BVerfG 2. Senat, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 20.03.2025, AZ 2 BvE 10/25, ECLI:DE:BVerfG:2025:es20250320.2bve001025
Art 38 Abs 1 S 2 GG, Art 40 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 63 BVerfGG
Verfahrensgang
vorgehend BVerfG, 17. März 2025, Az: 2 BvE 10/25, Ablehnung einstweilige Anordnung
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe
A.
1
Die Antragstellenden haben einen erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Das Bundesverfassungsgericht möge dem Bundesrat vorläufig untersagen, dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115 und 143h), das der 20. Deutsche Bundestag am 18. März 2025 beschlossen hat (BTPlenarprotokoll 20/214, S. 27795 <C>), zuzustimmen.
2
Die Antragstellenden machen geltend, durch die Beschlussfassung des Bundesrats würden die mit ihrem Organstreitantrag geltend gemachten Verletzungen ihrer Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG „nicht nur wiederholt und vertieft, sondern vor allem auch unwiderruflich perpetuiert“. Das unter Verletzung ihrer Rechte am 18. März 2025 verabschiedete Gesetz sei „offenkundig formell verfassungswidrig“. Die „hiesige Situation, in der nach Inkrafttreten der hier relevanten Grundgesetzänderungen Millionen, Milliarden und Billionen (!) durch langfristige finanzielle Verpflichtungen gebunden werden sollen“, sei durchaus mit der Unterzeichnung etwa eines völkerrechtlichen Vertrages vergleichbar. Denn dort wie hier drohe die Gefahr, dass eine einmalig eingegangene vertragliche Verbindung nicht mehr ohne Weiteres rückgängig gemacht werden könne. Zudem begegne es – entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, für die die Antragstellenden auf den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 17. September 2019 (BVerfGE 152, 55 – Beschlussfähigkeit des Bundestages II) verweisen – erheblichen verfassungsrechtlichen, vor allem rechtsstaatlichen Bedenken, dass das Grundgesetz grundsätzlich keine präventiven Maßnahmen gegen „nur“ formell verfassungswidrige Gesetze kenne.
B.
3
Der erneute Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
4
Das Vorbringen der Antragstellenden geht bereits fehl in der Annahme, durch die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei das Vorliegen einer Verletzung der in der Hauptsache geltend gemachten Rechte „eingeräumt“. Das Bundesverfassungsgericht unterstellt bei einer Entscheidung nach § 32 BVerfGG lediglich als eine der beiden gegeneinander abzuwägenden Möglichkeiten, dass eine einstweilige Anordnung unterbleibt und der Antrag in der Hauptsache Erfolg hätte. In dem verfahrensgegenständlichen Beschluss des Senats vom 17. März 2025 – 2 BvE 10/25 -, Rn. 7 – Alt-Bundestag VII – eA, ist ausgeführt worden, dass die Entscheidung über eine Verletzung der Abgeordnetenrechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG der Hauptsache vorbehalten – und damit offen – ist.
5
Die daran anschließende Annahme der Antragstellenden, dass ein formell verfassungswidriges Gesetz in Rede stehe, ist nicht weiter begründet. Das Bundesverfassungsgericht hat noch nicht entschieden, ob die Verletzung von Rechten auf informierte Beratung und Beschlussfassung nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren die formelle Verfassungswidrigkeit des Gesetzes nach sich zieht.
6
Entgegen der Auffassung der Antragstellenden stellte das Inkrafttreten eines formell verfassungswidrigen Gesetzes auch keinen schweren Nachteil dar, den das Bundesverfassungsgericht im Wege einer einstweiligen Anordnung verhindern müsste. Das Grundgesetz kennt grundsätzlich keine präventive Normenkontrolle, die einen solchen Zustand verhindern würde. Dass verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nachgelagerter, kassatorischer Rechtsschutz ist, ist nicht nur aus grundlegenden Erwägungen demokratischer Gewaltenteilung gerechtfertigt, sondern trägt vor allem der ausdrücklichen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes Rechnung. Das Bundesverfassungsgericht hat danach die den anderen Verfassungsorganen – dem Bundestag, dem Bundesrat und dem Bundespräsidenten – obliegenden Kompetenzen, die auch die Prüfung eines Gesetzes umfassen, zu respektieren (vgl. BVerfGE 152, 55 <62 Rn. 21> m.w.N.).
7
Soweit die Antragstellenden vortragen, die hiesige Situation sei durchaus mit der Unterzeichnung eines völkerrechtlichen Vertrages vergleichbar, weil dort wie hier die Gefahr drohe, dass eine einmalig eingegangene vertragliche Verbindung nicht mehr ohne Weiteres zurückgängig gemacht werden könne, wird auf die Ausführungen des Beschlusses des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 17. März 2025 – 2 BvE 7/25 -, Rn. 7 – Alt-Bundestag V – eA, verwiesen.