Beschluss des BGH 1. Zivilsenat vom 20.11.2025, AZ I ZB 31/25

BGH 1. Zivilsenat, Beschluss vom 20.11.2025, AZ I ZB 31/25, ECLI:DE:BGH:2025:201125BIZB31.25.0

Verfahrensgang

vorgehend BPatG München, 10. März 2025, Az: 28 W (pat) 51/20

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 10. März 2025 wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Für die Markeninhaberin ist seit dem 21. November 2018 die am 26. Oktober 2018 angemeldete Wortmarke „Papillon Paragliders“ unter der Nummer 30 2018 025 741 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen. Sie beansprucht unter anderem Schutz für Waren der Klassen 12, 25 und 28.

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Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Rechtsvorgängerin der Widersprechenden aus ihrer am 10. Mai 2011 eingetragenen Unionswortmarke Nr. 009 607 532 „Papillio“ einen auf Waren der Klasse 25 (Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen) beschränkten Widerspruch eingelegt. Die Widerspruchsmarke ist im Verlauf des Verfahrens auf die Widersprechende übertragen worden, die erklärt hat, in das Beschwerdeverfahren einzutreten und es zu übernehmen.

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Das DPMA hat den Widerspruch zurückgewiesen. Das Bundespatentgericht hat auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Widersprechenden die Löschung der angegriffenen Marke hinsichtlich der Waren der Klasse 25 angeordnet (BPatG, Beschluss vom 10. März 2025 – 28 W [pat] 51/20, juris).

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Dagegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des beschließenden Senats des Bundespatentgerichts und eine Verletzung ihres Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs rügt. Die Widersprechende beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

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II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, zwischen den einander gegenüberstehenden Marken bestehe Verwechslungsgefahr, so dass die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt:

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Die Vergleichsmarken beanspruchten Schutz für teils identische (Schuhwaren) und teils ähnliche Waren (Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen). Die Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Zwischen den Vergleichszeichen bestehe eine weit überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit in klanglicher Hinsicht. Die jüngere Bezeichnung werde allein durch den Bestandteil „Papillon“ geprägt, während „Paragliders“ vom angesprochenen Verkehr als Bestimmungsangabe für den Gleitschirmsport und damit als bloße Sachangabe aufgefasst werde. Die danach in klanglicher Hinsicht zu vergleichenden Begriffe „Papillon“ und „Papillio“ seien einander hochgradig ähnlich. In der Gesamtabwägung könne in Anbetracht der hochgradigen klanglichen Ähnlichkeit der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke, unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und im Zusammenhang mit unterdurchschnittlich ähnlichen bis identischen Waren eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.

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III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat keinen Erfolg.

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1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf einen Besetzungsmangel (§ 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG) und eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Diese Rügen hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. April 2025 – I ZB 50/24, juris Rn. 8; Beschluss vom 18. Juni 2025 – I ZB 53/24, juris Rn. 15; Beschluss vom 22. Oktober 2025 – I ZB 1/25, juris Rn. 8).

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2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen. Weder war das Bundespatentgericht bei Erlass der angegriffenen Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt noch ist der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

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a) Das Bundespatentgericht war bei dem Erlass des angegriffenen Beschlusses vorschriftsmäßig besetzt.

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aa) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, das Bundespatentgericht habe durch einen Vorsitzenden Richter und beisitzende Richter zu entscheiden. Dies sei im Streitfall nicht geschehen. Den Vorsitz des erkennenden Senats des Bundespatentgerichts habe im März 2025 die Vorsitzende Richterin Dr. M.          -H.    innegehabt. An der streitgegenständlichen Entscheidung sei sie jedoch nicht beteiligt gewesen, vielmehr habe die Richterin L.        -N.       den Vorsitz geführt. Die Vorsitzende des Senats sei nicht verhindert gewesen. Sie habe sich zwar ausweislich der vom Bundespatentgericht erteilten Auskunft am Tag der angegriffenen Entscheidung am 10. März 2025 im Urlaub befunden. Dieser Urlaub habe aller Wahrscheinlichkeit nach am 14. März 2025 geendet. Ein solcher kurzer Urlaub rechtfertige es jedoch nicht, ohne die Vorsitzende zu entscheiden. Eilbedürftigkeit habe nicht bestanden, da die Sache seit dem Jahr 2020 anhängig gewesen sei. Es sei unverständlich und willkürlich, dass ohne die Vorsitzende entschieden worden sei. Das Vorgehen des Bundespatentgerichts sei darauf angelegt gewesen, die Sache ohne Einarbeitung der Vorsitzenden zu erledigen. In der Akte finde sich kein Hinweis auf eine Mitwirkung der Vorsitzenden. Ihr Vorgänger habe die Besetzung des Spruchkörpers verfügt, die gesamte Sitzgruppe und die Berichterstatterin seien jedoch aus dem Senat ausgeschieden. Die Vorsitzende habe die Sitzgruppe nicht neu bestimmt. Ihr Urlaub habe genutzt werden sollen, das liegen gebliebene Verfahren ohne sie zu erledigen. Hierdurch hätten ihre Ressourcen geschont werden sollen, die aufgrund ihres Doppelvorsitzes im 28. und 29. Senat des Bundespatentgerichts maximal gebunden gewesen seien.

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bb) Damit kann die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben.

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(1) Nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG ist die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnet, wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass eine Entscheidung durch einen Senat des Bundespatentgerichts getroffen wird, der gemäß § 67 Abs. 1 MarkenG als Beschwerdesenat eingerichtet ist und dessen Besetzung unter Einhaltung der Regeln des Geschäftsverteilungsplans (§ 21e GVG) und der senatsinternen Mitwirkungsregeln (§ 21g GVG) gebildet worden ist. Erfasst wird hiervon, dass ein Richter mitgewirkt hat, der nicht hätte mitwirken dürfen, oder dass ein Richter nicht mitgewirkt hat, der hätte mitwirken müssen. Die Rüge einer vorschriftswidrigen Besetzung muss substantiiert erhoben werden, bloße Vermutungen genügen nicht. Mit Blick auf gerichtsinterne Vorgänge muss der Rechtsbeschwerdebegründung zu entnehmen sein, inwieweit der Beschwerdeführer sich um Aufklärung bemüht hat (BGH, Beschluss vom 26. September 2024 – I ZB 63/23, GRUR 2025, 686 [juris Rn. 19] mwN).

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Nach § 21f Abs. 1 GVG führt den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof der Präsident und die Vorsitzenden Richter. Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz nach § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz (§ 21f Abs. 2 Satz 2 GVG). Nach § 68 PatG gelten die Vorschriften des Zweiten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes – zu ihnen gehört § 21f GVG – nach bestimmten Maßgaben, die im Streitfall ohne Bedeutung sind, für das Bundespatentgericht entsprechend. Da das Markengesetz das Bestehen des Bundespatentgerichts voraussetzt, gelten die Regelungen des §§ 65 bis 72 PatG für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht in Markensachen (§§ 66 bis 82 MarkenG) unmittelbar, ohne dass es insoweit einer Verweisung im Markengesetz bedarf (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, BT-Drucks. 12/6581, S. 103; Meiser in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 82 Rn. 98). Durch § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG soll gewährleistet werden, dass die Führung von Spruchkörpern Richtern anvertraut wird, die aufgrund ihrer besonderen Auswahl die Güte und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch den Spruchkörper, dem sie vorsitzen, in besonderem Maße gewährleisten. Mit Blick auf dieses Ziel ist § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG eng auszulegen. Eine Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden ist daher nur in Fällen einer vorübergehenden Verhinderung zuzulassen, die sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ergeben kann. Eine vorübergehende Verhinderung aus tatsächlichen Gründen besteht etwa bei Urlaub, Krankheit oder Dienstbefreiung (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2016 – XII ZR 50/14, NJW-RR 2017, 635 [juris Rn. 13] mwN).

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(2) Nach diesen Grundsätzen war das Bundespatentgericht bei der Beschlussfassung am 10. März 2025 vorschriftsmäßig besetzt, weil ein Fall der vorübergehenden Verhinderung der geschäftsplanmäßigen Vorsitzenden im Sinne von § 21 Abs. 2 Satz 1 GVG gegeben war.

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(a) Nach dem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 10. März 2025 maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan war für die Entscheidung im vorliegenden Fall der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts zuständig. Vorsitzende dieses Senats war die Vorsitzende Richterin am Bundespatentgericht Dr. M.          -H.   , wobei ihre Tätigkeit im Vorsitz des 29. Senats vorging. Stellvertretende Senatsvorsitzende war die Richterin am Bundespatentgericht L.        -N.      .

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(b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann die Besetzungsrüge nicht damit begründet werden, dass die Vorsitzende Richterin am Bundespatentgericht Dr. M.          -H.     als geschäftsplanmäßige Vorsitzende des 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) ausweislich der Akte an dem Verfahren zu keinem Zeitpunkt mitgewirkt hat. Denn für die Beurteilung der vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts ist – da das Bundespatentgericht über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 1996 – I ZB 8/96, GRUR 1997, 223 [juris Rn. 8] = WRP 1997, 660 –; Ceco) und nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (vgl. § 69 MarkenG) aufgrund mündlicher Verhandlung entscheidet – auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen (vgl. BGH, NJW-RR 2017, 635 [juris Rn. 16] mwN).

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(c) Entscheidend ist daher, ob bei der Beschlussfassung am 10. März 2025 ein Fall der vorübergehenden Verhinderung der Vorsitzenden im Sinne von § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG gegeben war. Das ist zu bejahen. Ausweislich der von der Rechtsbeschwerde vorgelegten Mitteilung des Bundespatentgerichts befand sich die Vorsitzende Richterin Dr. M.          -H.    am 10. März 2025 im Ur-laub. Dadurch war sie vorübergehend aus tatsächlichen Gründen an der Mitwirkung an der Beschlussfassung verhindert. Darin liegt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde eine gesetzmäßige Erklärung dafür, warum der erkennende Senat des Bundespatentgerichts ohne einen Vorsitzenden Richter entschieden hat.

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(d) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war das Bundespatentgericht nicht gehindert, in der Urlaubsabwesenheit der Vorsitzenden eine Entscheidung zu treffen. Zweck des § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG ist es gerade, die Entscheidungsfähigkeit des Spruchkörpers während kurzzeitiger Verhinderungen des Vorsitzenden sicherzustellen. Deshalb ist auch die Rüge der Rechtsbeschwerde substanzlos, der Erlass der angegriffenen Entscheidung ohne Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin verstoße gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG, ohne dass es noch darauf ankommt, dass mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde ein Verstoß gegen das Willkürverbot ohnehin nicht erfolgreich gerügt werden kann (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2020 – I ZB 123/19, juris Rn. 22 mwN).

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(e) Soweit die Rechtsbeschwerde mutmaßt, der Urlaub der Vorsitzenden habe genutzt werden sollen, das liegen gebliebene Verfahren ohne sie zu erledigen, ihr habe die Einarbeitung in die Sache angesichts des von ihr innegehaltenen Doppelvorsitzes zur Entlastung abgenommen werden sollen, handelt es sich um reine Vermutungen. Da die Rüge einer vorschriftswidrigen Besetzung substantiiert erhoben werden muss, kann der hierfür erforderliche Vortrag nicht durch eine Spekulation ersetzt werden, für deren Richtigkeit es an jeglichen objektiven Anhaltspunkten fehlt.

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b) Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Markeninhaberin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG, Art. 103 Abs. 1 GG).

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aa) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, um einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festzustellen, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, FamRZ 2013, 1953 [juris Rn. 14]; NVwZ 2019, 1276 [juris Rn. 17]). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfG, NJW-RR 2018, 694 [juris Rn. 18]; NVwZ 2019, 1276 [juris Rn. 17]; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2025 – I ZB 53/24, juris Rn. 17).

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Damit in engem Zusammenhang steht das ebenfalls aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Verbot von Überraschungsentscheidungen. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung ist anzunehmen, wenn sich ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch gewissenhafte und kundige Prozessbeteiligte nicht zu rechnen brauchten (st. Rspr.; vgl. BVerfG, FamRZ 2022, 1954 [juris Rn. 23]; BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2022 – I ZR 53/22, GRUR 2023, 421 [juris Rn. 16] = WRP 2023, 582; jeweils mwN). Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt, wenn das Gericht einen Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, daraus jedoch andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als die vortragende Partei. Das Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde dient nicht der Überprüfung, ob die Entscheidung des Bundespatentgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2018, 111 [juris Rn. 11] – PLOMBIR, mwN).

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bb) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht sei auf den Kern des Tatsachenvortrags der Markeninhaberin zu der Frage nicht eingegangen, wonach die schriftbildlichen Unterschiede zwischen beiden Marken einer klanglichen Verwechslungsgefahr entgegenstünden.

25

(1) Das Bundespatentgericht hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs angenommen, die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen sei nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken könnten. Dabei genüge für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche. Da im Streitfall von einer sehr hohen klanglichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen sei, könne die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit in schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht offenbleiben.

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(2) Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass das Bundespatentgericht den von der Rechtsbeschwerde als übergangen gerügten Vortrag der Markeninhaberin für seine Entscheidung als unerheblich angesehen hat. Es stellt deshalb keine Gehörsverletzung dar, dass es sich hiermit nicht auseinandergesetzt hat.

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(3) Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber ohne Erfolg unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geltend, es sei zwar möglich, dass sich eine Verwechslungsgefahr allein aus einer klanglichen Ähnlichkeit ergeben könne. Dies entbinde das Gericht jedoch nicht davon, eine umfassende Beurteilung aller relevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen; die klangliche Ähnlichkeit sei nur einer der relevanten Umstände im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung. Hieraus ergebe sich, dass ein schriftbildlicher Zeichenvergleich zwingend vorzunehmen sei, den das Bundespatentgericht unterlassen habe. Mit diesem Vorbringen rügt die Rechtsbeschwerde einen Rechtsfehler des Bundespatentgerichts, auf den die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht mit Erfolg gestützt werden kann (vgl. BVerfG, K&R 2011, 574 [juris Rn. 4]).

28

cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde stellt die angefochtene Entscheidung des Bundespatentgerichts auch keine den Anspruch der Markeninhaberin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzende Überraschungsentscheidung dar.

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(1) Das Bundespatentgericht hat den Parteien durch Hinweis vom 14. November 2024 mitgeteilt, dass die Beschwerde nach vorläufiger Beurteilung begründet sein dürfte. Dort hat es ausgeführt, die angegriffene Marke dürfte durch ihren ersten Bestandteil „Papillon“ geprägt werden, der weitere Bestandteil „Paragliders“ dürfte in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise zurücktreten, weil er als Sachangabe für die beanspruchten Waren wahrgenommen werden dürfte. Zwischen „Papillon“ und „Papillio“ bestehe eine enge Ähnlichkeit sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht. Bei der klanglichen Ähnlichkeit sei insbesondere auf Silbenzahl, Vokal- und Konsonantenfolge sowie naheliegende Aussprachevarianten – französisch „Pa-pi-jon“, deutsch „Pa-pil-lon“ – abzustellen, bei der schriftbildlichen Ähnlichkeit auf die weitgehende Übereinstimmung bis auf die Endung, einschließlich der leichten Übersehbarkeit des zweiten „i“ nach „ll“. Wegen dieser Ähnlichkeit zwischen dem prägenden Element der angegriffenen Marke und der älteren Marke könne eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden.

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(2) Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, der Umstand, dass das Bundespatentgericht die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen im (Schrift)Bild im angefochtenen Beschluss letztlich habe dahinstehen lassen, sei für die Markeninhaberin überraschend gewesen, das Bundespatentgericht habe darauf hinweisen müssen, dass es die Frage der (schrift)bildlichen Zeichenähnlichkeit nicht für erheblich halte.

31

Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter hat angesichts des vom Bundespatentgericht erteilten Hinweises damit rechnen müssen, dass das Patentgericht die Entscheidung allein auf die klangliche Ähnlichkeit stützen und die Ähnlichkeit in begrifflicher und (schrift)bildlicher Hinsicht offenlassen könnte. Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist grundsätzlich in Ansehung ihres Gesamteindrucks nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Zeichen auf die angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit genügt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2019 – C-705/17, GRUR 2020, 52 [juris Rn. 41 bis 43] = WRP 2019, 1563 –; Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; BGH, Beschluss vom 26. November 2020 – I ZB 6/20, GRUR 2021, 482 [juris Rn. 28] = WRP 2021, 336 –; RETROLYMPICS). Der Markeninhaberin musste diese Rechtsprechung bekannt sein. Wie sich aus ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis des Bundespatentgerichts vom 14. November 2024 ergibt, war dies auch der Fall. Sie bedurfte deshalb eines entsprechenden Hinweises nicht.

32

(3) Da ein erneuter Hinweis des Bundespatentgerichts nicht erforderlich war, kommt es nicht mehr auf den Vortrag an, den die Markeninhaberin nach dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde gehalten hätte, wenn ein solcher Hinweis erteilt worden wäre. Angesichts des Fehlens einer Pflicht des Bundespatentgerichts zur Erteilung eines erneuten Hinweises kann die Rechtsbeschwerde auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Markeninhaberin hätte für den Fall der Erteilung eines weiteren Hinweises die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 69 Nr. 1 MarkenG beantragt, um mit dem Bundespatentgericht in eine rechtliche Diskussion in Person einzutreten. Das Bundespatentgericht hat die Markeninhaberin durch seine Verfahrensführung nicht an der Stellung eines solchen Antrags gehindert. Wenn der Markeninhaberin an einer rechtlichen Diskussion in Person gelegen gewesen wäre, hätte sie bereits in ihrer Stellungnahme zu dem für sie ungünstigen Hinweis des Bundespatentgerichts vom 14. November 2024 diesen Antrag stellen können.

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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

Koch                              Löffler                              Schwonke

                    Pohl                              Schmaltz

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