BGH 13. Zivilsenat, Beschluss vom 16.04.2025, AZ XIII ZB 18/25, ECLI:DE:BGH:2025:160425BXIIIZB18.25.0
Verfahrensgang
vorgehend LG Frankenthal, 6. März 2025, Az: 1 T 25/25
vorgehend AG Speyer, 3. Februar 2025, Az: 73 XIV 17/25 B
Tenor
Der Antrag, die Vollziehung der mit Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 6. März 2025 angeordneten Sicherungshaft auszusetzen, wird zurückgewiesen.
Gründe
1
I. Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste 2013 nach Deutschland ein. Mit Bescheid vom 15. September 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Asylantrag ab, erkannte weder eine Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutz an und drohte die Abschiebung nach Afghanistan an. Der dagegen in Anspruch genommene verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz blieb ohne Erfolg. Der Betroffene trat wiederholt strafrechtlich in Erscheinung. Er wurde 2021 wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 35 Fällen sowie wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und sodann 2023 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Er befand sich bis zum 6. Februar 2025 in Strafhaft.
2
Das Amtsgericht hat den Antrag der beteiligten Behörde vom 24. Januar 2025 auf Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung vom 6. Februar bis zum 5. August 2025 mit Beschluss vom 3. Februar 2025 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der beteiligten Behörde hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 6. März 2025 Sicherungshaft bis zum Ablauf des 5. Juni 2025 angeordnet, die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses angeordnet. Im anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahren begehrt der Betroffene, die Vollziehung der Haft bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel auszusetzen.
3
II. Der Antrag auf Aussetzung der Haft ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG zulässig. Er ist aber bereits auf Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts unbegründet, weil nach der gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen ist, dass die Rechtsbeschwerde des Betroffenen keinen Erfolg haben wird.
4
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lag der Haftanordnung ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Nach den insoweit anwendbaren Maßstäben (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 – V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom 12. November 2019 – XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8; vom 14. Juli 2020 – XIII ZB 74/19, juris Rn. 7; vom 25. Oktober 2022 – XIII ZB 116/19, NVwZ 2023, 1523 Rn. 7; vom 20. Dezember 2022 – XIII ZB 40/20, juris Rn. 7) enthält er insbesondere ausreichende Darlegungen zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG) und zur Durchführbarkeit der Abschiebung (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG).
5
a) Die beteiligte Behörde hat die beantragte Haftdauer damit begründet, dass der Betroffene auf dem Luftweg nach Afghanistan abgeschoben werden solle. Nachdem am 30. August 2024 mit einer durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (im Folgenden: Bundesministerium) organisierten Maßnahme 28 Personen, die schwere Straftaten begangen hatten, nach Afghanistan rückgeführt worden seien, arbeiteten das Bundesministerium und die Länder intensiv an einer weiteren Abschiebungsmaßnahme. Deren Durchführung werde vom Bundesministerium schnellstmöglich, spätestens aber innerhalb der nächsten sechs Monate angestrebt. Grund für den nicht näher konkretisierten Zeitpunkt sei der komplexe Planungsprozess unter notwendiger Einbindung ausländischer Stellen. Der Betroffene sei dem Bundesministerium für die nächste geplante Abschiebemaßnahme per Charter – dem derzeit einzig zur Verfügung stehenden Rückführungsmodus – gemeldet worden, und dort stehe für ihn ein Platz zur Verfügung. Die Identität des Betroffenen sei geklärt; ein Scan des Reisepasses liege vor.
6
b) Diese Angaben sind mit Blick auf die notwendige Einbeziehung ausländischer Stellen sowie die geringen Erfahrungswerte, die derzeit für Abschiebemaßnahmen nach Afghanistan bestehen, für einen zulässigen Haftantrag ausreichend. Dass Abschiebungen nach Afghanistan auch unter den derzeitigen politischen Verhältnissen nicht ausgeschlossen sind, hat die beteiligte Behörde bereits unter Verweis auf die seitens des Bundesmisteriums am 30. August 2024 erfolgreich durchgeführte Abschiebemaßnahme dargelegt. Sie hat außerdem die aus ihrer Sicht erforderliche Haftdauer nachvollziehbar unter Bezugnahme auf ein Schreiben des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Familie, Frauen, Kultur und Integration vom 21. Januar 2025 mit dem vom Bundesministerium geplanten Charterflug zur Rückführung nach Afghanistan begründet, für den der Betroffene angemeldet sei. Aus dem Schreiben ergibt sich, dass er für diese Rückführungsmaßnahme vorgesehen ist.
7
2. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand ist auch nicht davon auszugehen, dass die Sicherungshaft gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG unzulässig ist. Nach der vom Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei unter Berücksichtigung des Inhalts der Ausländerakte getroffenen Prognose zur Durchführbarkeit der Abschiebung (vgl. zum Maßstab BGH, Beschluss vom 23. Juli 2024 – XIII ZB 36/24, juris Rn. 8) steht nicht fest, dass der Betroffene nicht innerhalb der nächsten sechs Monate abgeschoben werden kann. Verbleibende Ungewissheiten gehen zu Lasten des Betroffenen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juli 2024 – XIII ZB 36/24, juris Rn. 8; vom 25. August 2011 – V ZB 188/11, juris Rn. 15). Dass zwischen Deutschland und Afghanistan derzeit kein Rücknahmeabkommen existiert, steht angesichts der am 30. August 2024 erfolgreich durchgeführten Abschiebemaßnahme der vom Beschwerdegericht getroffenen Prognose nicht entgegen.
Tolkmitt Picker Vogt-Beheim
Holzinger Pastohr