn einer Prüfung wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit gemäß § 18 Abs. 1 ÄApprO erklären kann, lässt sich diese Frage anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bejahen. Danach ist es Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist; bejahendenfalls hat er daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung, spätestens aber dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 9. August 1978 – 7 C 36.77 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 95 und vom 7. Oktober 1988 – 7 C 8.88 – BVerwGE 80, 282 <285>; Beschluss vom 25. Januar 2018 – 6 B 36.17 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 432). Bei der Beurteilung des Zeitpunktes, bis zu dem die Rücktrittserklärung von dem Prüfling in zumutbarer Weise erwartet werden kann, ist ihm wegen der weitreichenden Rechtsfolgen des Rücktritts ein Mindestmaß an Überlegungszeit zuzugestehen, und zwar auch dann, wenn die schriftliche Prüfung vorüber ist (vgl. im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1988 – 7 C 8.88 – BVerwGE 80, 282 <286 ff.> m. w. N.). Danach kann auch im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 ÄApprO der Rücktritt von der Prüfung noch nach Prüfungsbeginn erklärt werden.
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Der Beklagte hat mit seiner Beschwerdebegründung einen über die bestehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinausgehenden Klärungsbedarf nicht aufgezeigt. Seine Rüge, das Berufungsgericht habe bei der Anwendung dieser Rechtssätze die Umstände des Falles verkannt, betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall und rechtfertigt nicht die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Auch soweit er eine Rücktrittserklärung nur bis zum Prüfungsbeginn für zulässig erachtet, zeigt er keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte auf, die einen Anlass für ein Überdenken der Rechtsprechung geben.
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bb) Zudem sieht der Beklagte die Frage als rechtsgrundsätzlich bedeutsam an,
„ob die nach Landesrecht zuständige Stelle im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO aus dem besonderen Prüfungsrechtsverhältnis und der sich daraus ergebenden Hinweispflichten eine ‚Nachbesserung‘ eines objektiv nicht ausreichend begründeten Rücktrittsgrundes veranlassen muss“.
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Soweit das Bestehen von Hinweispflichten des zuständigen Prüfungsamtes aus dem Prüfungsrechtsverhältnis einer allgemeinen Klärung zugänglich ist, hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu in seiner Rechtsprechung bereits Stellung genommen. Es können sich aus dem Prüfungsrechtsverhältnis unter dem Gesichtspunkt des gebotenen Grundrechtsschutzes durch Verfahren für die Prüfungsbehörde dem Prüfling gegenüber Hinweispflichten ergeben. Welche Hinweispflichten für die Behörde aus ihrer Fürsorgepflicht im Einzelnen folgen, ist zum einen eine Frage des jeweiligen Prüfungsrechts – hier also des § 18 Abs. 1 ÄApprO – und zum anderen abhängig von den jeweils gegebenen tatsächlichen Umständen des Einzelfalles. So kann aus Sicht der Prüfungsbehörde im konkreten Fall ein Anlass gegeben sein, den Prüfling unverzüglich darauf hinzuweisen, dass weder aus dem von ihm vorgelegten Attest noch aus dem amtsärztlichen Attest die Prüfungsunfähigkeit folge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. März 2004 – 6 B 2.04 – juris Rn. 26). Dass sich die aus der Fürsorgepflicht resultierenden Hinweispflichten nicht nur auf die mangelnde Aussagekraft ärztlicher Bescheinigungen, sondern auch auf die Nachbesserung der unverzüglichen Mitteilung des Rücktrittsgrundes beziehen können, ist hiernach einzelfallabhängig möglich.
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Die in der Beschwerdebegründung vertretene Auffassung des Beklagten, das Berufungsgericht habe zu Unrecht der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigung konkrete Hinweise auf eine migränebedingte Prüfungsunfähigkeit entnommen, rechtfertigt mit Blick auf die aufgeworfene Frage keine Revisionszulassung. Der Beklagte wendet sich hiermit gegen die Auslegung des Inhalts der ärztlichen Bescheinigung und damit gegen Tatsachenfeststellungen, an die das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren in Ermangelung durchgreifender Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden wäre. Ebensowenig verfängt sein Hinweis, die Klägerin sei hinsichtlich der Anforderungen an die Mitteilung des Rücktrittsgrundes keinem Irrtum unterlegen. Ob ein entschuldbarer Irrtum des Prüflings Anlass für eine Hinweispflicht des Prüfungsamtes sein kann (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 9. August 1978 – 7 C 36.77 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 95 und vom 6. September 1995 – 6 C 18.93 – BVerwGE 99, 185 <199>; Beschluss vom 12. März 2004 – 6 B 2.04 – juris Rn. 26), beurteilt sich ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalles und ist zudem vorliegend nicht entscheidungserheblich.
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b) Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juni 2011 – 6 B 7.11 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 14 und vom 18. Juli 2019 – 6 B 18.19 – juris Rn. 8).
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aa) Der Beklagte macht geltend, das Berufungsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, dass es sich bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit wegen Migräne generell nicht um ein Dauerleiden handele, da zwischen den Migräneanfällen längere Zeiträume der Beschwerdelosigkeit lägen. Damit sei die Vorinstanz von dem im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 1985 – 7 B 210/85 – (Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 223) aufgestellten Rechtssatz abgewichen, für die Annahme eines Dauerleidens sei nicht entscheidungserheblich, ob sich in Fällen eines schwankenden Krankheitsbildes auch Stadien bestimmen ließen, in denen das Leistungsvermögen des Prüflings nicht eingeschränkt sei. Das Berufungsgericht – so der Beklagte – hätte danach bei der Migräneerkrankung der Klägerin ein Dauerleiden annehmen müssen.
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Mit diesem Beschwerdevorbringen zeigt der Beklagte keine Divergenz auf, sondern rügt die unterbliebene Anwendung eines von ihm angeführten Rechtssatzes des Bundesverwaltungsgerichts zur Feststellung eines Dauerleidens sowohl generell als auch im konkreten Fall bei einer Migräneerkrankung.
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bb) Nach dem weiteren Vorbringen des Beklagten habe das Berufungsgericht zudem den Rechtssatz aufgestellt, ein Rücktritt könne auch nach Beginn der Prüfung unverzüglich erklärt werden. Damit sei es von dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 9. August 1978 – 7 C 36.77 – (Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 95) abgewichen, wonach der Rücktritt spätestens zu erklären sei, sobald sich der Prüfling der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit bewusst geworden sei. Dies sei bei der Klägerin um 7:00 Uhr des dritten Prüfungstages der Fall gewesen, sodass sie den Rücktritt sofort ohne Bedenkzeit hätte erklären müssen.
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Auch dies genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz, da der Beklagte hiermit lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall geltend macht. Das Berufungsgericht hat – entgegen der Ansicht des Beklagten – die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Unverzüglichkeit der Rücktrittserklärung zugrunde gelegt und ist zu einem anderen als von dem Beklagten für folgerichtig erachteten Ergebnis gekommen. Das rechtfertigt die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.