Beschluss des BVerwG 2. Senat vom 21.07.2022, AZ 2 B 1/22

BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 21.07.2022, AZ 2 B 1/22, ECLI:DE:BVerwG:2022:210722B2B1.22.0

Verfahrensgang

vorgehend OVG Lüneburg, 14. Oktober 2021, Az: 5 LB 81/19, Urteil
vorgehend VG Göttingen, 28. Juni 2017, Az: 1 A 6/16, Urteil

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 39 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

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1. Die Klägerin war von November 1996 bis Ende Oktober 2014 hauptamtliche Bürgermeisterin der beklagten Gemeinde. Während ihrer Amtszeit war die Klägerin Vorsitzende des Aufsichtsrats der S. … GmbH, der B.gesellschaft … mbH und der W. … GmbH sowie Mitglied der Trägerversammlung der P. Lebensversicherung … Die Klägerin erhielt hierfür Vergütungen sowie Aufwandsentschädigungen. Von den Vergütungen und Aufwandsentschädigungen führte die Klägerin zunächst keinen Teilbetrag an die Beklagte ab. Die Klägerin wertete ihre Tätigkeiten als Nebentätigkeiten. Am 1. Oktober 2014 zahlte die Klägerin an die Beklagte für das Jahr 2011 3 258 €, für das Jahr 2012 3 174 € und für das Jahr 2013 3 304 € sowie am 9. April 2015 für das Jahr 2014 2 384 €. Am 18. Dezember 2015 erließ die Beklagte einen Festsetzungs- und Leistungsbescheid, in dem sie die Verpflichtung zur Rückzahlung für die in den Aufsichtsräten der genannten Gesellschaften in den Jahren 2005 bis 2014 erhaltenen Vergütungen auf 51 120 € festsetzte und von der Klägerin die Zahlung von 39 000 € abzüglich des von der Klägerin bereits gezahlten Betrags von 12 120 € verlangte. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Festsetzungs- und Leistungsbescheid der Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

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Die Wahrnehmung der Aufsichtsratstätigkeiten der Klägerin sei nicht als Teil ihres Hauptamtes, sondern jeweils als Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst anzusehen. Dies habe zur Folge, dass die insoweit erhaltenen Vergütungen an den Dienstherrn abzuliefern seien, soweit sie die maßgebliche Höchstgrenze überstiegen. Der Ablieferung der für die Kalenderjahre 2005 bis 2011 erhaltenen Aufsichtsratsvergütungen stehe jedoch der Gesichtspunkt der Verjährung entgegen. Für die Jahre 2012 bis 2014 könne die Beklagte von der Klägerin die Ablieferung der vereinnahmten Aufsichtsratsvergütungen beanspruchen, soweit diese die Höchstgrenze von 5 400 € überstiegen. Die Klägerin habe auch die in den Jahren 2004 bis 2014 erhaltene Aufwandsentschädigung für ihre Tätigkeit in der Trägerversammlung der P. Lebensversicherung … an die Beklagte abzuliefern. Insgesamt könne die Beklagte von der Klägerin die Ablieferung von Nebentätigkeitsvergütungen in Höhe von 8 450 € verlangen. Da die Klägerin für die Jahre 2012 bis 2014 insgesamt 8 862 € gezahlt habe und die Beklagte diese Zahlungen im angegriffenen Bescheid als Zahlungen auf die insgesamt geforderten Aufsichtsratsvergütungen und Aufwandsentschädigungen angesehen habe, sei der nicht verjährte Ablieferungsanspruch durch Erfüllung erloschen.

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2. Die Sache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde der Beklagten beimisst. Dabei ist der Senat wegen des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darauf beschränkt, ausschließlich auf der Grundlage der Beschwerdebegründung zu entscheiden, ob der Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegt. Rechtliche Gesichtspunkte, die die Beklagte nicht vorgetragen hat, können nicht berücksichtigt werden.

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a) Die Beschwerde der Beklagten sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zunächst in der Frage, ob

„bei der entsprechenden Anwendung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB im öffentlichen Recht ebenso wie im Zivilrecht die Darlegungs- und Beweislast maßgeblich für die Frage ist, welche Umstände dem Gläubiger bekannt bzw. grob fahrlässig nicht bekannt sein müssen, damit der Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt wird?“

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Die weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu dieser Frage lassen darauf schließen, dass es der Beklagten um die Auswirkungen der unterschiedlichen Verfahrensmaximen des Zivilprozesses und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens – einerseits die Verhandlungsmaxime und andererseits der Untersuchungsgrundsatz – auf die Handhabung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geht. Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung dahingehend zu beantworten ist, dass der für den Verwaltungsprozess maßgebliche Untersuchungsgrundsatz keine Abweichung bei der Anwendung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bedingt.

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Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist voraus, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Es ist anerkannt, dass die Vorschrift des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch auf öffentlich-rechtliche Ansprüche anwendbar ist (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 – 2 C 29.11 – BVerwGE 143, 381 Rn. 43, vom 17. September 2015 – 2 C 26.14 – Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 46 und vom 16. Juni 2020 – 2 C 20.19 – BVerwGE 168, 236 Rn. 27). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht der Senat davon aus, dass dem Gläubiger nicht sämtliche Details umfassend bekannt sein müssen; der Gläubiger muss aus den Tatsachen zudem nicht die zutreffenden rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen haben. Die Verjährung beginnt, sobald dem Gläubiger bei verständiger Würdigung der ihm bekannten Tatsachen die Erhebung einer Klage zumutbar ist. Es reicht aus, wenn dem Gläubiger eine Klage auf Feststellung zumutbar ist; hier kommt eine bloße Feststellungs-, aber auch eine Stufenklage in Betracht (BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 2001 – 2 C 61.00 – BVerwGE 115, 218 <222>). Zumutbar ist die Erhebung einer Klage aber schon dann, wenn sie Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist (z. B. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – III ZR 196/14 – NVwZ 2016, 708 Rn. 15, vom 21. April 2005 – III ZR 264/04 – NVwZ 2006, 245, 248 und vom 6. Mai 1993 – III ZR 2/92 – BGHZ 122, 317 <325>). Dem Berechtigten muss danach nicht jedes mit der Erhebung der Klage verbundenes Risiko genommen sein (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2020 – 2 C 20.19 – BVerwGE 168, 236 Rn. 27). Für den danach für die Anwendung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB entscheidenden Aspekt der Zumutbarkeit der Erhebung einer – zumindest auf Feststellung gerichteten – Klage durch den Gläubiger kommt es auf den Unterschied zwischen der Verhandlungsmaxime (Zivilprozess) und dem für den Verwaltungsprozess maßgeblichen Untersuchungsgrundsatz nicht an. Die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, hat keine Auswirkungen auf die für § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB entscheidende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen.

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b) Ferner sieht die Beschwerde der Beklagten die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage,

„gibt es im öffentlichen Recht einen (…) Rechtssatz mit dem (…) Inhalt, wonach eine Abrechnungspflicht des Schuldners die Darlegungs- und Beweislast für den Ablieferungsanspruch des Dienstherrn aufhebt?“

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Auch bei dieser Frage geht es um die Handhabung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB und im Detail um den Aspekt, ob bei Bestehen einer Abrechnungspflicht des ablieferungspflichtigen Schuldners – hier der Klägerin – zu Gunsten des Gläubigers der Beginn der Verjährung seines Ablieferungsanspruchs erst dann anzunehmen ist, wenn dem Gläubiger die Höhe der vom Abrechnungsschuldner zu beziffernden Zahlungen bekannt ist. Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht, weil sie sich im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würde.

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In der Rechtsprechung zu § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist anerkannt, dass die Verjährung beginnt, wenn dem Gläubiger die Erhebung der Klage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 2001 – 2 C 61.00 – BVerwGE 115, 218 <222>; BGH, Urteile vom 31. Oktober 1989 – VI ZR 84/89 – NJW-RR 1990, 222 f, vom 14. Oktober 2003 – VI ZR 379/02 – NJW 2004, 510 m. w. N., vom 9. November 2007 – V ZR 25/07 – NJW 2008, 506 Rn. 15 und vom 27. Mai 2008 – XI ZR 132/07 – NJW-RR 2008, 1495 Rn. 32). Weder ist notwendig, dass der Gläubiger alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können.

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Die den Anspruch i. S. v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB begründenden Umstände sind hier die Zahlung von Vergütungen an die Klägerin für ihre jeweilige Tätigkeit in den Aufsichtsräten der S. GmbH, der B. GmbH und der W. GmbH in den Jahren 2005 bis 2014 und der Umstand, dass diese Zahlungen für Nebentätigkeiten der Klägerin nach den maßgeblichen beamtenrechtlichen Bestimmungen an die Beklagte als Dienstherrin abzuliefern sind, soweit sie die maßgeblichen Höchstbeträge übersteigen. Im Hinblick auf diese Umstände, hinsichtlich derer der Rat der Beklagten nach der Wertung des Oberverwaltungsgerichts ohne grobe Fahrlässigkeit hätte Kenntnis erlangen müssen, war der Beklagten zumindest die Erhebung einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Klägerin zur Ablieferung der die Höchstbeträge übersteigenden Aufsichtsratsvergütungen zumutbar. Unabhängig von dieser Feststellungsklage hätte die Beklagte ihre Ansprüche gegen die Klägerin auf Abrechnung und Ablieferung der Nebentätigkeitsvergütungen nach §§ 10 und 9 der Niedersächsischen Nebentätigkeitsverordnung vom 6. April 2009 (Nds. GVBl. S. 40 – NNVO -) geltend machen und sodann ihre Ansprüche auf Ablieferung nach § 9 NNVO beziffern oder eine Stufenklage erheben können.

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c) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin ferner die Frage an:

„Kommt es dann, wenn der beamtenrechtliche Ablieferungsanspruch des Dienstherrn von der Überschreitung bestimmter Höchstbeträge abhängt, für den Beginn des Laufs von Verjährungsfristen darauf an, dass der Dienstherr positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von dem Erreichen der Höchstbetragsgrenzen hat oder läuft die Verjährungsfrist auch dann an, wenn der Dienstherr keine Vorstellung darüber hat, ob die Höchstbetragsgrenzen des Nebentätigkeitsrechts erreicht oder überschritten werden?“

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Auch diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie in der Rechtsprechung bereits geklärt ist.

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Wie oben ausgeführt, beginnt die Verjährung bereits dann, wenn dem Gläubiger bei verständiger Würdigung der ihm bekannten Tatsachen zumindest die Erhebung einer Klage auf Feststellung zumutbar ist. Zumutbar ist die Erhebung einer Klage aber schon dann, wenn sie Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist (z. B. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – III ZR 196/14 – NVwZ 2016, 708 Rn. 15, vom 21. April 2005 – III ZR 264/04 – NVwZ 2006, 245, 248 und vom 6. Mai 1993 – III ZR 2/92 – BGHZ 122, 317 <325>). Dementsprechend kommt es auf die Frage des Erreichens oder der Überschreitung der Höchstbetragsgrenze nicht an, weil die genaue Höhe des Anspruchs für die Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Klägerin zur Ablieferung der die Höchstbeträge übersteigenden Aufsichtsratsvergütungen nicht relevant ist.

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d) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht die Beschwerde der Beklagten ferner in folgenden Fragen:

„Wie muss ein Verhalten des Schuldners beschaffen sein, damit nachfolgend die Erhebung der Einrede der Verjährung gegenüber einem Zahlungsanspruch des Gläubigers sich als treuwidrig darstellt? Genügt hierfür das bloße Schweigen trotz Bestehen einer gesetzlichen Aufklärungs- bzw. Mitteilungspflicht oder muss der Schuldner ein darüber hinausgehendes Verhalten entfalten, welches den Gläubiger von der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs abhält?“

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Auch diese Fragen lassen sich auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantworten, sodass es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

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§ 75d Satz 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes in der Fassung vom 19. Februar 2001 (Nds. GVBl. S. 72 – NBG 2001) verpflichtet den Beamten, unverzüglich nach Ablauf eines jeden Kalenderjahres seinem Dienstvorgesetzten eine Abrechnung über die Vergütungen für in dem Kalenderjahr ausgeübte Nebentätigkeiten i. S. v. § 75a Abs. 1 NBG 2001 vorzulegen. Für den Zeitraum ab dem 1. April 2009 bestimmt § 10 Abs. 1 NNVO die Pflichten des Beamten. Der Beamte hat die Vergütung gegenüber dem Dienstherrn abzurechnen, wenn die Vergütungen, die der Ablieferung unterliegen können, die in § 9 Abs. 2 und 3 NNVO bestimmten Höchstbeträge übersteigen. Die Berechnung ist dem Dienstherrn vorzulegen, soweit die Vergütungen die in § 9 Abs. 2 und 3 NNVO bestimmten Höchstbeträge übersteigen. Übersteigen die abzurechnenden Vergütungen diese Höchstbeträge nicht, so hat der Beamte dies bis zum 31. März des Folgejahres schriftlich zu versichern.

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Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erfordert im Hinblick auf die Einrede der Verjährung ein qualifiziertes Fehlverhalten des Schuldners, das nicht notwendig schuldhaft sein muss, das jedoch angesichts der Umstände des Einzelfalls die Einrede der Verjährung deshalb als treuwidrig erscheinen lässt, weil der Gläubiger veranlasst worden ist, seinerseits verjährungsunterbrechende oder verjährungshemmende Schritte zu unterlassen (BVerwG, Urteile vom 15. Juni 2006 – 2 C 14.05 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 12 Rn. 23 und vom 16. Juni 2020 – 2 C 20.19 – BVerwGE 168, 236 Rn. 46).

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Ob im Hinblick auf die aus § 75d Satz 1 NBG 2001 und § 10 Abs. 1 NNVO folgenden Verpflichtungen der Klägerin die Voraussetzungen für die Annahme der Treuwidrigkeit der Einrede der Verjährung seitens der Klägerin erfüllt sind, entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung. Denn in die Bewertung, ob die Berufung der Klägerin auf die Einrede der Verjährung als treuwidrig anzusehen ist, ist auch das Verhalten der Beklagten als Gläubigerin einzubeziehen. Zu beachten ist, aus welchen Gründen die Beklagte davon abgesehen hat, die Klägerin dazu anzuhalten, eine Abrechnung der ihr zugeflossenen Vergütungen vorzulegen. Außerdem ist zu bedenken, dass die Beklagte ohne Angaben der Klägerin einen die Verjährung unterbrechenden, auf Schätzung beruhenden Leistungsbescheid hätte erlassen können. Dies gilt sowohl für § 75a NBG 2001 als Rechtsgrundlage (BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 2001 – 2 C 61.00 – BVerwGE 115, 218 <222>) als auch für § 10 Abs. 3 NNVO.

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In der Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass die Einrede der Verjährung seitens des Beamten dann als unzulässige Rechtsausübung zu werten sein kann, wenn und soweit der Beamte selbst durch pflichtwidrig unzutreffende Angabe seiner Bruttoeinnahmen verhindert hat, dass der Dienstherr von dem weitergehenden Anspruch erfuhr und daraufhin Schritte zu dessen Geltendmachung und zur Unterbrechung der Verjährung unternehmen konnte (BVerwG, Urteil vom 12. März 1987 – 2 C 10.83 – Buchholz 237.0 § 87 BaWüLBG Nr. 1 S. 6 und vom 31. Oktober 2001 – 2 C 61.00 – BVerwGE 115, 218 <222>).

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e) Grundsätzliche Bedeutung kommt auch nicht den folgenden Fragen zu:

„Wenn das beamtenrechtliche Nebentätigkeitsrecht Höchstbeträge als Obergrenze regelt, die der Beamtin, dem Beamten aus der erzielten Nebentätigkeitsvergütung zu belassen sind, ist dann diese Obergrenze bezogen auf den Abrechnungsstichtag des jeweiligen Kalenderjahres anzuwenden oder auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Ablieferungsanspruchs? Falls bereits ein Teil der Ablieferungsansprüche des Dienstherrn verjährt ist, ist dann der verjährte Teil der Nebentätigkeitsvergütung bei der Berechnung der Höchstbeträge weiterhin mitzuberechnen oder beziehen sich die Höchstbeträge nur noch auf den unverjährten Teil des Ablieferungsanspruchs des Dienstherrn?“

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Wie den weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu entnehmen ist, geht es der Beklagten mit dieser Frage um das Zusammenspiel der Verjährungsvorschriften und der Belassungsgrenze. Diese Frage lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne der Vorgehensweise des Oberverwaltungsgerichts beantworten.

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§ 75a Abs. 1 NBG 2001 und § 9 Abs. 1 NNVO verpflichten den Beamten, sofern er für eine oder mehrere Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst Vergütungen erhält, die Vergütungen an den Dienstherrn insoweit abzuliefern, als sie für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Tätigkeiten die Höchstgrenze/Höchstbeträge übersteigen. Für die Bestimmung des Anspruchs des Dienstherrn auf Ablieferung der Vergütungen ist auf die Gesamtheit der dem Beamten im jeweiligen Kalenderjahr zufließenden Vergütungen abzustellen.

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Allerdings ist bei jeder einzelnen Vergütung eine isolierte Prüfung vorzunehmen, ob eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Ablieferung von Nebentätigkeitsvergütungen besteht (§ 75b Abs. 1 NBG 2001 und § 9 Abs. 5 NNVO) und ob eine spezielle Höchstgrenze oder ein spezieller Höchstbetrag maßgeblich ist (§ 75b Abs. 2 NBG 2001 und § 9 Abs. 3 NNVO). Gesondert für jede Nebentätigkeitsvergütung ist zu prüfen, ob im Zusammenhang mit der Nebentätigkeit Aufwendungen entstanden sind, weil diese von der erhaltenen Vergütung abzusetzen sind, sofern der Beamte für diese keinen Auslagenersatz erhalten hat (§ 75a Abs. 3 NBG 2001 und § 9 Abs. 4 NNVO).

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Bei der konkreten Bestimmung der Höhe des Ablieferungsanspruchs des Dienstherrn sind die einzelnen Nebentätigkeitsvergütungen auch im Hinblick auf die Einrede der Verjährung des Schuldners isoliert zu betrachten. Denn andernfalls wäre der Dienstherr bevorzugt, weil seine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis im Hinblick auf den Bezug einer oder mehrerer Nebentätigkeitsvergütungen ohne Folgen bliebe.

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Nach der von der Beklagten vertretenen Berechnungsweise werden sämtliche Nebentätigkeitsvergütungen ungeachtet der Frage einer Verjährung zusammengerechnet. Eine von der Beklagten propagierte Prüfung einer „partiellen“ Verjährung ist aber nicht möglich, weil hinsichtlich der Verjährung allein auf den Gesamtbetrag abgestellt wird, soweit dieser die Höchstgrenze und den Höchstbetrag übersteigt. Nach dieser Berechnungsweise wäre der Dienstherr in der – hier gegebenen – Konstellation, dass erst die Gesamtheit der Nebentätigkeitsvergütungen unter Einbeziehung solcher Nebentätigkeitsvergütungen, hinsichtlich derer dem Dienstherrn Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Gewährung an den Beamten anzulasten ist, die maßgebliche Höchstgrenze und den maßgeblichen Höchstbetrag übersteigt, erheblich bevorzugt. Denn der Dienstherr könnte den Ablieferungsanspruch hinsichtlich der Gesamtheit aller Nebentätigkeitsvergütungen durchsetzen, obwohl ihm einzelne Nebentätigkeiten des Beamten i. S. v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bekannt waren oder zumindest infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind. Die auf einzelne Nebentätigkeitsvergütungen bezogene Verjährungseinrede des Beamten ginge ins Leere, weil der Dienstherr davon profitierte, dass ihm hinsichtlich der Zahlung einer der Nebentätigkeiten nicht Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vorgehalten werden kann.

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f) Auch die Fragen, ob

„durch die Erfüllung eines beamtenrechtlichen Zahlungsanspruchs des Dienstherrn gegen den Beamten bereits vor Erlass eines Bescheides eine nachfolgende Festsetzung des Anspruchs ohne Leistungsgebot rechtswidrig wird und ob insoweit ein prozessualer Aufhebungsanspruch besteht“,

haben keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Sie lassen sich auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantworten (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 – 2 B 2.11 – NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 und vom 9. April 2014 – 2 B 107.13 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9).

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Für die Prüfung, ob eine aufgeworfene Frage grundsätzliche Bedeutung hat, sind allein die in der Beschwerdebegründung aufgeführten Aspekte von Bedeutung. Zur Erläuterung der von der Beklagten aufgeworfenen Frage wird in der Beschwerdebegründung auf Gepflogenheiten des Abgabenrechts hinsichtlich der Unterscheidung zwischen dem Festsetzungs- und dem Leistungsbescheid sowie auf die Zweckmäßigkeit der Trennung zwischen diesen Bescheiden insbesondere im Hinblick auf vom Schuldner im laufenden Kalenderjahr erbrachte Vorauszahlungen verwiesen.

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Für die Frage, zu welchen Regelungen i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG bzw. der entsprechenden landesrechtlichen Norm die Verwaltung jeweils ermächtigt ist, ist die für das Rechtsgebiet maßgebliche Ermächtigungsgrundlage entscheidend. Die hier für die Verpflichtung des Beamten zur Ablieferung von Nebentätigkeitsvergütungen maßgeblichen Rechtsnormen kennen den im Abgabenrecht aufgrund der dortigen Rechtsgrundlagen praktizierten Unterschied zwischen Festsetzungsbescheid und Leistungsbescheid jedoch nicht. Für den Zeitraum bis Ende des Monats März 2009 ist für die Verpflichtung des Beamten zur Ablieferung von Vergütungen für Nebentätigkeiten § 75a Abs. 1 NBG 2001 maßgeblich. Diese Vorschrift ermächtigt die zuständige Behörde zur Festsetzung des vom Beamten abzuliefernden Betrags (BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 2001 – 2 C 61.00 – BVerwGE 115, 218 <221>). Auch die Vorschriften der Nebentätigkeitsverordnung berechtigen den Dienstherrn allein zur Festsetzung des vom Beamten zu zahlenden Geldbetrags (§ 10 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 NNVO).

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3. Das Berufungsurteil leidet auch nicht an den von der Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängeln.

31

a) Die Rüge, das Berufungsurteil sei hinsichtlich der Aufhebung des im „Festsetzungsbescheid enthaltenen Zahlungsanspruchs der Beklagten“ i. S. v. § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, weil in der Urteilsbegründung nicht dargelegt sei, weshalb ein solcher Aufhebungsanspruch bestehen sollte, ist unbegründet.

32

Für die Begründetheit einer Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt ist nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO u. a. entscheidend, ob die maßgebliche Ermächtigungsgrundlage die Behörde zum Erlass der den Adressaten belastenden Regelungen ermächtigt. Berechtigen die Grundlagen des § 75a Abs. 1 NBG 2001 und § 10 NNVO die Behörde aber nicht zu einem getrennten Festsetzungs- und Leistungsbescheid, sondern lediglich zur Festsetzung des vom Beamten zu zahlenden Betrags und hat der Beamte vor der Bekanntgabe den als geschuldet festgesetzten Betrag bereits gezahlt, ist der „Festsetzungs- und Leistungsbescheid“ ohne Weiteres insgesamt rechtswidrig, verletzt den Adressaten in seinen Rechten und ist nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vollständig aufzuheben.

33

b) Unbegründet ist auch die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe im Hinblick auf den Festsetzungsbescheid zu Unrecht die Klagebefugnis der Klägerin angenommen. Denn es ist nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass die Klägerin durch die „Festsetzung von unverjährten Ablieferungsansprüchen“ – neben der Verpflichtung zur Zahlung von 39 000 € – durch die Beklagte in Höhe von 51 120 € in ihren Rechten verletzt wird.

34

c) Unbegründet ist ferner die Rüge, das Berufungsgericht habe gegen § 88 VwGO verstoßen, weil es das Klagebegehren dahingehend ausgelegt habe, dass auch ein solcher Teil des Festsetzungsbescheids aufgehoben werden sollte, der die Klägerin nicht in eigenen Rechten verletze. Das Oberverwaltungsgericht ist nicht über das Klagebegehren der Klägerin hinausgegangen. Sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Oberverwaltungsgericht hat die Klägerin beantragt, den „Festsetzungs- und Leistungsbescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2015“ aufzuheben.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.