BVerfG 2. Senat, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 17.03.2025, AZ 2 BvE 7/25, ECLI:DE:BVerfG:2025:es20250317.2bve000725
Art 38 Abs 1 S 2 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe
A.
1
Die Antragstellenden zu 1. bis 3. sind Abgeordnete des 20. Deutschen Bundestages, die der Gruppe Die Linke angehören, und gewählte Abgeordnete des 21. Deutschen Bundestages. Die Antragstellende zu 4. ist Abgeordnete des 20. Deutschen Bundestages und gehört der Gruppe Die Linke an. Sie wenden sich mit ihrer Organklage und ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter anderem gegen die Anberaumung und Durchführung einer Sondersitzung des 20. Deutschen Bundestages zur Änderung des Grundgesetzes nach der bereits erfolgten Wahl zum 21. Deutschen Bundestag.
I.
2
Hinsichtlich des der Organklage zugrundeliegenden Sachverhalts wird auf den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 2025 – 2 BvE 3/25 -, Rn. 2 ff. – Alt-Bundestag I, verwiesen.
II.
3
Zur Begründung ihres Eilantrages führen die Antragstellenden insbesondere aus, der Gesetzentwurf sei eigentlich von der zukünftigen Bundesregierung erarbeitet, die aber kein Recht zur Einbringung eines Gesetzentwurfs nach Art. 76 Abs. 2 GG habe. Zudem sei der Entwurf mehrfach kurzfristig verändert worden, die Ausschusssitzungen seien kurzfristig terminiert und dann doch wieder verschoben worden. Aufgrund der Eile und der mehrfachen Änderungen habe keine ordnungsgemäße Sachverständigenanhörung stattgefunden. Angesichts der Vielzahl an Verfahrensfehlern könne von einer schützenswerten Verfahrensautonomie des Bundestages nicht mehr die Rede sein.
B.
4
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
5
Ungeachtet der Frage, ob der Antrag in der Hauptsache unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, enthält das Vorbringen keine Gesichtspunkte, die bei der vorzunehmenden Folgenabwägung in Abweichung zum Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 2025 – 2 BvE 4/25 -, Rn. 9 ff. – Alt-Bundestag IV – eA, die Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung überwiegen ließen.
6
Die Entscheidung darüber, inwieweit das Vorbringen der Antragstellenden zum Ablauf der Gesetzesberatungen bis zum 16. März 2025 Anhaltspunkte für eine Verletzung des Rechts der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG auf informierte Beratung und Beschlussfassung enthält, ist der Hauptsache vorbehalten. Deren Erfolgsaussichten bleiben bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung grundsätzlich außer Betracht (vgl. BVerfGE 166, 304 <333 Rn. 97>; stRspr).
7
Eine speziell gelagerte Ausnahmekonstellation, in der es abweichend von diesem Grundsatz ausnahmsweise angezeigt ist, bereits im Verfahren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG eine summarische Prüfung anzustellen (vgl. BVerfGE 164, 1 <50 Rn. 166 ff.> m.w.N. – Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021 – eA), liegt ebenfalls nicht vor. Sie kommt etwa bei Angriffen gegen Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen oder gegen ähnliche Maßnahmen in Betracht, wenn eine Verletzung der Schutzgüter des Art. 79 Abs. 3 GG in Rede steht (vgl. BVerfGE 157, 332 <375 f. Rn. 70 f.> – ERatG – eA). In derartigen Situationen ist es Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Identität der Verfassung zu schützen (vgl. BVerfGE 132, 195 <233 Rn. 88>). Allerdings gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, wonach allein wegen der drohenden Schaffung von irreversiblen Folgen durch die angegriffene Maßnahme eine Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bereits im Verfahren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG stets geboten wäre. Vielmehr stellt die Frage, ob durch die angegriffene Maßnahme ein endgültiger und nicht wiedergutzumachender Schaden einträte oder nur unter ganz erheblichen Schwierigkeiten wiederausräumbare vollendete Tatsachen geschaffen würden, einen der Gesichtspunkte dar, welcher im Rahmen der umfassenden – aber ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmenden – Folgenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGE 164, 1 <51 Rn. 169> m.w.N.). Ein den anerkannten Ausnahmekonstellationen hinreichend ähnlicher Fall liegt hier nicht vor. Äußere Bindungswirkungen im völker- oder unionsrechtlichen Verkehr entstehen durch die geplanten Verfassungsänderungen nicht.