BPatG München 26. Senat, Beschluss vom 26.07.2022, AZ 26 W (pat) 38/17, ECLI:DE:BPatG:2022:260722B26Wpat38.17.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2013 050 102
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2022 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Dr. von Hartz
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 30. Mai 2017 wird aufgehoben und das Deutsche Patent- und Markenamt angewiesen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 1 037 284 zu löschen.
2. Der Kostenantrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die am 10. November 2013 angemeldete Wort-/Bildmarke (silber, schwarz)
2
ist am 29. Oktober 2013 als Marke unter der Nummer 30 2013 050 102 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der
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Klasse 32: Alkoholfreie Getränke.
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Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 29. November 2013 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus der nach dem Madrider Protokoll unter der Nummer 1 037 284 am 1. April 2011 international registrierten Wort-/Bildmarke (Black and red.)
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die Schutz in der Europäischen Union genießt für Waren der
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Klasse 32: Non-alcoholic drinks; preparations for making beverages.
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Mit Beschluss vom 30. Mai 2017 hat die Markenstelle für Klasse 32 des DPMA eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Kennzeichnungskraft sei noch als normal einzustufen. Zwar handele es sich bei „POWER HORSE“ nicht um eine warenbeschreibende Angabe, aber zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke seien im Bereich der Energydrinks zahlreiche ähnlich gebildete Marken verwendet worden, wie z. B. „Flying Horse“, „Black Horse“ und „Red Horse“. In der von der Widersprechenden vorgelegten Studie des Nürnberger Instituts M… GmbH „Trend Evaluation – Consumer Insights Alkoholfreie Getränke – Energydrinks 2014“ werde die Marke „Flying Power“ in ihrer Verbreitung nur geringfügig unter der Widerspruchsmarke eingestuft. In diesem Warensegment versuchten zahlreiche Marktteilnehmer, sich an den Marktführer „Red Bull“ und seinen Slogan „Verleiht Flügel“ bzw. „Gives you wings“ anzunähern. Deshalb bildeten sie Marken mit englischen Tierbezeichnungen, die Energie, Kraft und Vitalität ausdrücken sollen. Diesem Umfeld passe sich die ältere Marke komplett an, was ihre Kennzeichnungskraft negativ beeinflusse. Die Vergleichswaren seien identisch, die Kollisionsmarken aber allenfalls sehr gering ähnlich. Die grafischen Bestandteile hätten jeweils keine Entsprechung in der jeweils anderen Marke. Die Wortbestandteile seien jeweils Gesamtbegriffe, die sich durch das erste Wort „SILVER“ bzw. „POWER“ klanglich und schriftbildlich unterschieden. Auch begrifflich entsprächen sich „silbernes Pferd“ und „kraftvolles Pferd“ nicht. Hinzu trete, dass die angesprochenen Verkehrskreise die im Warensegment der Energydrinks typische Begriffsbildung aus einem englischen Tiernamen und einer Farbangabe oder einer Bezeichnung für Energie, Kraft oder Stärke kennen und daher ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit aufwenden würden. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr scheide deshalb aus. Für eine Verwechslungsgefahr aufgrund gedanklichen In-Verbindung-Bringens bestünden keine Anhaltspunkte. Bei der Widerspruchsmarke handele es sich auch nicht um eine bekannte Marke, weil sich aus der vorgenannten Untersuchung des Nürnberger Instituts M…GmbH eine Bekanntheit der Widerspruchsmarke im Jahr 2014 nur an achter Stelle ergebe.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, ihrer Marke komme eine deutlich gesteigerte Kennzeichnungskraft zu. Seit 1994 werde unter dieser Marke in mehr als 50 Ländern ein Energydrink vertrieben. Der weltweite jährliche Absatz belaufe sich auf ca. 100 Mio. Dosen. In Deutschland sei das Getränk bei den Einzelhändlern REWE, EDEKA, Müller Drogeriemarkt, Kaiser´s Tengelmann und bei den Getränkegroßhändlern Essmann, FAKO, Geins, Waldhoff, Kesten und Wigem erhältlich. Von 2013 bis 2017 sei es durchgehend in allen Märkten der REWE-Gruppe gelistet gewesen. Der jährliche Werbeaufwand in Deutschland betrage ca. 2,3 Mio. €. Außerdem werde die Marke umfangreich durch Sportsponsoring-Aktivitäten beworben. Die Widersprechende sei schon in der Saison 2012/2013 offizieller Energydrink-Partner des deutschen Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen gewesen, der die Saison 2012/2013 auf Platz 3 und die Saison 2013/2014 auf Platz 4 der Tabelle beendet habe. Schon dieses Sponsoring einer erfolgreichen Bundesligamannschaft des hiesigen Volkssports Nummer 1 wirke sich auf die Kennzeichnungskraft aus. Ferner sei sie Senior-Sponsorin des deutschen Basketball-Erstligisten Brose Baskets Bamberg, der neunfacher Deutscher Meister, darunter in den Spielzeiten 2012 und 2013, sowie fünffacher Deutscher Pokalsieger, insbesondere 2011 und 2012 gewesen sei. Auch wenn die Basketball-Saison erst am 3. Oktober 2013 begonnen habe, entfalteten Sponsoring-Aktivitäten schon vor Saisonbeginn ihre Wirkung, wie die Internetberichte des Fränkischen Tages vom 15. Juni 2013, der Bayerischen Rundschau vom 15. Juni 2013, der Saale-Zeitung vom 14. Juni 2013 sowie die Lebensmittelzeitung vom 17. Mai 2013 und Heft 10/2013 der Zeitschrift „Lebensmittelpraxis“ belegten. Sie sei Namensgeberin und Hauptsponsorin des POWER HORSE World Team Cup 2012 und 2013, eines ATP-Tennisturniers mit einem Preisgeld von 467.800,00 € gewesen. Ferner sei sie Hauptsponsorin des deutschen Triathlon-Radsportlers und mehrfachen Radsport-Weltrekordhalters S…, der auch als Markenbotschafter der Widersprechenden auftrete. Nach der Studie des Nürnberger Instituts M… GmbH von 2014 verfüge die Widerspruchsmarke über einen inländischen Bekanntheitsgrad von 56,9 %. Von einer Schwächung der Kennzeichnungskraft durch ähnlich gebildete Drittmarken sei nicht auszugehen. Die Beschwerdegegnerin habe deren Benutzung nicht nach Art und Umfang nachgewiesen. Gegen die Marke „BLACK HORSE“ (30 2015 227 422) habe die Widersprechende bereits Widerspruch eingelegt. Die Marke „Red Horse“ werde im Inland nicht benutzt, so dass nur die Marke „Flying Horse“ übrig bleibe, die als einzige Drittmarke keine Schwächung bewirken könne. Die Wortbestandteile beider Marken unterschieden sich nur in den Anfangssilben und stimmten im Übrigen in Wortlänge, Lautfolge „V(W)-E-R-H-O-R-S-E“, Silbenzahl, Betonung und im Sprechrhythmus überein, so dass die abweichenden Wortanfänge bei mündlicher Bestellung in der Gastronomie leicht überhört würden. Ein ausschließlicher Kauf auf Sicht finde nicht statt. Der dominierende Bildbestandteil beider Marken bestehe aus einem sich aufbäumenden Pferd. Die sich überkreuzenden Klingen der angegriffenen Marke fänden ihre Entsprechung in den roten und weißen Dreiecken, die das Bild sich überkreuzender Linien vermittelten. Auch der Aufbau der Wortbestandteile, nämlich eine Kombination aus dem prägenden Bestandteil „Horse“ und der Voranstellung einer Farb- oder Eigenschaftsangabe, sei ähnlich. Begrifflich bestünden signifikante Gemeinsamkeiten aufgrund des übereinstimmenden kennzeichnungskräftigen Wortes „HORSE“. Denn „SILVER“ sei eine gebräuchliche Farbangabe und „POWER“ eine gebräuchliche Eigenschaftsangabe für die einschlägigen Waren. Die jüngere Marke nähere sich in der Summe der klanglichen, schriftbildlichen und begrifflichen Übereinstimmungen der älteren Marke derart an, dass ein sicheres Auseinanderhalten nicht mehr gewährleistet sei. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) habe in mehreren Entscheidungen eine Verwechslungsgefahr zwischen identischen Kollisionsmarken bejaht. Der Widerspruch werde ausdrücklich auch auf Bekanntheitsschutz gestützt, weil es sich bei dem älteren Kennzeichen um eine im Inland bekannte Marke handele. Die Inhaberin der angegriffenen Marke begebe sich in deren Sogwirkung und partizipiere unlauter von deren Bekanntheit. Der Imagetransfer sei evident.
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Die Widersprechende beantragt,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des DPMA vom 30. Mai 2017 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 1 037 284 zu löschen.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
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die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
13
Die Widersprechende beantragt,
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den Kostenantrag zurückzuweisen.
15
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Verfahren vor dem DPMA die Auffassung vertreten, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei gering. Ihre Einzelelemente seien für sog. Energydrinks typisch. Das Wortelement „POWER“ sei in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen und habe für diese energetisierenden Getränke rein beschreibende Bedeutung. Der Vortrag der Widersprechenden zu einer erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Marke werde bestritten. Die dazu eingereichten Unterlagen belegten keinen signifikanten Warenabsatz in Deutschland und seien auch im Übrigen zum Nachweis einer Bekanntheit ungeeignet. Laut einer Umfrage des Statistik-Portals „statista“ zu den Marktanteilen von Energydrinks in Deutschland habe die bekannte Marke „Red Bull“ einen Marktanteil von 28 % im Jahr 2010 und 26,3 % im Jahr 2011 gehabt, während die Widerspruchsmarke gar nicht namentlich genannt worden sei. Im Artikel „Riskanter Koffein-Kick“ der Ausgabe 9/2013 des Magazins Test der Stiftung Warentest sei der Energydrink der Widersprechenden nicht aufgeführt. Die ältere Marke sei 2014 auch nicht in der Liste von 153 Energydrinks auf dem Konsumentenportal www.szene-drinks.com oder auf der Webseite des energy drink Magazins erwähnt worden. Eine starke Schwächung bewirke die Benutzung zahlreicher Drittmarken für identische Waren mit den Wortbestandteilen „HORSE“ oder „POWER“ sowie mit bildlichen Darstellungen von Pferden oder Tieren, die Kraft, Stärke und Schnelligkeit symbolisieren. Auch die Ausstattung mit rot-weißen Dreiecken füge nur ein Element der Dynamik hinzu, das an den Rennsport erinnern solle. Im Register des DPMA seien 517 Marken mit dem Wortbestandteil „Power“ für Klasse 32 eingetragen. Daneben gebe es auch zahlreiche Marken mit dem Element „Horse“. Das Getränk „Flying Horse“ werde seit Jahren in Deutschland in erheblichem Umfang beworben. Aldi habe einen Energydrink namens „Red Horse“ im Angebot. Ferner würden die Wort-/Bildmarken „BLUE HORSE“, „Double Horse“ und „Golden Horse“ sowie die Wortmarken „Crazy Horse“, „Fire Horse“, „NRG Horse“, „Iron Horse“ und „Wild Horse“ benutzt. Die Vergleichsmarken seien visuell unähnlich. Die optischen Übereinstimmungen bestünden nur in der zentral positionierten Abbildung eines Pferdes, der Verwendung der Farbe Schwarz und des Wortbestandteils „HORSE“. Unterschiede ergäben sich durch die Farben Silber und Rot, die abweichende Pose, Laufrichtung, Farbe und Gestaltung der Pferde, die Wortbestandteile „SILVER“ und „POWER“, die unterschiedliche Schriftgröße, die abweichende Anordnung der Wortelemente oberhalb oder unterhalb des Bildbestandteils sowie die roten und weißen Dreiecke im Unterschied zum wappen- bzw. schildartigen Emblem mit den gekreuzten Degen. Der Silhouette eines am Strand galoppierenden Pferdes stehe die Abbildung eines sich aufbäumenden Pferdes gegenüber. Die Widerspruchsmarke mache einen strahlend hellen, dynamischen, forschen, nahezu aggressiven Eindruck, während die angegriffene Marke eher gedeckt, dunkel, gediegen und edel wirke. Die Vergleichsmarken würden auch klanglich durch „SILVER“ bzw. „POWER“ geprägt, weil „HORSE“ auf dem Markt der Energiegetränke häufig verwendet werde, so dass die stärker beachteten Wortanfänge deutlich abwichen. Energydrinks würden zudem in Supermärkten und Tankstellen ausschließlich auf Sicht gekauft, so dass mehr auf die bildliche als auf die klangliche Wahrnehmung abzustellen sei. Ferner liege ein unterschiedlicher Sinngehalt vor. Einem silbernen Pferd stehe Pferdestärke gegenüber. Die jüngere Marke erinnere durch das Schild und die gekreuzten Degen an das Mittelalter mit Rittern und Edelleuten oder an das Familienwappen eines alten Adelsgeschlechts, während die ältere Marke mit den markant hervortretenden rot-weißen Dreiecken Assoziationen an das Ferrari-Pferd bzw. den Renn- und Motorsport wecke. Zu einer auf dem Markt präsenten Markenserie mit dem Stammbestandteil „Horse“ habe die Widersprechende nichts vorgetragen. Es handele sich weder um eine im Inland bekannte Marke, noch liege eine unlautere Eingriffshandlung vor. Wegen der geringfügigen Übereinstimmungen der Vergleichsmarken fehle es auch an einer gedanklichen Verknüpfung.
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Auf das gerichtliche Schreiben vom 21. Juli 2021, in dem mitgeteilt worden ist, dass abweichend vom ersten Hinweis von komplexer Verwechslungsgefahr ausgegangen werde, trägt die Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 29. Oktober 2021 ergänzend vor, die Vergleichswaren seien wegen der Unterschiedlichkeit der Getränkemixturen nicht identisch. Der Umstand, dass sie zur Gruppe der sog. alkoholfreien Getränke gehörten, reiche für eine Produktidentität nicht aus. Dass die „Kombattanten“ am „Markt“ teilnähmen, liege in der Natur der Sache. Auch Massenkonsumprodukte könnten unterschiedlich sein, wie z. B. die Cola-Getränke verschiedener Hersteller, weshalb die Ausführungen des Senats zu den angesprochenen Verkehrskreisen nicht nachvollziehbar seien. Die rot-weiße Gestaltung der Widerspruchsmarke rufe Assoziationen zur Zigarettenmarke „Marlboro“ hervor und das Wortelement „POWER HORSE“ als englische Bezeichnung für Pferdestärke beschreibe die energetische Leistungsstärke und -fähigkeit des Getränkeprodukts der Widersprechenden. Das durch den Wortbestandteil „POWER“ vermittelte Wertversprechen sei irreführend und werde auch nicht eingehalten. Die Ausführungen des Senats zur Wortfolge „Dark Horse“ und zum Gesamtbegriff „POWER HORSE“ erschlössen sich nicht. Ein sich aufbäumendes Pferd sei ein Symbol für Widerspenstigkeit, während „POWER HORSE“ mit der Bedeutung „Kraftpferd“ ein kräftiges Arbeitspferd, ein sog. „Brauereipferd“ bezeichne, so dass der Wortgehalt nicht grafisch umgesetzt werde. Die Kennzeichnungskraft werde durch Drittmarken, wie z. B. „Dark Horse Weine“, soweit sie alkoholfrei hergestellt würden, geschwächt. Für den Vertrieb eines Energy Drinks über die Aldi Nord- bzw. Aldi Süd-Ketten unter der Bezeichnung „RED HORSE“ werde Zeugenbeweis angetreten. Die Studie des Nürnberger Instituts M… GmbH und die Umfrage des Statistik-Portals „statista“ seien unvollständig. Zur Verneinung einer Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch Drittmarken wegen nicht liquider oder glaubhaft gemachter Benutzung führt die Inhaberin der angegriffenen Marke aus, die ältere Marke sei nicht schutzwürdig, weil sie selbst am Markt nicht teilnehme. Für die Richtigkeit ihres bisherigen Sachvortrages bietet die Beschwerdegegnerin die Vernehmung ihres Geschäftsführers an. Deutliche Unterschiede bestünden zwischen den beiden ersten Wortelementen „Sil-wer“ und „Pau-a“ in klanglicher Hinsicht. Dies gelte auch in schriftbildlicher Hinsicht, weil im Gegensatz zur jüngeren Marke die Versalien der älteren Marke mehrfach dicker und in das Gesamtbild integriert seien. Ferner sei die Bewegungsrichtung der Pferde völlig entgegengesetzt. Dem schwarzen Rappen der Widerspruchsmarke mit ausgeprägter Muskulatur stehe ein silberfarbenes Pferd ohne Muskelausprägung gegenüber. Auch Mähne, Schweif und Haltung der Pferde unterschieden sich deutlich. Auf das Erinnerungsbild komme es nicht an, weil gleichartige Produkte einer Warengruppe nebeneinander platziert würden, so dass der Verbraucher sie wegen ihres optischen Auftritts deutlich unterscheidbar wahrnehme. Es bedürfe der Einholung eines sozialpsychologischen und hirnorganischen Gutachtens durch einen medizinischen Sachverständigen, dass der Verbraucher einer Verwechslungsgefahr wegen komplexer Markenähnlichkeit unterliege. Insoweit treffe die Beweislast die Widersprechende, weil sie eine Verwechslungsgefahr behaupte. Der Löschungsgrund einer bekannten Marke liege mangels Bekanntheit der älteren Marke in der Europäischen Union nicht vor.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
18
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
19
Zwischen der angegriffenen Marke
und der international mit Benennung der Europäischen Union registrierten Marke
besteht Verwechslungsgefahr gemäß §§ 119, 124, 107, 114, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6
quinquies B Nr. 1 PVÜ.
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Da es sich vorliegend um ein Verfahren über einen Widerspruch handelt, der nach dem 1. Oktober 2009, aber vor dem 14. Januar 2019 erhoben worden ist, ist die Bestimmung des § 42 Absatz 1 und 2 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (§ 158 Abs. 3 MarkenG).
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1. Die Erklärung der Inhaberin der angegriffenen Marke in ihrem Schriftsatz vom 29. Oktober 2021 kann nicht als rechtswirksames Bestreiten der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke ausgelegt werden.
22
a) Der Wille, die Benutzung der Widerspruchsmarke zu bestreiten, muss eindeutig erklärt werden. Allgemeine Ausführungen zur Benutzungslage in anderem Zusammenhang, wie z. B. bei der Erörterung der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren/Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft oder anderer Aspekte der Verwechslungsgefahr können grundsätzlich nicht als Nichtbenutzungseinwand ausgelegt werden (BPatGE 25, 53; 32, 98, 100; Mitt. 1987, 56 f. – Joker; 24 W (pat) 54/08 – well! gifts & more/Wella; 25 W (pat) 78/05 – ELCH GRAPHICS/ELCH; 26 W (pat) 100/05 – SCHUTZENGEL; 25 W (pat) 59/08 – preveo/prevero; 26 W (pat) 34/13– Palm Beach Bademoden Made in Germany/Palm Beach; 26 W (pat) 567/18 – CRYSTAL Smoke/CRISTAL; 26 W (pat) 509/20 – Free!/frei). Dies gilt erst recht bei anwaltlicher Vertretung, weil von einem Anwalt erwartet werden kann, dass die Erklärung eindeutig ist, wenn die Benutzung des Widerspruchszeichens bestritten werden soll (BPatG Mitt. 1987, 57 – Joker).
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b) Das Vorbringen der Inhaberin der angegriffenen Marke in ihrem Schriftsatz vom 29. Oktober 2021 zur Verneinung einer Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch Drittmarken wegen nicht liquider oder glaubhaft gemachter Benutzung, die ältere Marke sei nicht schutzwürdig, weil sie selbst am Markt nicht teilnehme, stellt keine eindeutige Erklärung dahingehend dar, dass die Benutzung der Widerspruchsmarke in Abrede gestellt wird. Sie lässt nur den Willen der Beschwerdegegnerin erkennen, eine Kennzeichnungsschwäche der älteren Marke und das Fehlen einer Verwechslungsgefahr darzulegen, nicht aber, eine Benutzung des Widerspruchszeichens zu bestreiten, zumal sie bei der Warenähnlichkeit vorgetragen hat, dass „die Kombattanten am Markt teilnehmen, liegt in der Natur der Sache“. Erst recht bei anwaltlicher Vertretung war eine eindeutige Nichtbenutzungseinrede zu erwarten.
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2. Nach der hier maßgeblichen Registerlage besteht zwischen den Vergleichswaren Identität, weil beide Marken für „alkoholfreie Getränke“ der Klasse 32 eingetragen sind. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin kommt es bei der Warenähnlichkeit nicht darauf an, dass die Getränkemixturen identisch sind. Es geht vielmehr um die Feststellung der Branchennähe der Vergleichsprodukte und damit um für die Frage der Verwechslungsgefahr erhebliche Faktoren wie Art und Beschaffenheit, regelmäßige betriebliche Herkunft, regelmäßige Vertriebs- und Erbringungsart, Verwendungszweck, Nutzung, wirtschaftliche Bedeutung sowie Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte, so dass sie so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2021, 724 Rdnr. 36 – PEARL/PURE PEARL; GRUR 2015, 176, 177 Rdnr. 16 – ZOOM/ZOOM).
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3. Die identischen Kollisionswaren richten sich an breite Verkehrskreise, nämlich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 RdNr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Windsurfing Chiemsee) als auch an den Getränkefachhandel und den Gastronomiefachverkehr. Da es sich bei alkoholfreien Getränken um Artikel des täglichen Bedarfs bzw. um kurzlebige Erzeugnisse des Massenkonsums handelt, werden die angesprochenen Verkehrskreise diesen Waren mit eher geringem Aufmerksamkeitsgrad begegnen (vgl. BPatG 26 W (pat) 52/16 – MUT/MUTTI; 26 W (pat) 92/13 – CARIBEA/CARIB). Auf die Unterschiedlichkeit der Massenkonsumprodukte kommt es entgegen der Ansicht der Inhaberin der jüngeren Marke bei der Ermittlung des Aufmerksamkeitsgrades der angesprochenen Verkehrskreise nicht an.
26
4. Die Widerspruchsmarke
verfügt nur über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
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a) Ihr Schutzumfang ist von Haus aus normal.
28
aa) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchst. a]; BGH GRUR 2017, 75 Rdnr. 19 – Wunderbaum II). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH WRP 2015, 1358 Rdnr. 10 – ISET/ISETsolar; GRUR 2012, 1040 Rdnr. 30 f. – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen (BGH a. a. O. – Wunderbaum II).; GRUR 2013, 833 Rn. 34 – Culinaria/Villa Culinaria).
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bb) Die rechteckige ältere Marke
besteht aus den Wortelementen „POWER“ und „HORSE“ in schwarzen, fetten Versalien, die unterhalb eines zentral positionierten schwarzen, naturalistischen, sich aufbäumenden Pferdes mit Blickrichtung nach rechts vor dem Hintergrund zweier roter und zweier weißer Dreiecke angeordnet sind.
30
aaa) Das zum englischen Grundwortschatz gehörende Wort „POWER“ steht für „Kraft, Stärke, Leistung, Macht, Wucht“ und hat in diesem Sinne bereits Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden (www.duden.de/rechtschreibung/Power; Weis, Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, 2. Aufl. 1977, S. 78; BPatG 29 W (pat) 544/12 – WoMenPower; 24 W (pat) 175/94 – POWER). Es handelt sich um ein universell werblich eingesetztes Wertversprechen im Sinne von „Kraft, Energie, Schwung, Stärke“ (Rothfuss, Wörterbuch der Werbesprache, 1991, S. 174; BPatG a. a. O. – POWER), um auszudrücken, dass damit gekennzeichnete Produkte dem Verwender Kraft bzw. Stärke verleihen, wie z. B. Energiegetränke (vgl. BPatG 26 W (pat) 530/19 – Power Bowl/POWER). Ob dieses Wertversprechen auch eingehalten wird, ist für das Verkehrsverständnis irrelevant.
31
bbb) Auch der Wortbestandteil „HORSE“ gehört zum englischen Grundwortschatz (Weis, a. a. O., S. 54). Er wird mit „Pferd“ übersetzt und bezeichnet in der Regel ein „als Reit- und Zugtier gehaltenes hochbeiniges Säugetier mit Hufen, meist glattem, kurzem Fell, länglichem, großem Kopf, einer Mähne und langhaarigem Schwanz“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/Pferd). Es hat in den Wortkombinationen „Horsepower“ als eine „in Großbritannien und den USA verwendete Einheit der Leistung; Pferdestärke (etwa 745 Watt, https://www.duden.de/rechtschreibung/Horsepower) und „Dark Horse“ für ein „noch nicht bekanntes Rennpferd“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/Dark_Horse) auch Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden. Die Wortfolge „Dark Horse“ wird nur angeführt, um zu belegen, dass das Wort „Horse“ vom Durchschnittsverbraucher ohne weiteres im Sinne von „Pferd“ verstanden wird.
32
ccc) Insgesamt kommt dem Ausdruck „POWER HORSE“ die Bedeutung „Kraftpferd, Energiepferd“ bzw. „kraftvolles, energiereiches, (leistungs-)starkes Pferd“ zu.
33
ddd) Das Bildelement mit dem schwarzen, kräftigen, sich aufbäumenden Pferd vor weiß-rotem Hintergrund weckt Assoziationen an das Ferrari-Pferd bzw. den Renn- und Motorsport und illustriert damit Stärke und Schnelligkeit eines Pferdes. Damit wird der Wortgehalt nur grafisch umgesetzt.
34
(1) Auch wenn dieses Pferd Widerspenstigkeit symbolisieren sollte, würde es gleichzeitig als ein „kraftvolles, energiegeladenes Pferd“ wahrgenommen. Da die schlanke, feingliedrige Pferdedarstellung von einem Arbeits- bzw. Brauereipferd wegführt, steht die Bedeutung „kraftvolles, energiereiches, (leistungs-)starkes Pferd“ im Vordergrund.
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(2) Abgesehen davon, dass die alkoholfreien Widerspruchsgetränke keinen Bezug zu Zigaretten haben, unterscheidet sich die rot-weiße Farbgebung des Zigarettenlogos „Marlboro“
von derjenigen der Widerspruchsmarke
. Denn bei der Zigarettenmarke „Marlboro“ ist der rote Bereich oben vollständig abgeschlossen, so dass der Eindruck entsteht, als ob ein breiter weißer Pfeil in ein rotes Rechteck eindringt, während die ältere Marke aus zwei roten und zwei weißen Dreiecken besteht. Assoziationen an die Zigarettenmarke „Marlboro“ liegen daher entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin fern.
36
eee) Die Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit mit der Bedeutung „kraftvolles, energiereiches, (leistungs-)starkes Pferd“ beschreibt keine Eigenschaften alkoholfreier (Energie-)Getränke. Die naheliegende Bestimmungsangabe „für ein starkes Pferd“ scheidet angesichts alkoholfreier Getränke, die fast ausschließlich nur für den menschlichen Verzehr geeignet sind, aus. Es bedarf mehrerer Gedankenschritte und damit einer unzulässigen analysierenden Betrachtungsweise, um von dem Begriff eines starken Pferdes zum Energiegehalt der Getränke und dann zu der Werbeaussage zu gelangen, dass der Energiegehalt der so gekennzeichneten Getränke dem Konsumenten die Kraft eines starken Pferdes verleihen soll. Aber selbst wenn ein beschreibender Anklang vorläge, würde die grafische Ausgestaltung in ihrer komplexen Gesamtheit zur normalen Kennzeichnungskraft führen.
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b) Diese Kennzeichnungskraft wird auch nicht durch Drittmarken geschwächt.
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aa) Eine solche Schwächung, die einen Ausnahmetatbestand darstellt, setzt voraus, dass die Drittkennzeichen auf gleichen oder eng benachbarten Waren oder Dienstleistungen und in einem Umfang in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Kennzeichnungen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken. Entscheidungserheblich kann dabei auch nur eine beträchtliche Anzahl ähnlicher Drittmarken sein (so sind z. B. drei Drittmarken nicht als ausreichend angesehen worden: BGH GRUR 1967, 246, 248 – Vitapur; BPatG 29 W (pat) 553/12 – eos/EOS 22). Die Benutzung der Drittkennzeichen – vor dem Anmeldetag der angegriffenen Marke – muss liquide, also unstreitig oder amtsbekannt, oder vom Inhaber der angegriffenen Marke glaubhaft gemacht sein, weil nur insoweit der Verkehr genötigt und daran gewöhnt sein kann, wegen des Nebeneinanderbestehens mehrerer ähnlicher Marken sorgfältiger auf etwaige Unterschiede zu achten, weshalb er weniger Verwechslungen unterliegt (BGH GRUR GRUR 2012, 930 Rdnr. 40 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2009, 766 Rdnr. 32 – Stofffähnchen; GRUR 2001, 1161, 1162 – CompuNet/ComNet; BPatG GRUR 2004, 433, 434 – OMEGA/OMEGA LIFE).
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bb) Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat für ihre von der Widersprechenden bestrittene Behauptung, Aldi habe einen Energydrink namens „Red Horse“ im Angebot, zwar Zeugenbeweis angetreten, aber sie hat nicht substantiiert vorgetragen, dass Aldi diesen Energydrink schon vor dem 10. November 2013, also vor dem Anmeldetag der jüngeren Marke bundesweit angeboten hat. Ferner fehlen substantiierte Ausführungen, wie lange Aldi in welchem Umfang vor dem maßgeblichen Zeitpunkt diesen Energydrink vertrieben und beworben hat. Denn nur dann kann von einer Verkehrsgewöhnung ausgegangen werden.
40
cc) Zur Benutzung der Wort-/Bildmarken „BLUE HORSE“, „Double Horse“ und „Golden Horse“, der Wortmarken „Crazy Horse“, „Fire Horse“, „NRG Horse“, „Iron Horse“ und „Wild Horse“ sowie der übrigen Marken aus ihrer Trefferliste mit dem Bestandteil „Horse“ fehlen sowohl Vortrag als auch Belege, so dass nur noch die unstreitig benutzte Marke „Flying Horse“ übrig bleibt, die als einzige vergleichbare Drittmarke keine Schwächung bewirken kann.
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dd) Soweit die Markenstelle in ihrem Beschluss behauptet, es seien zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke auch noch die Marken „Black Horse“ und „Red Horse“ gebraucht worden, reicht ihre Google-Bilder-Suche vom 26. Mai 2017 als Nachweis alleine nicht aus. Gegen ihre Annahme spricht zudem, dass die Marken „Black Horse“ und „Red Horse“ in der Studie des Nürnberger Instituts M… GmbH „Trend Evaluation – Consumer Insights Alkoholfreie Getränke – Energydrinks 2014“ nicht auftauchen. Sie werden auch nicht in der Umfrage des Statistik-Portals „statista“ zu den Marktanteilen von Energydrinks in Deutschland in den Jahren 2010 und 2011, im Artikel „Riskanter Koffein-Kick“ der Ausgabe 9/2013 des Magazins Test der Stiftung Warentest, im Konsumentenportal www.szene-drinks.com oder auf der Webseite des energy drink Magazins vom 21. Oktober 2014 erwähnt.
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ee) Hinzu kommt, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nur durch Drittmarken geschwächt werden kann, die der älteren Marke näher kommen als die vorliegend angegriffene Marke (vgl. BGH GRUR 2012, 930 Rdnr. 40 – Bogner B/Barbie B). Dafür reicht es nicht aus, dass 517 Treffer für in Klasse 32 eingetragene Marken den Wortbestandteil „Power“ und 45 Treffer in derselben Klasse den Bestandteil „Horse“ enthalten.
43
ff) Die von der Beschwerdegegnerin behauptete Schwächung durch die Drittmarke „DARK HORSE“ für alkoholfreie Weine ist schon deshalb nicht möglich, weil die beiden Unionswortmarken (009 950 296) und (010292191) nur in Klasse 33 für „Weine und Destillierte Spirituosen“ bzw. „Destillierte Spirituosen“ und nicht für alkoholfreie Weine geschützt worden sind und ihre Eintragungen am 11. und 27. Oktober 2013 nur knapp einen Monat vor dem hier maßgeblichen Anmeldetag erfolgt sind, so dass eine Verkehrsgewöhnung gar nicht möglich war. Konkrete Angaben zu einer Verwendung des Kennzeichens „Dark Horse“ für alkoholfreie Weine vor dem 10. November 2013 hat die Beschwerdegegnerin weder getätigt noch belegt. Ohne substantiiertes Vorbringen kommt eine Beweisaufnahme durch die beantragte Vernehmung des Geschäftsführers der Beschwerdegegnerin als Partei gemäß §§ 74 Abs. 1, 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 447 ZPO, der die Gegenseite zudem zustimmen müsste, nicht in Betracht. Es fehlt demnach an einer ausreichenden Anzahl von Drittmarken, für die die Benutzung liquide oder gerichtsbekannt ist, um eine Kennzeichnungsschwäche annehmen zu können.
44
gg) Als Indiz für einen von Haus aus bestehenden Originalitätsmangel und damit geringeren Schutzumfang der älteren Marke können zwar auch Drittmarken gewertet werden, deren Benutzung nicht liquide bzw. glaubhaft gemacht ist (BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 30 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2012, 930 Rdnr. 34 – Bogner B/Barbie B). Allerdings erfordert eine solche Annahme über die für benutzte Drittmarken notwendigen Voraussetzungen hinaus zusätzlich eine wesentlich größere Anzahl im engsten Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchsmarke liegender Drittmarken (BGH GRUR 2012, 930 Rdnr. 31 – Bogner B/Barbie). An einer solchen größeren Anzahl von Drittmarken im engsten Ähnlichkeitsbereich fehlt es hier aber.
45
c) Ausreichende Anhaltspunkte für eine durch intensive Nutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sind weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich.
46
aa) Für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft durch eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit bedarf es hinreichend konkreter Angaben zum Marktanteil, zu Intensität, geografischer Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke, zum Werbeaufwand des Unternehmens inklusive Investitionsumfangs zur Förderung der Marke sowie ggf. zu demoskopischen Befragungen zwecks Ermittlung des Anteils der beteiligten Verkehrskreise, die die Waren oder Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (st. Rspr.; EuGH GRUR 2005, 763 Rdnr. 31 – Nestlé/Mars; BGH GRUR 2017, 75 Rdnr. 29 – Wunderbaum II). Diese Angaben sind von der Widersprechenden darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit die Benutzungslage nicht im Einzelfall amts- oder gerichtsbekannt ist (BGH GRUR 2006, 859 Rdnr. 33 – Malteserkreuz; BPatG 25 W (pat) 506/16 – Fireslim/Fire; GRUR-RR 2015, 468, 469 – Senkrechte Balken). Die gesteigerte Kennzeichnungskraft muss bereits im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke bestanden haben (BGH GRUR 2008, 903 Rdnr. 13 f. – SIERRA ANTIGUO, GRUR 2020, 870 Rdnr. 22 – INJEKT/INJEX) und im Entscheidungszeitpunkt noch fortbestehen (BGH a. a. O. – INJEKT/INJEX; GRUR 2019, 1058 Rdnr. 14 – KNEIPP). Auch bei einer Unionsmarke, der die vorliegende IR-Marke gleichgestellt ist, kommt es auf das Verkehrsverständnis im Kollisionsgebiet an, hier also auf das Verkehrsverständnis in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 24 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2013, 1239 Rdnr. 67 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion).
47
bb) Vorliegend fehlt es sowohl an einem hinreichenden Sachvortrag als auch an dessen Glaubhaftmachung.
48
aaa) Was den Zeitraum vor dem Anmeldetag der angegriffenen Marke, den 10. November 2013, betrifft, so hat die Widersprechende weder Umsatz- noch Stückzahlen für Deutschland angegeben, sondern nur ihren weltweiten jährlichen Absatz von ca. 100 Mio. Dosen. Ihre Behauptungen, seit 1994 werde unter dieser Marke in mehr als 50 Ländern ein Energydrink vertrieben, in Deutschland sei das Getränk bei den Einzelhändlern EDEKA, Müller Drogeriemarkt, Kaiser´s Tengelmann und bei den Getränkegroßhändlern Essmann, FAKO, Geins, Waldhoff, Kesten und Wigem erhältlich und der jährliche Werbeaufwand in Deutschland betrage ca. 2,3 Mio. €., hat sie weder hinreichend substantiiert, noch belegt noch durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht.
49
(1) Die nachgewiesene Behauptung, dass von der Widersprechenden hergestellte Getränke von 2013 bis 2017 durchgehend in allen Märkten der REWE-Gruppe gelistet gewesen seien, ist unzureichend, weil den vorgelegten Jahresgesprächsbestätigungen der Zweigniederlassungen Nord, Ost, West und Südwest der REWE-Unternehmensgruppe weder die Art oder Menge der Getränke noch deren Kennzeichnung entnommen werden kann. Außerdem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der im Jahr 2013 erstmals in Deutschland begonnene Verkauf bei REWE bereits zu einer hohen Verkehrsbekanntheit am 10. November 2013 geführt hat.
50
(2) Es fehlen für den Anmeldezeitpunkt auch ausreichende Angaben zum Marktanteil des unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Energydrinks. Die von der Widersprechenden vorgelegte Studie des Nürnberger Instituts M… GmbH „Trend Evaluation – Consumer Insights Alkoholfreie Getränke – Energydrinks 2014“ stammt von April 2014 und wurde damit ca. ½ Jahr nach dem Kollisionszeitpunkt durchgeführt. Außerdem weist sie mehrere methodische Mängel auf. Da demoskopische Erhebungen zur Ermittlung des Bekanntheitsgrades denselben Grundsätzen folgen wie zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung (BGH GRUR 2010, 1103 Rdnr. 43 ff. – Pralinenform II) sind neben den aktuellen Käufern eines Produkts auch die Verkehrskreise einzubeziehen, die an den Waren interessiert sein können, ohne sie bisher erworben zu haben (BGH GRUR 2010, 760 Rdnr. 22 – LOTTO). In der vorgenannten Umfrage wurden aber ausschließlich Verbraucher befragt, die bereits Energydrinks verwenden. Zudem wurden sie – methodisch unkorrekt – gezielt danach befragt, welche der in einer Liste aufgezählten Energydrinks sie kennen. Nur 24,2 % der Konsumenten von Energydrinks gaben an, einen Drink mit der Widerspruchsmarke schon gekauft zu haben und nur 2,7 % bezeichneten diese als ihre Stammmarke. Insoweit erreichte die Widerspruchsmarke im April 2014 nur den achten Platz, während die Marke „Red Bull“ mit 88,3 % bzw. 55,5 % in großem Abstand den Spitzenplatz einnahm. Dies gilt auch für die Bekanntheit unter den Energydrink-Konsumenten, die ältere Marke kam mit 56,9 % nur auf den 11. Platz. Daraus lässt sich entnehmen, dass der Marktanteil der Widerspruchsmarke vor und kurz nach dem Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke eher gering war.
51
(3) Gegen eine Bekanntheit der älteren Marke sprechen auch die von der Beschwerdegegnerin eingeführten Belege. Laut einer Umfrage des Statistik-Portals „statista“ zu den Marktanteilen von Energydrinks in Deutschland in den Jahren 2010 und 2011 hat die bekannte Marke „Red Bull“ im Jahr 2010 einen Marktanteil von 28 % und im Jahr 2011 von 26,3 % gehabt, während die Widerspruchsmarke nicht namentlich genannt wird. Im Artikel „Riskanter Koffein-Kick“ der Ausgabe 9/2013 des Magazins Test der Stiftung Warentest ist der Energydrink der Widersprechenden nicht aufgeführt. Die ältere Marke wird 2014 auch nicht in der Liste von 153 Energydrinks auf dem Konsumentenportal www.szene-drinks.com oder auf der Webseite des energy drink Magazins vom 21. Oktober 2014 erwähnt.
52
(4) Die wenigen von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sportsponsor-Aktivitäten für Bundesligamannschaften im Fußball und Basketball, für ein ATP-Tennisturnier und ein Triathlon-Team bei einem Iron Man-Wettkampf in Deutschland reichen allein und ohne die vorstehend als fehlend genannten Angaben nicht aus, eine hohe Verkehrsbekanntheit zu belegen.
53
Die ATP-Turniere POWER HORSE World Team Cup 2012 und 2013 wurden nur zweimal, einmal im Mai 2012 und einmal im Mai 2013, ausgetragen, und der Triathlon-Wettkampf war auch nur eine einmalige Veranstaltung im Juli 2013. Die Sponsoringaktivitäten bei der Basketballmannschaft Brose Baskets Bamberg und der Fußballmannschaft Bayer Leverkusen 04 dauerten zudem nur eine bzw. zwei Saisons und endeten bereits nach Abschluss der Saison 2013/14, also im Mai 2014. Solche einmaligen oder kurzfristigen Engagements können die Bekanntheit einer Marke nicht spürbar beeinflussen. Zudem startete die Widersprechende, soweit ersichtlich, ihre Sponsoringaktivitäten erst kurz vor dem maßgeblichen Kollisionszeitpunkt, dem 10. November 2013, so dass diese ihre Werbewirksamkeit noch gar nicht richtig entfalten konnten. Diese nachgewiesenen Sponsoringaktivitäten stellte die Widersprechende spätestens im Jahr 2014 wieder ein, so dass diese, selbst wenn man eine gewisse Nachwirkung des Werbeeffekts unterstellt, auch für die Frage einer gesteigerten Verkehrsbekanntheit zum gegenwärtigen Zeitpunkt, also etwa acht Jahre später nicht mehr von Bedeutung sein können. Im Übrigen ist der vorgelegte Marketingplan für das Jahr 2012 (Anlage zum Schriftsatz vom 9. April 2018) für die Beantwortung der Frage, welche der Maßnahmen durchgeführt wurden und welche Werbewirkung dadurch erzielt wurde, nicht geeignet.
54
bbb) Zur Benutzungslage zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen gar keine Angaben vor.
55
5. Den bei identischen Vergleichswaren, geringer Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise und normaler Kennzeichnungskraft der älteren Marke gebotenen Abstand hält die jüngere Marke wegen komplexer Markenähnlichkeit nicht mehr ein.
56
a) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rdnr. 35 – Specsavers/Asda; BGH a. a. O. Rdnr. 58 – INJEKT/INJEX), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 37 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.; GRUR 2012, 64 Rdnr. 14 – Maalox/Melox-GRY). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen. Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (EuGH GRUR Int. 2010, 129 Rdnr. 60 – Aceites del Sur-Coosur [La Espagnola/Carbonelle]; BGH GRUR 2016, 382 Rdnr. 37 – BioGourmet). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (EuGH GRUR 2007, 700 Rdnr. 35 – HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; BGH a. a. O. – INJEKT/INJEX).
57
aa) Die Vergleichsmarken
und
unterscheiden sich in der Gesamtheit durch die abweichenden Anfangsworte und die Bildelemente deutlich voneinander.
58
bb) In klanglicher Hinsicht werden sie von ihren jeweiligen Wortelementen geprägt, weil bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks einer Wort-/Bildmarke von dem in ständiger Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Wortbestandteil den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl. BGH GRUR 2014, 378 Rdnr. 30 – OTTO CAP).
59
aaa) Keines der Vergleichsmarkenwörter wird phonetisch von dem Element „HORSE“ geprägt.
60
(1) Dem angesprochenen Verkehr sind aus der Alltagssprache, insbesondere der Werbesprache, zahlreiche gleichartige Wortzusammensetzungen mit dem vorangestellten Wort „Power“ und einem nachfolgenden Substantiv bekannt, wie z. B. die überwiegend auch im Duden aufgeführten Wortkombinationen „Powerbank“, „Powerplay“, „Powerslide“, „Poweruser“, „Powerfrau“, „Powershopping“, „Power-Riegel“ oder „Power Drink“. Er wird die Widerspruchsmarke daher als gleichartig aufgebaute Wortkombination erkennen, in der das Wort „HORSE“ durch den vorangestellten Begriff „POWER“ adjektivisch spezifiziert wird und die den Gesamtbegriff „starkes/kraftvolles Pferd“ bildet.
61
(2) Auch die Wortbestandteile der jüngeren Marke sind aufeinander bezogen und zu dem Gesamtbegriff „silbernes Pferd“ verbunden. Denn das Eigenschaftswort „silver“ gehört wie „horse“ zum englischen Grundwortschatz und wird von den angesprochenen Verkehrskreisen mit „silbern“ übersetzt (Weis, a. a. O., S. 93). Abgesehen davon, dass das Fell von Schimmeln silbern glänzen kann, so dass das Adjektiv auf die Fellfarbe hinweist, zumal das Pferd in silberner Farbe abgebildet ist, kann es sich auch um die stilisierte Darstellung einer Pferdeskulptur aus dem Edelmetall Silber handeln. Jedenfalls hat die Bedeutung „silbernes Pferd“ auch keinen beschreibenden Charakter für die im Identitätsbereich betroffenen alkoholfreien Getränke.
62
bbb) Klanglich stehen sich daher die Markenwörter „SILVER HORSE“ und „POWER HORSE“ gegenüber, die eine Reihe von Übereinstimmungen aufweisen. Der zweite Wortbestandteil „HORSE“ und die zweite Silbe des ersten Wortelements sind phonetisch identisch. Ferner sind die Silbenzahl, die Betonung und der Sprechrhythmus der beiden Wortfolgen gleich. Allerdings unterscheiden sich die stärker beachteten Wortanfänge sowohl im Anfangskonsonanten als auch im Vokal. Einem klangschwachen Mitlaut und einem hellen Selbstlaut (SI) stehen ein klangstarker Konsonant und ein dunkler Diphthong (PAU) gegenüber.
63
ccc) Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin kann nicht von einem ausschließlichen Kauf von Energydrinks auf Sicht ausgegangen werden.
64
(1) Vor allem in der europäischen Rechtsprechung finden sich zwar Erwägungen, die klangliche Markenähnlichkeit in der rechtlichen Beurteilung der Verwechslungsgefahr in den Hintergrund treten zu lassen, soweit die betreffenden Waren überwiegend auf Sicht gekauft werden (EuGH GRUR 2008, 343 Rdnr. 36 – Il Ponte Finanzaria/HABM [BAINBRIDGE]; GRUR Int. 2010, 129 Rdnr. 75 – Aceites del Sur-Coosur [La Espagnola/Carbonelle]). Nach der Rechtsprechung des BGH kann aber eine nach dem Klang zu bejahende Identität oder Ähnlichkeit von Vergleichsmarken durch Abweichungen im Bild nur dann „neutralisiert“ werden, wenn die mit der Marke gekennzeichneten Waren regelmäßig nur auf Sicht gekauft werden (BGH GRUR 2011, 824 Rdnr. 31 – Kappa).
65
(2) Hinsichtlich der hier vorliegenden Marken lässt sich indessen schon nicht feststellen, dass sie überwiegend oder ausschließlich visuell wahrgenommen werden. Belege dafür, dass die visuelle Aufnahme im einschlägigen Warenbereich stark zugenommen und die phonetische Wahrnehmung deutlich nachgelassen haben, sind weder vorgelegt worden, noch konnte diese Entwicklung ermittelt werden. Auch wenn Energydrinks in Supermärkten, Kiosken und Tankstellen „auf Sicht“ gekauft werden, ist zu berücksichtigen, dass diesem „Kauf auf Sicht“ häufig mündliche Empfehlungen und Nachfragen sowie Gespräche zwischen Verbrauchern vorausgehen, bei denen klangliche Verwechslungen von Marken stattfinden können. Hinzu kommt, dass auch während des Kaufs vor Ort gegenüber dem Verkaufspersonal Markennamen genannt und wegen klanglicher Nähe verwechselt werden können. Ebenfalls nicht vernachlässigt werden darf die akustische Werbung. Abgesehen davon wird selbst bei nur optischer Wahrnehmung einer Marke gleichzeitig der klangliche Charakter des Markenwortes unausgesprochen mit aufgenommen und damit die Erinnerung an klanglich ähnliche Marken geweckt, die von früheren Begegnungen bekannt sind. Die klangliche Verwechslungsgefahr wird insoweit nicht durch ein unmittelbares Hören, sondern durch die ungenauen Erinnerungen an den Klang beider Marken ausgelöst (BPatGE 23, 176, 179 – evit/ELIT; BPatG GRUR 1998, 59, 61 – Coveri).
66
cc) Gemeinsamkeiten liegen aber auch in schriftbildlicher Hinsicht vor. Beide Wortbestandteile sind in schwarzen, fett gedruckten Versalien wiedergegeben. Sie sind fast gleich lang und enthalten beide die Lautfolge „V/WER HORSE“. Im Zentrum beider Marken ist ein fast gleich großes Pferd abgebildet, dessen Vorderläufe vom Boden entfernt sind und dessen Oberkörper angehoben ist. Beide Marken enthalten zudem sich überkreuzende Linien. Bei der angegriffenen Marke sind es zwei sich kreuzende Degen. In der älteren Marke erzeugen rote und weiße Dreiecke sich überkreuzende Linien. Allerdings weisen die Kollisionsmarken
und
auch Unterschiede auf. Die Versalien der Wortelemente der älteren Marke sind fetter und größer. Sie sind bei der angegriffenen Marke oberhalb und bei der Widerspruchsmarke unterhalb des Pferdemotivs angebracht. Dem stilisierten, weißen, eher galoppierenden Pferd der angegriffenen Marke mit Blickrichtung nach links steht ein naturalistisch mit ausgeprägter Muskulatur dargestelltes, schwarzes, sich stark aufbäumendes Pferd mit Blickrichtung nach rechts gegenüber. Die Pferdeabbildung befindet sich bei der jüngeren Marke auf einem wappenartigen Schild, während das Pferd der älteren Marke vor einem rechteckigen Hintergrund aus zwei roten und weißen Dreiecken positioniert ist. Die jüngere Marke erinnert durch das Schild und die gekreuzten Degen an das Familienwappen eines alten Adelsgeschlechts, während die ältere Marke mit den markant hervortretenden rot-weißen Dreiecken Assoziationen an das Ferrari-Pferd bzw. den Renn- und Motorsport weckt.
67
dd) In begrifflicher Hinsicht gibt es ebenfalls Übereinstimmungen, weil beide Marken den Wortbestandteil „Horse“ mit einer vorangestellten Eigenschaftsangabe kombinieren, die die Qualität des jeweiligen Pferdes positiv beschreiben. Allerdings wird der begriffliche Unterschied zwischen „SILVER“ und „POWER“ von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Schwierigkeiten erkannt.
68
b) Ob die klanglichen, schriftbildlichen und begrifflichen Gemeinsamkeiten für sich genommen schon zur Bejahung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr ausreichen, muss nicht abschließend beurteilt werden. Denn auch wenn die vorhandenen Übereinstimmungen wegen der gleichzeitigen Abweichungen für sich gesehen nicht genügen sollten, um eine ausreichende Markenähnlichkeit zu begründen, kommen sich die Vergleichsmarken klanglich, (schrift-)bildlich und begrifflich so nahe, dass sie aufgrund ihres Zusammenwirkens die Annahme einer komplexen Markenähnlichkeit rechtfertigen.
69
aa) Diese Rechtsfigur der sog. komplexen Markenähnlichkeit oder Verwechslungsgefahr ist von der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts entwickelt worden (BPatG 25 W (pat) 610/17 Hibiskiss/Hibis Kuss; 29 W (pat) 59/13 – Örtliches Telefonbuch/DasÖrtliche; 24 W (pat) 74/04 – Mystia/MYSTERY; 25 W (pat) 253/99 – FORMEL 1A/Formel 1; BPatGE 34, 76, 77 f. – Calimbo/CALYPSO; BPatGE 22, 227, 229 – Frukina/FRUTERA; BPatG Mitt. 1975, 115 – Miramil/Milram; BPatGE 6, 131, 132 f. – Plastipac/PAGELASTIC; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 14 Rdnr. 461; Ingerl/Rhonke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rdnr. 584; Hacker in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 9 Rdnr. 317; Onken in: Kur/vom Bomhard/Albrecht, BeckOK Markenrecht, 25. Ausgabe, Stand 1. April 2021, § 14 Rdnr. 380; Starck, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum neuen Markenrecht, WRP 1996, 269, 273). Sie wird mit dem Erfahrungssatz begründet, dass die Vergleichsmarken fast nie gleichzeitig nebeneinander wahrgenommen werden, so dass letztlich nur das meist ungenaue Erinnerungsbild entscheidet, das der Verkehr von einer Marke hat, wenn er die andere Marke hört oder sieht (BPatGE a. a. O. – Calimbo/CALYPSO; BPatGE a. a. O. – Plastipac/PAGELASTIC). Wenn sich die Kollisionsmarken klanglich, schriftbildlich und begrifflich sehr nahe kommen, können Verwechslungen aus der Erinnerung heraus nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, so das eine komplexe Ähnlichkeit und Verwechselbarkeit vorliegt. Entgegen der Ansicht der Inhaberin der jüngeren Marke kommt es auf das Erinnerungsbild an, weil zum einen die Vergleichswaren nicht zwingend nebeneinander im Verkaufsregal stehen und zum anderen dem Kauf der hier relevanten Waren auch mündliche Nachfragen, Empfehlungen und Gespräche vorausgehen können.
70
bb) Vorliegend bestehen, wie bereits dargelegt, derart klangliche, schriftbildliche und begriffliche Gemeinsamkeiten, die zwar jeweils für sich wegen der gleichzeitigen Abweichungen nicht für eine Verwechslungsgefahr ausreichen dürften, die aber in der Summe ein sicheres Auseinanderhalten der Kollisionsmarken verhindern.
71
6. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin kommt die unter Protest gegen die Beweislast beantragte Einholung eines sozialpsychologischen und hirnorganischen Gutachtens durch einen medizinischen Sachverständigen, dass der Verbraucher einer Verwechslungsgefahr wegen komplexer Markenähnlichkeit unterliege, nicht in Betracht.
72
Als der vollständigen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterliegende Rechtsfrage ist die Beurteilung der Verwechslungsgefahr keiner Beweisaufnahme zugänglich (vgl. BGH GRUR 1992, 48, 51 f. – frei öl; GRUR 1993, 118, 120 – Corvaton/Corvasal; GRUR 2019, 535 Rdnr. 90 – Das Omen; BPatG 27 W (pat) 115/16 – RETROLYMPICS/OLYMPIC; BPatG 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST/POST; 26 W (pat) 93/13 – CITY CP POST/POST/Deutsche Post; 29 W (pat) 7/10 – regioPost/Post/Deutsche Post). Ein Schutz des Publikums vor realen Verwechslungsgefahren ergibt sich allenfalls reflexhaft, denn das Widerspruchsverfahren findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem sich die Kollisionsmarken im Verkehr häufig noch gar nicht begegnet sind; tatsächlich vorkommende Verwechslungen sind zur Bejahung einer Verwechslungsgefahr im Rechtssinne nicht notwendig (st. Rspr.: BGH GRUR 1961, 535, 537 – arko; GRUR 1991, 609, 611 – SL; BPatG 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST/POST).
III.
73
Der Antrag der Inhaberin der jüngeren Marke, der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, ist unbegründet.
74
1. Nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kann das Bundespatentgericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierzu bedarf es stets besonderer Umstände (BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur; GRUR 1996, 399, 401 – Schutzverkleidung). Solche Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und dadurch dem Verfahrensgegner vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. BPatG 27 W (pat) 40/12 – mcpeople/McDonald′s; BPatGE 12, 238, 240 – Valsette/Garsette). Dabei ist stets ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise bei einem sorgfaltswidrigen Verhalten in Betracht kommt. Demnach ist auch der Verfahrensausgang in der Hauptsache für sich genommen kein Grund, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen (BGH a. a. O. – Lewapur; a. a. O. – Schutzverkleidung). Besondere, die Kostentragung auslösende Umstände liegen im Kollisionsverfahren beispielsweise vor, wenn trotz ersichtlich fehlender Ähnlichkeit der Marken oder der Waren und/oder Dienstleistungen Widerspruch erhoben wird (BPatGE 12, 238, 240 f. – Valsette/Garsette; 23, 224, 227 – Pomesin/POMOSIN; BPatG 33 W (pat) 9/09 – IGEL PLUS/PLUS).
75
2. Ein Verstoß der Widersprechenden gegen ihre prozessuale Sorgfaltspflicht ist vorliegend weder dargelegt noch ersichtlich. Die gegensätzlichen gerichtlichen Hinweise zeigen vielmehr, dass es sich vorliegend um schwierige Tatsachen- und Rechtsfragen und nicht um eine von Vornherein aussichtslose Rechtsverfolgung gehandelt hat.