Unterhaltsleistungen an die ehemalige Lebensgefährtin und Mutter eines gemeinsamen Kindes (Beschluss des BFH 10. Senat)

BFH 10. Senat, Beschluss vom 09.06.2022, AZ X B 15/21, ECLI:DE:BFH:2022:B.090622.XB15.21.0

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 10 Abs 1a Nr 1 EStG 2009 vom 22.12.2014, § 10 Abs 1 Nr 1 EStG 2009 vom 25.07.2014, § 1615l BGB, Art 3 Abs 1 GG

Leitsatz

NV: Auch nach der Reform des Unterhaltsrechts zum 01.01.2008 und dem Beschluss des BVerfG vom 07.05.2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07 (BVerfGE 133, 377) zum Splittingtarif bei eingetragenen Lebenspartnerschaften ist eine Ausweitung des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG auf Unterhaltsleistungen an ehemalige Lebensgefährten und Eltern eines gemeinsamen Kindes verfassungsrechtlich nicht geboten.

Verfahrensgang

vorgehend FG München, 19. Januar 2021, Az: 12 K 3231/17, Urteil

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 19.01.2021 – 12 K 3231/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wird im Streitjahr 2016 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er ist der Vater eines am ……2007 geborenen Sohnes und einer am ……2012 geborenen Tochter. Beide Kinder leben bei der Mutter (Kindesmutter), seiner ehemaligen Lebensgefährtin.

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Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Unterhaltsleistungen in Höhe von 9.600 € als Sonderausgaben geltend und reichte eine von der Kindesmutter unterschriebene Anlage U auf Nachfrage des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt –FA–) nach. Das FA berücksichtigte diese Aufwendungen nicht. Eine Behandlung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG) lehnte der Kläger ausdrücklich ab.

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Im Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerfestsetzung machte der Kläger geltend, die unterbliebene Berücksichtigung der gezahlten Unterhaltsleistungen an seine ehemalige Lebensgefährtin als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG führe zu einer verfassungswidrigen Diskriminierung.

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Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

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Im anschließenden Klageverfahren wies der Kläger darauf hin, dass er gegenüber der Kindesmutter Betreuungsunterhalt zu tragen habe, der im Rahmen des sog. Realsplittings auch bei getrennt lebenden Nichtverheirateten zu berücksichtigen sei.

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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Kläger, der die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG nicht erfülle, sei auch nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Gleichstellung nichtehelicher Kinder nicht einem Steuerpflichtigen vergleichbar, der Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten leiste. Dies sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den wortgleich bis Ende 2014 geltenden § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F. geklärt.

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Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Rechtsfortbildung und wegen Divergenz zum Verfassungsrecht.

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Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

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a) Macht ein Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend, so hat er eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dazu ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Darüber hinaus muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Es muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 20.01.2022 – X B 132-133/20, BFH/NV 2022, 734, Rz 10, m.w.N.).

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Dies gilt insbesondere, wenn die vom Kläger problematisierte Rechtslage vom Bundesfinanzhof (BFH) bereits für nicht verfassungswidrig gehalten worden ist. Denn gerade in einem solchen Fall muss zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage erläutert werden, warum eine erneute Klärung der Frage geboten sein könnte. Wenn die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe bei erneuter Überprüfung durch den BFH eine abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen, muss die Nichtzulassungsbeschwerde abschlägig beschieden werden (vgl. nur BFH-Beschluss vom 30.09.2021 – VIII B 138/20, BFH/NV 2022, 111, Rz 4, m.w.N.).

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b) Im vorliegenden Fall bestehen schon erhebliche Zweifel des Senats, ob der Kläger den Darlegungsanforderungen entsprechend eine abstrakte Rechtsfrage nicht nur aufgeworfen, sondern auch die grundsätzliche Bedeutung substantiiert dargestellt hat. Dies kann allerdings letztlich dahinstehen, da die vom Kläger zumindest ansatzweise als grundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage, ob nach der familienrechtlichen Angleichung der Unterhaltsverpflichtungen von Vätern gegenüber nicht mit ihnen verheirateten Müttern in § 1615l Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im Vergleich zu denen gegenüber dem geschiedenen unterhaltsberechtigten Elternteil, auch eine Erweiterung der Sonderausgabenabzugsmöglichkeit nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG nötig sei, höchstrichterlich geklärt ist.

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aa) Zwar reicht es für eine solche Klärung nicht aus, dass ältere Rechtsprechung des BFH vorliegt, aber nicht auszuschließen ist, dass eine grundsätzliche Bedeutung aufgrund einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung erneut gegeben sein kann. Allerdings ist eine Rechtsfrage dann als geklärt anzusehen, wenn auf den Sachverhalt die durch die bisherige Rechtsprechung als geklärt anzusehenden Rechtsgrundsätze anzuwenden sind und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar werden, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 08.06.2018 – X B 112/17, BFH/NV 2018, 1086, Rz 9, m.w.N.). Dies gilt auch, wenn bei einer gesetzlichen Neuregelung eines Sachverhalts in das neue Gesetz Tatbestandsmerkmale übernommen werden, zu denen bereits eine feststehende höchstrichterliche Rechtsprechung besteht (BFH-Beschluss vom 04.05.1999 – IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587, unter 1.).

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bb) Vorliegend ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage bereits aufgrund der bestehenden BFH-Rechtsprechung zur Anwendung des Realsplittings nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F. (heute: § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG) geklärt. Das Realsplitting ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen trotz der Angleichungen im Familienrecht nicht auf Unterhaltsleistungen an eine nicht verheiratete Mutter nach § 1615l Abs. 2 BGB auszuweiten.

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(1) Bereits im Senatsbeschluss vom 13.03.1995 – X B 158/94 (BFH/NV 1995, 777) ist dargelegt, dass für die unterschiedliche Behandlung von Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten (oder Lebenspartner) und von Unterhaltsleistungen an die ledige Mutter oder den ledigen Vater hinreichende sachliche Gründe gegeben sind. Sie sind in dem Wegfall des Splittings nach § 32a Abs. 5 EStG in Verbindung mit den weiterbestehenden Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten (oder Lebenspartner) zu sehen (ebenso BFH-Beschluss vom 14.05.2007 – III B 98/06, BFH/NV 2007, 1528, unter II.1.). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) liegt deshalb nicht vor (so auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 30.04.1998 – 2 BvR 1033/95, Steuer-Eildienst 1998, 386).

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(2) Darüber hinaus ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, das Realsplitting auszuweiten. Soweit das BVerfG im Beschluss vom 28.02.2007 – 1 BvL 9/04 (BVerfGE 118, 45) eine Angleichung der Unterhaltssituation unverheirateter Mütter und Väter bei der Betreuung ihrer Kinder aus einer früheren Lebensgemeinschaft an diejenige Geschiedener verlangte, betrifft dies lediglich die Frage der Ausgestaltung der jeweiligen Unterhaltsansprüche. Eine steuerrechtliche Folgerung ergibt sich hieraus gerade nicht. Auch hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 07.05.2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07 (BVerfGE 133, 377, unter C.II.1.) noch einmal herausgestellt, dass der besondere Schutz, unter den Art. 6 Abs. 1 GG die Ehe als besondere Verantwortungsbeziehung stelle, deren Besserstellung zwar nicht im Verhältnis zu einer rechtlich geordneten Lebensgemeinschaft, also einer Lebenspartnerschaft, rechtfertige, gleichwohl aber gegenüber einer –wie hier vorliegend– rechtlich nicht verbindlichen Partnerbeziehung.

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2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen.

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Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO setzt voraus, dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen „zur Fortbildung des Rechts“ zu entscheiden ist. Dieser Zulassungsgrund konkretisiert den der Nr. 1 (BFH-Beschluss vom 10.11.2010 – VIII B 159/09, BFH/NV 2011, 300). Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten Darlegungsanforderungen (Senatsbeschluss vom 22.03.2011 – X B 165/10, BFH/NV 2011, 985, Rz 3, m.w.N.). Vorliegend fehlt es deshalb auch insoweit an der Klärungsbedürftigkeit.

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3. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) verlangt, fehlt es bereits an der Darlegung einander widerstreitender Rechtssätze. Der Kläger stellt lediglich in Ergänzung seiner Ansicht, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, heraus, sie müsse auch wegen Divergenz zum Verfassungsrecht zugelassen werden und weist auf den nach seiner Ansicht gegebenen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 5 GG hin. Im Übrigen liegt eine solche Divergenz, wie unter II.1. dargelegt, aufgrund der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vor.

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4. Der Kläger rügt im Rahmen seiner Beschwerde auch, das FG habe entgegen seinem Antrag die Rechtssache nicht dem BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 13 Nr. 11 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vorgelegt. Insoweit macht er jedoch keinen Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend, der zur Zulassung der Revision führen könnte. Denn die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen ist eine materiell-rechtliche Frage (BFH-Beschluss vom 18.05.2011 – VII B 195/10, BFH/NV 2011, 1743, Rz 11, m.w.N.).

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Die Verletzung der Vorlagepflicht berührt zudem nicht das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG), so dass auch kein Verstoß i.S. des § 119 Nr. 1 FGO gegeben ist. Das FG ist nur verpflichtet, eine Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält (Art. 100 Abs. 1 GG). Ist dies –wie hier– nicht der Fall, kommt eine Vorlage an das BVerfG nicht in Betracht (vgl. nur BFH-Beschluss vom 01.08.2002 – VII B 35/02, BFH/NV 2002, 1499, unter II.4.k).

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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6. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.