Rechtsfolgen der gerichtlichen Entscheidung im Normenkontrollverfahren von Bauleitplänen (Beschluss des BVerwG 4. Senat)

BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 04.04.2022, AZ 4 BN 43/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:040422B4BN43.21.0

§ 86 Abs 1 VwGO, § 3 Abs 2 S 1 BauGB, § 3 Abs 2 S 2 BauGB, § 214 Abs 4 BauGB

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, 20. Juli 2021, Az: 1 D 392/20, Urteil

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2021 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

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1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsteller beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

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Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, siehe z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2019 – 4 B 27.19 – ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 – 4 BN 3.20 – juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.

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a) Die Frage,

ob die Rechtskraft einer Unwirksamkeitserklärung im Normenkontrollverfahren dem Erlass einer Rechtsvorschrift mit gleichem Inhalt nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens zur Heilung der Rechtsvorschrift entgegensteht, wenn die Unwirksamkeitserklärung nicht allein auf einem Verfahrensfehler, sondern auf einem materiellen Rechtsverstoß gründete,

führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist – soweit einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung zugänglich – in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Hat danach das Normenkontrollgericht die Nichtigkeit bzw. nunmehr gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 VwGO die Unwirksamkeit (siehe dazu BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2011 – 4 BN 8.11 – ZfBR 2012, 36 = juris Rn. 4 f. und vom 10. Februar 2022 – 4 B 20.21 – juris Rn. 10) eines Bebauungsplans festgestellt, ist der Gemeinde verwehrt, ihren als fehlerhaft festgestellten Bebauungsplan bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1999 – 4 CN 17.98 – Buchholz 406.12 § 17 BauNVO Nr. 8 = juris Rn. 22). Erlässt die Gemeinde gleichwohl einen neuen (unveränderten) Bebauungsplan, so hindert bei gleicher Sach- und Rechtslage jedenfalls die Rechtskraft der Normenkontrollentscheidung das Gericht, in einem von demselben Antragsteller beantragten Normenkontrollverfahren in eine neue sachliche Bewertung der Gründe einzutreten, die die Feststellung der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit der vorangegangenen Norm tragen (BVerwG, Urteil vom 25. November 1999 – 4 CN 17.98 – Buchholz 406.12 § 17 BauNVO Nr. 8). Die Feststellung der Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit eines Bebauungsplans im Normenkontrollverfahren erlaubt es der Gemeinde indessen, im Wege eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB einen neuen Bebauungsplan gleichen Inhalts aufzustellen mit dem Ziel, in dem „wiederaufgenommenen“ Planaufstellungsverfahren den Rechtsmangel zu beheben, der nach den Gründen der Normenkontrollentscheidung die Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit zur Folge hatte (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2000 – 4 BN 31.99 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 140). Ein solches Verfahren kommt auch dann in Betracht, wenn der Bebauungsplan an inhaltlichen Mängeln, etwa an Abwägungsfehlern, leidet, sofern die Nachbesserungen nicht geeignet sind, das planerische Gesamtkonzept in Frage zu stellen (BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 1999 – 4 CN 7.98 – BVerwGE 110, 193 <202>, vom 18. September 2003 – 4 CN 20.02 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 118 S. 97; Beschluss vom 15. Mai 2017 – 4 BN 6.17 – BRS 85 Nr. 42 = juris Rn. 9).

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b) Die weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Fragen zur Durchführung der öffentlichen Auslegung rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Sie würden sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil ihnen ein Sachverhalt unterlegt ist, von dem das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen ist. Die Vorinstanz hat nicht festgestellt, dass die Antragsgegnerin die öffentliche Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB an zwei Orten mit unterschiedlichen Unterlagen vorgenommen hat.

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2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des angefochtenen Urteils zum Urteil des Senats vom 11. September 2014 – 4 CN 1.14 – (Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 16) zuzulassen. Insofern verfehlt die Beschwerde bereits die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

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Nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung (u.a.) des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Abweichung setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 6 B 43.17 – Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4). Der Beschwerde obliegt es nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen tragenden, abstrakten Rechtssatz zu einer revisiblen Rechtsvorschrift zu benennen und darzulegen, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abweichenden abstrakten Rechtssatz zu derselben Rechtsvorschrift beruht. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Sie arbeitet schon keinen Rechtssatz heraus, mit welchem das Oberverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Senats zu § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB abgewichen sein könnte, sondern kritisiert in der Sache die Rechtsanwendung durch das Normenkontrollgericht. Hierauf kann die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gestützt werden (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Januar 2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447 = juris Rn. 16 und vom 24. August 2017 – 4 B 35.17 – juris Rn. 10).

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3. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Beschwerde verfehlt auch insofern die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

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Die Beschwerde wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, es habe von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts abgesehen, obwohl, wie in der Bekanntmachung ersichtlich, am zusätzlichen Ort der Auslegung, dem Ortsamt L., vermutlich keine Arten umweltbezogener Informationen während der Auslegungszeit verfügbar gewesen seien. Wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre hier nicht nur ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB gegeben, sondern auch ein solcher gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Das führt nicht auf einen Aufklärungsmangel.

10

Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn u.a. dargetan wird, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1987 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Denn die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines – wie hier – anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Oktober 2013 – 4 BN 36.13 – BauR 2014, 57 = juris Rn. 13, vom 9. Mai 2018 – 4 B 40.17 – juris Rn. 4 und vom 7. Dezember 2021 – 4 BN 18.21 – juris Rn. 17).

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Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Weder hieraus noch aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 20. Juli 2021 ergibt sich, dass der Antragsteller eine Beweiserhebung zu den im Ortsamt L. ausgelegten Unterlagen beantragt oder hierauf sonst hingewirkt hat. Zudem legt er nicht dar, dass sich der Vorinstanz von ihrem materiell-rechtlichen Standpunkt aus, der rechtlich vom Wortlaut der Auslegungsbekanntmachung ausgeht, eine solche Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.