Befugnisse eines registrierten Erlaubnisinhabers nach § 3 Abs. 2 Satz 2 RDGEG im Bereich des Schwerbehindertenrechts (Urteil des BVerwG 8. Senat)

BVerwG 8. Senat, Urteil vom 19.07.2022, AZ 8 C 10/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:190722U8C10.21.0

Leitsatz

Ein aufgrund einer Alterlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG) registrierter Erlaubnisinhaber im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 RDGEG hat, wenn er mangels Vertretungsbefugnis in einem bestimmten Rechtsgebiet als Vertreter zurückgewiesen wird, gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Umfangs seiner Vertretungsbefugnis gemäß § 3 Abs. 2 RDGEG.

Verfahrensgang

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 24. August 2020, Az: 9 S 1944/19, Urteil
vorgehend VG Karlsruhe, 25. Januar 2019, Az: 3 K 286/17, Urteil

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Beklagte erteilte dem Kläger am 15. Dezember 1993 auf der Grundlage des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung für den Sachbereich Rentenberatung beschränkt auf die gesetzliche Rentenversicherung. Am 27. März 1995 erweiterte der Beklagte die Erlaubnis auf die Sachbereiche gesetzliche Unfallversicherung, gesetzliche Krankenversicherung, gesetzliche Pflegeversicherung und Versorgungs- und Schwerbehindertenrecht. Am 15. Dezember 2008 wurde der Kläger im Rechtsdienstleistungsregister registriert.

2

Der Kläger wird seit 2016 von den Sozialgerichten im Gebiet des Beklagten gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Bevollmächtigter in Verfahren des Schwerbehindertenrechts ohne Bezug zu einer gesetzlichen Rente zurückgewiesen, da es ihm insoweit an der Vertretungsbefugnis fehle.

3

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass die mit Verfügung des Präsidenten des Landgerichts Karlsruhe vorgenommene Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister ihm die Befugnis verleiht, gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 RDGEG als Bevollmächtigter in sozialgerichtlichen Verfahren des Schwerbehindertenrechts ohne Bezug zu einer gesetzlichen Rente auftreten zu dürfen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dieses Urteil geändert und die begehrte Feststellung getroffen. Die Feststellungsklage sei zulässig und begründet. Die Registrierung umfasse die vom Kläger in Anspruch genommene Befugnis. Dies ergebe sich aus der ihm erteilten Erlaubnis, bei deren Auslegung es auf den objektiven Erklärungsinhalt ankomme. Entscheidend seien hierbei die für den Kläger erkennbaren Umstände zum Zeitpunkt ihrer Erteilung. Dem Wortlaut der Rechtsberatungserlaubnis und dem Wortlaut der Registrierung seien keine Begrenzungen der Vertretungsbefugnis im Bereich des Schwerbehindertenrechts zu entnehmen.

4

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, die Klage sei unzulässig. Es fehle sowohl am Feststellungsinteresse als auch am Rechtsschutzbedürfnis.

5

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24. August 2020 zu ändern und die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25. Januar 2019 zurückzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil.

8

Die Vertreterin des Bundesinteresses verweist auf die amtliche Begründung zu § 1 Abs. 3 Satz 3 RDGEG in der seit 1. Oktober 2021 geltenden Fassung. Daraus ergebe sich, dass dem Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen sei.

Entscheidungsgründe

9

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit (1.) und die Begründetheit (2.) der Feststellungsklage zu Recht bejaht.

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1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist gegeben. Darunter sind die sich aus einer Rechtsnorm ergebenden rechtlichen Beziehungen zwischen natürlichen und juristischen Personen zu verstehen, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Die Rechtsbeziehungen müssen entweder durch die Norm selbst oder mittels eines dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Rechtsgeschäfts konkretisiert sein. Sie haben sich dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen absehbaren Sachverhalt streitig ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 8. Dezember 1995 – 8 C 37.93 – BVerwGE 100, 83 <90> und vom 26. Januar 1996 – 8 C 19.94 – BVerwGE 100, 262 <264>). Kann eine besondere Rechtsposition, die ein Verwaltungsakt vermittelt, in Zweifel gezogen werden, ist dies als Rechtsverhältnis einer verwaltungsgerichtlichen Feststellung zugänglich (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1986 – 7 C 5.85 – Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 89 S. 30). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beteiligten streiten über die aus dem Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz folgende Regelungswirkung der dem Kläger erteilten Erlaubnisse und seiner Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister. Sie sind sich über die Reichweite der Rechtswirkungen dieser Maßnahmen – namentlich gegenüber den Sozialgerichten – uneinig.

12

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Nach ständiger Rechtsprechung ist es bei jedem als schutzwürdig anzuerkennenden Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art gegeben. Hier liegt es vor, weil der Kläger ein Interesse an der Klärung des Umfangs seiner Befugnisse bei der grundrechtlich geschützten Ausübung seines Berufs als Rentenberater hat.

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Seinem Rechtsschutzbedürfnis steht nicht entgegen, dass die Klage die Reichweite seiner Vertretungsbefugnis vor den Sozialgerichten zum Gegenstand hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine verwaltungsgerichtliche Klage nur dann, wenn der Erfolg der Klage die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern würde; dabei muss die Nutzlosigkeit der Klage eindeutig sein. Sie ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht daraus, dass eine verwaltungsgerichtliche Klärung der Regelungswirkung, die die Registrierung des Klägers entfaltet, keine Auswirkungen auf seine Rechtsstellung gegenüber den Sozialgerichten haben könnte. Das kann zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats schon deswegen nicht angenommen werden, weil die zwischenzeitlich in Kraft getretene Änderung des § 1 Abs. 3 Satz 3 und 4 RDGEG durch das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3415) eine Bindungswirkung von Registrierungsentscheidungen gegenüber allen Behörden und Gerichten (vgl. BT-Drs. 19/30495, S. 18 f.) bezweckt. Die begehrte verwaltungsgerichtliche Feststellung des Regelungsumfangs der dem Kläger erteilten Erlaubnisse und seiner Registrierung könnte daher auch zu einer Verbesserung seiner Rechtsstellung gegenüber den Sozialgerichten beitragen.

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2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf die begehrte Feststellung bejaht.

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Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RDGEG stehen registrierte Erlaubnisinhaber unter anderem nach § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis gestattet war; in diesem Fall ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekannt zu machen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 RDGEG). Die Voraussetzungen einer derartigen gesetzlichen Gleichstellung sind im Falle des Klägers erfüllt.

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Der Kläger ist zusätzlich zu seiner Registrierung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 RDGEG als Erlaubnisinhaber nach § 1 Abs. 3 Satz 2 RDGEG registriert und damit registrierter Erlaubnisinhaber im Sinne der zuletzt genannten Norm. Denn er ist Inhaber einer Erlaubnis als Rentenberater nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RBerG, dessen Befugnisse über die in § 10 Abs. 1 RDG geregelten Befugnisse hinausgehen.

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Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG dürfen natürliche und juristische Personen Rechtsdienstleistungen im Bereich der Rentenberatung unter anderem auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts – nur – mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente erbringen. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die dem Kläger erteilten Erlaubnisse nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RBerG diese Beschränkung auf Verfahren mit Rentenbezug nicht enthalten und dies auch für die Registrierung der Erlaubnisse gilt. Diese Auslegung der betreffenden Verwaltungsakte lässt keinen Verstoß gegen revisibles Recht erkennen. Die Befugnisse des Klägers reichen damit kraft der ihm erteilten Erlaubnisse weiter als die gesetzlich (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG) vorgesehenen Befugnisse eines Rentenberaters, weil sie auch die Verfahren im Bereich des Schwerbehindertenrechts ohne Bezug zu einer gesetzlichen Rente umfassen.

18

Nicht nur die Erlaubnis, sondern auch die daran anknüpfende Registrierung des Klägers stellt einen Verwaltungsakt dar, der unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit wirksam ist (vgl. zur Registrierung BSG, Urteil vom 24. September 2020 – B 9 SB 2/18 R – BSGE 131, 42 Rn. 48 ff.), sofern – wie hier – keine Nichtigkeitsgründe vorliegen. Den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nichts entnehmen, was gegen die Wirksamkeit der Registrierung spricht. Sie bindet den Beklagten als Träger der Registrierungsbehörde. Ob und in welchem Umfang nach aktueller Rechtslage weitere Behörden und Gerichte an die Registrierung gebunden sind (eine derartige „Drittwirkung“ für die Rechtslage vor dem 1. Oktober 2021 verneinend BSG, Urteil vom 24. September 2020 – B 9 SB 2/18 R – BSGE 131, 42 Rn. 52 ff.), muss in diesem Revisionsverfahren nicht abschließend beantwortet werden.

19

Allerdings spricht vieles dafür, dass seit dem Inkrafttreten des § 1 Abs. 3 Satz 3 und 4 RDGEG in der Fassung des Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3415) die Registrierung Bindungswirkung für alle Gerichte und Behörden entfaltet. Mit der Neuregelung, die am 1. Oktober 2021 in Kraft getreten ist (Art. 9 des vorgenannten Gesetzes), soll klargestellt werden, dass sich aus dem Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz ein Letztentscheidungsrecht der Registrierungsbehörde ergibt. Die damit erzielte Bindungswirkung der Registrierung gegenüber jedem Gericht und jeder Behörde soll für alle Beteiligten Rechtssicherheit schaffen (vgl. BT-Drs. 19/30495, S. 19). Diese gesetzgeberische Klarstellung erfolgte als ausdrückliche Reaktion auf die bisherige Rechtsprechung, die ein derartiges Letztentscheidungsrecht der Registrierungsbehörde verneint hat (vgl. BT-Drs. 19/30495, S. 18 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. September 2020 – B 9 SB 2/18 R – BSGE 131, 42 Rn. 52 ff.). Wie die Beteiligte zutreffend ausführt, legt die gesetzgeberische Zwecksetzung ein Verständnis des § 3 Abs. 2 RDGEG nahe, nach dem eine erteilte Erlaubnis und deren Registrierung ebenfalls Bindungswirkung gegenüber allen Gerichten und Behörden entfalten. Eine solche Auslegung stünde im Einklang mit dem Anliegen des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz, für alle registrierten Erlaubnisinhaber den bisherigen Status Quo zu wahren und ihnen eine Prozessvertretung in dem Umfang zu ermöglichen, der ihrer Zulassung entspricht (vgl. BT-Drs. 16/3655, S. 79). Ob sie zutrifft, bedarf jedoch hier keiner Entscheidung, weil das Berufungsgericht die Frage einer „Drittbindungswirkung“ der Registrierung ausdrücklich offengelassen hat (UA S. 27). Es kann daher nicht auf Annahmen zur Erstreckung der Bindungswirkung auf alle Gerichte und Behörden beruhen.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.