Beschluss des BVerwG 5. Senat vom 30.06.2022, AZ 5 PB 16/21, 5 PB 16/21 (5 P 5/22)

BVerwG 5. Senat, Beschluss vom 30.06.2022, AZ 5 PB 16/21, 5 PB 16/21 (5 P 5/22), ECLI:DE:BVerwG:2022:300622B5PB16.21.0

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 24. August 2021, Az: 6 L 1/20, Beschluss
vorgehend VG Halle (Saale), 29. Oktober 2019, Az: 10 A 7/18 HAL, Beschluss

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss vom 24. August 2021 aufgehoben und die Rechtsbeschwerde zugelassen, soweit sie die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. Oktober 2019 zum Gegenstand hat. Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde verworfen.

Gründe

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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 24. August 2021 hat nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg.

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1. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist gemäß § 78 Abs. 2 PersVG LSA i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG wegen Divergenz insoweit zuzulassen, als der angefochtene Beschluss über die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. Oktober 2019 entscheidet. Denn insoweit weicht das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt im Sinne der vorgenannten Bestimmungen von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen ab und beruht auf dieser Abweichung.

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a) Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt ist im Anschluss an die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. Januar 2021 – 17 LP 2/20 – ZfPR 2021, 71) der Auffassung, dass die Rückkehr von Beschäftigten (Arbeitnehmern/Beamten) zu einem Jobcenter auf die von ihnen vor einer längerfristigen Abordnung zu einer anderen Dienststelle innegehabten Stelle keine erneute mitbestimmungspflichtige Zuweisung darstelle, weil die ursprüngliche Zuweisung durch die Abordnung nur unterbrochen werde und für den Zeitraum der Abwesenheit ruhe. Demgegenüber nimmt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen an, die Abordnung eines in einem Jobcenter eingesetzten Beschäftigten zu einer anderen Dienststelle beende die bis dahin bestehende Zuweisung von Tätigkeiten beim Jobcenter (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 17. Oktober 2017 – 20 A 2477/16.PVB – PersR 2018, Nr. 6, 60 <61 f.>).

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b) Eine Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist grundsätzlich möglich. Sie setzt voraus, dass die Beschränkung sich auf einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs bezieht, auf den auch der Verfahrensbeteiligte die Rechtsbeschwerde beschränken könnte. Eine Beschränkung auf einzelne Anspruchsgrundlagen oder Rechtsfragen ist dagegen nicht möglich; sie ist ohne rechtliche Bedeutung und führt zur unbeschränkten Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Oktober 1987 – 2 B 68.87 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 252 S. 2 f. und vom 8. September 2015 – 5 PB 13.15 (5 P 6.15) – juris Rn. 6, jeweils m. w. N.; s. a. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2017 – 5 P 6.15 – juris Rn. 7). In Anwendung dieses Maßstabs kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf den Teil des angefochtenen Beschlusses beschränkt werden, der sich zur Beschwerde des Beteiligten und damit zu der vom Antragsteller begehrten Feststellung der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts bei Zuweisungen nach § 75 Abs. 1 Nr. 4a, § 76 Abs. 1 Nr. 5a BPersVG a. F. sowie seines Mitbestimmungsrechts beim Absehen von der Ausschreibung von Dienstposten, die besetzt werden sollen nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG a. F. verhält.

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Die Divergenz wirkt sich auch auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts betreffend die Verletzung des Mitbestimmungsrechts beim Absehen von der Ausschreibung von Dienstposten aus. Das Oberverwaltungsgericht hält diesen Mitbestimmungstatbestand unter Berücksichtigung der seiner Ansicht nach fehlenden erneuten Zuweisung für nicht gegeben, weil eine Ausschreibung (tatsächlich) nicht vorgesehen und (rechtlich) nicht notwendig sei. Es nimmt damit der Sache nach an, dass in den streitgegenständlichen Fallkonstellationen infolge der fortwirkenden erstmaligen Zuweisung kein freier Dienstposten besetzt werden solle.

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Demgegenüber hat die Divergenz keine Auswirkungen auf den Teil des angefochtenen Beschlusses, der die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. Oktober 2019 und damit die Prüfung der Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei Eingruppierungen nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 3 BPersVG a. F. (§ 78 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 BPersVG) aus Anlass der Rückkehr des Arbeitnehmers S. zum Jobcenter Halle am 1. Januar 2019 und der Verlängerung der Abordnung der Arbeitnehmerin Sc. zur Agentur für Arbeit Halle und deren Zuweisung zum Jobcenter Halle vom 19. August bis zum 31. Dezember 2018 zum Gegenstand hat. Die Entscheidung über das Mitbestimmungsrecht bei Zuweisungen ist für die Entscheidung über das Mitbestimmungsrecht bei Eingruppierungen nicht materiell-rechtlich vorgreiflich. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass unter Eingruppierung im Sinne der vorgenannten Vorschrift ebenso wie der Parallelbestimmungen in anderen Personalvertretungsgesetzen die Einreihung des Arbeitnehmers in ein kollektives Entgeltschema zu verstehen und die Mitbestimmung des Personalrats nicht auf die erstmalige Eingruppierung aus Anlass der Einstellung eines Arbeitnehmers beschränkt ist, sondern sich auch auf die Überprüfung einer bestehenden Eingruppierung aus Anlass einer wesentlichen Veränderung der Eingruppierungssituation erstreckt. Eine solche ist – wie auch das Oberverwaltungsgericht angenommen hat – bei einer wesentlichen Veränderung des Aufgabenkreises eines eingruppierten Arbeitnehmers gegeben. Sie liegt darüber hinaus vor, wenn – was hier weder festgestellt wurde noch vom Antragsteller geltend gemacht wird – bei gleichbleibender Tätigkeit des Arbeitnehmers ein neues Entgeltschema zur Anwendung kommt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2021 – 5 P 3.20 – ZTR 2022, 258 Rn. 13 f. m. w. N.). Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs ist die Rückkehr von Beschäftigten an das Jobcenter nach einer Abordnung unter dem Gesichtspunkt der Zuweisung und dem Gesichtspunkt der Eingruppierung jedenfalls in den Fällen jeweils selbstständig zu beurteilen, in denen während der Abwesenheit des Beschäftigten – wie hier – kein neues Entgeltschema zur Anwendung gekommen ist. Gegenteiliges wird vom Antragsteller weder behauptet noch dargelegt.

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2. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist zu verwerfen, soweit der angefochtene Beschluss die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. Oktober 2019 zum Gegenstand hat. Denn hierzu hat der Antragsteller weder einen Zulassungsgrund nach § 92 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ArbGG geltend gemacht noch den Anforderungen des § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ArbGG entsprechend darlegt.

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Die vom Antragsteller – neben der vorstehend erörterten Divergenz – geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 2 PersVG LSA i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) bezieht sich ebenfalls allein auf den – wie dargelegt – selbstständigen abtrennbaren Teil des angefochtenen Beschlusses, welcher die Beschwerde des Beteiligten zum Gegenstand hat. Der Antragsteller knüpft mit der von ihm für grundsätzlich klärungsbedürftig formulierten Frage, ob es sich bei der Rückkehr von bereits einer gemeinsamen Einrichtung zugewiesenen Beschäftigten auf ihren Arbeitsplatz/Dienstposten in der gemeinsamen Einrichtung nach Abordnung zu einer anderen Dienststelle um eine (erneute) Zuweisung nach § 44g Abs. 1 Satz 1 SGB II handele, welche der Zustimmung des Geschäftsführers der gemeinsamen Einrichtung und der Mitbestimmung des Personalrats der gemeinsamen Einrichtung unterliege, ausdrücklich an den Rechtssatz an, welcher der Divergenz zugrunde liegt. Er legt nicht dar, dass und inwieweit die im Hinblick auf die Zuweisung nach § 44g Abs. 1 Satz 1 SGB II aufgeworfene Frage für die Entscheidung über die Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei Eingruppierungen von Bedeutung sein könnte. Seine weiteren Ausführungen zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung sind vielmehr – ebenso wie die Ausführungen zum Zulassungsgrund der Divergenz – auf den Mitbestimmungstatbestand der Zuweisung zugeschnitten und begrenzt. Ein weiterer Zulassungsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG wird vom Antragsteller nicht geltend gemacht.