Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen familiengerichtliche Entscheidungen (Ablehnung der Übertragung des Sorgerechts auf den Vater) – mangelnde Darlegung einer möglichen Verletzung des Elternrechts (Art 6 Abs 2 S 1 GG) – möglicherweise strengere Anforderungen an den Verzicht auf eine Kindesanhörung durch die Neuregelung des § 68 Abs 5 Nr 1 FamFG in Verfahren, die die Aufrechterhaltung einer Trennung des Kindes von seinen Eltern zum Gegenstand haben (Nichtannahmebeschluss des BVerfG 1. Senat 3. Kammer)

BVerfG 1. Senat 3. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 13.07.2022, AZ 1 BvR 580/22, ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20220713.1bvr058022

Art 6 Abs 2 S 1 GG, Art 6 Abs 3 GG, § 1592 BGB, § 1696 BGB, § 68 Abs 3 S 2 FamFG

Verfahrensgang

vorgehend OLG Köln, 15. Februar 2022, Az: 27 UF 149/21, Beschluss
vorgehend AG Siegburg, 10. November 2021, Az: 311 F 6/21, Beschluss

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft familiengerichtliche Entscheidungen, in denen die Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer abgelehnt wurde.

I.

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1. Der Beschwerdeführer ist der leibliche Vater eines im August 2011 geborenen Sohnes. Die Trennung von der Mutter erfolgte bereits vor der Geburt des Kindes. Bislang hat er mit seinem Sohn nicht zusammengelebt und hatte auch nie das Sorgerecht für diesen inne. Die Mutter heiratete 2012 einen anderen Mann; aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Nach Trennung der Eheleute und Scheidung der Ehe verblieben der Sohn des Beschwerdeführers und seine Halbschwester zunächst bei der Mutter, wechselten später aber beide in den Haushalt von deren (früherem) Ehemann. Seitdem lebt der Sohn dort. Der Mutter wurde das Sorgerecht für den Sohn des Beschwerdeführers entzogen und das Jugendamt zum Vormund bestellt. In der Vergangenheit war es bereits zu mehreren familiengerichtlichen Verfahren gekommen, in denen der Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Sohn geregelt wurde.

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2. Im der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren beantragte der Beschwerdeführer erfolglos, ihm die alleinige Sorge für seinen Sohn zu übertragen und diesen an ihn herauszugeben. Das Familiengericht hörte die Verfahrensbeteiligten sowie den Sohn persönlich an und holte ein Sachverständigengutachten ein. In seinem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen, den Antrag des Beschwerdeführers zurückweisenden Beschluss vom 10. November 2021 führte es aus, die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB für einen Wechsel des Sohnes in den Haushalt des Beschwerdeführers lägen nicht vor. Vor allem die Grundsätze der Kontinuität und Stabilität sprächen für einen Verbleib des Sohnes im Haushalt der Pflegeeltern (dem früheren Ehemann der Mutter und dessen jetziger Ehefrau). Zwar attestiere das Sachverständigengutachten sowohl den Pflegeeltern als auch dem Beschwerdeführer die Fähigkeit zu grundlegender Versorgung und Förderung des Sohnes. Allerdings sei der Wechsel in den Haushalt des Beschwerdeführers wegen dessen deutlich eingeschränkten emotionalen Kompetenzen (u.a. dem Vorrang der eigenen Bedürfnisse, der erheblichen Bindungsintoleranz und der Instrumentalisierung des Kindes) mit einem signifikanten Risiko für die Bindungen und die weitere sozio-emotionale Entwicklung des Sohnes verbunden.

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Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Oberlandesgericht ohne Anhörung des Beschwerdeführers und seines Sohnes mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 15. Februar 2022 zurück. Das Familiengericht habe in Ergebnis und Begründung zutreffend und in Übereinstimmung mit den Einschätzungen der fachlich Beteiligten eine Änderung der vorhandenen Regelung zur elterlichen Sorge nach § 1696 BGB abgelehnt. Von der erneuten mündlichen Verhandlung habe nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen werden können. Insbesondere eine erneute Kindesanhörung erscheine nicht geboten, weil diejenige vor dem Familiengericht nicht lange zurückliege und deren Ergebnisse in einem ausführlichen Vermerk niedergelegt seien. Zudem habe der Sohn die Anhörung als sehr belastend empfunden. Jugendamt und Verfahrensbeistand hielten regelmäßig Kontakt zu ihm und hätten seine Wünsche und Bedürfnisse in ihren Berichten übermittelt.

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3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geltend. Die fachgerichtlichen Entscheidungen würden den verfassungsrechtlichen Maßstäben dazu, unter welchen Voraussetzungen ein Kind aus dem Haushalt von Pflegeeltern zu seinen leiblichen Eltern wechselt, nicht gerecht. Eine Zusammenführung des Beschwerdeführers mit seinem Sohn entspreche dem Kindeswohl. Insbesondere die von den Fachgerichten betonte Kontinuität der Lebensverhältnisse stehe dem Wechsel zum Beschwerdeführer nicht im Wege.

II.

6

Die Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer zeigt nicht die Möglichkeit auf, durch die Entscheidungen des Familien- und des Oberlandesgerichts in dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt zu sein. An der ausreichenden Darlegung einer möglichen Verletzung dieses Grundrechts fehlt es selbst dann, wenn die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen an den strengen, aus Art. 6 Abs. 3 GG folgenden Anforderungen zu messen wären, die für das Aufrechterhalten der Trennung eines Kindes von seinen beiden Elternteilen maßgeblich sind. Ob diese hier zu Anwendung gelangen, obwohl der Beschwerdeführer bislang niemals mit seinem Sohn zusammengelebt hat, bedarf daher ungeachtet der Frage rechtlicher Vaterschaft keiner Entscheidung.

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1. Der Begründung der Verfassungsbeschwerde sowie den dazu eingereichten Unterlagen lässt sich zumindest unmittelbar nicht einmal entnehmen, ob der Beschwerdeführer rechtlicher Vater im Sinne von § 1592 BGB seines Sohnes ist und ihm das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vollumfänglich zusteht (zur Bedeutung des Grundrechts für den nur leiblichen, nicht aber rechtlichen Vater vgl. BVerfGE 108, 82 <99 f.>). Ausdrücklicher Vortrag dazu, auf welchem Weg er rechtlicher Vater geworden sein kann, fehlt. Die Begründung rechtlicher Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB scheidet mangels Ehe der leiblichen Eltern aus. Ausführungen zu einer Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) oder einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB) enthält die Verfassungsbeschwerde nicht. Auch in den angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen finden sich keine Feststellungen zur rechtlichen Vaterschaft des Beschwerdeführers. Es bewendet im angegriffenen Beschluss des Familiengerichts bei der Angabe, es handele sich um den „biologischen Vater“. Das Oberlandesgericht hat keine eigenen Feststellungen insoweit getroffen, sondern lediglich auf den vom Familiengericht festgestellten Sachverhalt verwiesen.

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Die als Anlagen beigefügten Beschlüsse aus vorangegangenen Umgangs- und Sorgeverfahren enthalten ebenfalls keine ausdrücklichen Feststellungen zur rechtlichen Vaterschaft des Beschwerdeführers. Lediglich aus den im Ausgangsverfahren sowie in den vorangegangenen Verfahren von den Fachgerichten herangezogenen Regelungen des materiellen Rechts, unter anderem dem allein den rechtlichen Vater betreffenden § 1684 BGB (vgl. Altrogge, in: BeckOGK, BGB, Stand: 1.11.2019, § 1684 Rn. 38), lässt sich ableiten, dass die Fachgerichte implizit von einer rechtlichen Vaterschaft des Beschwerdeführers ausgehen beziehungsweise ausgegangen sind. Wie sich aus einem als Anlage beigefügten früheren Beschluss des Oberlandesgerichts ergibt, hatte der Beschwerdeführer in einem früheren Verfahren vorgetragen, „leiblicher und rechtlicher Vater“ zu sein. Feststellungen dazu enthält aber auch der genannte Beschluss nicht.

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2. Der Beschwerdeführer zeigt ungeachtet fehlenden substantiierten Vortrags zur rechtlichen Vaterschaft weder die Möglichkeit auf, dass die Fachgerichte § 1696 BGB in einer das Elternrecht verletzenden Weise ausgelegt und angewendet haben, noch eine solche mögliche Verletzung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG durch das zu den Entscheidungen führende Verfahren.

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a) aa) Das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>), der nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen oder aufrechterhalten werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. April 2018 – 1 BvR 383/18 -, Rn. 16; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. Februar 2022 – 1 BvR 1655/21 -, Rn. 3; stRspr). Art. 6 Abs. 3 GG gestattet diesen Eingriff nur unter der strengen Voraussetzung, dass das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei Verbleib bei oder Rückkehr zu den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. Februar 2022 – 1 BvR 1655/21 -, Rn. 3 m.w.N.).

11

Begehren Eltern die Rückführung ihres in einer Pflegefamilie lebenden Kindes, müssen bei der Kindeswohlprüfung die Tragweite der Trennung des Kindes von seiner Pflegefamilie und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung berücksichtigt werden, die negativen Folgen einer Traumatisierung des Kindes gering zu halten. Das Kindeswohl gebietet es, die neuen gewachsenen Beziehungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu bedenken und das Kind aus seiner Pflegefamilie lediglich herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von den bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes noch hinnehmbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 – 1 BvR 2882/13 -, Rn. 31 m.w.N.). Allerdings folgt aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, dass Pflegeverhältnisse nicht in einer Weise verfestigt werden dürfen, die in nahezu jedem Fall zu einem dauerhaften Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie führte. Da eine Rückkehr zu den Eltern auch nach längerer Fremdunterbringung ‒ soweit Kindeswohlbelange nicht entgegenstehen ‒ möglich bleiben muss, dürfen die mit einem Wechsel der Hauptbezugspersonen immer verbundenen Belastungen eine Rückführung nicht automatisch dauerhaft ausschließen (vgl. BVerfGE 68, 176 <191>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 – 1 BvR 2882/13 -, Rn. 31 m.w.N.).

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bb) Der Grundrechtsschutz beeinflusst auch die Gestaltung des fachgerichtlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 53, 30 <65>; 55, 171 <182>; 79, 51 <66 f.>; 99, 145 <162>). In Sorgerechtsverfahren haben die Familiengerichte das Verfahren so zu gestalten, dass es geeignet ist, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>; stRspr). In Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz bleibt es dennoch grundsätzlich dem erkennenden Gericht überlassen, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>; 79, 51 <62>).

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cc) Die fachgerichtlichen Annahmen dazu, ob die Voraussetzungen für eine Trennung des Kindes von den Eltern oder das Aufrechterhalten dieser Trennung im Einzelfall erfüllt sind, unterliegen wegen des besonderen Eingriffsgewichts einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Diese beschränkt sich nicht darauf, ob eine angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts beruht (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>). Wegen der besonderen Intensität des Eingriffs kommt bei dieser verfassungsgerichtlichen Prüfung ein strenger Kontrollmaßstab zur Anwendung, der sich ausnahmsweise auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken kann (vgl. BVerfGE 136, 382 <391 Rn. 28>; stRspr).

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b) Selbst wenn an die angegriffenen Entscheidungen dieser strenge verfassungsgerichtliche Prüfungsmaßstab anzulegen wäre, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, durch die Ablehnung seines Antrags, ihm das Sorgerecht für seinen Sohn zu übertragen und diesen an ihn herauszugeben, in seinem Elternrecht verletzt sein zu können.

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aa) Der Beschwerdeführer legt deutliche Auslegungs- und Anwendungsfehler der Fachgerichte nicht dar. Familien- und Oberlandesgericht haben, durch die Grundrechtspositionen des Kindes geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kam- mer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 – 1 BvR 2882/13 -, Rn. 31), dessen als intensiv, qualitativ hochwertig und lang andauernd gewertete Bindung an die Pflegeeltern sowie insbesondere auch an seine Halbschwester unter dem Aspekt der aus einer Trennung von diesen Bezugspersonen drohenden Kindeswohlgefährdung berücksichtigt. Dabei sind die aus dem Elternrecht des Beschwerdeführers resultierenden Anforderungen an den Verbleib des Sohnes in der Pflegefamilie nicht aus dem Blick geraten. Denn beide angegriffenen Beschlüsse sind nicht allein auf das Vorhandensein dieser Bindungen gestützt, sondern haben auch auf Gefahren für die Entwicklung des Kindes abgestellt, die nach einem Wechsel zum Beschwerdeführer drohen und ihre Ursache in dessen näher festgestellten Einschränkungen im Bereich der emotionalen Kompetenzen vor allem für die sozio-emotionale Entwicklung seines Sohnes haben. Es lässt sich daher nicht erkennen, dass die Fachgerichte eine Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer und einen Wechsel seines Sohnes in seinen Haushalt allein oder auch nur vorrangig wegen der vorhandenen Bindungen an die Pflegeeltern und seine dort lebende Halbschwester abgelehnt hätten. Die Angriffe des Beschwerdeführers, insbesondere gegen die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts, beschränken sich darauf, eine andere Gewichtung der vom Gericht berücksichtigten Aspekte vorzunehmen. Damit legt der Beschwerdeführer aber selbst bei einem strengen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab keine deutlichen Auslegungs- oder Anwendungsfehler dar.

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bb) Auch deutliche Fehler der Fachgerichte bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die zu einer Verletzung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG führen könnten, zeigt der Beschwerdeführer ebenso wenig auf wie eine sein Elternrecht möglicherweise verletzende Verfahrensgestaltung. Zwar entspricht die Verfahrensweise des Oberlandesgerichts den geltenden fachrechtlichen Anforderungen an das Beschwerdeverfahren möglicherweise nicht vollauf (1). Der Beschwerdeführer hat aber entgegen den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen nicht dargelegt, dass es dadurch an der gebotenen zuverlässigen Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung fehlen könnte und deshalb sein Elternrecht verletzt wäre (2).

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(1) Der Verzicht des Oberlandesgerichts auf eine Anhörung des Sohnes im Beschwerdeverfahren sowie die dafür im angegriffenen Beschluss gegebene Begründung könnten den fachrechtlichen Anforderungen an die Verfahrensgestaltung nicht ohne Weiteres entsprochen haben. Zwar gestattet § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG in der hier maßgeblichen Fassung dem Beschwerdegericht auch weiterhin, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen abzusehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Von dem Vorliegen dieser Voraussetzungen ist das Oberlandesgericht ausgegangen und hat dies näher begründet. Allerdings schließt der seit dem 1. Juli 2021 geltende § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG die Anwendung von § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG aus, wenn ein Hauptsacheverfahren betroffen ist, in dem die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach §§ 1666, 1666a BGB in Betracht kommt. Die Entstehungsgeschichte und die vom Gesetzgeber mit der Reform der Gestaltung des Beschwerdeverfahrens verfolgten Zwecke (vgl. BTDrucks 19/23707, S. 51 f.) lassen fachrechtlich möglich erscheinen, § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG auch dann für anwendbar zu halten, wenn das Hauptsacheverfahren Entscheidungen über die Abänderung oder Aufnahmen von Kinderschutzmaßnahmen nach § 1696 Abs. 2 BGB zum Gegenstand hat und etwa eine Trennung des Kindes von seinen Eltern aufrechterhalten bleiben soll (vgl. Strube, NZFam 2021, 901 <904>). Die angegriffene Beschwerdeentscheidung lässt nicht erkennen, dass dem Oberlandesgericht die möglicherweise gegenüber dem früheren Recht strengeren Anforderungen an den Verzicht auf eine mündliche Anhörung der Verfahrensbeteiligten und insbesondere eine Kindesanhörung (vgl. § 159 Abs. 1 bis Abs. 3 FamFG) vollauf bewusst gewesen sind.

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(2) Der Beschwerdeführer hat jedoch nicht anhand der dafür geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe aufgezeigt, durch das Unterbleiben einer mündlichen Anhörung, insbesondere der Anhörung seines Sohnes, in der Beschwerdeinstanz in seinem Elternrecht verletzt zu sein. Eine solche Verletzung liegt auch nicht auf der Hand.

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Selbst bei ‒ hier ohnehin nur möglicher ‒ Geltung des strengen verfassungsgerichtlichen Kontrollmaßstabs aus Art. 6 Abs. 3 GG geht nicht mit jedem Verstoß gegen einfaches Recht stets eine Verletzung von Verfassungsrecht einher. Verfassungsrechtlich kommt es bei der Beurteilung eines Eingriffs in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG insoweit darauf an, dass die Gerichte den Sachverhalt dergestalt ermittelt haben, dass eine möglichst zuverlässige Tatsachengrundlage für eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung vorliegt. Deutliche Fehler bei der Feststellung des Sachverhalts liegen jedenfalls dann vor, wenn nicht hinreichend erkennbar wird, auf welche Erkenntnisgrundlage die Gerichte ihre tatsächlichen Annahmen stützen. Hat das Fachgericht eine solche zuverlässige Tatsachengrundlage für eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung ermittelt, kann selbst der Verzicht auf einfachrechtlich vorgesehene persönliche Anhörungen in Sorgerechtsangelegenheiten mit Verfassungsrecht in Einklang stehen, wenn er mit dem Zweck der betroffenen Anhörungsregelung vereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. August 2020 – 1 BvR 886/20 -, Rn. 9; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. Februar 2022 – 1 BvR 1655/21 -, Rn. 10 f.).

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Auf diese Maßgaben geht der Beschwerdeführer nicht ein und legt vor allem nicht unter deren Heranziehung eine aus der Verfahrensgestaltung des Oberlandesgerichts folgende Verletzung seines Elternrechts dar. Eine solche liegt trotz des Verzichts auf eine Anhörung seines Sohnes im Beschwerdeverfahren nicht auf der Hand. Das Oberlandesgericht verfügte mit den gut dokumentierten, im erstinstanzlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnissen über eine zuverlässige Tatsachengrundlage für seine Entscheidung. Der Verzicht auf die erneute Kindesanhörung mag zwar nicht ohne Weiteres den seit 1. Juli 2021 geltenden strengen Voraussetzungen nach § 159 Abs. 2 FamFG dafür genügen. Das Oberlandesgericht hat aber immerhin mit dem Hinweis auf die mit der Anhörung einhergehenden Belastungen des Kindes und dessen lediglich eingeschränkte Fähigkeit, seine Wünsche und Vorlieben zu äußern, Umstände benannt, die fachrechtlich nach § 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG möglicherweise einen Verzicht auf die Anhörung gestatten könnten (zum Verständnis dieser Regelungen BTDrucks 19/23707, S. 57; Ernst, FamRZ 2021, 993 <998>; Jokisch, FuR 2021, 471 <477 f.>). Das vom Oberlandesgericht begründete Unterbleiben einer erneuten Anhörung des Kindes ist mit dem Zweck der Anhörungsregelungen in § 159 FamFG und § 68 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 FamFG daher nicht von vornherein unvereinbar.

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3. Von einer Begründung im Übrigen wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

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4. Mit der Nichtannahme wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfGG).

23

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.