BGH Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 20.11.2025, AZ AnwZ (Brfg) 30/25, ECLI:DE:BGH:2025:201125BANWZ.BRFG.30.25.0
Verfahrensgang
vorgehend Anwaltsgerichtshof Rheinland-Pfalz, 30. Juni 2025, Az: 2 AGH 8/24
Tenor
Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 6. November 2025 gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Guhling wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 30. Juni 2025 verkündete Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Kläger ist seit dem Jahr 2015 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 5. September 2024 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 30. Juni 2025, dem Kläger zugestellt am 15. August 2025, als unbegründet abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
2
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2025 hat der Kläger beantragt, die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags um einen Monat zu verlängern. Der Vorsitzende Richter Guhling hat mit Verfügung vom 16. Oktober 2025 ausgeführt, dem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags könne nicht entsprochen werden, da die Begründungsfrist nach § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO und § 224 Abs. 2 ZPO einer Verlängerung nicht zugänglich sei (unter Verweis auf Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2010 – AnwZ (Brfg) 3/10, juris Rn. 2 mwN). Ferner hat er darauf hingewiesen, dass die Frist zur Begründung des Rechtsmittels am 15. Oktober 2025 abgelaufen sei und sich das Rechtsmittel daher nunmehr als unzulässig darstellen dürfte. Schließlich hat er angeregt, den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückzunehmen.
3
Mit Schriftsatz vom 6. November 2025 hat der Kläger die weitere Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Guhling wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, Gegenvorstellung eingelegt und um „Verlängerung der Zulassungsbegründungsfrist nunmehr bis zum 15. Dezember“ gebeten.
II.
4
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
5
1. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Guhling kann an der Entscheidung mitwirken, obwohl er von dem gestellten Ablehnungsgesuch betroffen ist. Eine Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit durch den abgelehnten Richter selbst ist mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, sofern das Ablehnungsgesuch gänzlich untauglich oder rechtsmissbräuchlich ist. Eine völlige Ungeeignetheit des Ablehnungsgesuchs ist anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens selbst entbehrlich ist, weil das Ablehnungsgesuch für sich allein, das heißt ohne jede weitere Aktenkenntnis, offenkundig eine Ablehnung nicht zu begründen vermag (BVerfG, Beschlüsse vom 20. August 2020 – 1 BvR 793/19, juris Rn. 14 und vom 11. März 2013 – 1 BvR 2853/11, juris Rn. 30). Das ist hier der Fall.
6
a) Der Umstand, dass der Vorsitzende Richter die Verlängerung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags abgelehnt hat, ist offensichtlich nicht geeignet, eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Vorentscheidung rechtfertigt für sich genommen ohne das Hinzutreten weiterer Umstände die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht. Denn die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit ist kein Instrument der Verfahrens- oder Fehlerkontrolle. Eine vermeintlich oder tatsächlich fehlerhafte Vorentscheidung vermag deshalb eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit erst zu rechtfertigen, wenn die betreffende richterliche Entscheidung einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt oder offensichtlich so grob fehlerhaft beziehungsweise unhaltbar ist, dass sie als willkürlich erscheint (BVerfG, Beschluss vom 20. August 2020 – 1 BvR 793/19, juris Rn. 16; Senat, Beschluss vom 10. Juni 2024 – AnwZ (Brfg) 7/24, juris Rn. 7). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Vorsitzende Richter hat die gesetzliche Grundlage seiner Entscheidung benannt und auf entsprechende Rechtsprechung verwiesen.
7
Soweit der Kläger auf die Regelung des § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO (i.V.m. § 112e Satz 2 BRAO) verweist, wonach die Begründungsfrist auf Antrag verlängert werden kann, übersieht er, dass diese Norm im vorliegenden Fall offensichtlich nicht einschlägig ist. Denn sie bezieht sich allein auf den – hier nicht gegebenen – Fall einer vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung. Für den Fall der nicht zugelassenen Berufung sieht das Gesetz indes keine Möglichkeit einer Verlängerung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags vor (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO). Daher ist die letztgenannte Frist nach § 112e Satz 2 BRAO in Verbindung mit § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO und § 224 Abs. 2 ZPO keiner Verlängerung zugänglich (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2010 – AnwZ (Brfg) 3/10, juris Rn. 2).
8
b) Auch soweit der Kläger sein Ablehnungsgesuch auf den Hinweis des Vorsitzenden Richters auf die anzunehmende Unzulässigkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung und die damit verbundene Anregung stützt, diesen Antrag zurückzunehmen, stellt es sich als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig dar.
9
aa) Richterliche Hinweise und Anregungen sind Aufgabe des Richters und rechtfertigen ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine Befangenheitsablehnung (vgl. BVerwG, NVwZ 2018, 181 Rn. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, 36. Aufl. § 42 Rn. 26; BeckOK ZPO/Vossler, § 42 Rn. 24 [Stand: 1. September 2025]; jeweils mwN). Auch der Hinweis darauf, dass ein Antrag keine Aussicht auf Erfolg hat, und die damit verbundene Anregung, den Antrag zurückzunehmen, halten sich im Rahmen der richterlichen Hinweispflicht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 – XII ZR 94/03, BGHZ 165, 223, 226 [= juris Rn. 13. ff.]; OLG Karlsruhe, MDR 2008, 1235; OLG München, MDR 2004, 52; OLG Stuttgart, MDR 2000, 50; Zöller/Vollkommer, aaO; BeckOK ZPO/Vossler, § 42 Rn. 23 [Stand: 1. September 2025]).
10
bb) Der Kläger beschränkt sich im Wesentlichen auf die Behauptung, der Vorsitzende Richter habe bei Abfassung des Hinweises die Regelung des § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO übergangen. Dies ist aber schon deshalb ausgeschlossen, weil die Vorschrift im vorliegenden Fall offenkundig nicht einschlägig ist (s.o. unter Buchst. a). Der Hinweis des Vorsitzenden Richters auf die anzunehmende Unzulässigkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung war indes auch inhaltlich zutreffend, ohne dass insoweit ein Wertungsspielraum bestanden hätte, darüber hinaus auf den Gegenstand des Verfahrens hätte eingegangen werden müssen oder es sonst einer inhaltlichen Betrachtung der Umstände des Einzelfalles bedurft hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2019 – XI ZB 13/19, ZInsO 2019, 2179 Rn. 6).
11
2. Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen die mit Verfügung vom 16. Oktober 2025 erfolgte Ablehnung seines Fristverlängerungsantrags. Eine Verlängerung der Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe ist aus den oben unter Ziffer 1 Buchstabe a dargestellten Gründen nicht möglich.
12
3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO in Verbindung mit § 124a Abs. 5 Satz 1, § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen, da der Kläger die Antragsbegründungsfrist versäumt hat. Diese beträgt nach § 112e Satz 2 BRAO in Verbindung mit § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des vollständigen Urteils. Danach lief die Begründungsfrist am 15. Oktober 2025 ab, ohne dass eine Begründung eingegangen ist.
III.
13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Guhling Liebert Ettl
Lauer Schmittmann
